ausspricht: Es bestehe zwischen dem Kaiser Friedrich und dem Fürsten Bismarck ein vorzügliches Einverständnis; dasselbe beruhe auf vollem gegenseitigem Vertrauen, welches, nachdem früher von interessierter Seite geflissentlicht genährte und vergrößerte Mißverständnisse durch gegenseitige offene Aussprache völlig beseitigt worden, den Geschäftsgang überhaupt, sowie die Einführung des Kronprinzen Wilhelm in die laufenden Angelegenheiten ungemein erleichtere. Die Vertreter des Frömmler- und Muckertums, dessen giftige Spuren man eine zeitlang in beängstigender Weise wahrnehmen konnte, seien jetzt außer Tätigkeit und Einfluß gesetzt und ermangeln immer mehr der Unterstützung, die sie früher von hochstehenden Seiten aus mittelbar oder unmittelbar erfuhren. Es sei das ein Vorteil für die öffentlichen Verhältnisse, der nicht hoch genug veranschlagt werden könne und der sich mit jeder Woche auch weiteren Kreisen immer fühlbarer machen werde. Man könne sich die Erbitterung nicht groß genug vorstellen, die in jenen Kreisen herrsche, welche bemerken müssen, daß ihren Plänen und Hoffnungen ein mächtiger Halt geboten worden, und man möge überzeugt sein, daß sie alle Hebel in Bewegung setzen, um nicht aus allen Stellen von Einfluß vertrieben zu werden. Ihre schlimmste Sorge sei, daß sie auch der Zukunft verlustig gehen, auf die sie ihre letzte Hoffnung setzen, und um dies zu verhüten, sei ihre wühlende und hetzende Thätig- keit an gewissen Punkten eine, wenn auch sehr vorsichtige, so doch unaufhörliche und in der Macht der Mittel unbedenkliche.
Berlin, 3. April. Das sozialistische „Berl. Volksbl." erkennt selbst an, daß der Gnadenakt des Kaisers nicht auch eine Amnestie für Sozialdemokraten mitbringen konnte, da ja die Sozialdemokratie selbst den Kampf gegen den modernen Ber- fassungsstaat nicht aufgeben wolle. Die erbitterte Leidenschaft dieser kriegführenden Partei will keinen Pardon, geschweige denn eine aufrichtige Annäherung und Versöhnung, — sie ist in ihrem wahnwitzigen Eifer so weit gegangen, von Zentralkomites wegen erklären zu lassen, daß kein Angehöriger der Partei einen auf dem Wege der Gnade verfügten Straferlaß annehmen dürfe, widrigenfalls er nicht mehr als „Genosse" zu betrachten sei.
Berlin, 5. April. Ueber das Befinden des Kaisers sind auch heute sehr verschiedenartige Gerüchte in Umlauf. Wiener Blätter verzeichnen das Börsengerücht, wonach neue Schwellungen eingetreten wären. Unzweifelhaft richtig ist, daß das schlechte Wetter der letzten Tage einen ungünstigen Einfluß auf das Befinden des Kaisers ausgeübt hat. Er hat sich offenbar wieder erkältet, wodurch eine Verstärkung des Hustens, Vermehrung des Auswurfs und Stö- i rung der Nachtruhe eingetreten ist. Auch Verdauungsstörungen sind vorhanden. Besseres Wetter wird indessen wohl für alle diese Zustände Erleichterung ^ bringen. Das Allgemeinbefinden ist glücklicherweise immer noch recht zufriedenstellend; insbesondere gilt die durch den guten Appetit des Kaisers bedingte Zu- ! nähme des Körpergewichts als ein tröstliches Zeichen.
Berlin, 5. April. Zu der Rede des Kronprinzen bei der Bismarck'schen Geburtsfeier bemerkt die „Köln. Ztg.": Wenn irgend jemand sich mit der Hoffnung trug, Kaiser Friedrich werde die deutsche Politik in andere Hände legen als die des Fürsten Bismarck, so muß die Rede, welche der Kronprinz an der Tafel des Reichskanzlers zu dessen Geburtstag hielt, ihm die Enttäuschung gebracht haben. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß diese Rede, wie sie ehrender wohl noch keinem Minister gehalten, wurde, nur unter Billigung und Vorwissen des Kai- j fers gehalten werden konnte. So bedeutet sie eine Kundgebung des Vertrauens unseres Kaisers und! seines gesamten Hauses in die Staatskunst des Reichs- ! kanzlers, wie sie rückhaltloser gar nicht auSgespro- ^ cheu werden kann.
Berlin, 5. April. Die „Krzztg." . meldet, Rußlands Mobilisierung sei sehr umfassend. Vom Ton seien große Massen Kosaken nach der Grenze! beordert. Fürst Swjatopolk-Mirski, Hetman der dänischen Kosaken, sei nach St. Petersburg befohlen. Von Odessa seien in Sinferopcl (Krim) riesige Proviantvorräte angelangt.
Berlin, 5. April. Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Der Sultan hat in der Absicht, einen neuen Beweis des Wohlwollens und der Sympathie für das deutsche Volk zu geben, die Einsetzung einer unter seinem Patronate stehenden besonderen Kommission ^
angeordnet, welche die Aufgabe hat, Geldsammlungen zur Unterstützung der Opfer der Ueberschwemmung in Deutschland zu veranstalten.
Berlin, 5. April. Das österreichische Kriegsministerium soll, einer Wiener Meldung des „Berl. Tgbl." zufolge, eine große Vermehrung der Geschützzahl und eine Verstärkung des Friedensstandes der Infanterie um mehrere lOOOOOO Mann beabsichtigen.
Kommenden Mittwoch wird das preußische Abgeordnetenhaus wieder in Berlin zusammentreten und sofort die Notstandsvorlage für die überschwemmten Gebiete vorfinden. Man spricht von Forderungen bis zu 50 Millionen Mark.
Berlin, 6. April. Das Befinden des Kaisers ließ im Laufe des heutigen Tages Manches zu wünschen übrig. Sofern die Witterung nur einigermaßen günstiger wird, soll die Uebersiedelung des Kaisers nach Schloß Friedrichskron in Potsdam schon gegen den 18. d. M. erfolgen.
Berlin, 6. April. Bemühungen in der Richtung einer Verbindung Battenbergs mit der Prin- ! zessin Viktoria fanden neuerdings beim Kaiser statt.
> Hiegegen sprach sich Bismarck, wie schon früher un- ! ter Kaiser Wilhelm, mit voller Entschiedenheit und
mit vollem Erfolge aus. Daran knüpfen sich die gestern hier bereits in Abrede gestellten Rücktritts- ! Meldungen. Bon der Entlassung des Kanzlers ist nicht die Rede.
Berlin, 6. April. Die „Nat.-Ztg." ist überzeugt, daß die Zustimmung des Kaisers zu dem Battenberg'scben Eheprojekte in dem Augenblicke ^ ausgeschlossen war, wo man die politische Seite des
> Planes in Erwägung ziehen mußte, und daß der
I Reichskanzler daher nicht nötig hatte, an seinen Rücktritt zu denken. (F. I.)
Berlin, 6. April. Wie nach der „M. A. Z." zuverlässig verlautet, hat der Reichskanzler bisher auf ^ die Absicht seines Rücktritts noch nicht verzichtet. An- ! lässe zu Differenzen sollen auch auf dem Gebiete der
> inneren Personalfragen vorhanden sein.
Berlin, 7.April. Die „Konserv.Korr." teilt mit, der Kanzler habe den Eindruck, daß sein Rat bei der Krone nicht dieselbe Wertschätzung genieße, wie bei Kaiser Wilhelm. Zwischen einem thatsäch- lichen Anteil an manchen Beschlüssen und den von ! der öffentlichen Meinung vorausgesetzten, bestehe ein Mißverhältnis, welches eine andere Lösung als den Rücktritt kaum zulasse.
Berlin, 7. April. Zur Kanzlerkrisis schreibt die „Kreuzztg.": Neuere uns zugehende Nachrichten lauten dahin, daß eine Krisis nicht mehr besteht.
Berlin. Professor Virchow ist auf seiner südägyptischen Reise von Sudanarabern überfallen worden. Seine aus schwarzen Soldaten bestehende Begleitung wehrte sich aber tapfer, und es gelang ihr, nach einem Feuergefecht die Araber zu vertreiben.
Berlin. Der Schurk, der vor einer Reihe von Monaten den Tod des Kaisers Wilhelm antizipierte, indem er damals auf Rohrpostkarten mit gefälschter Unterschrift den Tod an hiesige Bankfirmen meldete, hat seinen würdigen Nachfolger gefunden, indem am 27. März, wie schon kurz gemeldet, hiesigen Bankfirmen Rohrpostkarten, bezw. Briefe etwa folgenden Inhalts zugingen: „Fürst Bismarck hat starken Schlaganfall gehabt, sein Zustand bedenklich." Unterschrieben waren die Karten: De- chend, Koch; es sind das die Namen der ersten Vertreter der Deutschen Reichsbank, deren Unterschriften angeblich ziemlich getreu nachgeahmt waren. Die Rohrpostsendungen sind der Postbehörde zu weiteren Recherchen wieder zugestellt worden. Hoffentlich gelingt es, den oder die Urheber des Bubenstücks ausfindig zu machen und zur Strafe zu ziehen.
Die Kronprinzessin Viktoria von Preußen erhielt vom englischen Parlament bei ihrer Verheiratung ein jährliches Nadelgeld von 30000 Pfund Sterling (600000 bewilligt. Jetzt liest man, daß dieses Nadelgeld, seit sie Königin und Kaiserin geworden ist, aufhört.
Als „Wilhelms tag" soll, wie von verschiedenen Seiten angeregt worden ist, der 22. März fernerhin in den Kalendern bezeichnet und als nationaler Feiertag des deutschen Volks begangen werden, als ein Tag, an dem jeder Deutsche, ohne Unterschied der Konfession und der Partei, das Bewußtsein der nationellen Zusammengehörigkeit erneue. Der Wilhrlmstag. so schließt ein Blatt seine Aufforderung, wird dann stets der Tag sein, an welchem in Gedanken auf der Gruft des großen Kaisers
im Mausoleum zu Charlottenburg jeder Deutsche das Gelöbnis der Anhänglichkeit an das Herrscherhaus und an die Nation von Neuem niederlegen 'wird, eingedenk der großen Worte, die Schiller durch den Mund des alten Altinghausen uns zuruft: „Seid einig, einig, einig !"
Das Berliner Kammergericht hat am Dienstag das bisher einzig dastehende Erkenntnis gefällt, daß im Bereich des Lehrlings-Privilegiums des Z 100 s der Gewerbeordnung ein Vater nicht seinen eigenen Sohn in seinem Gewerbe ausbilden darf, wenn der erstere nicht der Innung angehört, welche das Lehrlings-Privilegium erhalten hat.
Aachen, 6. April. Die Aachen-Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft stellte dem Kaiser 50 000 Mark für die überschwemmten Landesteile zur persönlichen Verfügung.
Von den 111 Gefangenen, die in Altona in Folge des Amnestieerlasses auf freien Fuß gesetzt wurden, sind sofort 17 wieder wegen Bettels, Landstreicherei und Unfugs verhaftet worden.
Die „Getreuen in Jever" haben zu ihrem Kummer diesmal die üblichen 101 Kibitzeier an den Fürsten Bismarck zu dessen Geburtstage nicht absenden können. In Folge der Ungunst der Witterung ist der Kibitz erst jetzt an seinen Brutplätzen ein getroffen und hat das Brutgeschäft noch gar nicht begonnen. Die „Getreuen" haben den Fürsten Bismarck von dieser Thatsache telegraphisch in Kenntnis gesetzt, wobei es nätürlich an einem herzlichen Glückwunsch nicht fehlte. Die Eier sollen nachgeliefert werden. Am Geburtstage des Fürsten selbst traten die Getreuen zu einer Festsitzung zusammen und hielten fleißig Umtrunk aus dem „Kiebitzbecher", dem Geschenke des Fürsten, zum Wohle des Reichskanzlers."
Aus Mecklenburg-Schwerin, 29. März. (Gegen die Stöcker ei.) Professor Baumgarten in Rvstok, der bekannte protestantische Theologe, schreibt in der „Meklenb. Ztg.": „Jcb habe mich seit 7 Jahren überzeugt, daß Stöckers antisemitisch-klerikale Agitation nicht dlos, wie unser Kaiser Friedrich gesagt hat, eine Schmach für Deutschland ist, sondern auch die Gefahr einer Verfälschung und Schädigung des Christentums in sich birgt. Diese meine Ueber- zeugung habe ich oft in offenem Plan vertreten. Will Jemand diese meine öffeniliche Stellung bestreiten, so trete er vor und komme ans Licht." Oesterreich-Ungarn.
Wien, 2. April. Prof. Angeli begibt sich im Mai nach Berlin, um Kaiser Friedrich zu malen.
Wien, 7. April. Die hiesigen offiziösen Blätter erhalten von angeblich bestunterrichteter Seite aus Berlin folgende Mitteilung: Am 31. März erfuhr Fürst Bismarck vom Kaiser, daß demnächst die Verlobung der Prinzessin Viktoria mit dem Fürsten Alexander von Battenberg stattsinden solle. Fürst Bismarck erhob sofort politische Bedenken. Der Kaiser eröffnete dem Reichskanzler darauf, die Verlobung sei der Herzenswunsch der Kaiserin, worauf der Kanzler bat, von der Kaiserin empfangen zu werden. Die Bitte wurde sofort bewilligt. Fürst Bismarck entwickelte der Kaiserin in Gegenwart des Kaisers seine Gründe gegen die beabsichtigte Verlobung. Die Kaiserin gewann nicht die Ueberzeugung der Unausführbarkeit des Planes. Fürst Bismarck erwiderte, wenn die Kaiserin auf der Verlobung bestünde, werde er demissionieren. Am 4. April erfuhr der Reichskanzler von der bevorstehenden Ankunft des Fürsten Alexander; er eröffnete dem Kaiser, am Tage, da die Reise des Fürsten von Battenberg beschlossen werde, demissioniere er. Dies wiederholte er vorgestern Nachmittag in einer neuen furchtlosen Unterredung mit der Kaiserin. Die Verhandlungen^ mit der Kaiserin gehen fort, doch besteht auf keiner Seite eine Neigung, nachzugeben. Der Kaiser hält sich passiv; er will das Glück der Prinzessin nicht hindern, aber auch um keinen Preis die politischen Empfindungen des Fürsten Bismarck verletzen. Er überläßt die Unterhandlungen daher der Kaiserin. Die Lage sei unverändert; man könne nicht wissen, wohin der Konflikt führt. Fürst Bismarck äußerte den Personen seiner Umgebung gegenüber: „Wenn die Verlobung zu Stande kommt, bin ich nicht eine Stunde länger Minister." In Regierungskreisen wird versichert, es handle sich beim Fürsfen Bismarck nicht allein um den Battenberger. sondern um die Prinzipienfrage, ob er seine Politik weiterführen könne oder nicht. Gelangten andere Einflüsse