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^ Ucberschwemmungen in außerordentliche Not und Be­drängnis geratenen norddeutschen Brüder. Durch 6 ^ Kollekteure wurden für diesen Zweck in letzter Woche freiwillige Gaben ersammelt, welche sich auf die schöne Summe von 523 ^ beliefen, die gestern an die K. Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins in Stuttgart abgingen.

(Eingesendet.) Das Konnte für ein Natio- / naldenkmal auf dem Hohenstaufen, welches sich in Göppingen konstituiert hat und welchem u. a. der Abg. Länderer angehört, hat einen Aufruf ver­faßt. In demselben heißt es: Man nenne es nicht Eigenbrötelei oder einen hereingeworfenen, Zerspal­tung bewirkenden Zankapfel, wenn der Hohenstaufen als der richtige Platz für ein nationales Kaiser­denkmal in den Vordergrund gerückt wird. Das soll es nicht sein. Im Gegenteil liegt darin, richtig verstanden, einigende Kraft. Der Hohenstaufen ist gleichsam ein neutrales Gebiet in dem Spiel der Meinungsverschiedenheiten und auseinandergehender Strebungen einzelner Städte, aus welchem sich alle einigen, vor welchem sich alle beugen können, ohne sich das Geringste zu vergeben. Mit diesem für Deutschland historisch so denkwürdigen Berg kann man auch keine Sonderbündelei treiben wollen. Seine Lage ist keine zu machende, sondern sie ist einmal geographisch gegeben. Darüber freuen sich allerdings die Nächstliegenden Städte, aber sie würden mit der­selben Wärme für ihn eintreten, wenn er zufällig in der nächsten Nähe von Stuttgart oder sonstwo läge. Und so darf man mit gutem Recht in das Land Hinausrufen: Ein Nationaldenkmal auf den Hohenstaufen! Wir ersehen ferner aus dem Aus­ruf, daß das Komite selbst nicht der Ansicht ist, in Württemberg allein die für ein solches Denkmal not­wendige Summe zusammenzubringen. Es reflektiert auch auf das übrige Deutschland und auf die Deut­schen in fernen Weltteilen. Der Aufruf schließt: Soviel ist sicher: hätten andere Nationen einen Kaiser Wilhelm gehabt und hätten dieselben einen Hohenstaufen, ein Nationaldenkmal auf demselben würde nicht lange auf sich warten lassen. Mit den­jenigen aber kann man nicht rechten, welche heute noch, nach den großen Errungenschaften von 1870 den Gedanken vertreten: Die einzig würdige Gestalt des Hohenstaufen sei das Kahle seines Scheitels, das absolute Nichts auf demselben."

Stuttgart, 8. April. Der evangel. Bund zählt in Württemberg 3500 Mitglieder. Am stärk- sren ist die Mitgliederzahl in den Diözesen Oehringen und Ulm (über 400), Aalen und Reutlingen (weit über 200), Brackenheim (über 150). Am 5. d. M. fand hier eine Versammlung von Vertrauensmännern des Bundes statt. Als die nächsten Ausgaben des Bundes wird die Herausgabe von regelmäßigen Mit­teilungen des Bundes und die Frage der gemischten Ehen bezeichnet.

808. Stuttgart, 13. April. Gestern abend sprach Hofprediger Stöcker von Berlin im Fest­saale der Liederhalle, der überfüllt war von Personen beider Geschlechter und aller Stände. Aus der höhe­ren Gesellschaft waren u. a. anwesend I. K. H. Frau Herzogin Wera und der kgl. preußische Gesandte Graf v. Wesdchlen; die gesamte evangel. Geistlichkeit, die Führer der konservativen Partei und des evaug. Bundes rc. Die Fülle war so groß, daß man die Berichterstatter aller hiesiger und auswärtiger Zei­tungen auf das Podium plaziert hatte. Unter laut­loser Stille trat der mit Spannung erwartete Redner auf. Das Thema, das dem Redner gegeben und wie er zugab, von ihm freudig accepticrt worden war, lautetedie soziale und kirchliche Not der großen Städte". Es wurden zuerst die sozialen Notstände von London und Berlin verglichen, wobei es sich zeigte, daß dieselben im Themsebabel allerdings noch viel bedeutender seien, als in Berlin. Unter Dar­legung der sozialen Not in Berlin, fährt Redner fort, die Zuwanderung junger Elemente, die keinen festen Anhaltspunkt haben, ist die erste Ursache des sozialen Elends, da jene gar bald im Strudel und der Verführung der Großstadt sittlich untergehen; die zu frühe Verheiratung, zumeist ohne kirchlichen Segen, mit dem Kindersegen, der Mangel an Nah­rung für die Kinder, an Erziehung derselben, an ir­gend welchem Familienleben die zweite Ursache, zu der sich der geringe Lohn gestellt, wodurch die so oft beklagte Unzufriedenheit entsteht. Hieraus entwickelt sich das Verbrechertum, der Bettel und die soziale Not hat ihren Gipfel erreicht. Ihr folgt die kirch­

liche; die Eheleute sind nicht getraut, die Kinder nicht getauft, Kirchen werden nicht besucht; es gibt zudem weder Kirchen noch Seelsorger genug in Ber­lin, um die Hunderttausende zu befriedigen und so entsteht ein Geschlecht, dem nichts im Himmel und auf Erden heilig ist. So müßte also die Grundord­nung wieder hergestellt, in der Persönlichkeit der ge­sunde Geist geweckt, das Familienleben wieder gewon­nen und die Gemeinschaft, die freie organische, zum Schutz der einzelnen Persönlichkeit geschaffen, das religiöse Element gepflegt werden. Korporationen müssen gegründet, durch sie kann das Rätsel der sozia­len Frage gelöst werden. Weder Staat noch Kirche allein können die Notstände ändern, die nur im Zusammenwirken beider erfolgreich bekämpft werden können. In Berlin thut die Stadtmission mit ihren Missionsleuten viel, die den kleinen Mann aufsuchen, die kirchliche Seelsorge versehen und hunderttausende zur Kirche zurückführen. Die persönliche Evan­gelisation mit Bibelstunden, die gepredigte und gedruckte Evangelisation (Verbreitung von Hun­derttausenden christlichen Schriften allwöchentlich) und sogar die gesungene Evangelisation (Knaben, die im Chor in Höfen christliche Lieder singen und die Gebräuche alter Zeit wieder aufleben lassen) wirken in Berlin Wunder. Man muß jedes Mittel anwen- deu, um zum Volke zu gelangen. Aber es ist auch die höchste Zeit dazu helfet alle Ihr Reichen und Großen und mildert den sozialen und kirchli­chen Notstand, da er nicht ganz bezwungen werden kann; lasset Eure Liebeskraft wirken, denn ohne sie kann nichts erreicht werden! Lautlos hörte die Menge dem anderthalbstündigen Bortrage zu, nun aber brach ein minutenlanger enthusiastischer Bei­fall los.

Brandfälle: Am 11. April in Dennach (Neuenbürgs das von Bauer König und Schreiner Baier gemeinschaftlich bewohnte Haus und drei Schweine.

Sigmaringen, 12. April. Durch Verfü­gung des K. Ministeriums wurde jeder größeren Schulgemeinde Hohenzollerns das Bildnis Kaiser Wilhelms mit der Bestimmung übergeben, es in den Schullokalen anzubringen.

Karlsruhe, 13. April. Die Kammer ge­nehmigte den Staatsvertrag mit Württemberg über die Herstellung einer Eisenbahn von Schramberg nach Schilt ach.

Mannheim, 12. April. Das Trauergcläute zum Gedächtnis an das Ableben unseres Kaisers Wilhelm kostete die hiesige Stadt 1423 vlL

Das bayerische Abgeordnetenhaus lehnte am Donnerstag Petitionen gegen deu Impfzwang mit Stimmengleichheit ab.

Nürnberg, 14. April. Der Kaiser spendete für die Restaurierung der hiesigen Sebalduskirche 20000 Mark.

Als nach dem Hinscheiden des Kaisers seine Privatgemächer inventarisiert wurden, fand man ganz unerwartet eine Summe von 60000 baren Gel­des. Einen derartigen Fonds benutzte wahrscheinlich der kaiserliche Herr zu seinen zahllosen Pcivatunter- stützungen.

Berlin, 12. April. Nach derPost" dürfte die Kanzlerkrisis definitiv als beseitigt anzusehen sein. Dieselbe teilt nemlich mit, daß die Kaiserin den Be­denken des Fürsten Bismarck bezüglich des bekannten Heiratsprojekts nachgegcben habe. Man erzählte, die hohe Frau habe beide Hände des Fürsten ergriffen und mit bewegter Stimme ausgerufen:Ich opfere das Glück meiner Tochter auf dem Altar des Vater­landes".'

Berlin, 12. April. Bei der hiesigen Zent­ralsammelstelle für die llebcrschweinmten sind bereits nahezu siebenhunderttausend Mark eingegangen und weitere größere Summen werden noch in nächster Zeit zufließen; immerhin ist die Not so groß, daß weitere Beiträge dringend erwünscht sind.

Berlin, 12. April. Nach einem Brüsseler Telegramm derKreuzztg." hat das bonapartistische Wahlkomite auf Befehl des Prinzen Viktor Napoleon 250 000 Frks. für die boulangistische Wahlagitation im Norddepartement angewiesen.

Berlin, 12. April. Wie aus Darmstadt ge­meldet wird, hat der Prinz von Battenberg auf An­raten aus Charlottenberg die beabsichtigte Reise an den kaiserlichen Hof endgültig aufgegeben.

Berlin, 13. April. Das bekannte Verlo­bung sproje kt wird jetzt wieder nur als auf un- !

j bestimmte Zeit vertagt, nicht als völlig aufgegeben ! bezeichnet.

! Berlin, 13. April. Die Stellvertretung des ! Kronprinzen Wilhelm ist nunmehr durch Zu­weisung bestimmter Gebiete geregelt.

Berlin, 14. April. Die den Abgeordneten ^ zugegangene Notstandsvorlage fordert 34 Mill., wo­von 20 zu Gewährung von Staatsbeihilfen an Ein­zelne und die Gemeinden, 8 zur Wiederherstellung der Teiche und llferwerke. 4 zur Wiederherstellung , der beschädigten Staatsbahnen, 2 zu anderen fiska-

- lischen Bauten erforderlich erachtet werden. Der ganze ! Betrag wird auf dem Wege der Anleihe durch Ver­äußerung eines entsprechenden Betrags Schnldver-

! fchreibungen aufgebracht.

i Berlin, 14. April. Die Vorlage der Al­giers- und Jnvaliden-Versicherung befindet ! sich gegenwärtig im Kabinet des Kaisers zur Unterschrift.

- Die vor wenigen Tagen verbreitete Nachricht, König Albert von Sachsen solle im Falle ein-

! tretender Mobilmachung des Kaisers den Oberbefehl j über die deutschen Streitkräfte übernehmen, wird jetzt ! für unbegründet erklärt.

Berlin, 14. April. Der Kronprinz ließ dem ! Oberpräsidenten v. Achenbach 10 000 ^ für die ' Ueberschwemmten zugehen.

j Die Kaiserin Viktoria soll die Absicht i haben, auch die Ueberschweinmungs-Gebiete der Elbe ! und Nogat zu besuchen. Der Oberpräsident von Po- ! sen veröffentlicht den Dank der Kaiserin für den ihr i dort zu Teil gewordenen Empfang. Aufsehen hat es ! erregt, daß die Kaiserin in Posen eine Deputation j von polnischen Damen empfangen hat, deren Führe- ^ rin , die Gräfin Kwilccka , sich in französischer ! Sprache an die Kaiserin gewandt hat.

! Es war noch in San Remo, als die jetzige -Kaiserin Viktoria einmal sagte, sie wisse wohl, daß die ganze Mackenzie-Hetze nur ihr gelte. Sie müsse aber versichern, daß sie Mackenzie gar nicht gekannt habe, ehe er von deutschen Aerzten ihrem Ge­mahl empfohlen worden sei. Thatsache ist allerdings, daß Mackenzie von Berliner medizinischen Autoritäten vorgeschlagen worden ist. Professor v. Bergmann ge­bührt das Verdienst, den Fürsten Bismarck auf Mak- kenzie hingewiesen zu haben, als im Mai vorigen Jahres der Kanzler Einspruch gegen den Vorschlag einiger Aerzte erhob, eine der gewagtesten Operatio­nen an dem Thronfolger vorzunehmen.

Die Lohnbewegung in Berlin beginnt eine bedenkliche Ausdehnung anzunchmen. Schon haben die Nageljchmicde die Arbeit eingestellt. Die Schuhmacher und Schmiede stehen dicht vor dem Strikc und bei den Stuckateuren, Steinträgcrn und Putzern hat die Tarifbewegung bereits so lange gewährt, daß jenes letzte Mittel in ihrem Kampf gegen die Arbeitge­ber leider voraussichtlich auch kaum unterlassen werden dürste. Die Lackierer dagegen liegen schon seit mehreren Wochen mit der Innung in fruchtlosem Kampf. Allen diesen haben sich jetzt auch die Tijchlergcsellen angcschlosscn.

Strasburg, 8. April. Der durch das Hoch­wasser hier angerichtete Schaden ist thatsächlich viel bedeutender, als angenommen wurde, denn immer noch fallen Gebäude zusammen. Biele Leute sind vollständig ruiniert, Private und Banken werden ganz ! bedeutende Hypothekenkapitalien verlieren, denn Haus- ! grundstücke, welche 2530 000 ^ und mehr Wert waren, sind nichts weiter mehr als Stücke aufge­weichten, zerbröckelnden Mauerwerks. Viele Familien sind obdachlos geworden, eine ganze Kompagnie un­serer Garnison hat in die benachbarten Dörfer in Quartier geschickt werden müssen,

Breslau, 12. April. DerBreslauer Ztg." zufolge stellten von 3000 Arbeitern der Dicrig'schen Fabrik in Neichenbach 540 Weber die Arbeit wegen Verlängerung der Arbeitszeit ein.

In Breslau wird eine große Adresse an S. M. den Kaiser vorbereitet, in welcher die Bitte aus­gesprochen ist, der Kaiser möge den Reichskanzler Fürsten Bismarck nicht von seiner Seite lassen. Für Donnerstag abend ist eine große Volksversammlung einberufen gewesen. (Ist politisch unklug. Red.)

Bei den U e b c r s ch w e m m u n g e n im Norden wa­ren am meisten zu beklagen die Schwerkrankcn. Im Wasser konnte man sic nicht liegen lassen; bevor nicht die größte Not und Gefahr, mochte mau sie nicht fortschaffen. Oft mußte man in der Nacht sie einem Kähnchen anvertrauen und in die Fremde fahren: dort bringt ein Mann seine Frau (Wöchne­rin) mit ihrem Kinde auf den Heuboden; die Wände des Hauses, aus Lehm gefertigt, erweichen; mit Lebensgefahr > muß sie weitergeschafft werden, ehe noch das Haus stürzt, j Das Wasser ist zu flach; cs gilt Frau und Kind ans Hunderte ^ von Schritten durch den aufgeweichten Erdboden zu tragen. Au anderer Stelle ist eine Mutter niedcrgekommen Mau ahnt die Gefahr nicht noch nie ist in das Dorf seit Men-