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Johann Valentin Andrea wurde am 17. Aug. 1586 in Herrenberg geboren. Nach dem im Jahre 1601 erfolgten Tode seines Vaters, welcher Dekan daselbst, später jedoch mit dem Unterricht in der Klosterschule der Klosterschule der Abtei Königsbronn betraut worden war, zog die Witwe mit ihrem Sohne nach Tübingen, woselbst er mit 15 Jahren die Uni­versität bezog. Im Jahre 1610 führte Andreä den längst gehegten Plan einer größer» Reise aus, zunächst nach Genf, dann nach Lyon und Paris, um schließlich über Zürich, Basel und Freiburg heim­zukehren. Nach wohtbestandener Prüfung erhielt er auf seine Bitte im theolo­gischen Stift einen Freisitz und 4 Jahre später (1614) das erledigte Diako- uatamt zu Vaihingen a. d. E. Am 5. März 1620 zog Andreä als Dekan in Calw ein.

Als geistlicher Vorstand der Stadt und als Seelenhirte ihrer Einwohner begann der neue Dekan seine Thätigkeit, beseelt von glühendem Eifer. Wie bisher , so erscheint er auch jetzt als der erleuchtete Gottesgelehrte, als der edle Bürger, zugleich aber auch als der dankbarste Sohn und der aufrichtigste Freund. Aber von diesem Augenblick an verdunkelt der Glanz des handeln­den praktischen Mannes den Ruhm des reichbegabten Schriftstellers. Von diesem Augenblick an ist sein Singen und Mühen, sein Schaffen und Wirken einzig darauf gerichtet, jenes Ideal einer christlich-kirchlichen Gemeinde ins Leben zu rufen, das er in seinen Schriften so eindringlich als das allein erstrebenswerte aufgestellt hatte. In dem Bewußtsein, daß zur Verwirklichung seines Ideals allererst die Jugend angepaßt werden müsse, richtete Andreä sein Augenmerk zunächst auf die Verbesserungen der Erziehung und des Unter­richts. Ec veranlaßte schärfere Prüfungen der Kinder, drang mit allem Nachdruck auf eine fruchtbringende kalechetische Unterweisung der Jugend und auf eine sorgfältige Einführung derselben in die biblische Geschichte; aber auch dem leiblichen Wohlsein der Schüler wendete er die größte Aufmerksam­keit zu. '

Seine eifrige Wirksamkeit für das geistige und körperliche Gedeihen des Heranwachsenden Geschlechts ließ aber unfern Andreä die Fürsorge für die Erwachsenen und Alien nicht vergeffen; auch für sie schlug sein liebevolles Herz; seinen Mitbürgern, deren volles Vertrauen er besaß, war er ja der beste Freund, der teilnehmendste Berater. Als Beweis hiefür gelte zunächst die Gründung des sog.Färberstifts." Die Stiftungsurkunde datiert vom 12. Nov. 1621, spricht sich über die Stiftungszwecke sehr weitläufig aus; dieselben betreffen kurz zusammengefaßt die Unterstützung armer Studierender der Theologie, bedürftiger Lehrlinge und Handwerker, bedrängter Witwen und Waisen, verlassener Kranken und Vertriebenen und die Förderung christ­licher Anstalten. Zur Verfolgung dieser Zwecke war Geld, viel Geld nötig. Die Beiträge der Mitglieder stoffen aber auch so reichlich, daß das Kapital nach wenigen Jahren auf 18,000 fl. angewachsen war. Andreä wurde als Verwalter gewählt; mit jedem Jahr vermehrte sich jene Summe, und so lauten seine eigenen Worteso kann ich hoffen, sie werde der Nachwelt von großem Nutzen sein". Und in dieser Hoffnung sah er sich nicht getäuscht. Während des grausigen Elends, herbeigeführt durch den 30jährigen Krieg, wurden gerade durch die Erträgnisse dieser Stiftung Hunderte vom Unter­gänge gerettet, und bis aus unsere Tage hat sie Unzähligen die Fülle des Segens und Trostes gespendet. Fürwahr, ein schöneres Denkmal hätte sich Andreä nicht setzen können! Noch ist beizufügen, daß das Vermögen der Färberstiftung gegenwärtig 220,000 beträgt, dessen Verwaltung von elf edlen Calwer Bürgern (gegenwärtig (1886) sind es die Herren K. Stälin, Eug. Stälin, E. Louis Wagner, Dr. Müller, Em. Zahn, Ed. Zahn, L. Federhaff, Stadtpfleger Haydt, Gemeinderat Keller und Missionar vr. Gundert sen.) in der Weise besorgt wird, daß nur der jeweilige Geschäftsführer eine kleine Entschädigung für seine Mühewaltung bezieht. Dieser Verwaltungsrat verwilligt die einzelnen Unterstützungen; bei Erledigungsfällen wählt er die Ecgänzungsmitglieder selbständig. Er steht

unter keiner staatlichen Aufsicht, sondern hat nur dem K. Oberamt alljährlich den jeweiligen Vermögensstand ohne irgend welche Nachweise anzuzeigen.

Hatte Andreä auf diese Weise mehr für die Nachwelt als für die Mit­welt gesorgt, so stand er auch andererseits als lieberfüllter Vater in seiner Gemeinde, sieerbauend durch Lehre und Beispiel, jegliche Mühe mit ihr teilend und jeder Not nach Möglichkeit abhelfend". Eine außerordentliche Thätigkeit auf dem Gebiete der christlichen Caritas erschloß sich ihm, als die Greuel des dreißigjährigen Krieges auch sein geliebtes Calw heimsuchten, als diese Stadt unter den Händen des Reitergenerals Johann v. Werth in Asche sank und er selbst in bitterste Not und Sorge gekommen war. In jener Zeit schrecklicher Drangsale war Andreä ununterbrochen und unermüdet ge­schäftig, das vielgestaltige Elend zu mindern, überall helfend, tröstend, unter­stützend einzugreifen.

Als Eberhard III. gegen Ende des Jahres 1638 in sein verwüstetes Land zurückgekehrt war, glaubte er zur Wiederherstellung eines geordneten Kirchenregiments in Andreä nicht nur den gelehrtesten, sondern auch den gewissenhaftesten Berater und Helfer finden zu können. So wurde denn Andreä nach Stuttgart berufen. Am Ecscheinungsfest 1639 hielt er schweren Herzens in Calw seine Abschiedspredigt.

Am 15. April 1650 wurde Andreä an die Klosterschule der Abtei Bebenhausen berufen. Aber wie in Stuttgart, so fanden sich auch dort Leute, die ihm das Leben verbitterten. Das Jahr 1654 brachte ihm die längst gewünschte Abberufung, es wurde ihm die Abtei Adelberg (unweit Schorndorf, auf dem Schurwald gelegen) mit dem Sitz in Stuttgart übertragen. In demselben Jahre noch, am 27. Juni, wurde er in's Jenseits abberufen. Sein ganzes Leben war ein Kampf für die Wiederherstellung eines sittlich-religiösen Lebens in Württemberg.

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Neuenbürg, 17. Aug. Eine schöne Feier führte am Freitag, den 13. ds., abends aus dem Enzthal wie den übrigen Orten des Bezirks eine große Anzahl Gäste hierher, um im Verein mit den Angehörigen hiesiger Stadt den Abschied des zum Regierungsrat ernannten Herrn Oberamtmanns Nestle zu begehen und den Gefühlen der Verehrung, Liebe und Anhänglich­keit, welche sich der Scheidende in der kurzen Zeit seiner hiesigen Amtsführung in so hohem Grade erworben hat, gemeinsamen Ausdruck zu geben. Forst­meister Graf v. Uxkull, als Vorsitzender, betonte zuerst die trefflichen und so liebenswürdigen Eigenschaften des Gefeierten, welche ihn in den weitesten und verschiedensten Kreisen des Bezirks verehrt und geliebt und seine Wirk­samkeit so erfolgreich, den Verkehr mit ihm so ersprießlich gemacht haben. Als Mitglied des gemeinschaftlichen Oberamts rühmt Dekan Cranz sodann seine treffliche Amtsführung, in welcher er die Verhältnisse so klar zu durch­schauen und' das für recht und gut Erkannte in ebenso fester als wohlwollender Weise mit bewundernswertem Takt und Geschick durchzuführen wußte. Als Geistlicher dankt er noch besonders dem Scheidenden für das schöne Vorbild, das er mit seiner Familie in der Gemeinde gegeben, und schließt als Freund mit den besten Wünschen für sein Haus. Oberamtspfleger Wes sing er schildert des Scheidenden Verdienste um den Bezirk; er gedenkt hiebei auch seiner vielen ausgezeichneten Vorgänger im hiesigen Amt und fügt hinzu, daß er auch für Nestle noch eine Zukunft voraussehe, in welcher sich die Neuen­bürger seiner mit Stolz erinnern werden. Nachdem noch die beiden Vorstände des Bezirks, Stadtschultheiß Bätzner von Wildbad und Stadtschultheiß Bub von Neuenbürg, ihm für seine seltene Treue und Fürsorge gedankt und Landtagsabgeordneler Beutter aus Herrenalb seine ersprießliche Thä­tigkeit gerühmt hat, dankt der Gefeierte selbst in warmen Worten und mit liebenswürdiger Bescheidenheit und verspricht, der ersten geliebten Heimat, wo er seinen Hausstand gegründet und von der ihm das Scheiden so schwer

Lüge hielt. Ich bin zur Einsicht gekommen, daß ich mich geirrt, und daß ich Ihnen mein ganzes Vertrauen schenken sollte."

Er streckte Riston seine falsche Hand hin, die Dieser herzhaft drückte.

Sie sehen mich bewegt, ergriffen", sagte er.Aber wenn man so alt, so einsam und verloren ist wie ich und man zeitlebens nur eine harrte ungerechte Be­handlung erfahren hat, klingen Einem so gütige und aufrichtige Worte wie die Ihren gar wunderlich zu Herzen. Sie können und werden mir auch Ihr volles Vertrauen chenken, wenn ich Ihnen erst sagen werde, wer Dies von Ihnen fordert."

Sein Steckenpferd", dachte Duprat.Und das edle Naß?" fragteer halb jovial.

Was soll es sein?"

Rotwein."

Hier das gedämpfte Feuer von Malaga!" sagte Riston, zwei kleinere Flaschen aus einer dunklen Ecke hervorholend. Oeffnen Sie, wertgeschätzter junger Freund, und schenken Sie ein, indessen ich mich um eine Neubelebung des verstimmenden Funkens hier bemühe. Dieses Feuer ist der Spiegel meines eigenen Lebens ver­glühend, mit Asche bedeckt, und doch nur eines Hauches bedürfend, um wieder aufzu- todern in Liebe oder Haß. Aber thun jetzt wir zu dem äußeren inneres Feuer, dann wird's schon gehen."

Er sprach Dies über die Glut gebückt, und währenddem schenkte Duprat.den Wein in zwei ganz gleiche Becher, deren einen er fast bis zum Grunde leerte, wie um sich Mut zu trinken. In den anderen vollen schüttelte er mit zitternder Hand ein Pulver aus einem weißen Papierchen. Das Pulver zerrann in Wein, ohne dessen Farbe zu verändern. Diesen Becher schob Duprat dem Falschmünzer hin.

Meine Lungen sind so Schwach", sagte Riston.Kommt und versucht Ihr Euren stärkeren Athem an diesem unzündbaren Funken."

Gern", erwiederte Duprat.Trinken Sie indessen ein Glas Wein."

Riston erhob sich und Duprat hockte am Kamin nieder. Elfterer war ent­schlossen, seine Lippen nur anzufeuchten. Es war ein sehr alter und kostbarer Wein, den er da in einem versteckten Zimmer des öden Hauses entdeckt hatte; er hatte ihn

schon einmal umgeworfen, und gerade heute wollte Riston einen klaren Kopf behalten sehr begreiflich bei seinem furchtbaren Vorhaben.

Nur einen Blick warf er jetzt auf den Tisch, einen zweiten auf Duprat, dessen Gesicht abgewendet war, und dann vertauschte er mit einem verschmitzten Lächeln die Becher, den kleinen Weinrest Duprat's hinuntergießend.

Ha! Welches Feuer, welche edle Blume!" rief er enthusiasmirt.Gleich noch ein Becher darauf, junger Freund! Da züngelt die Flamme empor. Nun hier Bescheid gethan! Ich könnte mich tot trinken in diesem Wein und nicht bereuen, daß

ch sterbe."

Wer weiß", erwiderte Duprat; sich erhebend.Der Tod entnüchtert auch von em stärksten lind schönsteil Rausch. Ah Sie haben meinen Becher wieder gefüllt?"

Riston nickte lachend.Und habe den meinen schon zum zweiten Mal geleert", agte er, den Becher noch ain Munde. Wo er herkommt, ist noch mehr. Also nur licht spröde und frisch zugelangt. Prosit!" <

Heiteren Antlitzes griff der ahnungslose Duprat nach dem vollen Becher. Es oar ein langsam tötendes Gift, das er hinein gethan, lind das er jetzt selbst mit Be­ugen über die vermeintlich gelungene Tat hinabschlürfte.

Riston nickte ihm ermunternd zu und schenkte ihm den Becher gleich wieder oll. Er wollte nüchtern bleiben, aber Duprat sollte sich, wenn auch nicht zu schwer, >erauschen, um für sein Vorhaben empfänglicher zu werden.

Und nun ein Wort unter Freunden", sagte er.Sie thaten recht, Duprat, leute zu mir zu kommen; denn nur noch wenige Stunden, und ich hätte Ihnen einen

ben so heimlichen Besuch gemacht. ^

Duprat blickte leicht eychreckt empor.Warum?" fragte er.Ist etwas

wrgefallen? Sind wir entdeckte

Uns das heißt Sie und mich bedroht Nichts", erwiderte Riston ruhig, o lange wir treu zusammenhalten und nur gemeinschaftlich handeln; und geschehen nuß jetzt Etwas von meiner Seite, das Sie vielleicht nicht billigen würden, wenn ich Hnen nicht sagte, was mir die Mordwaffe in die Hand drückt."

(Fortsetzung folgt.)