61. Jahrgang.
Mo. 97.
Amts- uiul IntelligenMatt für äen Kezirsi.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Samstag, äea 21. August 1886.
Abonnementspreis halbjährlich 1 Ul, 80 durch die Post bezogen im Bezirk 2 UL 30 sonst in ganz Württemberg 2 UL 70 H. . '
WoLitische Wactzvichten.
Deutsches Reich.
— Mit dem neuen Jnfanteriegepäck werden zur Zeit umfangreiche Versuche ausgeführt. Außer einem Teil des Lehr-Jnfanterie.Bataillons ist ein Bataillon der Garnison Metz mit demselben 'ausgerüstet und wird es voraussichtlich auch bei den Kaisermanövern tragen. Die Erleichterung macht für den Infanteristen etwa 3 Kilogramm aus; überdies ist aber die Art, wie die in eine etwas zierlichere Form gebrachten Ausrüstungsstücke getragen werden, vereinfacht. Niemen und Gurten quer über die Brust sind vermieden, das tragbare Schanzzeug, der Brotbeutel und die Feldflasche sind an dem Säbelkoppel befestigt und jeder dieser Gegenstände kann für sich abgenommen und angehängt werden. Besonders auffallend ist die Ausstattung mit drei Patrontaschen, von denen die dritte unter dem Tornister hängt; auch sind dieselben nicht lose an dem Koppel angebracht, sondern fest an dasselbe angeschnallt , so daß die obere Kante der Tasche über derjenigen des Koppels liegt. Der Tornister besteht aus zwei Teilen und ist derartig eingerichtet, daß der aus braunem Segeltuch bestehende Teil als Lebensmittelbeutel auch ohne den eigentlichen Tornister getragen werden kann, was bei starken Märschen und im Gefecht von großer Bedeutung ist. Für gewöhnlich wird dieser Beutel unter der Klappe des Tornisters getragen. Ein mit dem neuen Gepäck ausgestatteter Infanterist macht zunächst noch einen ungewohnten eigenartigen Eindruck, besonders wenn — wie dies beim Lehr-Jnfanterie-Bataillon der Fall ist — noch das neue Gewehr mit dem außerordentlich kurzen Seitengewehr hinzukommt. Ob bei den Manövern des 15. Armeekorps einzelne Regimenter mit dem neuen Gewehr ausgerüstet sein werden, ist zur Zeit noch unbestimmt.
— Der Kronprinz hat dem Kamerunprinzen Dido eine goldene Medaille in der Größe eines Thalers als Geschenk überreichen lassen.
— In der historischen Ausstellung in Pest, bei welcher alle diejenigen Gegenstände zur Schau gestellt werden, die auf die Rückeroberung der Festung Ofen von den Türken am 2. Sept. 1686 Bezug haben, werden sich auch zahlreiche Gegenstände aus deutschem Besitze befinden. Die ungarische Regierung hatte das Verlangen nach möglichster Förderung der Beteiligung an dem Unternehmen zu erkennen gegeben, worauf der preußische Kultusminister die ihm unterstehenden Institute, soweit sie in Betracht kommen können, anwies, jenem Wunsche zu ensprechen. Hatte sich doch auch das brandenburgische Hülfskorps von 8000 Mann unter Hans Adam von Schöning bei der Er
stürmung Ofens besonders ausgezeichnet. Auch die königliche Bibliothek war angewiesen worden, etwa vorhandene Gegenstände der fraglichen Art dem Ausstellungskomitö zur Verfügung zu stellen.
— Die „Nat.-Ztg." schreibt über die Ablehnung der Einladung nach Ofen: „In Ofen und Pest hat man der deutschen Sprache jede Berechtigung entzogen, selbst die Straßennamen, die deutsch im Gebrauch sind, werden hinter magyarischer Verkleidung wie versteckt. Deutsches Wesen und deutsche Kultur sind keine gern gesehenen Gäste mehr in Ungarn. Was sollen deutsche Bürgerschaften des Auslandes dort machen? Welche Rollen sollen sie spielen? Wie tief die Magyaren sich den Sinn der Deutschen im Reiche entfremdet haben, das beweisen jene Beschlüsse deutscher Hauptstädte. Wir sind nicht berechtigt, uns in die inneren Zustände Ungarns zu mischen. Das erkennen wir an; wendet man sich aber an die Vertreter deutscher Bürgerschaften, so quillt eben heraus, was diese auf dem Herzen haben, und es ist wahrlich nicht unsere Schuld, daß es Gefühle der Bitterkeit und Verstimmung sind, die hervortreten, statt der freundschaftlichen und herzlichen Sympathiern, die allein den wahren Interessen beider Völker entsprechen würden."
Johann Walentin Anöveä.
Am 17. August waren 300 Jahre verflossen, seit Johann Valentin Andreä das Licht der Welt erblickte, ein Sohn der schwäbischen Erde, dem es- vergönnt war, in den trübsten Tagen religiöser Erschlaffung, wissenschaftlicher Oberflächlichkeit und politischer Drangsale auf mancherlei Gebiete, insbesondere auf die Glaubensansicht seiner Zeit erweckend und belebend einzuwirken und eben dadurch in seinem Leben und Wirken die Tiefe, Wärme und Heldenkraft eines echtchristlichen Charakters in großer Vollendung zum Ausdruck zu bringen. Das Gedächtnis dieses edlen Mannes zu erneuern und ihm zu seinem 3Ö0jährigen Geburtstage ein Ehrendenkmal zu setzen, war der Zweck einer in Emil Hänselmanns Verlag in Stuttgart soeben erschienenen Schrift „Johann Valentin Andreä", ein Lebensbild, entworfen von Johann Philipp Glöckner, Professor in Stuttgart. Und diesen Zweck erfüllt die Schrift in schönster und bester Weise. Sie schildert das Leben und Wirken des wackeren Gottesgelehrten in überaus anziehender und fesselnder Form und bietet zugleich wertvolle Auszüge aus Andreäs Werken und Schriften.
Wir halten es für unsere Pflicht, unfern Lesern, soweit es der Raum gestattet, an der Hand eines vom N. Tgbl. veröffentlichten Auszugs, insbesondere über seine Thätigkeit in Calw, das nachstehende zum Abdruck zu bringen.
(Nachdruck verboten.)
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
Der Gedanke der Ermordung Riston's hatte für den Augenblick jeden anderen bei Etwold verdrängt. Er dachte vielmehr an Förster, so lauge jener Todfeind noch auf Erden wandelte und ihn bedrohte. Er hoffte zwar von Duprat's Beihilfe das Beste, aber wer weiß, ob -sich für den gleich eine Gelegenheit fand, Mston aus dem Wege zu räumen oder ob er selbst nicht das Opfer seiner zu großen Verwegenheit wurde. Dann aber stand Etwold einem mächtigeren Gegner, als er selbst es war, allein und hilflos gegenüber.
, Welch ein Trost war es für ihn da, Duprat seine Vorbereitungen zur Befreiung von diesem größten, weil im Dunkeln schleichenden Feind, mit aller chm eignen Ruhe „treffen zu sehen; und an dem Tage, wo jener zu ihm sagte: „Heute vollbring' ich es , wußte er auch, daß wirklich der entscheidende Schlag geführt werden würde, wenn es auch nicht vorher zu sagen war, ob von Riston oder Duprat. Jedenfalls war der Letztere zur Ermordung des Anderen fest entschlossen, und Das war momentan Alles, worauf er sich stützen, das er mit Anstrengung aller verfügbaren Mittel hatte erstreben können.
Riston, ahnungslos von diesem verräterischen Vorhaben seines besten Freundes, dem er der treueste Kamerad gewesen und noch war, saß oder hockte vielmehr in seinein Zimmer im öden Hause, vor der halb erloschenen Kaminglut. Es war Abend. Der Regen pochte an die Fenster, der Sturm heulte am Schlüsselloch und rüttelte das alte Gemäuer, als wenn er es aus dem Fundament reißen wollte. Es drohte, eine recht böse Nacht zu werden.
„Heute vollbringe ich es", murmelte auch Riston, wie die Bestätigung eines eigenen, so bösen Gedankens, wie Duprat ihn hegte. „Aber wie warne ich ihn?" fuhr er nach kurzer Ueberlegung fort. „Wie bewahre ich ihn vor den unausbleiblichen
Folgen meiner That. Er haßt mich trotz all meines Wohlwollens und ist seinem Herrn scheinbar treu ergeben. Vielleicht auch nur scheinbar, und wenn ich ihm die Notwendigkeit von dessen Ermordung klar lege und ihm das ganze Baarvermögen Etwold's als goldenen Apfel in die geöffneten Hände werfe, wird er sich als vernünftiger, kalt berechnender Mann in das Unvenneidliche fügen und nur noch seinem Vorteil zu sichern suche-». Ich habe mich nach allem Näheren heimlich und genau erkundigt. Ich kann den Mord begehen und habe nur wenige Schritte, um mü dem blutge- dränkten Messer vor Duprat's Bett zu gelangen. Geht er nicht gutwillig mit, ss so zwinge ich ihn dazu, unter Androhung des gleichen Schicksals. Er wird am besten- wissen, wo die Schlüssel zu den Büreaux zu finden sind, und auch das Geld des Alten. Zwar soll Jonas in dem Vorzimmer zu den Büreaux schlafen, aber der ist ein Schleicher und Fsgling, und wenn er Etwas hört, wird er sich eher ruhig verhalten, als seine Gegenwart am Ort verraten. So kommen wir auch über dieses letzte Bedenken hinweg. Nur noch ein wenig Geduld und —"
Hier wurde der Jdeengang Riston's unterbrochen, plötzlich wurden Tritte laut im Korridor; dieselben näherten sich seiner Thür.
Der Falschmünzer sprang empor und ergriff einen zur Hand liegenden Revolver. „Mord oder Selbstmord", zischte er. Mir Alles gleich. Nur nicht gefangen werden."
Er eilte zur Thür. Ehe er dieselbe noch erreichte, wurde sie von außen geöffnet — Duprat trat herein.
Riston ließ den Revolver sinken.
„Ihr?" sagte er verwundert und besorgt zugleich.
„Ich", entgegnete der Andere fest. Er war entschlossen, Riston zu töten.
„Sind wir entdeckt?" Sehe ich einen Flüchtling vor mir?" fragte der Letztere besorgt.
„Keine Angst; Alles ruhig", erwiderte Duprat mü erzwungenem Lächeln. „Im Gegenteil, ich komme, um bei einem friedlichen Becher zu besprechen, was wir noch weüer zu thun haben, um uns vor Entdeckung zu sichern. Ich war das letzte mal kalt und hart gegen Sie, well ich Sie verkannte und ihre bekundete Freundschaft für