ter Prof. Blumner's genialer Leitung eine tadellose Kunstleistung. Tief ergriffen verließen wir die Versammlung.
Noch manches erhebende Wort wurde in der Schlußversammlung im Festsaal des Postgebäudes gesprochen, bis endlich der Choral „Nun danket alle Gott" die Festtage würdig beschloß. Reich gelabt mit dem Besten der kirchlichen Kunst und gehobenen Mutes, einer herrlichen Sache zu dienen, schieden wir mit dem herzlichen Wunsche, daß auch diese Tage reiche Frucht tragen mögen zum Segen unserer teuren evangelischen Kirche.
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
Freudenstadt, 20. Okt. Der gestern gemeldete Brand nahm in späteren Stunden größere Ausdehnung an, so daß die beiden Häuser von Nestle und Bock jetzt in Asche und Trümmern liegen.
Stuttgart, 22. Okt. Oberst Graf Zeppelin wurde zum Gesandten in Berlin ernannt.
Stuttgart, 22. Okt. Der König und die Königin kamen heute aus Friedrichshafen hier an und nahmen im Residenzschloß Wohnung. Anfangs November reist das Königspaar zum Winteraufenthalt nach Florenz.
Stuttgart, 22. Okt. (Lutherfeier.- Man schreibt uns: „Die Borstandschaft des württ. Landesvereins des evangelischen Bundes hat in ihrer Sitzung vom 13. d. M. nachstehende Aufforderung an die evangel. Glaubensgenossen in Württemberg beschlossen: Der evangelische Bund, dessen erste Generalversammlung in Frankfurt a. M. am 15.—17. August statt- sand, hat dort unter anderen Resolutionen die folgende (fünfte) gefaßt: „Der evangelische Bund erklärt es für ein öffentliches Aergernis, daß der Name des Mannes, welchem das evangelische Deutschland seinen gereinigten Christenglauben und seine beste geistige und sittliche Freiheit verdankt, in römisch-katholischen Blättern und Schriften fortwährend aufs unwürdigste beschimpft wird. Er sieht dagegen in der jährlichen volkstümlichen Feier des Geburtstags von Dr. Martin Luther ein wichtiges Mittel zur Weckung des evangelischen Bewußtseins in der protestantischen Bevölkerung Deutschlands. Es wird daher den Vorständen der Zweig- und Lokalvereine, sowie den einzelnen Bundesmitgliedern empfohlen, eine solche volkstümliche Feier nach Kräften überall anzuregen und für deren würdige Gestaltung Sorge zu tragen." Im Anschluß an diese Resolution laden wir die Glaubensgenossen in Stadt und Land ein, sich mit uns zur Feier des Geburtstages von Martin Luther am 10. November d. I. zu vereinigen, und fordern wir die Mitglieder und Freunde des Bundes auf, an ihren Orten nach Maßgabe der Verhältnisse die Veranstaltung einer volkstümlichen Lutherfeier in passender und würdiger Weise anzuregen und durchzuführen. Nicht eitle Menschenvergötterung soll dabei getrieben werden und auch nicht unerquickliche und fruchtlose Polemik gegen eine andere Kirche. Wohl aber halten wir es für eine Sache des protestantischen Ehrgefühls und für eine Pflicht der Dankbarkeit, an diesem Tage gegenüber von Anfeindung und Verunglimpfung offen zu bekennen, daß wir in Luther den größten geistlichen Wohlthäter des deutschen Volkes und der christlichen Kirche seit den Tagen der Apostel ehren und lieben, und daß wir uns unentwegt um die Glaubens- und Kulturgüter scharen wollen, die Er durch Gottes Gnade uns errungen hat. Was am Nesormcuionsfest an heiliger Stätte in ernster Andacht uns bewegt, das soll am 10. November fortklingen in weihevoller Freude, im brüderlichen Zusammensein und Gedankenaustausch evangelischer Christen, bei dem zum Worte die Würze des evangelischen Liedes, und was sonst evangelische christliche Kunst darbietet, sich gesellen mag. Gebe Gott, daß die Feier gelinge und Segenssrüchte trage für das evg. Bewußtsein, für die evang. Kirche."
Die Vorbereitungen zur Hebung des versunkenen Bodensee-Dampfers „Lindau" haben bereits begonnen. Schon vor einigen Tagen war der Taucher Koch von Zug nach Lindau berufen, und unter seiner kundigen Leitung ist das Schiff untersucht worden, um vorläufig festzustellen, wie es zu heben sei. Die einige Tausend Franks betragenden Wertsendungen sind bereis zu Tage gefördert. Letzter Tage sind einige erfahrene Taucher aus Hamburg eingetroffen, und mit den eigentlichen Hebungsarbeiten soll unverzüglich begonnen werden. Am gu
ten Erfolg der Arbeit ist, da sie in den Händen wohlerfahrener Leute liegt, nicht zu zweifeln.
Brandfälle: In Weingarten am 11. ds. ein von 2 Familien bewohntes Gebäude, wobei ein Ojähriges Kostkind in den Flammen seinen Tod fand. Der Haubesitzer wurde als der Brandstiftung verdächtig verhaftet.
In Karlsruhe soll man die Möglichkeit einer Thronerbfolge des zweiten Sohnes des großherzoglichen Paares, des Prinzen Ludwig Wilhelm, ins Auge gefaßt haben, da die Ehe des Erbgrvßherzoges bisher kinderlos geblieben ist. Prinz Wilhelm hat deshalb auch seit einem Jahre die Universität bezogen und seine rein militärische Karriere unterbrochen.
Eine für die Geschäftswelt sehr wichtige Verordnung hat das Ministerium der Justiz, des Kultus und des Unterrichts im Einverständnis mit den andern Ministerien in Baden erlassen; es wurde nämlich die Bestimmung getroffen, daß bei Beträgen bis zu einhundert vkL einschließlich, der Einlieferungsschein der Postbehörde die Quittung des Empfangsberechtigten ersetzt. Hiedurch werden viele Unzuträglichkeiten, welche gerade durch Einverlangung von Quittungen über kleinere Beträge in der Geschäftswelt hervortraten, beseitigt.
Das bayerische Abgeordnetenhaus nahm am Mittwoch den ganzen Militäretat mit 128 gegen 1 Stimme (Demokrat Evora) an.
Straßburg, 22. Okt. Wie die „Landeszeitung" mitteilt, erhielt der Statthalter auf seine Glückwünsche an den Kronprinzen folgende Antwort: „Meinen besten Dank für freundliche Wünsche. Aerzte vollkommen mit meiner, wenn auch langsam vorwärts schreitenden Genesung zufrieden. Friedrich Wilhelm."
Mainz, 21. Oktbr. Der flüchtig gegangene und steckbrieflich verfolgte Direktor der Leipziger Diskontogesellschaft Dr. Jerusalem ist gestern in Mühlhausen i. E. verhaftet worden.
Bremen, 22. Okt. Der Dampfer „Cheviot" (1230 Tonnen) scheiterte bei Port Philip Heads. Ein großer Teil der Passagiere und der Mannschaft ertrank.
Berlin. Die Russen beabsichtigen jetzt, Deutschland wirtschaftlich den Garaus zu machen. So behaupten sie wenigstens. Der russische Finanzminister glaubt das Mittel gefunden zu haben, um einen Hauptschlag gegen uns führen zu können. Es dreht sich nemlich darum, den Staaten, die russische Waren gar nicht oder sehr niedrig besteuern, Vergünstigungen zu gewähren. Englischen Waren z. B. sei, da russisches Getreide in England keiner Besteuerung unterliege, eine Zollermäßigung von 20 pCt. zu bewilligen, ebenso holländischen und schwedischen Erzeugnissen, die unter der Flagge dieser Staaten oder unter russischer eingeführt würden. Was Frankreich betrifft, das russisches Getreide mit einer niedrigen Steuer belegt, so müsse der Zolltarif um 10 pCt. ermäßigt werden. Von einer solchen Maßnahme sei eine furchtbare Wirkung auf die deutsche Industrie zu erwarten. Schon nach Jahresfrist werde dann die öffentliche Meinung Deutschlands die Beseitigung der Getreidezölle fordern, um einer Gleichstellung deutscher Erzeugnisse mit denen anderer Länder von Rußland zu erlangen. Erst dann sei die Reihe an Rußland, mit sich reden zu lassen.
Berlin, 19. Okt. Ein Telegramm des B. T. aus Rom meldet, daß sowohl das italienische Königspaar als auch der Papst den deutschen Kronprinzen aus Anlaß seines gestrigen Geburtstages in herzlichster Weise beglückwünscht haben. Baveno war festlich geschmückt; abends fand eine Illumination und Feuerwerk statt.
Sehr eingehend wird in den amtlichen Mitteilungen aus den Jahresberichten der Fabrikinspektoren die Frage der Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter gewürdigt. Die Zahl der 1886 in den Fabriken und diesen gleichstehenden ge- werklichen Anlagen beschäftigten Kinder hat sich nach Ausweis der in den Berichten mitgeteilten Ueberstch- ten gegenüber 1884 von 18 882 auf 21053, also um 2181 Köpfe vermehrt, die der jungen Leute dagegen von 135377 auf 134529 vermindert; es ergiebt sich also eine Gesamtvermehrung der jugendlichen Arbeiter überhaupt um 1223 oder 0,8 pCt. Bei der Zunahme der Kinder war auch Württemberg beteiligt. Schwarzburg Sondershausen hatte gar keine Kinderarbeit aufzweisen.
Zur Feier des Geburtstages des Kron
prinzen hatte die Frau Prinzessin Wilhelm im Marmorpalais in Potsdam diejenigen Herren der Umgebung des Kronprinzen, welche in Potsdam zurückgeblieben sind, sowie mehreren Herren, welche zu dem Kronprinzen in persönlicher naher Beziehung stehen, zu einem Festmahl um sich versammelt. Bei demselben erschien zum ersten Male an öffentlicher Tafel der kleine Prinz Wilhelm. Er saß an der Seite seiner Mutter und übte zum ersten Male einen Akt der Repräsentanten aus, indem er das Glas erhob und auf das Wohl seines geliebten Großvaters trank.
Französische Liebeswürdigkeit. Dem Chefredakteur der Berliner „Post" ist aus Nantes ein Brief zugegangen, in welchem es heißt: „Sie sind eine Canaille und ein Lümmel! Sie tränken sich mit dem Hasse Bismarcks gegen Frankreich, um Ihr Gift auf alles Französische zu spritzen. Ihr schäbiges Land scheint damit noch nicht genug zu haben daß es den Fall Schnebele und den von Raon- la-Plaine auf der Rechnung hat; in Ihrem galligen Blatt muß auch noch die französische Armee wegen des durch General Caffarel hervorgerufenen Skanda- les gelästert werden. Angesichts des Arrestes des tapferen Generals Boulanger muß Ihre Freude sich Luft machen. Als ob das deutsche Heer nicht hundertmal verächtlicher wäre, als das Heer der Republik , Sie alter Schafskopf. Warten Sie es ab, Frankreichs junges Heer, Boulanger an der Spitze, wird binnen Kurzem nach Berlin kommen, und wenn Sie dann noch nicht verreckt sind, werde ich Ihnen die Zähne einschlagen, wie es sich für solche Schweine gehört." In diesem Tone geht es weiter.
Breslau, 20. Okt. Die bedeutsamste Stelle in Fürstbischof Kopps Rede lautet wörtlich: „Seid dankbar gegen denjenigen, durch dessen Mitwirkung die Verhältnisse Eurer Diözese, meiner Diözese, wiederum geordnet sind. Ich meine unfern greisen Landesvater, der mit väterlicher Sorge die Regelung der kirchlichen Verhältnisse verfolgt hat und unermüdlich seine Bestrebungen mit den Bestrebungen des hl. Vaters verbunden hat. Nun beweist ihm Eueren Dank dadurch, daß Ihr, was Ihr bisher gewesen seid, auch ferner bleibt, treue Untcrthanen, treue stützen des Thrones."
Schweiz.^
In Bern haben die Schweizer Anarchisten, unter ihnen nicht wenige Deutsche und russische Nihilistinnen, eine öffentliche Versammlung abgehalten. Da konnte man etwas hören. Bürger Martin, der vom Studiosus der Medizin zum Anarchismus umgesattelt hat, führte das Wort. Er schilderte die Arbeiterunruhen in Chicago, die zu der Verurteilung von 8 Genossen zum Tod führten, machte aus ihnen Märtyrer und aus den Richtern, die das Urteil fällten, ebenso viele Mörder. Die Arbeiter in der republikanischen Schweiz, rief er, haben es nicht besser als die in Belgien und Rußland, die Schweizer Freiheit ist der reine Schwindel. Die Berner Arbeiter, schloß er, sind unter dem Hund dumm, unglaublich schläfrig und langsam. Da sind die Ost- schweizec andere Kerle. Die Mitglieder des deutschen Reichsgerichts wurden Gauner und Schurken tituliert, weil sie den Hauptanarchistcn Neve verurteilt haben.
Oesterreich-Ungarn.
Bei unserem Bundesfreunde Oesterreich herrscht am Regierungssitze arge Not. Nicht als ob diese durch das ziemlich bedeutende Finanzdefizit hervorgerufen wäre! Daran ist man an der Donau schon viel zu sehr gewöhnt. Aber Graf Taaffe, der Ministerpräsident, wird die Geister, die er zum Kampfe gegen die Deutschliberalen aufgerufen, nun nicht mehr los. Er hat den Czechen einen Finger gegeben, und nun verlangen sie die ganze Hand, und die herzuge- > ben hat der Graf denn doch keine Lust. Die Sache j liegt so: Die Czechen sind dem Unterrichtsminister ! Dr. v. Gautsch spinnefeind wegen verschiedener Schul- ^ erlasse und verlangen stürmisch seinen Rücktritt. Dabei finden sie wackere Unterstützung bei den Polen,
^ Dalmatiern, Slowenen und wie die edlen Herren alle ^ heißen mögen. Der einstimmige Kampfruf ist: Fort mit Gautsch! Graf Taaffe will aber partout nicht darauf eingehen, denn thäte er's, so wäre er nicht ! mehr selbständig handelnder Premierminister, sondern ein gehorsamer Berater der buntschäckigen Mehrheit des österreichischen Reichsrates. Jetzt versucht er es noch im Guten, mit den rabiaten Czechen zu unterhandeln, aber viel herauskommen wird dabei schwer-