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gestern mittag in Begleitung eines Dieners aus Bad Reichenhall hierher und wurde am Zentralbahnhof von dem Prinzen Ernst von Sachsen-Mei­ningen, dem Legationssekretär Graf zu Eulenburg und dem Militär­attache Major v. Wildenbruch empfangen, mit welchen Herren auch das Diner im Königssalon des Bahnhofes eingenommen wurde. Am Nachmittag wurde eine Spazierfahrt durch die Stadt unternommen und Abends 5 Uhr 28 Minuten setzte Prinz Wilhelm die Reise zunächst nach Bayreuth fort.

Dem Vernehmen nach wird die äußere Ausrüstung der Truppen der bayerischen Armee demnächst einige Veränderungen erleiden. Die Pickel­haube, für deren Einführung sich Prinz Arnulph mehrfach bemüht haben soll, wird nicht kommen. Die bayerischen Raupen sind gerettet. Dagegen wird der Namenszug auf der Helmvorderseite verschwinden und dem bayerischen Wappen, gehalten von zwei Leuen mit drohend heraus gestreckter Zunge und heraldisch geringeltem Schweife Platz machen. Das erste und zweite Chevaux- legersregiment erhält an Stelle der grünen Hosen blaue mit weißen Streifen. Auch die bisherige karmoisinrote Auszeichnung der Aermelaufschläge, Achselklappen und Kragen der Chevauxlegers soll der Auszeichnung von weißem Tuche Platz machen. Die grünen Waffenröcke aber bleiben vorderhand.

Schweiz.

B er n, 20. Aug. Anläßlich der drohenden Ausbreitung der Cholera in Oberitalien ließ der Bundesrat die üblichen cholerapolizei­lichen Maßregeln sofort in Kraft treten, erneuerte die früheren diesbezüglichen Vorschriften für den Gotthardbahnverkehr, die Dampf­schiffahrten auf dem Luganersee und die Postfahrten und untersagte die Ern- unv Durchfuhr von ungeheizten Häuten, von ungewaschner Wolle, Hadern, alten Kleidern und Reisegepäck, ausgenommen das Gepäck, das Reisende auf der Fahrt von Italien nach der Schweiz mit sich führen.

Rußland.

Petersburg, 20. Aug. DerPol. Corr." wird von hier geschrieben: Am 1. September beginnen die großen Manöver im Militärbezirke Warschau, woselbst bereits mehr als 40,000 Mann der verschiedenen Waffengattungen konzentriert sind und auch zu Manöverzwecken provisorische Befestigungsarbeiten ausgesührt werden. Es ist bestimmt, daß Kaiser Ale­xander Ul. diesen Manövern beiwohnen wird, und wahrscheinlich wird derselbe bei dieser Gelegenheit den Besuch des Prinzen Wilhelm von Preußen erhalten.

St. Petersburg, 20. Aug. Die großen Manöver in der Umgegend von hier, denen deutsche, östreich., englische, französ., schwedische, dänische und japanesische Offiziere beiwohnen, begannen gestern und endigen am Montag. Ihretwegen nahmen die Majestäten zeitweiligen Aufenthalt in Krasnojs-Selo.

England.

London, 19. Aug. In Woolwich wurde gestern ein iZh^zölliges 68 Tonnen-Geschütz, die größte bis jetzt fabrizierte Hinterladerkanone nach dem neuesten System, probiert. Zehn Schüsse wurden abgefeuert; man begann mit 489 Pfund Pulver und steigerte sodann die Ladung bis auf 590 Pfund. Die Versuche brachten ein befriedigendes Ergebnis.

Gcrges-Weuigkeiten.

E> Calw, 22. August. Die gestern abend abgehaltene Monatsversamm­lung desCalwer Liederkranzes" war wohl eine der gelungensten Feier, die der Liederkranz je veranstaltet hat. Nicht als ob besondere Vor­bereitungen hiezu getroffen oder größere Gesangsaufführungen stattgesunden hätten nein! was diese Vereinigung zu einer so gemütlichen und familiären Feier machte, das war die Harmonie, der Einklang unter den Sängern und den übrigen Mitgliedern, das war die Liebe und die Begeisterung für eine schöne, edle Sache, für etwas Schönes und Erhebendes, für den Gesang. Zugleich wurde in Verbindung mit der Monatsversammlung eine Schuld der Dankbarkeit, zu der der Verein seinem musikalischen Dirigenten in hohem Maße verpflichtet ist, durch Verabreichung eines Ehrengeschenkes abgetragen. Nachdem durch den brausenden Chor des prächtigen VaterlandsliedesHerz

voll Mut, Blick voll Glut, arm im Streite brav und gut! Ruhm entflammt allesammt, wer von German stammt!" die Versammlung eröffnet und mehrere Abstimmungen über Neuangemeldete vorgenommen waren, erhob sich der Vorstand des Vereins, Hr. Verw.-Akt. Ziegler, und überreichte dem Hrn. Liedeikranzdirektor Müller einen sehr schönen, kunstvoll gearbeiteten Ring, indem er in seiner Ansprache bemerkte, daß der SpruchNur Fleiß, Beharrlichkeit und Hingebung führen zum Ziel", sich besonders an dem Verein bewahrheitet habe, da nur durch diese Faktoren der schöne Erfolg, den wir in Hsilbronn errungen und um den uns Tausende beneidet haben, möglich gewesen sei. Daß die Sänger sich alle Mühe gegeben, sei ja bekannt und sehr anzuerkennen, besonderen und den höchsten Dank aber verdiene der Leiter des Vereins, Hr. A. Müller, der mit Einsetzung seiner vollen Kraft, mit Ernst und Sorgfalt und mit offenem Sinn für das Schöne bemüht ge­wesen sei, den Verein immer mehr zu fördern und ihn zum höchsten Triumph, zu einem Preis, zum Siege zu führen. Er möge daher diesen Ring als schwaches, aber aus dem Herzen kommendes Zeichen der Dankbarkeit an­nehmen und ihn stets als ein teures Angedenken an den Liederkranz tragen. Er schloß mit einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf den Direktor Müller. Sofort entgegnete derselbe, daß er für dieses sinnige und schöne Geschenk dem Liederkranz seinen besten Dank abstatte, zugleich müsse er aber jedes Verdienst von sich ablehnen, indem nur durch die eifrige Thätigkeit und treue Hingebung des Vorstandes und der Sänger es möglich gewesen sei, die freu­dige Errungenschaft in Heilbronn heute zu feiern. Der Vorstand habe in jeder Beziehung gethan, was in seinen Kräften stand, er habe selbst eifrig mitgesungen und habe den Verein jederzeit würdig vertreten, so daß der Liederkranz überall aufs beste ausgenommen worden sei; die Sänger aber haben es sich viele Mühe und Zeit kosten lassen, haben oft 34malige Proben in der Woche regelmäßig besucht und mit ganzem Ernst gestrebt, seinen Wei­sungen pünktlich nachzukommen. Er weihe daher sein Hoch dem Vorstand und den Sängern des Liederkranzes. Nun folgten Reden und Gesänge in rascher Aufeinanderfolge. Zunächst ergriff der Vicevorstand Hr. Knödler das Wort, um der edlen Sache, die der Verein erstrebt und besonders dem deutschen Lied ein begeistertes Hoch zu bringen. Nach dem Gesang des wunder­bar anmutenden Felsenkreuzes:Von Glorienlicht umflossen" von C. Kreuzer trat Hr. Kollaborator Bäuchle auf, um in humoristischer und ernster Weise über den Gesang zu sprechen. Derselbe führte aus, daß der allen Völkern eigene Gesang den Menschen als treuester Freund auf seinem vielgestaltigen Lebenswege begleite; dieser treue Freund stehe schon an der Wiege des jungen Weltbürgers, er begleite Knaben und Mädchen auf den Spielplatz, die tur­nende Jugend ziehe mit Sang und Klang durch Wald und Auen, der Genius des Liedes stehe dem wandernden Burschen treu zur Seite und erhalte in ihm die Liebe zur teuren Hermat; die Klänge des Liedes beleben den Fleiß in der Werkstatt; der Gesang erhöhe die Freuden der Geselligkeit, er verlasse die Menschen in den ernstesten Stunden nicht, er marschiere mit den wackeren Kriegern in Reih und Glied und selbst beim letzten Gang verlasse uns das Lied nicht und bringe Trost in die Herzen der Trauernden. Er schloß mit der Aufforderung, den Gesang, der ja auch in der Natur zum schönsten Konzert von den Vögeln gestaltet wird, hoch zu halten, die Befriedigung des eigenen Herzens werde nicht ausbleiben. Reicher Beifall lohnte diese Aus­führungen. Der Vorstand dankte sodann noch Hrn. Zilling für seine geschmackvollen Anordnungen und seine Bemühungen beim Empfang und bei dem Gartenfest, worauf dieser in bekannter, trefflicher Entgegnung den 4 Stimmen der Sänger ferneres Gedeihen und weiteren Erfolg wünschte. Auch die Opferwilligkeit der passiven Mitglieder wurde rühmend anerkannt. Hie­rauf gedachte Hr. Kollaborator Bäuchle der großen Begeisterung vor 5060 Jahren, die sich für den Gesang in der Gründung der verschiedenen Männergesangvereine in Stadt und Land kund that. Uebergehend auf den Schwäbischen Sängerbund, der die alte ehrwürdige Fahne des Liederkranzes nach beinahe 50jährigem Dasein noch mit einer Medaille geschmückt habe, bemerk,e derselbe, daß dieser Verein, aus kleinen Anfängen entstanden, nun­mehr in vollstem, kräftigstem Mannesalter stehe und durch seine Aufführungen in Heilbronn einen glänzenden Beweis seiner sehr hohen Leistungsfähigkeit

hegt, deren Ihr mich widerholt versichertet, so rächt mich an dem Menschen, der mich ousgesandt, um Euch zu töten.

Der Kommerzienrat Etwold"

Etwold nennt er sich mit kaum so viel Recht, als mit dem ich mich Duprat nenne, denn dieser ist der Mädchenname meiner Mutter. In Wahrheit heißt er Wellnau und ist mein Vate r."

Riston machte eine heftig abwehrende Bewegung.

Unterbrecht mich nicht!" rief Duprat.Er liebte meine Mutter nicht, um sich ihrer zu entledigen und eine vornehme reiche Dame heiraten zu können, ließ er sie in ein Irrenhaus sperren und sich auf Grund ihresunheilbaren Wahnsinnes" von ihr scheiden. Meiner entledigte er sich, indem er mich an Leute zur Erziehung gab und dann heimlich fortging, übers Meer, um hier in Deutschland unter einem fremden, seinem jetzigen, Namen wieder aufzutauchen. Das Andere geschah drüben in Canada. Ich hatte es dennoch gut bei den Leuten, in deren Pflege und Obhut er mich gegeben. Sie ließen mich für den kaufmännischen Stand erziehen; und als ich groß war, sagten Sie mir, daß ich nicht Duprat heiße, wie Sie mich nach meiner Ihnen bekannten unglücklichen Mutter genannt, sondern Welnau. Ich erfuhr von ihnen den ganzen schändlichen Handel die Jrrsinnigerklärung meiner Mutter und die feige Flucht meines schuldbeladenen Vaters. Für Geld hatte er seiner Gattin Aufnahme in eine Anstalt erwirkt, und die schreckliche Behandlung, die der Aermsten dort zu Teil wurde, sowie die Entziehung ihres einzigen geliebten Kindes hatte sie wirklich wahnsinnig gemacht. Ich erwirkte ihre Untersuchung durch unparteiische Aerzte, und sie konnten meinen Vorhaltungen nur mit Achselzucken begegnen. Da durchzuckte «s mich blitzartig mit dem Gedanken einer furchtbaren Rache. Auch er sollte im Irrenhaus enden! Zu diesem Zwecke folgte ich ihm übers Weltmeer und spürte ihn auf hinter seinem falschen Namen und einem hochklingenden Titel. Seine Photo­graphie aus früheren Jahren wurde mir der Pfadfinder zu seinem Versteck. Ich ver­

schaffte mir Aufnahme in sein Geschäft und erschmeichelte mir seine Gunst und sein Vertrauen, bis ich in meiner jetzigen einflußreichen Stellung eine vollständige Herr­schaft über ihn errang, der er sich zähneknirschend beugte. Er ahnte nicht, wer ich war, und glaubte an meine Treue.

Mit mir war aber das Unglück in sein Haus eingezogen.

Seine über Alles geliebte Frau starb. Dann kam der Mord in der Schweden- gaffe, den ich beging, aber nicht, um ihn vor der Rache des jungen Förster zu retten, dem er einmal die Hand seiner Tochter verweigert hatte, und dessen Vater er vor Jahr und Tag spurlos verschwinden ließ, als derselbe etwas entdeckte, was ihm ver­derblich werden konnte."

Auf Riston's Befragen über diesen Punkt berichtete ihm Duprat, was wir aus dem früher Erzählten schon wissen.

Meiner eigenen Rache", fuhr dann Duprat fort,wollte ich ihn aufbewahren, und zu jener sollte mir das Geld mit verhelfen, welches ich dem ermordeten jungen Förster abnahm. Dryden hat es mir gestohlen. Aber daraus brauche ich mir Nichts zu machen; meine große Rache reifte schon ihrer Vollendung entgegen. Der geheim­nisvolle Mord in der Schwedengasse legte den Keim zu einer schrecklichen Gedanken­wirrnis bei Etwold; und jetzt befindet er sich auf dem besten Wege zum Irrenhaus. Wenn er den Kellergewahrsam öffnet, wird er neben dem alten Förster auch seinen Sohn Eduard als Leiche vorsinden. Und Das wird ihm verhängnisvoll werden."

Sein Sohn Eduard? Wieso?" fragte Riston. Und Duprat, schon mit ab­nehmenden Kräften, erklärt ihm auch Das.

Jener hatte bisher mit solcher fieberhaften Spannung gelauscht, daß er des Anderen nahe Auflösung vergaß. Er wurde jetzt in einer erschrecklichen Weise daran erinnert.

O; wie gerne möchte ich Dir Hilfe bringen!" rief er verzweifelt.Und doch ich wage es nicht; ein Arzt wird Alles vorzeitig verraten."

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