Die französischen Kammern sind mit kur­zen Ansprachen der wiedergewählten Präsidenten er­öffnet worden.

Paris. Die Budgetkommission beschäf­tigt sich eifrig mit der Prüfung des Budgets, wel­ches um 129 Millionen Franken niedriger ist, als das vom vorigen Ministerium vorgelegte. Im Mili­tär-Etat finden sich allein 29 Millionen Ersparnisse. Die Kommission hat zu prüfen, ob diese ungewöhnlich großen Ersparnisse reine Scheinersparnisse sind, ob der Staat durch die Verringerung seiner Ausgaben auf keinem Gebiete seiner Thätigkeit geschädigt wird. Wenn es sich erweisen läßt, daß diese Ersparnisse sich nur durch gewaltsame und schädliche Einschrän­kungen haben erzielen lassen, so ist es um das Mi­nisterium Rouvier geschehen, denn das Budget ist das Fundament seiner Existenz. Die Beratung desselben hat also für die Session eine ganz besondere Wich­tigkeit. Die Kommission hat die geheimen Fonds im Budget gestrichen. Es ist aber nicht anzunehmen, daß die Kammern diesen Beschluß acceptieren werden.

Paris, 26. Okt. In einer Versammlung, die in Tours gestern stattfand, gab Wilson Erklä­rungen hinsichtlich der Orden sasfaire ab. Nach einer stürmischen Verhandlung wurde mit geringer Majorität eine Tagesordnung angenommen, die ver­langt, daß Wilson sein Mandat niederlege.

Paris, 27. Okt. Wilson bestätigte einigen Journalisten gegenüber, daß er sein Mandat nicht niederlegen werde. Der heutigen Kommissionssitzung werde er beiwohnen, um für die Untersuchung zu stimmen, welche ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung bieten werde.

Zwischen der englischen und französi­schen Regierung ist jetzt, wie schon gemeldet, endlich ein Uebereinkommen über die Neutralisierung des Suezkanals, sowie über die Neuhebriden abge­schlossen worden. Was die letztere Abmachung be­trifft, so erfährt man, daß Frankreich seine dortigen Militärposten zurückziehen und die Sicherheit auf den Inseln in Gemeinschaft mit England überwachen las­sen werde. Die Pariser Presse feiert diesen Abschluß mit freudigem Lärm: der neutrale Kanal bedeute künftig ein neutrales Egypten und eine neue unge­störte Freundschaft zwischen Frankreich und England.

Die Nachricht. Großfürst Ni ko laus von Ruß­land, der Toastprinz, sei nach Petersburg zurückbe­rufen, irrig. Der Prinz ist noch in Paris.

Im Hafen von Marseille ist der franzö­sische DampferHindoustan" verbrannt.

Belgien.

Brüssel, 26. Okt. Aus Antwerpen wird gerüchtweise gemeldet, der am 15. Oktober von dort abgegangene DampserWesterland", auf der Route nach Newyork begriffen, sei mit Mann und Maus untergegangen. Er hatte 490 Personen an Bord.

Brüssel, 27. Ott. Die belgischen Handels­kammern berufen eine Konferenz nach Lüttich ein, um gegen die Krupp'schen Kanvnenlieferungen zu protestieren. Die Angelegenheit gewinnt allmählich eine politische Färbung.

Italien.

Papst Leo Xlll. wird kurz vor dem Jubi­läumstage ein Konsistorium abhaltcn und neue Kar- dinäle ernennen. Gegenwärtig arbeitet der Papst an einem Jubiläums-Rundschreiben an die Bischöfe.

Turin, 26. Okt. In seiner Banketrede sagte Crispi: Italien sei mit allen Mächten befreundet, es stehe indessen zu einigen derselben in ganz beson­ders intimen Beziehungen, indem es auf dem Konti­nent mit den Zcntralmächten alliiert sei und aus den Meeren im Einverständnis mit England handle. Italien habe sich indessen kein Ziel gesteckt, wodurch andere Mächte sich bedroht fühlen könnten. Die jüngste Reise des Ministers nach Friedrichsruh habe ohne Grund die öffentliche Meinung in Frankreich erregt, glücklicherweise habe aber diese Erregung das Vertrauen der französischen Regierung nicht erschüt­tert, welche die Loyalität der Absichten Italiens kenne. Der Eintritt Italiens in die Allianz der Zentral­mächte bezwecke die Erhaltung des Friedens, nicht irgendwelchen Angriff, die Aufrechterhaltung der Ord­nung, nicht irgendwelche Beunruhigung; wie Italien, so verfolge auch Deutschland dasselbe Ziel: den Frie­den zu erhalten. Die llebereinstimmuug der Gedan­ken und Gesinnungen des Fürsten Bismarck mit sei­nen fCrispi's) eigenen, die schon seit lange datiere, habe sich jetzt nur noch mehr befestigt. Wenn man gesagt habe, daß in Ariedrichsruh eine Verschwörung

^ gemacht worden sei, so sei dies eine Verschwörung zu Gunsten des Friedens gewesen. Alle, die den Frieden wollen, können sich derselben anschließen. Die Diskretion verbiete ihm, alle die denkwürdigen Worte zu wiederholen, welche ihm Fürst Bismarck gesagt, nur eines Wortes wolle er erwähnen, das ihm der Fürst beim Abschied gesagt habe:Wir ! haben Europa einen Dienst erwiesen." Mit seiner Orientpoliük verfolge Italien das Ziel ' der Autonomie. Die Nationalität der Balkanvölker i müsse im Interesse der Gerechtigkeit erhalten bleiben.

! Da Italien nur einen Frieden mit Ehren wolle, so bereite es sich vor, die Ermordung seiner Angehöri­gen in Afrika zu rächen; es handle sich da nicht um eine Politik der Abenteuer oder um Eroberungen. Die Rede wurde mit enthusiastischem Beifall ausge­nommen.

; Im Zuchthause zu Palermo kam es zu i einem heftigen Kampfe zwischen Sträflingen und ^ Wächtern, welchem erst Militär ein Ende machen konnte. Man zählte 5 Tote, 15 Verwundete, davon 6 Beamte.

Spanien.

Die spanischen Cortes sind auf den 20. Nov. einberufen. Nach einem Madrider Telegramme hat der Ministerrat den Entwurf des Kriegsministers, welcher die allgemeine Wehrpflicht einführen und das stehende Heer auf 300000 Mann bringen will, an­genommen. Der Friedensstand der spanischen Armee ^ betrug bisher 182000 Mann, der Kriegsstand ist mit 870000 Mann angegeben.

England.

Eine Konföderation der Balkan staaten! Sind wir schon soweit? Englische Blätter behaupten, Fürst Ferdinand von Bulgarien werde nächster Tage mit König Karl von Rumänien eine Zusammenkunft haben; auch König Milan von Serbien solle ins Vertrauen gezogen werden. Was wird derZar- Befreier" dazu sagen?!

Rußland.

Nach einer soeben veröffentlichten Mitteilung der russischen Militär-Intendantur kostete der letzte russisch türkische Krieg Rußland die riesige Summe von 1 309 000 000 Rubel.

In Tiflis erhielten sämtliche Juden, die nicht in Rußland heimatberechtigt sind, den Befehl, die Stadt innerhalb 2 Monaten zu verlassen. Die Zahl der Ausgewiesenen ist beträchtlich.

Bulgarien.

Am Freitag wird Für st Ferdinand in feier­licher Weise die bulgarische Nationalversammlung er­öffnen. Ganz ohne Kampfe wird es im Laufe der Verhandlungen trotz der großen Regierungsmehrheit schwerlich abgehen, Ministerpräsident Stambulow zeigt sich im Vollgefühl seiner Allmacht ziemlich brüsk und hat sich viele Feinde geschaffen.

Afrika.

Dem Vernehmen nach werden bereits Vorbe­reitungen getroffen, um die Ueberre st e Dr. Nacht i- gals von Kap Palmes nach Kamerun überzu­führen, wo dieselben eine bleibende und würdige Ruhestätte finden sollen. Bei der Bevölkerung von Kamerun steht der hochverdiente Forscher, der dort die deutsche Flagge aufhißte, im besten Andenken.

Kleinere Mitteilungen.

Stuttgart, 24. Okt. Der in letzter Zeit in der Affaire Caffarel vielfach ermähnte Graf v. Andlan wurde 1867 Ab- tcilungsches im Großen Gencralstabe und in dieser Eigenschaft zu den württembergischen Fclddienstübungen bei Kirchheim im Herbste 1868 geschickt. Hier erinnert man sich wohl noch des peinlichen Aufsehens, welches die Nachricht erregte, einer der franz. Offiziere habe bei einem fröhlichen Gelage im Lager­zelte in später Stunde einen Toast auf die Wiederherstellung der alten Waffenbrüderschaft bei einem künftigen Kriegemit dem gemeinschaftlichen Erbfeind Preußen" auSgcbracht. Die württembergischen Offiziere thatcn, als ob sie die Unart des fremden Gastes überhört hätten; einer unter ihnen aber, der seither verstorbene Rittmeister Graf D., konnte den gerechten Zorn nicht meistern, und mit der Faust auf den Tisch schla­gend, erklärte er, daß jeder rechte Schwabe lieber seinen Sä­bel zerbrechen, als zum Verräter an Deutschland werden wolle. Die Sache wurde damals vertuscht.

Aalen, 24. Okt. In einer Fabrik in Unterkochen geschah es, daß ein Arbeiter, dessen Schurz sich an einer Transmission aufgewickelt hatte, von letzterer in raschem Tempo wirbelnd fortgerissen wurde. Es war gut, daß der Arbeiter sich geduldig in sein Schicksal fügte und die Trans­mission mit den Händen festhiclt; denn bald zerriß der Schurz und auch die übrigen Kleider wickelten sich auf und zerrissen, und nun ließ er die Transmission mit den Händen los und fiel auf den nahen Hoden herab, ohne eine Verletzung er­halten zu haben. Von den Kleidern hatte er allerdings nur den Hemdkragen am Halse gerettet.

Ein Lied von der Eifersucht scheint der Ortsdiener

Koch aus Steinach singen zu können, denn er hat kürzlich Folgendes veröffentlicht:Im Interesse des lieben häuslichen Friedens ersuche ich die geehrte Damenwelt, mit mir nur Gespräche zu führen, die dienstlicher Natur sind."

Aus Kalau. Die Leipziger sind schlechte Geographen, sie wissen nicht, wie weit Jerusalem von Leipzig entfernt ist.

NovSant (Landkr. Metz), 21. Okt. In dem franz. Grenzdorfe Pagny wurden in der Nacht vom 20. d. M. dem in den Ruhestand versetzten Pfarrer Bersol Geld und Wert­papiere im Betrage von 90000 Frks. gestohlen. Der Diebstahl soll mit großer Verwegenheit ausgeführt wor­den sein.

Vom Maingrnnd, 22. Okt Ein köstliches Stück­chen passierte einem unserer Weinhändler in der Pfalz. Der­selbe hatte in der Umgegend von Eoenkoben eine Wagenla­dung Neuen gekauft und natürlich tüchtig probiert. Als ihm der Kopf etwas sehr schwer geworden, wollte er spät abends noch bei einer renommierten großen Weinkeller» ältere Weine am Faße probieren, wobei ihn der Küfer des Haukes beglei­tete. Letzterer entfernte sich, um einen Heber zu holen, und konnte bei der Rückkehr in den Keller den Gast nicht mehr finden. In der Meinung, daß dieser sich wegbegeben, schloß er die Kellerei. Der Weinhändler war aber schlaftrunken zu­rückgeblieben und auf einem Fasse eingcschlafcn. In der Nacht aufgewacht, konnte er anfangs nicht begreifen, wo er sei und machte einen Höllenspektakel, als er bemerkte, daß er eingeschlossen war. Der Nachtwächter vernahm den Lärm und im Glauben, daß Diebe im Keller seien, wurde das Haus alarmiert. Man fand zwar nur den Händler, aber dieser hatte in der Dunkelheit im Dusel die Hähne von zwei auge­zapften Fäßchen Laubenheimer abgeschlagen, wodurch 600 Liter ausliefen. Der Rausch dürfte den Mann etwas teuer zu stehen kommeu.

Das Gicßereigebäude in der Borsig'schen Fabrik zu Moabit bei Berlin ist Dienstag früh bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt.

Wien, 23. Okt. Für die armen Schulkinder in den Wiener Volksschulen hat der Kaiser für sich und die Kaiserin ans seiner Privatkasse vorläufig zehntausend Gulden bewil­ligt, die in 5 Jahresraten zu 2000 Gulden für den erwähn­ten wohlthätigen Zwe ck verw e ndet wer d en so llen.

Handel L Verkehr.

Herbst. Selten kommt ein Jahr, wo den Wein­gärtnern das Produkt ihres Fleißes so rasch abgeht, wo die Käufer so willig sind und so flink zugreifen, wie es Heuer in den Weinorten unseres Landes geschehen ist und zum Teil noch geschieht. Wir waren in vergangener Woche mehrfach Zeuge davon, ein wie gesuchter und geschätzter Artikel der Neue" in allen weinerzeugendcn Orten unserer Nachbarschaft war; in vielen Dörfern wurde der gesamte Vorrat in 1lyz Tagen, ja in wenigen Stunden mit Beginn der Lese ausver­kauft, das doppelte und dreifache Quantum wäre ebenso rasch abgegangen, weil eben das Gewächs gut ist, in der Quali­tät nahe dem 1884er. Bei solch ungewöhnlicher Kauflust wir hörten manchen alten Weingärlner sagen, so sei cs noch in keinem Herbst hergegangcu - - mußten die Preise rapid steigen und da gab es manchmal arg häusliche Scenen, wenn z. B. der Mann bei der Lese im Weinberg war, die Frau inzwischen zu Hause mit Käufern noch zu niedrigem Preis abschloß und der Mann nun bei der Heimkehr den plötzlich eingetretenen Preisaufschlag vernahm, ohne daß er selbst noch davon profitieren konnte. Viele Produzenten bereuen es schwer, daß sie so frühzeitig ihre Ware losschlugen; cs ent­geht dadurch manchem ein schönes Stück Geld, denn selbst die gestiegenen Preise zahlten die Käufer hinterher gerne. Eine allgemeine Klage tu diesem Herbste ist der Obstmangel, bezw. der hohe Preis des Obstmostes, das tu großen Quantitäten vom Ausland bezogen werden muß. Der gewohnte Vesper- trunk wird dadurch manchem Arbeiter zu einem recht teuren s Artikel.

^ Stuttgart, 27. Okt. Auf dem hiesigen Gnterbahn-

hof sind angekommen 30 Waggons belgisches Mostobst zu

7 ^ 80 4 bis 8 20 -l, 50 Waggons österreichisches zu

8 20 bis 8 80 -4 je nach Qualität.

Nürnberg, 25. Okt. (Hopfen.) Heutige Preise:

^ Marktware prima 4550 dto. mittel 3540 Würt­temberg» prima 7580 dto. mittel 5060 -E, Badi­

scher prima 7580 -lL, Elsäßer prima 55-60-.^, dto. mittel 40-45 «

Die Zwillinge. »!!!?

j Eine Manöver-Humoreske.

!Da haben wir die Bejcheecung!" rief Konrad ! Altmüller, der älteste sühn des wohlhabenden Kauf- iinann's Alrmüllecj als bei der Rückkehr aus dem iKomPtoir ihm unv seinem Bruder Gustav vvn der ! Mutter zwei amtliche Zuschriften überreicht wurden.

!Das sind Reservistenfreuden! Zum Manöver einge- ^ zogen und gerade jetzt, wo wir so notwendig zu , thun haben."

!Hab dich nur nicht so," antwortete der jün- ^ gere Bruder Gustav; der ganze Altersunterschied be- ' stand bei den Zwillingsbrüdecn sceilich nur in einer i halben Stunde, aber er wurde doch geltend gemacht.

^Mir ist es ganz recht, süc ein paar Wochen ans ' diesem Stubenhvcken heransznkvmmen. ES wird sa- ! mos werden!" . ^

!Famos? Jawohl, alle Dummheiten, tue Du > machst, werde ich auSzuliaden haben, izch weiß es ! ja von srüher her! In der Uniform sehen wir jo 'ähnlich wie ein Ei dem andern. Denn von meinen braunen und Deinen blonden Haaren ist nicht viel 'zu merken. Ich will wenigstens zuseheii, daß wir nicht in dieselbe Kompagnie kom neu, denn dann ist