cingetreten, der auf Tage hinaus die Besorgnis vor einer Plötzlichen Wendung zum Schlimmsten mehr zurückgedrängt hat. Die Aerzte haben Herz und Lungen intakt gefunden, auch der Gang der Verdauung ist in voller Ordnung. Die Aerzte hoffen, daß nach dem Zustand des heutigen Tages Aussicht ist, daß eine Periode der Erholung folgen könnte.
Berlin, 23. April. Die Erleichterung und Erholung in dem Befinden des Kaisers ist auch nachmittags stetig im langsamen Fortschreiten begriffen gewesen. Der Kräftezustand wächst, der Appetit ist rege und das Fieber im weiteren Fallen. Die jüngst eingelegte Aluminium-Kanüle bewährt sich und macht die Atmung leichter. Die Nahrung ist eine sorgfältig gewählte und besteht aus verschiedenen Sorten Fleisch, leichtem Gemüse, Milch mit Traubenzucker und entsprechenden Mengen Weißbrotes; doch wird Sorge getragen, daß die Menge der Speisen dem Aufnahmevermögen des Magens entsprechend genommen wird. Das Schlucken bereitet keine Beschwerden. Ungefähr eine Stunde verbrachte der Kaiser auf dem Sopha, ohne von der Veränderung irgend welches Unbehagen zu empfinden. (Fr. I.)
Berlin, 23. April. Der Kaiser empfing nachmittags 4 Uhr den Reichskanzler. — Bei dem Empfang Bismarcks am 21. d. M. scheint der Kaiser noch bestimmte letzte Willensäußerungen in die Hände Bismarcks gelegt zu haben. Auf 10 Minuten mußten alle Anwesenden das Zimmer verlassen. Nur der Kaiser und Bismarck blieben allein, nachdem Letzterer den Kranken auf seinem Lager hatte aufrichten helfen. Bald darauf trat Bismarck mit tiefer Ergriffenheit in den Zügen aus dem Krankenzimmer und hielt in der Hand eine Anzahl vom Kaiser beschriebener Zettel, die er sorgfältig einsteckte, während sonst solche Zettel nach der Lektüre sofort in Gegenwart des Kaisers vernichtet werden müssen. Als später die Umgebung wieder eintrat, flüsterte der Kaiser gelegentlich: „Es ist gut, jetzt ist alles geordnet." Später schrieb er noch einige kurze Handbillets.
Berlin, 23. April. Der Kaiser hat den Bankier Geh. Kommerzienrat Schwabach (Firma S. Bleichröder), den Bankier Oskar Hainauer, den Maler Paul Meyerheim und den Bildhauer Oskar Begas in den Adelsstand erhoben.
Berlin, 23. April. Dem Grafen Herbert Bismarck ist nach einer Mitteilung der Börsen-Ztg. gestern vom Kaiser der Charakter als Staatsminister verliehen worden. lFr. I.)
Berlin, 24. April. Bezüglich des Testamentes des Kaisers Wilhelm erfahren wir, daß über das Privatvermögen, welches, wie wir bereits vor einiger Zeit meldeten, 24 Mill. Mark betrug, im Wesentlichen folgende Dispositionen gemacht worden sind: Es erhalten die Kaiserin Augusta 3 Millionen, die Großherzogin von Baden 1 Million, Kronprinz Wilhelm und Kronprinzessin Viktoria Augusta je eine Million, Prinz Heinrich 1 Million und ein für ihn erkauftes Gut. Außerdem fallen von einer Million Ersparnisse, über welche der Kaiser in seinem ersten Testament Anfangs der sechziger Jahre verfügte, dem Kaiser Friedrich drei Achtel, der Großherzogin von Baden zwei Achtel zu. Dem Krontresor sind zwölf Millionen überwiesen. Der Rest ist für eine große Reihe von Legaten bestimmt.
Berlin, 23. April. Wie nach der „M. A. Z." verlautet, hat die Großherzogin von Baden zu Gunsten der jüngsten Töchter des Kaisers auf ihr Erbteil aus Kaiser Wilhelms Nachlaß verzichtet. (?)
Berlin, 14. April. Die Königin von England ist mit Prinzeß Beatrice und dem Prinzen Heinrich von Battenberg heute vormittag im Charlottenburger Bahnhof eingctroffen, von der Kaiserin, dem Kronprinzenpaar, dem Prinzen Heinrich, dem Erbprinzenpaar von Meiningen und den 3 Prinzessinnen Töchtern noch im Salonwagen herzlichst begrüßt. Sie fuhr darauf in offenem Vierspänner an der Seite der Kaiserin, auf dem Rücksitz der Kronprinz und Prinzessin Beatrice, nach dem Charlottenburger Schloß, auf dem ganzen Wege von einer dichtgedrängten Menge mit lebhaften Hoch- und Hurrahrufen begrüßt.
Berlin, 24. April. Das Befinden d e s i Kaisers zeigt eine deutlich erkennbare Neigung zu! fortschreitender Besserung. Das Fieber fällt in den! letzten Tagen stetig ab und zeigt heute nur 38 Grad. Die Aerzte hoffen auf einen weiteren Abfall in An- ^ betracht der objektiven Erscheinungen in den letzten i Tagen und besonders der ' Rückkehr des Appetits. Trotzdem muß die Situation mit Vorsicht beurteilt!
werden. Die letzte Nacht war befriedigend. Husten und Auswurf sind gering. Die Gemütsbewegung in Folge des hohen Besuchs hat bisher einen üblen Einfluß nicht gezeigt.
Aus Berlin schreibt man der „Wr. Allg. Ztg.": Mit den jetzt eingetretenen sonnigen Tagen sollte bei der Großherzogin von Baden die Star- Operation am rechten Auge vorgenommen werden. Die Großherzogin war hierzu entschlossen und man traf bereits alle Vorbereitungen zur Operation. In letzter Stunde setzte man auch die Kaiserin-Witwe in Kenntnis; diese schloß ihre Tochter in die Arme und sprach: „Louise, es soll, es muß aufgeschoben werden. Darf man doch, wie ich höre, in den ersten Wochen nach der Operation nicht weinen, unsere Augen aber stehen in diesen Tagen stets voll von Thränen." Die Großherzogin fügte sich und meinte: „Mama hat Recht, ich will noch warten."
Es heißt jetzt, der Battenberger werde demnächst in einer öffentlichen Erklärung seinen endgültigen Verzicht auf den bulgarischen Thron aussprechen und gleichzeitig versichern, daß er auch ferner außer jedem Zusammenhang mit allem, was in Bulgarien geschieht, bleiben werde. Nach der Veröffentlichung dieser Erklärung werde dann seine Verlobung mit der Prinzessin Viktoria in Berlin stattfinden, gegen die Fürst Bismarck unter dem Vorbehalte des öffentlichen Verzichtes des Prinzen keine Einwendungen mehr erheben werde. Ob diese Nachricht richtig ist, muß sich ja bald zeigen.
Bei der Räumung der Gemächer des hochseligen Kaisers hat man auch zahllose Schriftstücke, Aufsätze, Briefe, Schulhefte 2c. aus der Jugendzeit Kaiser Wilhelms gefunden, die der greise Herr mit großer Pietät aufbewahrt hatte. Es dürfte sich daraus mancher interessanter Beitrag zur Jugendgeschichte des Kaisers ergeben.
Geh. Kommerzienrat Krupp in Essen hat ebenso, wie früher sein Vater schon, die angeborene Erhebung in den Adelstand dankend abgelehnt.
Hey betrug, 16. April. Das Elend, das die Ueber- schwemmung über unfern Kreis gebracht, ist unermeßlich. Vis zum vergangenen Donnerstag waren 80 Gebäude als vernichtet gemeldet und 985 Personen, waren täglich verpflegt worden.
Schweiz.
St. Gallen, 20. April. Das Konnte des deutschen Hilfsvereins hat an den Präsidenten des Zentralkomites, Hrn. Bürgermeister v. Forkenbeck in Berlin, als Ergebnis seiner Sammlung für die Ueber- schwemmten in Norddeutschland 5000 Frks. gesandt und dabei bemerkt, daß die Gaben zum größten Teil von Schweizern gespendet wurden. Das betreffende Schreiben lautet: „Wir fühlen uns angesichts der in letzter Zeit von Deutschland aus gerichteten, uns ungerecht scheinenden Angriffen gegen die Schweiz um so mehr zu dieser Mitteilung verpflichtet, als wir von einer Anymosität gegen Deutsche gar nicht das Geringste bemerkt, sondern im Gegenteil für unsere Bestrebungen stets die wärmsten Sympathien bei allen Klaffen der Bevölkerung gefunden haben." — Die Sammlung für die Ueberschwemmten Deutschlands ergab in Zürich bis jetzt schon über 18000 Frks.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 20. April. In diplomatischen Kreisen wird ein Wort des Kaisers Franz Josef zur deutschen Kanzlerkrisis verbreitet, das, wenn es genau wiedergegeben sein sollte, in hohem Grade geeignet wäre, die allgemeine Lage zu erklären, welche den Hintergrund zur Kanzlerkrisis darstellte. Der Kaiser soll zum Botschafter Prinzen Reuß gesagt haben, daß ihm ! durch die Kanzlerkrisis die größte Beunruhigung verursacht worden wäre; er habe deswegen schlaflose Nächte verbracht und sei sehr befriedigt, daß die Krisis jetzt am Ende, denn deren Fortdauer hätte nur unheilvoll für die Interessen Deutschlands und des europäischen Friedens sich geltend machen können.
Innsbruck, 23. April. Die Königin von England ist heute nachmittag um 2 Uhr hier eingetroffen und wurde vom Kaiser Franz Josef auf dem Perron des Bahnhofes empfangen. Die Begrüßung war eine sehr herzliche; der Kaiser küßte der Königin die Hand, reichte ihr darauf den Arm und führte sie in die Empfangsränme des Bahnhofs, wo ein Gabelfrühstück eingenommen wurde.
Frankreich.
Die Demonstrationen gegen den Frankreich beschimpfenden Bonlangismus mehren sich. Namentlich in Paris nehmen dieselben immer größere Dimensionen an und bei der Unberechenbarkeit der Franzosen wäre es gar nicht unmöglich, daß die Stimmung für den Exgrneral auf einmal ins Ge
genteil umschlägt. Der russisch-offiziöse „Nord" in Brüssel sieht im Emporkommen Boulangers oder eines Napoleon eine gleich große Gefahr, weil beide sich nur durch eine auswärtige kriegerische Unternehmung behaupten könnten. Der „Nord" ermahnt die konservativen Kreise Frankreichs, sich gegen den Boulangismus zu verbinden, glaubt aber nicht, daß die Rückkehr Frankreichs zum Cäsarismus sich aufhalten lasse. Die Zeit wirds lehren.
Paris, 22. April. Wegen der Mißhandlung von Deutschen in Belfvrt wurden verurteilt: Charpin zu 15 Tagen Gefängnis und 15 Frks., Merlin zu 10 Tagen und 15 Frks. und Cevi zull Frks. Geldbuße. Der Staatsanwalt hob in seiner Rede hervor, daß man die hauptsächlichen Schuldigen vor Gericht gezogen, um zu zeigen, daß Frankreich des Rufes als gastfreundliche Nation würdig geblieben.
Paris, 23. April. In der Patriotenliga ist nunmehr die definitive Spaltung erfolgt. Die Delegiertenversammlung lehnte mit 21 gegen 18 Stimmen die Zustimmung zu der Ernennung Derouledes zum Ehrenpräsidenten ab. Die Aktionsgruppe beschloß im Einverständnis mit Deroulede, die Liga auf neuen Grundlagen zu rekonstituieren.
Lebst Du auch noch? fragt man unwillkürlich, wenn man liest, daß Ollivier, der Minister Napoleons III., der 1870 „mit leichtem Herzen" für den Krieg gesprochen und gestimmt hat, sich wieder regt. Seither so gut wie verschollen, steht er wieder auf der leichten und leichtsinnigen Seite unter den Parteigängern Boulangers und des Krieges.
Belgien.
Brüssel, 22. April. Die aus der Schweiz ausgewieseneu Sozialdemokraten werden sich, sicherem Vernehmen nach, in Brüssel niederlassen; es heißt, der „Sozialdemokrat" solle von hier aus redigiert werden.
Italien.
Rom, 19. April. Der König von Schweden machte gestern um die Mittagsstunde dem Königspaar einen Besuch. Die Begegnung der beiden Könige war ungemein herzlich.
Rom, 21. April. Ras Alula forderte durch ein Edikt die Abessynier auf, ruhig die Arbeit aufzunehmen, und spricht die Hoffnung auf einen definitiven Friedensschluß mit den Italienern aus.
Rom, 22. April. Heute landeten in Neapel die ersten aus Massauah zurückkehrenden '.Truppen, 700 Mann. Dieselben wurden von der Bevölkerung freudig begrüßt.
Rom, 22. April. Der Papst empfing etwa 800 polnische und ruthenische Wallfahrer.
Rom, 23. April. (Schöne Seelen.) Das Garibaldinerblatt „Camicia Rossa" publiziert das Antwortschreiben Boulangers auf die Adresse der Garibaldiner. Boulanger versichert die Italiener seiner tiefen Hochachtung, welche die Manöver der jetzigen Staatsmänner nicht schmälern können. Das genannte Hetzblatt fährt fort: In der Stunde des Kampfes Frankreich gegen das verwünschte Deutschland werden die Garibaldianer nach Frankreich eilen, um unter Boulangers Fahne zu kämpfen.
Aus Genua sind von den dortigen Deutschen 5000 Lire für die Ueberschwemmten beim Berliner Centralkomite eingegangen.
England.
London, 23. April. „Standard" meint, der Begegnung der Königin mit dem Kaiser von Oesterreich sei keine politische Bedeutung beizumessen. Erfreulich sei jedoch, den freundlichen Sinn wahrzunehmen , in welchem ein Ereignis, wie der Besuch der Königin in Berlin, von den Berliner und Wiener Blät ern besprochen werde. England beteilige sich nicht förmlich an dem Dreibunde, aber die ganze Welt kenne die Richtung, in welcher sich seine Sympathien bewegen. Der Dreibund allein schütze den Orient vor einem sofortigen Ausbruche des Krieges.
London, 23. April. Die „Times" sagt: In der gegenwärtigen Krisis und bei den ernsten Besorgnissen der deutschen Nation wird der Besuch der Königin in Berlin das tiefste Interesse erwecken. Die Königin trägt die innigste Teilnahme der britischen Nation an das Schmerzenslager des Kaisers Friedrich.
Es giebt Engländer, die Boulanger nicht trauen. Sie meinen, er werde, zur Gewalt gekommen, am Ende lieber England überfallen als Deutschland, denn Deutschland sei gerüstet, England aber nicht, und von Boulangers Frau sei es bekannt, daß sie eine grimmige Feindin Englands sei. Die „St. James Gazette" ist's, die solche Gespenster sieht.
Rumänien.
Bukarest, 23. April. Aus Bessarabien (Ruß-