Sämtliche Konsularämter dort weisen daraus hin, daß kein Mangel von Arbeitskräften bestehe, daß alle Erwerbszweige überfüllt seien, und daß es fremden Arbeitern ganz besonders schwer falle, Beschäftigung zu bekommen, zumal die bestehenden Arbeiterassoziationen eingewanderten Berufsgenosscn in jeder Art und Weise Hindernisse in den Weg legen. Die Einwanderung von arbeitsuchenden, mit keinen oder nur geringen Mitteln versehenen Persönlichkeiten trägt nur dazu bei, die sozialen Gefahren für Amerika zu vermehren, weshalb die Frage der Einschränkung der Einwanderung voraussichtlich in nicht zu langer Zeit zur öffentlichen Erörterung in Nordamerika kommen wird. Unter diesen Umständen erscheint es den transatlantischen Konsuln mehr als je geboten, alle Auswanderungslustige vor der Auswanderung nach Nordamerika dringend zu warnen. Zahlreich sind die Fälle, in welchen Auswanderer kurz nach der Auswanderung ohne alle Existenzmittel nach Europa zurückkehrten und die Konsularämter um Unterstützung zur Heimreise angehen mußten. Alle Vorspiegelungen der Auswanderungsagenten in Betreff der Leichtigkeit des Erwerbes in Amerika erscheinen gegenüber den amtlich konstatierten, oben dargelegten Verhältnissen als falsch und unrichtig.
Aus Frankreich kommt jetzt völlig unerwartet eine Bestätigung der Nachrichten über die ernstliche Vorbereitung zu einem Angriffskrieg gegen Deutschland, die im vorigen Winter getroffen worden sind. Das „Kriegsgespenst", das im letzten Wahlkampf bekanntlich eine sehr große Rolle gespielt hat,,ist also kein Gespenst," sondern, wie sich jetzt ergiebt, Wahrheit" gewesen, es war in der That „ein Krieg in Sicht" und der Ausfall der Wahlen mag ein gut Teil dazu beigetragen haben, daß der Sommer friedlich vorüber gegangen ist. In einem Artikel der „Lanterne," betitelt „An der Grenze," dessen Verfasser General Boulanger ist und indem zuerst das Konzentrierungsprojekt, welches General Ferron vor 2 Jahren als Unterchef des Großen Generalstabes (Vorgänger Caf- farels) ausgearbeitet hatte, die schärfste Verurteilung erfährt und sodann alle Maßregeln aufgesührt werden, welche der Minister Boulanger im Winter 1886 bis 1887 getroffen hatte, um nicht allein die Ost- grenze wirksam zu schützen, sondern auch jeden Augenblick „die Ergreifung der Offensive" zu ermöglichen, heißt es:
Um nur Eins zu erwähnen, rühmt sich General Boulanger (oder was dasselbe ist, die „Lanterne"), daß er schon damals den schleunigen Bau der Baracken angeordnet habe, um darin die „trouxos xor- rnansntes äo oouvsrturs" untcrzubringen, ehe noch das Projektierte Gesetz notiert war, welches ihm diese neuen Truppen verschaffen sollte. Und da Angesichts der drohenden Gefahr es nicht möglich war, die ^ neuen Truppenbildungen abzuwarten, habe General Boulanger eine gewisse Anzahl von Brigaden marschfertig machen lassen, welche dazu bestimmt waren, die avancierten Stellungen zu besetzen. Die Bereitschaft dieser Brigaden sei zur Zeit der Affaire Schnä- bele so w it vorgerückt gewesen, daß sie 24 Stunden nach einem Telegramm ihre Positionen eingenommen haben würden, ivährend ihr Kommandeur und dessen Generalstab bereits an Ort und Stelle waren. So wird, wie gesagt, Alles bestätigt, was die nationale deutsche Presse im Frühjahr über die Anordnungen und die den Frieden bedrohenden Pläne des Kriegsministers Boulanger behauptet hatte, und das soll hiermit ohne jeden weiteren Kommentar konstatiert werden.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 22. Okt. Tisza drückt in seinem Finanz-Expose die Hoffnung aus, binnen 3 Jahren das Defizit vollständig zu tilgen. Er hoffe nächstes Jahr !2'/r, zweituächstes Jahr 2'/z Millionen und 1891 gar kein Defizit mehr zu haben, wenn der Frieden erhalten bleibe. Die Ausgaben dürfen absolut nicht steigen. Er hebt hervor, daß er sogar das Unterrichtsbudget stark reduziert habe.
Wien, 25. Okt. Aus Pirot wird gemeldet: Der Fürst von Bulgarien erhielt in den letzten Tagen Briefe mit der Bedrohung des Todes.
Frankreich.
Paris, 21. Okt. Der Präsident der Republik ist sehr erzürnt über die Art und Weise, wie mau den Fall Caffarcl vor die Oeffentlichkeit gezogen hat. Er schiebt die Schuld, daß der Skandal so stark wurde, dem Polizeipräfekten Gragnon zu und cr hat die Absetzung desselben verlangt, wenn er
nicht selbst seine Entlassung nehme. Gragnon beruft sich aber auf formelle Befehle des Kriegsministers, der freilich nicht sein unmittelbarer Vorgesetzter ist, und sagt, er gehe nicht freiwillig, sondern warte der Dinge, die da kommen sollen.
Paris, 22. Okt. Der französische Botschafter Herbette hat Flourens telegraphisch gemeldet, er habe nach seiner Rückkehr bei den deutschen Staatsmännern eine ebenso wohlwollende als sympathische Aufnahme gefunden und betrachte die internationalen Schwierigkeiten zwischen beiden Ländern als für lange Zeit beseitigt. Graf Herbert Bismarck habe ihm versichert, Deutschland sei entschlossen, alles zu thun, um die französische Empfindlichkeit zu schonen.
Paris, 22. Okt, Kriegsminister Ferron teilte im heutigen Ministerrat mit, daß die Unkosten für die Mobilmachung des 17. Armeekorps 2 Millionen weniger als die von der Kammer bewilligten 7 Millionen betrügen.
Paris, 24. Okt. In seiner Rede zu Bou- gival sprach Döroulsde hauptsächlich von Rußland. Die jetzige Lage von Europa sei auf die Länge unerträglich. Es sei Zeit, den Patrioten begreiflich zu machen, daß die Worte: Was wird Preußen dazu sagen? nicht mehr am Platze feien. (Rufe: Nieder mit Preußen!) Anstatt zu fragen, was Preußen denke, müsse man fragen, was Rußland denke. In Rußland sei man allgemein, daß die Unabhängigkeit Rußlands von Preußen bedroht sei. Dies sei ihm bei seiner Reise nach Moskau überall gesagt worden. „Während meiner Reise in Rußland fand ich überall das Echo: „Hoch Frankreich! Hoch Rußland! Nieder mit Preußen!" Ich empfehle ihnen dieses Echo. Das russische Kaiserreich kennt nur einen Wahrspruch: „Frei bei uns, Herr bei uns!" Ein einziger Zweck muß uns vereinen : die Niederwerfung Deutschlands und die Erhebung Frankreichs. (Stürmischer Beifall.) Wir sind dazu im Stande, wir dürfen ja nur unsere j tapfere Armee ansehen, welche von dem Fehler seines! Einzigen nicht entehrt, noch beschmutzt werden kann, so wenig als ein Tropfen Tinte den Ozean schwarz färben kann." ... Diese tolle Rede wurde mit enthu- > siastischen Rufen: „Es lebe Rußland! Nieder mit / Preußen!" ausgenommen.
! Belgien-
! Brüssel, 22. Okt. Der ru'sisch-vffiziöse „Nord"
^ kündigt an, Rußland werde eine größere Aktion in ^ Jnnerasien unternehmen, während es jede unmittelbare Aktion in Bulgarien aufgebe.
Italien.
T urin, 24. Okt. Der MinisterpräsidentCrispi und die diesen begleitenden Minister wurden von einer großen Volksmenge empfangen.
England.
London, 24. Okt. Die „beschäftigungslosen Arbeiter," welche gestern in demonstrativer Weise dem Gottesdienste in der Wcstminister-Abtei beiwohnten, erregten durch lautes Lachen Aergernis, so daß der Prediger sich gezwungen sah, den Gottesdienst zu unterbrechen, um sich direkt an die Ruhestörer zu wenden. Der Prediger sprach sich in seiner Rede für staatliche Gesetzgebung zur Milderung der Not aus. allein einige rohe Gesellen fuhren fort, zu lachen und den Redner zu verhöhnen.
Nach dem sozialdemokratischen Verein, der der Regierung eine Reihe Vorschläge macht, die jedoch > nur auf Inszenierung des sozialistischen Staates hin- j auslaufen, beträgt die Zahl der Stellenlosen in Lon- ; don 130 000 Mann, die der Familien auf 600 000 ! Köpfe. ?
Rußland.
In Moskau wurden auf Befehl des Zaren j 6 Offiziere der Geheimpolizei nach Sibirien geschickt. ! 5 ins Gefängnis geworfen. Warum? Sie hatten! sich an den Verbrechen notorischer Räuber im Stil- ^ len beteiligt.
Afrika.
In Sansibar wird ein deutsches Hospital / errichtet, wofür ein deutscher Arzt ebenfalls vcr- ! langt wird.__
Kleinere Mitteilungen.
Weingarten, 24. Okt. Die Leiche des bei dem.vor- gestrigen Brande verunglückten Knaben wurde unkenntlich verstümmelt aufgefunden. Der verhaftete Eigentümer hat ferne Brandlegung dem Untersuchungsrichter eingestanden.
Höxter a. d. Weser, 22. Okt. Die ca. eine Stunde vom Bahnhof Fürstenberg mitten im Wald gelegene, der! Firma Becker u. C. gehörige Glasfabrik Rotmünde, in wel- cher ca. IM Arbeiter beschäftigt wurden, ist heute morgen to- ^ tal niedergebrannt.
Ein Walfisch ist bei London gefangen. Das Thier schwamm die Themse herauf und geriet unterhalb der Tilbury Docks auf den Strand. Es war 35'/ L Fuß lang und hatte einen Umfang von 13'/r Fuß. Sein Gewicht beträgt 6 Tonnen und 5 Zentner.
In der Südsee sank der australische Dampfer „Cheviot" auf der Reise von Melbourne nach Sidney. 34 Personen ertranken.
Ein seltenes Beispiel von Vaterriebe wird aus Newark berichtet. Vincenco Juliano, ein Italiener welcher im dortigen Gefängnis seinem Prozesse auf die Anklage des Mordes entgegensieht, magerte in letzter Zeit trotz der rhm reichlich verabreichten Kost merklich ab. Vor einigen Tagen nun entdeckten die Gefängnisbeamtcn den Grund der auffallenden Magerkeit des Italieners. Derselbe hatte nämlich der ihn täglich besuchenden Gattin, welche sich nebst ihren Kindern seit seiner Verhaftung in der großen Not befand beinahe sämtliche ihm per Tag gelieferten Nahrungsmittel zugestcckt. Der Direktor des Gefängnisses ordnete sofort nach dieser Entdeckung an, daß dem Arrestanten das Doppelte i der demselben Ankommenden Rationen verabreicht werden sollte und traf Anstalten, um die Not der Familie des Angeklagten z u lindern. _
Handel «L Berkehr.
Stuttgart: (Wein.) Bis auf einige kleinere Posten alles verkauft zu Preisen von 56—66 ./L pro Hekt. — Un- ! tertürkheim: Gestern wurde der noch feile Wein vollends ! verkauft zu Preisen von 175—200 weißer Riesling 180 i bis 210 pro 3 Hekrol.
Stuttgart, 24. Okt. (Mehlbörse). An heutiger Börse sind von inländ. Mehlen 1435 Sack als verkauft zur Anzeige gekommen zu folgenden Preisen: Nr. 0 ^ !30—32 Nr. 1 27.25-29, Nr. 2 25.25-26.50, Nr. 3
»4 ^_y-: 4 ^
Stuttgart, 25. Okt.' (Landcsproduktenbörse). Wir notieren Pr. 100 Kilogr.: Weizen, bayerischer 18.80, ung.
18.85, Gerste, bayerische .« 17, mährische ^ 18.
Stuttgart, 24. Okt. Auf dem hiesigen Güterbahnhof sind angekommen 35 Waggons belgisches Mostobst im Preise je nach Qualität pr. Ztr. 7.50-8 , 65 Waggons österreichisches Pr. Ztr. 8—8.50.
Ulm, 24. Okt. Der Obstverkehr auf hiesigem Bahnhof ist Heuer wieder ein ganz gewaltiger. Bis jetzt sind schon über 560 Waggons hier an- und durchgekommen. Das meiste Obst kommmt Heuer aus Steiermark und Kroatien, nur weniges aus der Schweiz und aus Bayern. Ein Waggon repräsentiert einen Wert von 1200—1400 ; somit sind allein
für die Obsteinfuhr über Ulm schon gegen 780000 aus dem Land gegangen. Laut einer Notiz aus Friedrichshofen sind daselbst Heuer schon über 1300 Wagen mit ausländischem Obst passiert und werden noch 300—400 erwartet. Das giebt nahezu 2 Millionen .6, welche dem Land entzogen werden und denen gegenüber die Frachteinnahmc unserer Bahnen gar nicht in Betracht kommt.
Friedrichshafen, 21. Okt. (Obst). Mit den Trajektbooten sind heute 63 Wagen Obst angekommen.
Radolfzell, 19. Okt. (Obst.) Auf dem heutigen Obstmarkte war wieder bedeutende Nachfrage und Kauflust. Aepfel zum Mosten wurden mit 20 der Doppelzentner bezahlt, während besseres Obst bis zu 44 erzielte. Für Birnen zum Mosten wurden 16—17 für den D.-Ztr. bezahlt und gingen ebenfalls rasch ab.
Konkurseröffnungen. Leopold Bader, Schneidermeister in Ochsenhausen (Biberach). Leonhard Rapp, Wirtschaftspächter in Lorch (Welzheim).
Allerlei.
— Beseitigung von Warzen und Mut- termälern. Von allgemeinerem Interesse ist eine Mitteilung von Professor Boltolini in Breslau in der „Deutsckien medizinischen Wochenschrift", betreffend die Beseitigung von Warzen und Muttermälern. Die Entfernung derartiger Bildungen hatte bisher ihre Mißstände, indem nach dem gebräuchlichen Verfahren durch Ausschneiden, Netzen u. s. w. nur allzuoft Narben zurückblieben, welche manchmal noch störender waren als jene Mißbildungen. Aus diesem Grunde zogen viele Personen es vor, letztere zu behalten. Professor Boltolini hat nun die Idee durchgeführt, zur Beseitigung derartiger Fehler eine chemisch auflösende Kraft des elektrischen Stromes, die sogenannte Elektrolyse, zu benützen. Zu diesem Zwecke hat er eine Batterie von fünf Elementen konstruiert, deren Leitungsschnüre mit zwei recht spitzen Platinanadeln, für sehr harte Gebilde mit einer Stahlnadel, versehen sind; die Nadeln werden in die zu entfernenden Gebilde eingestochen; hierauf läßt man einige Minuten den Strom einwirken. Nach der Sitzung trocknet die Warze meist ein und fällt nach einiger Zeit ab, ohne die Spur einer Narbe zu hinterlassen. Boltolini hat diese Methode in zahlreichen Fällen mit günstigem Erfolge durchgeführt und will nun dieselbe durch seine Veröffentlichung zum Gemeingute der Aerzte machen.
— Hüftweh (Ischias). Gegen dieses ichmerz- hafte und oft hartnäckige Nervenleiden, das meistens durch Erkältung entsteht, und gegen welches schon viele Mitttel und selbst Elektrizität mit wenig Erfolg angewendet wurden, versuche man einmal vbinin ar- 86nioo8um in 4. Dez.-Verreibung. Davon nimmt