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hatte sich auf den Perron ausgestellt. Bon 4 in alte Ulmer Tracht gekleideten Mädchen wurde Bier kredenzt. Se. Hoheit begab sich, nachdem er die An­wesenden begrüßt und die Veteranen noch einer besonderen Ansprache gewürdigt hatte, in den Gasthof zum Hirsch, wo die Uebergabe der Bundesfahne statt­fand und von da in den Kronprinzen, wo das Diner eingenommen wurde. Hiezu waren an den Vorstand des k. Oberamts, an den Oberbürgermeister v. Heim, Oberlandesschützenmeister, den Sekretär des Landesschützenvereins, an Mitglieder des hiesigen Komites Einladungen ergangen. Nach 1 Uhr setzte sich der Festzug vom Bahnhofplatz aus nach der Friedrichsau in Be­wegung. Beim Vorübermarsch desselben am Gasthof zum Kronprinzen wurden Sr. Hoheit von den Teilnehmern, wie von dem zahlreich versammel­ten sonstigen Publikum lebhafte Ovationen dargebracht, die sich wiederholten, als der Prinz nachmittags auf einige Stunden in der Friedrichsau sich ein­fand und dort den Schießplatz und die verschiedenen Gesellschaftsgärten be­suchte. Der Zudrang in der Au war ein überaus großer. In dem Gaben­tempel erregte vor allem die Festgabe Sr. Majestät, ein Nautiluspokal, die Bewunderung. Abends Uhr begann in dem Gesellschaftshaus neben dem Liedertafelgarten das Bankett; Oberlandesschützenmeister Föhr brachte das jubelnd aufgenommene Hoch auf Se. Majestät den König aus, an welchen auch ein Danksagungstelegramm vom Festplatz aus abging. Es wurden noch weitere Toaste auf die Gäste von Oberbürgermeister v. Heim

auf den Oberbürgermeister und die bürgerlichen Kollegien, auf die Ulmer Schützengilde und das Festkomite u. s. w. ausgebracht. Ein sehr gelungenes Feuerwerk schloß für diesen Tag die Feier. Heute wird fleißig geschossen. Schon gestern errangen einzelne Schützen Becher; den ersten Büchsenmacher Hermann von Ulm.

Friedrichshafen, 17. Juli. Heute mittag kurz vor 2 Uhr traf der Kaiser in Begleitung des Großherzogs und der Großherzogin von von Baden mit dem badischen DampfbootWilhelm" am hiesigen Hofe ein. Der König erschien zur Begrüßung am Schloßdamm, worauf sich die höchsten Herrschaften zu Wagen in das K. Schloß begaben. Tafelmusik machte die Regimentsmusik von Weingarten. Die Rückkehr des Kaisers und der badischen Herrschaften nach der Insel Mainau erfolgte um 4^ Uhr.

Am morgigen Sonntag nachmittags 1 Uhr reist der Kaiser über Lindau nach Augsburg weiter. Die Ankunft in Lindau erfolgt 4'/z Uhr, in Augs­burg abends 8>/2 Uhr. Heute morgen kam ein großer Pilgerzug mit einer Beteiligung von 1700 Personen hier durch. Zur Weiterbeförder­ung desselben mußte außer drei Dampfbooten, noch ein Schleppschiff verwen­det werden, was nur in ganz seltenen Fällen vorkommt, da Schleppschiffe nur zu Güterbeförderung verwendet werden. Der Zug begiebt sich nach Maria Einsiedel in die Schweiz. Wegen des großen Andranges zu dem Zug hatten einige Hundert Personen zurückgewiesen werden müssen. Es ist auf kommenden Donnerstag ein zweiter Pilgerzug, an dem höchstens 1000 Personen teilnehmen dürfen, in Aussicht gestellt.

Ueber den Besuch des Kaisers in Friedrichshasen berichtet der Ob. An;.:Samstag mittag um 2'/z Uhr dampfte das SalonbootKaiser Wilhelm" von Mainau daher. Das prachtvoll beflaggte Schiff legte am Schloßdamm an und nach wenigen Minuten erschien auf der Landungsbrücke die hohe Gestalt des Kaisers, das ehrwürdige Haupt kaum gebeugt von der Fülle der Jahre, begleitet von dem Großherzog von Baden und dessen Ge­mahlin mit großem Gefolge. Festen Schrittes betrat der Kaiser den Damm, an welchem sich der König, welcher von den Anwesenden ehrfurchtsvollst begrüßt wurde, sowie Prinz Hermann von Sachsen-Weimar mit Ge­mahlin in Begleitung der K. Kammerherren Graf v. Dillen und Frhr. v. Molsberg zum Empfang eingefunden hatten. Die Zöglinge des Pau- iinenstists hatten sich zu beiden Seiten der Einfahrt aufgestellt. Als das sehr zahlreich anwesende Publikum des Kaisers ansichtig wurde, brach es in begeisterte Hochrufe aus, für welche Ovation derselbe wiederholt aufs leut­seligste dankte. Die Begrüßung zwischen den Majestäten war eine überaus

herzliche. Sofort bestieg der Kaiser mit dem König die erste der bereitstehenden Hofequipagen, die badischen Herrschaften nahmen in der zweiten Hofequipage Platz. Während dieselben dem K. Schloß zufuhren, ertönten aufs neue donnernde Hochrufe. Im K. Schloß fand sodann Hoftafel statt, während welcher die Musik des Kaiser-Wilhelm-Regiments spielte. Zu der Kgl. Tafel waren auch der Kommandeur des Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen ( 2 . württ.) Nr. 120 , Oberstlieutenant v. Alberti, der vom Kaiser auf das Freundlichste begrüßt worden war, ebenso Staats­minister Dr. v. Mittnacht geladen. Nach 4 Uhr trat der Kaiser den Rückweg an. Möge der hohe Herr, bei dessen Anblick manche deutsche Brust höher schlug und manches Auge naß wurde, im Wildbad Gastein neue Kräfti­gung für seine Gesundheit finden!"

München, 19. Juli. Der Kaiser ist heute 11 Uhr 30 Min. hier eingetroffen. Tiefer Ernst lagerte auf seinem Antlitz, als er den Train verließ und den seiner zunächst harrenden Prinzregenten herzlich begrüßte und umarmte. Alsdann begrüßte er die andern Prinzen und betrat am Arm der Prinzessin Ludwig den Wartesalon. Bei der Tafel waren 14 Gedecke aufgelegt, während in einem andern Saale Marschallstafel mit 46 Gedecken aufgelegt war. Um i/zl Uhr wurde die Tafel aufgehoben. Man nahm den Kaffee und unmittelbar darauf erschien der Kaiser wieder auf dem Perron. Beim Einsteigen, das nach herzlichem Abschied statthatte, mußten zwei Kammer­diener behilflich sein. Das Coupe wurde geschloffen und freundlich lächelnd erschien der Kaiser am Fenster. Noch einige herzliche Worte, dann pfeift die Lokomotive und unter donnerndem Hoch verläßt der Kaiser den Bahnhof. Vor den Eingängen hatte sich zahlreiches Publikum versammelt, das die ab­fahrenden Fürstlichkeiten auf das herzlichste begrüßte. Die Ankunft in Salz­burg ist auf 4 Uhr 30 Minuten festgesetzt. Logis xiird im Europäischen Hof genommen, wo um 5 Uhr das Diner stattfindet. Morgen geht die Reifs um 11 Uhr weiter, abends 7 Uhr trifft der Kaiser in Gastein ein.

WevnrischLes.

Der Lebensversicherungs- und Ersparnis-Bank in Stuttgart sind in den ersten 6 Monaten des Jahres 1886 2,351 Anträge mit -M 13,400,000 zugegangen. Ihr Versicherungsstand hat sich auf ^248,259,300 und der Bankfonds von 53,937,478 auf ca. 58 Millionen Mark gehoben. In diesem Bankfonds sind circa 10 Millionen als Ver­sicherungs-Reserve und circa 1 Million als Hypotheken- Reserve enthalten. Jene 10 Millionen repräsentieren die Überschüsse der letzten 5 Jahre, welche statutenmäßig während dieser Periode als Sicher­heitsfonds zu dienen haben; die Hppotheken-Reserve dagegen ist der Bank durch die beschlossene Auflösung des mit ihr verbundenen Kapitalisten-Vereins zugeflossen. Bei der ohnehin pupillarisch sicheren Anlage des Fonds bildet diese Separat-Reserve ein außergewöhnlich starkes Bollwerk gegen alle nur denkbar eintretenden Eventualitäten.

Unsere Interessen. Ist Rußland wirklich ein so un­sicherer Kantonist für die glücklichen Inhaber feuerfester Schränke voll russischer Staatspapiere? Diese Papiere tragen ganz leidliche Zinsen, deren sich auch ein deutsches Herz erfreuen kann, doch mahnen öffentliche Stimmen die In­haber, hübsch auf der Hut zu sein, daß ihre Gelder nicht eines Tages hinter der russischen Mauer verschwinden, die nichts weniger als von Papier ist. Augenblicklich liegt schwerlich ein Grund dafür vor und es wäre, wenns ein­mal so käme, ein schweres Unglück. Die Kölnische Zeitung schätzt die Summe russischer Papiere, die im Besitz großer und kleiner Kapitalisten in Deutsch­land ist, aus 2 Milliarden. Ueberhaupt, wer keine Sorgen hat und deren doch zum Gleichgewicht des Lebens braucht, der gehe unter die Kapitalisten, dann kriegt er sie vollauf; denn die Zinsen gehen immer mehr herunter. Die schönen 6 prozenligen Amerikaner sind längst dahin und die 5prozentigen sind

Die Polizei," sagte er im Tone des Entsetzens.Nein, nein, die kann hier nicht helfen, oder mich nur entführen, um mich in einen anderen Kerker zu werfen."

Warum? Habt Ihr ein Verbrechen begangen?"

Man sagt es."

Wer sagt es? So redet doch, Mann!"

Aber Förster sprach den Namen seines Peinigers nicht aus.

Keine Polizei!" jammerte er.Nur keine Polizei!"

Unglücklicher!" rief Eduard verzweifelt.Euer Geist ist umnachtet. Ihr lebt rn Einbildungen, welche man Euch geflissentlich erweckt hat. Ich zürne Euch nicht; ich kann Euch nur beklagen. Ihr werdet schon noch anders denken lernen, wenn Ihr erst wieder frei und Herr Eures durch diese unmenschliche Behandlung gebrochenen Willens seid. Blickt nur voll Vertrauen auf den, der aller Menschen Schicksal lenkt und mich jetzt wie durch ein Wunder in Eure Gruft hinabgesandt hat, als Retter und Befreier aus einem Dasein, schlimmer als der Tod. Gehabt Euch wohl!"

Eduard griff seine Laterne wieder auf und stieg die Stufen wieder hinan.

Im gleichen Augenblick ertönte über ihm ein leises heiseres Hohnlachen.

Er blickte erschreckt empor, sah aber Niemand. Dagegen wurde zu seinem Entsetzen die eisenbeschlagene Thür ins Schloß geworfen und von unsichtbaren Händen verriegelt.

Er sprang sofort zu derselben hinan, mit allen Kräften bemüht, sie einzuschlagen oder aus den Angeln zu heben. Aber er verletzte sich nur seine Hand.

Draußen wurde dagegen der Schlüssel abgezogen. Dann vernahm er noch eilig sich entfernende Tritte, und hiernach trat jene unheimliche Stille ein, welche über Gräbern lagert.

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Als der Kommerzienrat mit dem Kommissar in M. ankam, fanden sie in Eduards Wohnung nur den ihrer harrenden Soltmann vor.

Etwolt war hierüber aufs Höchste empört, denn er glaubte nicht anders, als daß Letzterer von dem Kommissar gegen sein Versprechen vorausgeschickt worden, um Eduard zu verhaften oder zu beobachten.

Nur wenige Worte des Anderen stellten diesen seinen Irrtum klar. Es handelte sich um noch eine, und noch viel schwerere Anklage gegen Eduard, die wegen Mordes.

Der Kommerzienrat brach unter diesem Schlage zusammen. Er ließ sich von Soltmann die näheren Umstände der heimlichen Anwesenheit Eduards in seinem Hause berichten, an die er zuerst gar nicht glauben wollte.

Die Beweise gegen ihn hätten ihm wie Nichts gedünkt, wenn Eduard nur da gewesen wäre, um sie zu widerlegen. Aberdaß dieser, wie es nun den Anschein hatte, geflohen war, durch ein heimliches Telegramm aus der Residenz gewarnt denn dies bekundete Eduards Wirtin das überführte ihn, daß jene Beweise die Wahrheit sprachen und daß er sich in seinem einzigen Sohn einen wirklichen Ver­brecher erzogen hatte.

Was werden Sie nun thun?" fragte verzweifelt der Kommerzienrat.Meinen Sohn steckbrieflich verfolgen lassen?"

Der Assessor, an welchen diese Frage gerichtet war, blickte auf den Kommissar; dieser zuckte die Achseln.

Das wird von den sich noch ergebenden Umstanden abhangen, sagte er. Wir können ja immerhin noch nicht sagen, daß Herr Eduard M. heimlich verlassen hat, um sich seiner Vernehmnng zu entziehen. Es ist nicht das erste Mal, daß er so handelt, und das Motto war allem Anscheine nach immer das gleiche - die heimliche Liebe zu einem Mädchen, dem er nicht angehören durste. Dieses Mädchen ist aber nach des Assessors eigenen Versicherungen keine Verworfene, sondern brav und ordentlich. Das spricht für ihn und gegen seinen sonsttgen Umgang."

Ein Baron Dryden," entgegnete Soltmann, der Ihren Sohn offenbar zum Spiel verleitete, und Ihr Prokurist, Herr Duprat, von dem man behauptet, daß er ein schlechter Charakter, ein Mann mit zwei Gesichtern und Derjenige sei, der Ihren Sohn aus Ihrem Haus und Herzen verdrängte, um sich selbst an seine Stelle zu setzen."

Wer sagte das von Herrn Duprat?" fragte der Kommerzienrat scharf.

^Jch habe die gleiche Charakteristik nun schon an zwei Stellen von verschiedenen Menschen gehört," sagte der Assessor.

(Fortsetzung folgt.)

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