charakterisiert. Die Kinder des Kronprinzen treffen Sonnabend in Berlin ein. Der HauSminister Graf Stollberg weilt die ganze Zeit im Palais. Die gesamte Familie, soweit anwesend, ist dort versammelt. Der Kaiser erkannte gestern die Umgebung nicht, auch nicht die Kaiserin.
Berlin, 7. März. Die Abendblätter, darunter die „Kreuzzeitung", konstatieren, daß die ernsteste Besorgnis wegen des Befindens des Kaisers fortdauert. Prinz Wilhelm weilt noch im Palais, ebenso Moltke, der, wie auch der Kricgsminister aus dem Reichstag geholt wurde. Der Kronprinz wurde vom Zustand des Kaisers telegraphisch benachrichtigt. Die Aufregung im Reichstag und zum Teil auch schon in der Bevölkerung ist sehr groß. Einen Schwächeanfall von ähnlicher Dauer hat der Kaiser noch nie gehabt. Heute abend findet eine außerordentliche Sitzung im Bundesrat statt.
Berlin, 7. März, 6 Uhr 55 Min. abends. Im Zustand des Kaisers ist insofern eine Besserung eingetreten, als er die Besinnung wieder erlangt hat; sonst hat sich der Schwächezustand nicht gehoben.
Berlin, 7. März. Aus London wird der „Boss. Ztg." gemeldet, Professor Waldeyer drücke in seinem an den Kaiser erstatteten Bericht aus, daß die ihm überwiesenen Auswurfsbestandteile nicht eine Spur krebsartiger Gewächse enthalten hätten, er fürchtet jedoch, daß die chronische Entzündung des Kehlkopfs sich der Luftröhre mitgeteilt habe.
Berlin, 7. März. Die günstige Wendung im Verlaufe der Krankheit des Kronprinzen hält den heute vorliegenden Meldungen zufolge an. Der Auswurf soll seit Anwendung gewisser neuer mechanischer Mittel weniger Färbung zeigen. Obwohl über das Resultat von Waldeher's Untersuchung Geheimhaltung beschlossen ist, will ein San Remoer Korrespondent des „Berl. Tagbl." (von Mackenzie nahestehender Seite!) erfahren haben, daß Dr. Waldeyer in seinem Untersuchungsbericht keine allzu pessimistischen Anschauungen zum Ausdruck bringt und versichert auf das bestimmteste, daß keine Nestzellen in den Alveolargebilden von ihm gesunden wurden. Danach läge ja glücklicherweise eine apodiktische Gewißheit von Krebs nicht vor. Der Waldeyer'sche Bericht wird hoffentlich bald veröffentlicht werden. (Zahlreiche anderweite Meldungen behaupten leider, daß das Gutachten Wal- deyer's sehr ungünstig laute. Dann würde die Veröffentlichung wohl nicht beschleunigt werden.)
Berlin, 8. Mär^. An die Zeitungen des Inlandes und Auslandes richteten die Unterzeichneten Aerzte noch einmal im Interesse des hohen Kranken und der Völker, die ihn hochachten, lieben und verehren, die Bitte, sich jeder Diskussion über die Krankheit desselben oder über die bei der Behandlung angewandten Methoden und Instrumente zu enthalten. Die örtlichen Störungen in und am Kehlkopfe des Kronprinzen haben sich wesentlich nicht verändert. Die Wunde ist geheilt; die Canälen liegen gut. Die Lungen sing gesund; Husten und Auswurf wurden geringer. Der Kräftezustand ist ein befriedigender, der Appetit im Zunehmen begriffen. Verdauungsstörungen sind nicht vorhanden, ebensowenig Schmerzen beim Schlucken oder Kopfweh. Der Schlaf hält ununterbrochen Stunden lang an. Da die Mission des Dr. Bergmann beendet ist, so wird er demnächst abreisen. Dr. Mackenzie, Dr. Schräder, Dr. Krause, Dr. Hovell, Dr. v. Bergmann, Dr. Bramann.
Berlin, 8. März, lieber das Befinden des Kronprinzen liegen bessere Meldungen vor. Die mehrstündige Promenade, welche er Mittwoch im Garten machte, soll ihm besonders gut bekommen sein. Das Tageblatt meldet, der Kronprinz und die Kronprinzessin reisen in einigen Tagen von hier ab, höchst wahrscheinlich nach Wiesbaden. Die Gründe dieser Aerzte sind nicht ärztlicher Natur; man wünscht in deutschen einflußreichen Kreisen aufs entschiedenste, daß der Kronprinz so' bald als möglich in Deutschland eintreffe. Da die Aerzte diesem Verlangen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegenstellen, so wurde die Abreise beschlossen. Man entschied sich für Wiesbaden wegen seines wärmeren Klimas und weil die Reise dahin weniger aufregend für den Kronprinzen erscheinen dürfte als die direkte Rückkehr nach Berlin.
Berlin, 8. März. Die gestern Abend eingetretene Besserung im Befinden des Kaisers hat auch über Nacht ungehalten. Die Leibärzte Leuthold
und Timann übernachteten im Palais. Trotz der leidlich verbrachten Nacht hegen die Aerzte noch immer die ernstesten Bedenken.
Berlin, 8. März. Der Reichskanzler verweilt im Palais. Seit heute nachmittag 2'/» Uhr findet Ministerrat im Reichstagsgebäude statt. Voraussichtlich wird der Reichstag morgen geschlossen. Im Befinden des Kaisers wird die schlimmste Mendung befürchtet.
Berlin, 8. März. DaS Schmerzlichste .wird allgemein für unvermeidlich gehalten. Um 3ftz Uhr findeteine Staatsministerialsitzung wegen nötiger staatsrechtlicher Fürsorge statt.
Berlin, 8. März. Man ist auf das Ende vorbereitet, der Kaiser hat das Abendmahl empfangen. Die Theater sind für heute geschlossen.
Berlin, 8. März. Um 5 Uhr 55 Min. wurde die kaiserliche Fahne vom Palais abgenommen.
Berlin, 8. März, 8 Uhr 40 Min. abends. (8.O.L.) Soeben verlassen sämtliche Hofchargen, Mi- ! nister, Gesandte das Palais. Ob der Kaiser verschie- - den, ist schwer zu erfahren. In den Nachmittagsstunden sprach Se. Majestät noch verschiedene Male, i wenn auch gebrochen , mit dem Reichskanzler. Mit ! dem Prinzen Wilhelm redete der Kaiser über das „bevorstehende Brigadeexerzieren". Sein Blick streifte ! sehr oft die Kaiserin, deren Hand fast fortwährend ^ in derjenigen des Kaisers ruhte. Nach kurzem Schlaf ! erwachte Se. Majestät immer wieder wie aus einem ! Traume; der Kronprinz hat seine Ankunft auf Montag angekündigt.
(Deutscher Reichstag.) Am Montag wurde die zweite Beratung des Antrages auf Aufhebung des Identitätsnachweises bei der Getreideausfuhr fortgesetzt. Abgg. von Wedell-Malchow fkons.), Woermann (natlib.), Brömel, Rickert ffreis.j, v. Puttkammer-Plauth (kons.) traten im Interesse der Landwirtschaft des Ostens dafür ein, Abgg. von
> Pfetter, v. Hüne fZent.), Richter-Hagen waren dagegen, weil
> sie sich nichts davon versprachen. Schließlich wurde der Antrag zurückgezogen und mit 178 gegen 101 Stimme Uebcr- gang zur Tagesordnung beschlossen in Erwägung, daß die
! Wirkungen der Aufhebung des Identitätsnachweises noch nicht
> klar genug liegen, daß die Zeit zur eingehenden Erörterung in dieser Session mangelt, und in der Erwartung und mit dem Wunsche, daß sich die verbündeten Regierungen mit dieser Frage befassen und dem Reichstage in nächster Session Mitteilung von ihren Erwägungen machen werden. Nächste Sitzung: Dienstag. Meine Vorlagen und Wahlprüfungen.
Das Projekt der Gründung einer Spiri- !tuskommissionsbank in Berlin hat sich in
> letzter Stunde abermals zerschlagen. Die General- ! Versammlung des Vereins der Spritfabrikanten Deutsch- i lands hat den Plan einstimmig verworfen, da er in j der vorliegenden Fassung nicht geeignet sei, den ge- ! hofften Nutzen für daS Spiritusgewerbe herbeizu- ^ führen.
Die Kreuzztg. meint, die Meldung, auch der General-Major von Wittich sei zum Prinzen Wilhelm kommandiert worden, beruhe auf einem Irrtum. So viel das genannte Blatt vernommen, würde der General das Kommando seiner Brigade in Branden- ! bürg behalten und auf Wunsch des Prinzen nur ! einige Male wöchentlich nach Berlin kommen, um ! Sr. K. Höhest und einigen anderen Offizieren kriegs- ^ wissenschaftliche Borträge zu halten.
! Schweiz.
, Wie aus Bern mikgeteilt wird, ist -er Schweizer Regierung bisher nichts von dem in Basel verteilten skandalösen Hetzblatt gegen Deutschland bekannt gewesen. Die Sache wird indessen untersucht werden und die Urheber des Vorfalles in geeigneter Weise zur Rechenschaft gezogen werden. Irgend welche diplomatische Aktion wird daraus nicht entstehen.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 6. März. Das „Fremdenblatt" druckt einen Artikel des Petersburger „Grashdanin" ab über die wahren Gesinnungen des Panslavismus und die ^ Verhältnisse Frankreichs zu Rußland, sowie Rußlands zu Deutschland. Dem „Grashdanin" zufolge führt
> der Weg nach Konstantinopel über Wien, doch der- ' jenige nach Wien über Berlin. Die Bereinigung aller ! slavischen Stämme könne nur auf den Trümmern ^ Oesterreich-Ungarns erfolgen. Das „Fremdenblatt"
I bemerkt hierzu; Das heißt deutlich gesprochen und ^ diese Definition des Panslavismus klingt wesentlich
anders als jene litterarisch-philologische Auffassung, die man so gerne in Umlauf setzen möchte.
Frankreich.
General Boulanger soll jetzt dem Kriegsminister Ferrvn erklärt haben, daß er sich „in Anbetracht der Epoche, in der wir leben", um Politik nicht mehr bekümmern und nur noch Militär sein wolle. Er will auch seine radikalen Freunde bitten, ihm keine Stimme mehr zu geben. Wenn er nur Wort hält!
Aus Cayenne ist die Meldung eingegangen, daß der französische Schooner „Fleur de la Mer" an dortiger Küste mit Passagieren und Material zu Grunde ging. Die Mannschaft und einige Passagiere wurden in dem Schifferboote gerettet, aber 60 Passagiere ertranken.
Italien.
Rom, 3. März. Bischofs Dr. Haffner richtete ein Telegramm an den deutschen Kronprinzen in San Remo: Die Versammlung der deutschen Pilger spreche demselben ihre Ergebenheit und die besten Wünsche für seine Wiedergenesung aus und verspreche ihm ihr Gebet. — Am morgigen Sonntag empfängt der Papst die deutschen Pilger nochmals. Jeder derselben erhält zum Andenken eine Medaille.
Rom, 7. März. Crispi teilte der Kammer mit. daß das Votum mit dem Wunsch nach Genesung des deutschen Kronprinzen das Echo der tiefsten Sympathie in ganz Deutschland gefunden habe. Dieser Sympathie gäben zwei Telegramme Bismarck's an ihn Ausdruck. Crispi verlas hierauf die Telegramme, welche von der Kammer mit lebhaftem Beifall entgegengenommen wurden.
Rom, 7. März. Der „Riforme" zufolge sprach Fürst Bismarck heute telegraphisch dem Ministerpräsidenten Crispi den Dank aus für die gestrigen Wünsche der Kammer für die Wiedergenefung des deutschen Kronprinzen und für die hierbei gesprochenen Worte Crispi's. Die „Riforma" fügt hinzu, das Telegramm enthalte nicht nur den Ausdruck deS einfachen Dankes, sondern habe auch einen besonderen politischen Charakter, da in demselben die Bande der Freundschaft zwischen den beiden Ländern erwähnt sei.
Das römische Hofjournal „Fanfulla" meldet, ein preußischer General und Adjutant des Prinzen Wilhelm sei in Rom angekommen, um dem König Humbert Seitens des Prinzen Wilhelm Nachrichten über das Befinden des Kronprinzen zu überbringen. Das nemliche Blatt meldet, König Humbert habe wiederholt den Wunsch geäußert, nach San Remo zu reisen, der Kronprinz habe jedoch stets dankend abgelehnt, da er durch sein Leiden einen peinlichen Eindruck auf den König zu machen befürchtete.
San Remo, 6. März. Prof. Waldeyer ist um 12 Uhr nach Berlin abgereist, um die Untersuchung des Auswurfs in einem größerem Laboratorium fortzusetzen. Das Resultat derselben wird auf den Wunsch der Kronprinzessin selbst allen Aerzten gegenüber geheim gehalten. Der Zustand des Kronprinzen ist besser, der Husten geringer.
San Remo, 7. März. Prof. Bergmann ist um 8 Uhr abends abgereist. — Prof. Waldeyer ist gestern nach Berlin gereist, wo er erst sein Gutachten abgeben wird. — Das Befinden des Kronprinzen ist jetzt hoffnungsvoller.
England.
London, 3. März. Wie das Reutersche Bureau aus Tamatave vom 25. Februar meldet, legte am 22. Febr. ein heftiger Orkan einen großen Teil der Stadt in Trümmer. Elf Schiffe an der Küste, darunter der deutsche Schoner Irene, ging verloren; 20 Personen sollen das Leben eingebüßt haben.
London, 6. März. Die „Times" erblickt in der Ernennung des Prinzen von Wales zum Chef eines österreichisch-ungarischen Husareuregimenls die Besiegelung der gegenwärtig zwischen Oesterreich- Ungarn und England bestehenden innigen Beziehungen. Die Bande, welche beide Länder verknüpfen, seien jene der gemeinsamen Interessen. Oesterreich-Ungarn wisse, seine Sicherheit sei mit der Erhaltung der Unabhängigkeit der Balkanstaaten verknüpft, während England den Handel der Levante vor dem Aufgehen in ein großes eifersüchtiges Schutzzollsystem bewahren müsse.
London, 7. März. Dem „Standard" wird aus Berlin gemeldet, daß Rußlands Kandidat für den bulgarischen Thron der Herzog von Leuchtenberg sei.