Berlin, 13. März. Kaiserin Augusts sagte dieser Tage zu Oberhosprediger Kögel:Der Kaiser hat sie herzlich lieb gehabt, und daß ich Ihnen daß mitteile, das sei Ihnen der Dank für all das Gute, was sie uns in diesen schweren Tagen erwiesen haben."

AuS der Residenz Charlottenburg. Kaiser Friedrich hat den Schwarzen Adlerorden der Kaiserin Viktoria und dem Justizminister Dr. Fried­berg verliehen. Die Königinnen sind die einzigen weiblichen Mitglieder des Schwarzen Adlerordens. Der Justizminister stand dem Kronprinzen schon nahe, da er demselben in seiner Jugend als Vortragender Rat attachiert war.

Kaiser Friedrich hat mit dem Zaren, dem Kaiser von Oesterreich und dem König von Italien überaus herzliche Freundschaftstelegramme gewechselt, deren Wortlaut vielleicht später noch publiziert werden wird, da sie auch eine hohe politische Bedeutung ha­ben. An Kaiser Alexander, der bei dem Empfang der Trauerbotschaft in Thränen ausgebrochen und sich eine Stunde in sein Arbeitskabinet eingeschlossen haben soll, telegraphierte der Kaiser, er betrachte sich auch als Erben del politischen Ueberzeugung seines hochseligen Vaters und werde sich stets bemühen, gute Freundschaft mit Rußland zu halten. Die Tele­gramme nach Wien und Rom besagen, daß der Kai­ser alle Bestimmungen der abgeschlossenen Bündnis­verträge auf das Genaueste erfüllen werde und um die dauernde Freundschaft der Monarchen bittet.

Kaiser Friedrich hat an den König v. Würt­temberg nach Florenz folgendes Telegramm gerich­tet:Tief erschüttert durch die Kunde vom Heim­gang meines geliebten Vaters, reiche ich Dir in alter Freundschaft die Hand, in diesem für mich und die Angelegenheiten des Reichs so wichtigen Augenblicke, fest auf Deine Gesinnungen rechnend. Friedrich." Die Antwort des Königs lautete:Tief gerührt durch Dein Telegiamm lege ich meine Hand in die Deine in treuer verwandtschaftlicher Freundschaft. Gott schirme Dich auf Deinen Wegen. Karl."

Zur Beisetzung der Leiche Kaiser Wilhelms haben sich mehr als 60 Könige, Fürsten und Prin- zen in Berlin persönlich eingefunden. Trauer und Begrüßungstelegramuie haben sogar der Schah von Persien und die Kaiser von China und Japan ge­sandt. In allen 5 Erdteilen giebt's keine deutsche Kolonie, die nicht ihre Telegramme nach Berlin ge­sandt hätte. Nach Berlin zum alten und zum neuen Kaiser gehen die Blicke und Gedanken aller Deut­schen in der Welt, und da ist Alldeutschland! Das Interesse der ganzen Welt, der Regierungen und der Völker konzentriert sich auf Berlin, was da geschehen ist und geschehen wird. Wie lange ist's her, daß Fürst Metternich Deutschland achselzuckend einen geographischen Begriff" genannt hat? Heute ist's Ein Volk, Ein Staat, Ein Rerch, Ein Saft und Blut.

Berlin.. März. Die russischen Großfür­sten begaben sich sofort nach ihrer Ankunft in den Dom, um die Leiche des Kaisers zu sehen.

Der Reichstag wird am Montag eine Sitzung halten, und zwar in besonders feierlicher Form. Es wird eine kaiserliche Botschaft erwartet; den Dank des Reichstags an die ausländischen Parlamente wird der Reichskanzler auf diplomatischem Weg ab­statten. Nach der Sitzung am Montag wird die Ses­sion geschlossen.

Berlin, 15. März. Der Seniorenkonvent der Abgeordneten trat gestern nachmittag, einer An­regung Bismarck's folgend; zusammen. In gemein­schaftlichem Gedankenaustausch stellte sich Ueberein- stimmung darüber heraus, daß de» Vorschriften der Verfassung am besten genügt würde, »venu der Kaiser an beide Häuser des Landtags eine Botschaft richtet, worin er gelobt, die Verfassung treu zu halten und den formellen Eid zu leisten, sobald ihm sein Zustand das Sprechen gestattet.

Berlin,. März. Dem Kaiser und der Kaiserin statteten im Laufe des Tages der Prinz von Wales mit seinem Sohne, die russischen Groß­fürsten , die Könige von Belgien, Sachsen und Ru­mänien, die Kronprinzen von Oesterreich und Däne­mark, sowie der Großherzog von Hessen Besuche ab.

Berlin, 16. März. General Billot. der Vertreter Frankreichs, legte heute Morgen im Dom einen prächtigen Kranz aus Rose», Veilchen »nd Kamelien am Sarge des Kaisers nieder, dasselbe geschah seitens zahlreicher Deputationen deutscher

s Reichsangehöriger aus Moskau , Kiew , Amsterdam,

! und Rotterdam.

! Berlin. Unter der Annahme, daß stündlich 7000 Personen in den Dom gekommen sind, was ^ jedoch sehr hoch gegriffen erscheint, berechnen Berli- s ner Blätter, daß bis Mittwoch abend eine Viertcl- s Million Personen das Antlitz Kaiser Wilhelms noch > einmal gesehen haben.

Berlin, 16. März. Der Kaiser hat gutem Vernehmen nach eine befriedigende Nacht gehabt. Die Teilnahme an der Trauerfeier und an dem Leichen­zug ist für ihn absolut unmöglich, da heute ein eisig kalter Wintertag ist. Bei schneidendem Ostwind ha- / ben wir 10 Grad Kälte.

Berlin, 16. März. (Spezialkorrespondenz). Die Beisetzung des toten Kaisers. Bon den Türmen, schwer und bang, Tönen Glocken, Grabge­sang, Ernst begleiten ihre Trauerschläge Einen Kaiser auf dem letzten Wege. Es muß ach geschie­den sein! Mehrere Tage hindurch war die sterbliche Hülle unseres großen Kaisers, treu bewacht von den Trägern der erlauchtesten Namen, im Dome aufge­bahrt. Tausende und aber Tausende aus allen Klas­sen der Bevölkerung der Hauptstadt und unzählige von auswärts hierher geeilten Deutschen drängten sich hinzu, um noch einmal die Züge des teuren Entschlafenen zu schauen und tief in das Gedächnis sich einzuprägen. Wie im milden süßen Schlummer, ein Bild des Friedens, lag der große Kaiser da,

! der 17 Jahre hindurch der feste Hort des europäi­schen Friedens gewesen war und wer dieses bleiche Antlitz sah, mochte sich der Worte der heil. Schrift erinnern: Selig sind die Toten, die im Herrn ster­ben. Nun galt es heute, dem toten Kaiser das letzte Liebeswerk zu erweisen: Bei seinen Eltern, de­ren Freude und Hoffnung er einst gewesen, dort im ^ Mausoleum zu Charlottenburg, in der Nähe Fried­richs des Großen, dessen Sarg der korsische Erobe­rer Napoleon einst hochmütig betrachtete, neben sei­ner unvergeßlichen Mutter Louise, welche Napoleon I. beschimpft und die Kaiser Wilhelm so glänzend gerächt hat, dort wollte er ruhen und der Unser- l ! stehung entgegenschlnmmern, geschmückt nur mit den ! Orden, die er als tapferer Held sich redlich und mühe- ! voll selbst verdient, bekleidet mit dem Feldherrmnan- i tel, den er im Donner und Kugelregen so mancher Schlacht getragen, so wollte er begraben sein, und! sein Wille ist erfüllt. Aus ganz Europa, von allen Fürstenhösen, wie von den republikanischen Staats­häuptern gesandt, sind die Erben und Repräsentanten der Großen dieser Welt herbeigeeilt, um dem größten Toten des 19. Jahrhunderts die letzte Ehre zu er- , zeigen und so nochmals ihrer Ehrfurcht und ihrer treuen Anhänglichkeit, die sich Kaiser Wilhelm durch seine Herzcnsgüte und Seelengröße bei ihnen erwor- ben, Ausdruck zu verleihen. Sie alle wollten ihren ^ innigen Dank dafür bethätigen, daß Kaiser Wilhelm so lange Zeit der gewaltige Hort des Rechts und des Bölkerfriedens gewesen. Die Blumen der Liebe und die Palmen des Friedens legten sie auf sein Grab nieder und sie zeigten dem deutschen Volke.! daß der Schöpfer und Fettiger des neuen deutschen Reiches in Europa und auf der ganzen Welt sich selbst und seinem großartigen Werke den ersten Rang errungen und daß die fremden Fürsten und Völker dies auch willig anerkennen. Der schönste Beweis j dafür, daß Kaiser Wilhelm der Große sich einen l dauernden Platz im Herzen jedes, auch des ärmsten Deutschen erworben, das sind die zahlreichen Kränze, ^ welche deutsche Arbeiter aus allen Gauen des Reiches am !

! Sarge des großen Toten niederlegten, der dem- s nigtum die neue Bahn der sozialen Reform ange- ! wiesen und dieses herrliche Erbe seinem erprobten ' Nachfolger zum Weiterbanen hinterlassen hat. Durch '

! diesen Dank ehren die Arbeiter den toten Kaiser und i sich selbst. Dank, inniger Dank zollen aber auch alle übrigen deutschen Berufsstände und Gesellschaftsklas­sen, Handwerker und Großindustrielle, Landwirte und Kaufleute, Beamte und Soldaten dem toten Kaiser; ihnen allen hat er seine treue Fürsorge zugcwendet und zwar nicht nur durch gute Wünsche und liebe­volle Neigungen, sondern durch herrliche, bahnbre­chende Thaten. Darum folgten denn auch den Hun­derttausenden, welchen der Vorzug gewährt war, per­sönlich dem toten Kaiser das Ehrengeleite zu seiner letzten Ruhestätte zu geben, in Gedanken Millionen deutscher Herzen im Reiche, wie in den fernsten Län- ; dern der Erde. So schlummere denn sanft, großer > Kaiser! Deines Erdcnwallens Spur wird in Äeonen I

- nicht untergehen! Dein Name und deine Großthaten im Krieg und Frieden werden fortleben nicht allein in der Geschichte, wie auch in den Herzen Deines Volkes, das groß und glücklich zu machen Dein ein­ziges Bestreben während Deines langen, ruhmreichen Lebens war. D.

An Verhaftungen fehlte es bei der Beisetzungs- feierlichkeit auch nicht. Sehr zahlreich waren natür­lich die Taschendiebe vertreten. Aus Ungarn soll sogar eine ganze Bande nach d:r deutschen Kaiser­stadt gereist sein.

Berlin, 17. März. Der Kanzler hatte, trotz des Abratens der Aerzte, die Absicht, gestern an der Leichenfeier sich zu beteiligen, erst ein eigenhändiges, Schreiben der Kaiser in Au gusta bewog ihn, fern­zubleiben. Die Kaiserin betonte in ihrem Schreiben, daß sie gewissermaßen ein Vermächtnis des hoch­seligen Kaisers erfülle, wenn sie den Kanzler bitte, von der Beteiligung abzustehen; sie habe die Ueber­zeugung, daß sie ganz im Sinne des Kaisers Wil­helm mit dieser Bitte handle.

Dem zum Generalfeldmarschall ernannten Ge­neral v. Blumenthal hat der Kaiser seinen eigenen Marschallstab übersandt mit der Bitte, ihn so lange zu benützen, bis ein solcher besonders für v. Blumen­thal fertiggestellt sei.

Berlin. 17. März. Das Befinden des Kaisers ist den Umständen nach fortdauernd be­friedigend. Der Schlaf war gut.

Oesterreich Ungarn.

Wien, 16. März. An der Trauerfeier in der protestantischen Kirche nahmen der Kaiser, die Erz­herzoge Karl Ludwig, Wilhelm und Ludwig Viktor, ferner die Minister Grafen Kalnoky und Taaffe, der französische, russische und englische Botschafter, sämt­liche Gesandte, die Generalität und alle Spitzen der offiziellen Welt teil. Die Damen trugen Trauer- tvilette. Prinz Reuß und die Mitglieder der deut­schen Botschaft trugen Trauerflore um Helme, Epau- letten und Portepees. Der Kaiser und der Erzher­zog Wilhelm trugen die Uniformen ihrer preußischen Regimenter mit Trauerabzeichen. Pfarrer Zimmer­mann hielt eine ergreifende Trauerrede.

Wien, 16. März. DiePolitische Korresp." meldet: Die bulgarische Geistlichkeit beginnt gegen den Prinzen von Coburg zu agitieren. Der Erz­priester des Grenzortes Tru forderte die Bevölkerung aus, den für illegitim erklärten Fürsten zu vertreiben. Die Bevölkerung verhinderte die beabsichtigte Ver­haftung des Erzpriesters, welcher nach Serbien flüchtete.

Wien, 17. März. Wie aus Bukarest ver­lautet, soll Fürst Ferdinand mit seiner Mutter, der Prinzessin Clementine, heute von Sofia abreisen.

Wien, 17. März. Ans Lemberg wird ge­meldet: In Westgalizien sind über 40 Landgemein­den durch Ueberschwemmung betroffen und um die Vorräte und teilweise den gesamten Biehstand ge­bracht. Die Gemeinde Bogyszio im Pester Komitat (Ungarn) ist völlig überschwemmt. Durch Stauung des Eises ist die Gemeinde Szathmar ebenfalls un­ter Wasser.

Frankreich.

Paris, 17. März. Der Vater des Präsi­denten Car not ist gestorben.

Aus Paris: Nun ist es Boulanger doch ein­mal an den Kragen gegangen, er ist zur Disposition gestellt worden. Das wird freilich nicht hindern, daß er munter weiter für sich Reklame macht, und kommt seine Partei wieder ans Ruder, kann er auch von Neuem Kriegsminister werden. Es liegt in dieser Angelegenheit folgendes Telegramm vor: Das Jour­nal offizial veröffentlicht einen Bericht des Kriegs- Ministers Logerot, in dein verschiedene Thatsachen aus dem früheren Verhalten des Generals Boulan­ger registriert werden. Danach ist Boulanger drei mal ohne Urlaub nach Paris gereist und hat auch in der bekannten Wahlaffaire eine äußerst zweifelhafte Stellung eingenommen. Der Bericht konstatiert die Schwere solchen Mangels an Disziplin, namentlich wenn dieselbe von einem General-ausginge und bean­tragt, Bonlanger in Nicht-Aktivität zu versetzen. Der Bericht ist vom Präsidenten der Republik genehmigt.

Die Pariser Regierung beabsichtigt nach hier eingelaufener Meldung Boulanger vor ein Dis- ciplinargericht zu stellen und ihn wegen politischer Umtriebe endgillig aus dem Heeresverbande auSzn- schließen.