sagt, er könne den Auftrag nur annehmen, wenn er, Grevy, zurücktrete. Dasselbe haben dem Präsidenten auch Freycinet, Floquet und Gablet gesagt; Grevy will aber immmer noch nicht diesen Forderungen entsprechen und sucht nach anderen Leuten für die Kabinetsbildung. Es wird ihm freilich alles nichts helfen! Dienstag berief der Präsident Brisson und den Senatspräsidenten Le Roher. Das sind auch nicht entfernt die richtigen Leute, die schwierige Sache zu ordnen, sie dankten deshalb für die Ehre.

Die Radikalen des PariserGemeinde- rates hielten eine sehr stürmische Versammlung ab. Ein Antrag, nach dem Elyseepalaste zu ziehen, wurde abgelehnt und statt dessen die Einsetzung eines Wohl­fahrts-Ausschusses beschlossen. Die Straßen sind bisher völlig ruhig, doch sind große militärische Vor­bereitungen getroffen und wird das Elysee stark be­wacht.

Paris, 22. Nov. Jules Grevy hat bis jetzt 120 Minister gehabt, seit er der Republik vorsteht (30. Jan. 1879). Zwölf Kabinete sind in diesen 9 Jahren aufeinander gefolgt.

Man darf nach allem gespannt sein, ob Grsvy sich dazu drängen läßt, vom Präsidentenstuhl herun­ter zu steigen. Er mag sich sagen, daß er schon Republikaner war, als die heutigen Wortführer und Bedränger in der Kammer entweder ihre Kinder­schuhe austraten oder in monarchistischen Höschen herumliefen. Er will sich nicht in das alte Eisen werfen lassen von Politikern, die nichts für Frank­reich und nichts Gutes für die Republik gethan ho­ben; er möchte sich die Zeit feines Rücktritts wählen.

Paris, 22. Novbr. Grevy hat für heute Brisson und Lcroyer ins Elysee berufen. Die Un­möglichkeit, ein Ministerium zu bilden, wird jedoch immer größer und der schließliche Rücktritt Grevys wahrscheinlicher, falls es Gevy nicht gelingt, ein ein­faches Geschäftsministerium zu bilden.

Paris, 23. Nov. DieAgence Havas" be­stätigt, daß Grevy gegen Maret äußerte, er werde zurücklreten und morgen Ribot ersuchen, ein Mini­sterium zu bilden, welches den Kongreß berufen solle; aber er, Grevy. lehne alle Verantwortlichkeit für innere und auswärtige Verwickelungen ab, die er voraussehe; er werde dem Lande durch eine Bot­schaft anzeigen, daß sein Rücktritt nicht freiwillig, sondern durch die Unmöglichkeit, zu regieren, not­wendig geworden sei.

Paris, 23. Nov. Die Sprache der Presse ist heute grausamer als je. DerFigaro" sagt: Die Thränen, welche das alte jurassische Krokodil (Grevy stammt aus dem Jura) in die Weste des Herrn Clemenceau vergossen hat, werden historisch sein.

Paris, 23. Nov. Nach dem XIX. Siöcle hätte der Präsident Grevy die beiden Wilsonbriefe, welche ihm Gragnon brachte, selbst zerrissen. Nament­lich habe ihn der geniert, wo es hieß:Der Präsi­dent der Republik und ich werden dem General Thi- baudin das nächste vakante Generalkommando über­tragen.

Paris, 24. Nov. Möglicherweise findet schon in der heutigen Kammersitzung die Verlesung der Ab­dankungs-Botschaft Grevy's statt, falls es nämlich im Laufe des Vormittags gelingt, ein Ministerium zu bilden. In Versailles haben bereits die Vorbereitun­gen zur Vereinigung des Kongresses begonnen. Man wird alles aufbieten, damit schon am Samstag die Wahl des neuen Präsidenten stattfindct.

Holland.

Kaiserin Eugenie soll in Amsterdam, wo sie sich von Dr. Metzger massieren läßt, geisteskrank geworden sein.

Italien.

Wie aus Rom berichtet wird, wird Deutsch­land, um den Papst bei seinem Pricsterjubiläum zu beglückwünschen, einen außerordentlichen Gesandten entsenden. Dazu ist der Fürst von Hohenlohe aus­ersehen.

Zwei neue Aerzte sind in San Remo ein­getroffen, die Herren Doktoren Dohm und Dettwei- ler und wurden am Bahnhofe von Dr. Krause be­grüßt Was den Gesundheitszustand des Kronprin­zen anlangt, so ist derselbe andauernd gut. Während der Nacht werden Eisumschläge ununterbrochen auf­gelegt, doch hindern sie den hohen Patienten nicht am Schlafe.

San Remo, 22. Novbr. Die Aerzte deS Kronprinzen können sich auch heute nur zufrieden über den Zustand des Patienten äußern. Die Kron­

prinzessin mit der Prinzessin Viktoria hatte den schö­nen Morgen zu einem Spaziergang benützt. Wie derN. Fr, Pr." gemeldet wird, soll an dem deut­schen Kronprinzen in den letzten Tagen eine ernstere Stimmung als früher beobachtet worden sein. Da er durch das ungünstige Wetter am Ausgehen ver­hindert ist, beschäftigte sich der Kronprinz mit der Abfassung von Briefen an mehrere ihm befreundete fürstliche Persönlichkeiten und soll denselben eine Darstellung seines Krankheitszustandes gegeben haben. Wie es heißt, sind derartige Schreiben unter anderen an den Kronprinzen Rudolf von Oesterreich und an die beiden Schwäger des deutschen Kronprinzen, den Großherzog von Baden und den Prinzen von Wales abgegangen.

Aus San Remo, 23. Nov. telegraphiert man derKöln. Ztg.": Obwohl der Regen aufgehört hat, verhindert das anhaltende feuchtkalte Wetter den deutschen Kronprinzen, auszufahren. Das All­gemeinbefinden bleibt vortrefflich; niemand würde dem Kronprinzen eine Krankheit ansehen. Er schläft gut, spricht, wenn auch leise, so doch ohne Beschwerde, verbringt den Tag im Familienkreise bei gewohnter Beschäftigung, läßt sich Zeitungen vorlesen, aber nichts über seine Krankheit; er scherzt wie gewöhn­lich und sieht der Zukunft nicht ohne Hoffnung mit Gottverlrauen entgegen. Den Winter über wird er wahrscheinlich in San Remo bleiben. Es sind kei­nerlei Anzeichen vorhanden, daß die Tracheotomie sich in nächster Zeit als nötig erweisen würde. Prinz Heinrich bleibt auf längere, unbestimmte Zeit hier.

England.

Die Londoner Radikalen haben Sonntag Nachmittag mit Musik und Fahnen ihre angekündigte Protestversammlung gegen die irische Politik der Re­gierung und das Einschreiten der Londoner Polizei vom vorigen Sonntag abgehalten. An 30000 Men­schen waren zugegen. Nach heftigen Reden wurden entsprechende Beschlüsse gefaßt. Darauf marschierten die Demonstranten unter den Klängen der Marseil­laise wieder nach Hause, froh über das gelungene Sonntagsvergnügen. Die Ruhe wurde nirgends ge­stört, da sich die Sozialisten nicht sehen ließen. Alle Zugänge zum Trafalgar Square wurden streng be­wacht.

Der holländische DampferSchölten" stieß bei Dover, wie wir schon berichtet, mit dem l britischen DampferRosa Mary" zusammen. Der !Schölten" sank und 132 Personen (meist deutsche und holländische Auswanderer) ertranken. Der Zu- ^ sammenstoß war fürchterlich, das Wasser drang sofort mächtig ein. Da die meisten Passagiere bereits in den Kojen waren, herrschte panischer Schrecken. Al­les stürzte aufs Deck, die meisten Passagiere waren vor Angst von Sinnen. Der Dampfer sank sehr schnell. Die Unglücklichen drängten sich auf dem über Wasser bleibenden Teile des Schiffes zusammen. Es gab ergreifende Abschiedsszenen, Mütter und Kin­der umklammerten sich, viele sprangen verzweifelnd ins Wasser. Der englische DampferEbro" rettete ! 77 mit Schwimmgürteln versehene Personen.

Rußland.

Petersburg. Die Nihilistenpartei hat eine neue große Aktion begonnen. In allen Bezirks­hauptstädten, in Kasan, Archangel, Zitomir, Odessa, Orel, Wilna, Warschau rc., wurden nihilistische Pro­klamationen nach Tausenden verbreitet. Infolge des­sen verdoppelte die Polizei ihre Wachsamkeit und es gelang ihr, in Petersburg zwei, in Kasan eine und in Warschau eine Geheimdruckerei und ein Dynamit­lager auszuheben. Die Gefängnisse sind so überfüllt, daß ein Teil der Verhafteten in Kasernen unterge­bracht werden mußte. Im vorigen Monat sind aus Sibirien dreizehn nihilistische Deportierte entflohen.

Bulgarien.

Fürst Ferdinand von Bulgarien kaufte einen großen ungarischen Güterkomplex für ^ Mil­lionen Gulden.

Amerika.

Aus New-Dort kommt die Meldung, daß dort etwa 6000 Deutsche Ueberfahrtsgelegenheit nach der alten Heimat suchen.

Kleinere Mitteilungen.

Frankenbach. 21. Nov. Eine ruchlose That ist ge­stern nacht verübt worden. In der Brauerei des Herrn Hägele wurde am Kühlschiff der Hahnen aufgedreht, so daß dessen Inhalt, ca. 2900 Liter, vollständig ausfloß und zu Grunde ging-

Inimendingen, 19. Nov. Eine Frcvelthat hält un­

ser» Ort in der größten Aufregung. Die Ludwig Grinninger'- fche Familie hatte sich zum Mittagessen niedergcsetzt, als de­ren Schwiegersohn, der frühere Falkcnwirt Grciner, der schon einige Jahre geschieden von seiner Frau lebte, mit Metzger­messer und Revolver bewaffnet in das Zimmer tritt. Mit dem GrußeGott segne's Euch; Eure letzte Stunde ist ge­kommen," richtete er ein fürchterliches Blutbad au. Seine Frau und deren Schwester erhielten lebensgefährliche Stiche in den Unterleib. Der zu Hilfe eilende Bruder und der 70jäh- rige Vater wurden von Revolverkugeln empfangen. Während die Einwohner zur Abwehr herbeieilten, wurde der Kampf auf dem Hofe fortgesetzt. Die Mutter sank, von einer Kugel getroffen leblos nieder. Endlich legte der Mörder Hand an sich selbst, indem er sich das Messer bis an das Heft in den Leib stieß und auf sich selbst zu schießen begann. Ein zu­fällig dastehendes Mädchen wurde von einem Streifschuß verwundet. Dies alles war das Werk von einigen Minuten. Der Mörder, der die schreckliche That bei vollem Bewußtsein ausgeführt, wird kaum dem Leben erhalten werden können.

In Leipzig hat sich am Sonnabend Abend ein dor­tiger Student vom Viadukt der Thüringer Eisenbahn auf einen vorbeifahrenden Zug gestürzt und ist von diesem sofort zermalmt worden.

Berlin, 22. Nov. Der Kronprinz und die Kadetten. Die Kadetten, welche im kommenden Frühjahr ihrem Eintritt in die Armee als Offiziere oder Portepee-Fähnriche entgegen­sehen, sind schon jetzt gespannt darauf, ob sein Gesundheits­zustand unserm Kronprinzen es erlauben wird, wie alljähr­lich so auch wieder bei dem im März 1888 stattfindenden i Offizier- und Fähnrichs-Examen das Kadettenhaus zu Lich- i terfclde mit seinem Besuch zu beehren. Der schwere Tag der ! Prüfung wird dadurch den jungen Kriegern zum Frcuden- tag, denn der Kronprinz begnügt sich nicht damit, bei seinem stundenlangen Aufenthalt in den verschiedenen Examinations- räumen scherzend und hier und da Mut znsprechend ans- und abzugehcn, sondern er hilft auch ein mit seinen Kenntnissen an französischen, englischen und lateinischen Vokabeln oder mathematischen Formeln, wenn er ein sorgenschweres Haupt über die schriftliche Examenaufgabe, wie über ein unlösbares Problem gebeugt sieht. Bei der mündlichen Prüfung 1884 in der Physik bemerkte der Kronprinz, während die Aufmerk­samkeit des examinierenden Professors und der anwesenden Kadetteu-Offizicre auf die Ausführung eines physikalischen Experiments durch einen Kadetten gerichtet war, wie ein Zög- ! ling von einem sogenanntenSchuckzettel", gedeckt durch den ^ Rücken seines Vordermannes, heimlich physikalische Formeln ! ablas. Unbemerkt näherte sich der Kronprinz, nahm ihm ' schnell den Zettel aus der Hand und zerriß denselben, indem ! er den Kadetten mit einem strenge», strafenden Blick musterte.

^ Während der ertappte Sünder fassungslos den hohen Herrn ! anstarrte, ermahnte ihn dieser leise mit den Worten: Wollen ^ Sie sich ihre ganze Karriere verderben durch solchen Lcicht- ^ sinn, mein Sohns Diesmal geht es noch so hin, ich werde ! nicht darüber sprechen." Von den sonst anwesenden Herren

> hatte Niemand den Vorgang bemerkt und der Kadett war ! gerettet. -- Bei der diesjährigen mündlichen Prüfung im ! März und zwar im Französischen, kramte ein Kadett in sei- i nem Gedächtnis ängstlich nach der Ucbersetzung des Wortes:

!Der Verdienst." Der Kronprinz, dies bemerkend, stellte sich

^ hinter den Professor und zeigte über dessen Schulter hinweg auf die Inschrift seines Ordens Pour le mörits. Der Exa- ^ minant, über diese unerwartete Hilfe vor Freude sich vcrges- ^ send, nickte dem Kronprinzen ganz vertraulich lächelnd zu als Zeichen, daß er ihn verstanden habe und platzte dann kurz i und laut heraus:Is mörits." Dies machte einen so drolli- ^ gen Eindruck, daß der Kronprinz und alle anwesenden Herren ^ in ein herzhaftes Gelächter ausbrachcn.

In Kaakow bei Frankfurt a. O. hat der pensionierte

> Gensdarm Thiele seine 5 Kinder mit einem Revolver zum ^ Teil getötet, zum Teil schwer verwundet und zuletzt auch seine ^ Schwiegermutter, bei welcher die Kinder Unterkunft gefunden ' hatten. Er lebte von seiner Frau getrennt und hat aus Rache

gehandelt.

Die Prinzessin Thyra von Cumberland ist am Donnerstag in Penzing bei Wien, ihrem derzeitigen Wohu- ^ sitz, von einem Knaben entbunden worden. Für einen Thron- ^ folger wäre also gesorgt und dafür, daß derselbe seinerzeit ^ Ansprüche auf Hannover erheben wird, werden andere sorgen.

Dieser Tage wurde in Wernigerode ein in der ' Nachbarschaft gefangener Maulwurf mikroskopisch untersucht, wobei sich heransstellte, daß das Tier von Trichinen gcrade- , zu wimmelte. Es ist dies wiederum eine Mahnung für ! Landwirte, getötete Maulwürfe nicht, wie dies vielfach ! geschieht, auf die den Schweinen zugängigen Düngerhaufen ! zu werfen, sondern die Tiere zu vergraben.

Die Polizei in Paris hat 3 Individuen verhaftet,

! welche behaupten, sie hätten Geld erhalten. um den Direktor ! der ZeitungXIX Siecle", der im Besitz von Papieren war, die Wilson verderben mußten, auf der Straße niedcrzuschla- ! gen. Wer ihnen das Geld gegeben hat, wollen sie nicht sagen.

! Die Braut in der Tinte. Aus Rom erfahren wir

^ die nachfolgende dunkle Eifersuchtsszene: Fräulein Alvaredo,

> eine nicht mehr ganz junge, ziemlich launenhafte Dame, hielt ! seit einigen Jahren ein hübsches Mädchen als Kammerjung­fer in Dienst, dem sie das Leben recht sauer zu machen ver-

, stand. In letzterer Zeit setzte sie ihrer Brutalität die Krone auf, indem sie den Verlobten ihrer Zofe, einen jungen Beam­ten, 1»urch ihr Geld an sich fesselte, uud demselben geradewegs i ihre Hand anbot. Am 16. d. M. sollte die Hochzeit des Paa- ' res gefeiert werden. Lina, die Kammerjungfer, half, schein- ^ bar unbefangen, ihrer Herrin beim Ankleiden mit dem weißen ^ Spitzenkleide, sie setzte ihr den Orangeblütcnkranz auf das ^ Haupt und hüllte sie in den Schleier. Als sie die Toilette ^ beendet, wollte sich Fräulein Alvaredo vom Stuhl erhebe^ die Kammerjungfer hielt sie indessen noch einen Augenblick zurück und goß ihr blitzschnell aus einem Füßchen unge- , sähr drei Liter Tinte über Kopf, Gesicht, Toilette. Die Braut ! fiel begreiflicherweise in Ohnmacht, und die Reinigung, die erst in acht Tagen vollständig sein dürfte, veranlagte eine ^ Verschiebung der Hochzeit. Die Zofe ist flüchtig geworden,