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Gages-Weuigkeitsn.
Calw, 19. Juli. Eine erfreuliche Abwechslung in das hiesige, mitunter etwas monotone Alltagsleben schaffte am letzten Samstag wieder der „Calw er Liederkranz" durch die an sämtliche Vereine, welche sich beim Empfang der von Heilbronn zurückkehrenden Sänger beteiligt hatten, ergangene Einladung zu einer gemeinschaftlichen Abendunterhaltung im Thudium'schen Garten, welcher auch recht zahlreich Folge geleistet wurde. Der Garten war zu diesem Zwecke mit klemen Lichtchen und vielfarbigen Lampions schön beleuchtet und um den damit erzielten Effekt zu erhöhen, war auch für die zeitweise Beleuchtung einzelner Baumgruppen mit bengalischem Feuer gesorgt worden. Herr E. Georgii hielt in warmen, von Herzen kommenden Worten eine Ansprache an die preisgekrönten Sänger und betonte darin besonders die Aufopferung und die Energie, welche dieselben an den Tag gelegt haben, mit Freuden könne hieraus der Schluß gezogen werden, daß Calw bei ähnlichen Anlässen stets seinen Mann in die vordersten Reihen zu stellen wisse, er schloß mit dreimaligem Hoch auf den „Calwer Liederkranz". Die beiden Gesangvereine Liederkranz und Concordia wechselten ab in Gesangsvorträgen, während die Calwer Stadtmusik die Pausen in zweckmäßigster Weise ausfüllte. Aus dem oberen Plateau des, für solche Festlichkeiten ganz besonders geeigneten Gartens, vergnügten sich im Laufe des Abends unzählige Paare im Tanze und bis nach Mitternacht hielt die überall zum Ausdruck kommende fröhliche Stimmung die Teilnehmer vereint.
* 18. Juli. Ein bewegtes Leben war heute in dem nahen Stamm- heim. Der westl. Gäusängerbund feierte daselbst sein Bunvesfest. Etwa 380 Sänger zogen, geschmückt mit ihren Bundeszeichen, gegen den Mittag, teils per Fuß, teils per Wagen, in der fröhlichsten Stimmung ein, bezogen ihre Quartiere und stärkten sich durch Speise und Trank. Das Fest selbst wurde eingeleitet durch den Choral: Womit soll ich dich wohl loben und durch den Chor von Kreutzer: Das ist der Tag des Herrn, welche Gesänge der Stammheimer Verein auf der Plattform des Steigerturms am frühen Morgen zum Vortrag brachte. Um >/ek Uhr fand programmmäßig die Hauptprobe im Schulhof statt. Nachdem dann sämtliche Vereine — auch Liebenzell war mittlerweile noch mit Musik erschienen — Aufstellung genommen hatten, wurde unter Trommelschlag und Musik ein kleiner Rundmarsch durch einige Straßen des Orts unternommen. Die Beteiligung am Zug war eine großartige. Nach Beendigung des Aufmarschs im schattigen Grunde des Brühl, inmitten des Orts, wurde das Lied: „Erhebt in jubelnden Accorden" von allen Vereinen unter der Direktion des Hrn. Schult. Stark vorgetragen, der auch die Festrede hielt. Auf diese folgte wiederum ein gemeinschaftlicher Chor, worauf die einzelnen Vereine ihre gewählten Festlieder vorlrugen. Im allgemeinen wurde recht brav gesungen. Es war ersichtlich, daß alle ihre Aufgabe mit großem Ernst und Eifer aufgefaßt hatten. Den Schluß bildete der gemeinschaftlich vorgetragene Chor: Hab oft im Kreise der Lieben rc. Hierauf bestieg der Vizevorstand Schult. Hernz von Deckenpfronn die Tribüne und hielt einige Abschiedsworte an die Bundesmitglieder. Mittlerweile war auch der Augenblick der Trennung herangekommen. Die Stimmung auf dem Festplatz war eine gehobene und alles verlief ohne jegliche Störung. Der Verein Stammbeim kann deshalb auch auf dieses Fest mit Freuden zurückblicken und sagen: Es war ein schöner Tag. Und trotzdem so viele Sauerfehende und Unverständige dem Feste viele Regengüße herbeiwünschten, so hat doch die höhere Macht Einsicht gehabt und über vie Guten und Bösen feinen Morgenstern leuchten lasten. Die Sonne strahlte im schönsten Glanze. Den Dankeszoll brachte dar die Feuerwehrmusik durch den aus dem Kirchturm geblasenen Choral: Du kanntest schon und liebtest mich rc. rc.
* Agenbach, 15. Juli. Am 8 . April d. I. brach im Staatswald Frohnwald auf hiesiger Markung, wie seiner Zeit berichtet wurde, Feuer
aus. Den Einwohnern hier, welche sich um die Löschung dieses Brandes besonders verdient gemacht haben, wurde in den letzten Tagen durch das Königl. Forstamt Altensteig die Anerkennung der K. Forstdirektion ausgesprochen.
* Neuweiler, 15. Juli. Vorgestern wurde hier alt Frau Lamm- Wirt Bertsch zu Grabe getragen. Die hiesigen Armen werden dieselbe besonders vermissen; kein Unbemitteltes ging, leer aus ihrem Hause. Auch in weiteren Kreisen war diese uneigennütziae Frau bekannt. Zur letzten Ruhestätte geleitete diese Pilgern: ein solcher Zug Menschen, wie ihn Neuweiler noch nie gesehen hat.
Stuttgart, 17. Juli. Das „Däumlings-Ehepaar", General Mite und Frau, trifft nach längerem Aufenthalte in Dresden, Leipzig und Nürnberg am Montag in hiesiger Stadt ein und wird im Hotel Marquardt Absteigequartier nehmen. Von den beiden winzigen Persönchen ist der Mann 55 cm, die Frau 53 cm groß; elfterer wiegt 9, letztere nur 7 Pfund. Begleitet wird vas kleine Menschenpaar von seinen Eltern. Eigene Transportwagen bringen die kleinen Zwergpferde, die Equipagen, die Garderobe und die Haushaltungsgegenstände des Däumlmgspaares. Die Vorstellungen beginnen am Montag den 19. Juli nachmittags 3 Uhr im Konzertsaal der Liederhalle und finden täglich zweimal, nachmittags 3 bis 5 Uhr und abends 7 bis 9 Uhr, statt.
Heilbronn, 17. Juli. In der letzten Gemeinderatssitzung brachte Oberbürgermeister Hegelmeier ein Dankschreiben Sr. König. Hoheit des Prinzen Wilhelm für den freundlichen Empfang bei dem Lied er fest, zum Verles; ferner eine Zuschrift vom Ausschuß des Schwäb. Sängerbundes, worin derselbe seine Befriedigung über das Gelingen des Festes und seinem Dank Ausdruck gibt. Auch wurde eine Dankschreiben und eine Einladung vom Gutenbergverein Stuttgart verlesen. Dagegen bezeugten die hiesigen bürgerlichen Kollegien Oberbürgermeister Hegelmaier ihren Dank für seine aufopfernde Thätigkeit vor und bei dem Feste, das noch lange jedem Heil- bronner im Gedächtnis bleiben wird. Nach dem Bericht über das finanzielle Ergebnis des Festes beträgt die Gesamt-Einnahme 25,618.88 die Ausgabe ca. 29,000 so daß ein ungefähres Defizit von 3400 ^ sich ergibt, welches auf die Stadkasse übernommen werden soll, so daß die Zeichner "von Garantiescheinen nicht belastet werden.
Ulm, 15. Juli. Heute Abend gegen s /48 Uhr wurde an dem Rechen einer hiesigen Badeanstalt der Leichnam eines etwa 45 jährigen Mannes entdeck:. Derselbe war gut gekleidet und hatte Uhr nebst Kette, sowie in zwei sogen. Lederzugsbeuteln die Summe von über 250 und 6 Gulden österr. Papiergeld bei sich. Legitimationspapiere oder sonstige Notizen, die zur Feststellung der Person des Ertrunkenen dienen könnten, wurden nicht vorgefunoen. Der Leichnam, der 2—3 Tage im Wasser gelegen haben mag, wurde in das Leichenhaus verbracht. Ohne Zweifel liegt ein Unglücksfall vor.
München, 15. Juli. Der neue Wintergarten des vorst. Königs Ludwig II. in der hiesigen Residenz wird jetzt ausgeräumt.. Er soll einem bei der Reitbahn, Königinstraße, im englischen Garten anzulegenden Palmengarten zur Grundlage dienen, besten Grundriß bereits gezeichnet wird. Eine Restauration mit Weiher und Rasenanlage wird das gewiß anziehende Werk vervollständigen. — Es treten immer bestimmtere Gerüchte auf, denen zufolge der Kaiser Franz Josef auf der Chiemseeinsel einen Kaufsliebhaber abgeben werde.
Von der schweizerischen Grenze. Man meldet der „N. Zür. Ztg." aus Burgdorf, 16. Juli: Heute früh am Morgen wurde auf dem freundlichen alten Kirchhofe zu Burgdorf das Grab Max Schneckenburgers, des Dichters der „Wacht am Rhein" (geboren 1819, gestorlun 1849), geöffnet, um seine Ueberreste neu versargt in feine Heimat Thalheim in Württemberg überführen zu lassen. Der Sarg war
Aus diesem Zustand stillen Versunkenseins wurde er aufgeschreckt durch ein Geräusch, welches aus seiner nächsten Nähe zwischen den Fässern ertönte und welches mit Bestimmtheit auf ein lebendes Wesen schließen ließ.
Sollte hier Jemand. versteckt sein? War ihm Jemand gefolgt? Erkannte Beides nicht glauben und fragte furchtsam: „Ist wer da ?"
Keine Antwort ertönte und Nichts weiter ließ sich hören.
Er suchte hier und dort, da er aber nichts fand, auch keine Spur von der Anwesenheit eines Menschen, beruhigte er sich mit dem Gedanken, daß eine Katze oder Ratten hier ihr Unwesen trieben, denn an Gespenster glaubte Eduard einfach nicht; er wäre sonst wohl geflohen, anstatt seine Forschungen nach der irgendwo verborgenen Thür fortzusetzen.
Nach dieser suchend, drang wieder jenes dumpfe Stöhnen an sein Ohr, jetzt aber viel deutlicher und aus seiner nächsten Nähe kommend.
Eduard befand sich also auf der richtigen Fährte zu dem Skelett im Hause, das heißt, zu seinem dunklen Geheimnis.
Er arbeitete nun rast- und furchtlos weiter, und endlich hatte er das Faß gefunden, welches die vermutete dritte Thür verdeckte.
Dies war so arrangiert, daß jenes Faß nur scheinbar auf einem anderen, in Wahrheit aber auf einem Gerüst ruhte, welches den Zutritt zu der Thür gestattete. Vor diesem Gerüst standen mehrere Reihen von Fässern, eins über dem anderen, so daß ein oberflächlicher Forscher den Keller wieder verlassen hätte, ohne Etwas von der geheimen Thür zu entdecken, oder auch nur den Eindruck zu empfangen, als ob der Keller, dessen nach außen gehende kleine Fenster hier endeten, noch eine weitere Ausdehnung habe.
Tie Thür, zu welcher Eduard jetzt gelangte, war mit Eisen beschlagen, — ein jener- und diebessicherer Gewahrsam.
Er versuchte den dritten und kleinsten Schlüssel und dieser erschloß die Thür.
Nachdem er dieselbe aufgestoßen, streckte er die erhobene Laterne vor, um in den dahinter gelegenen Raum hinein zu leuchten.
Derselbe lag tiefer als der Keller und war nicht größer als ein mittelmäßiges Gemach. Feuchte stickige Luft erfüllte denselben; es war ein kerkerartiges Gelaß.
Darauf deutete auch die Strohschütte in einer Ecke; und als Eduard zu dieser hinableuchtete, erkannte er ein wimmerndes Etwas, das ebensowohl oder wohl nur ein Mensch sein konnte.
„Allmächtiger!" stammelte Eduard. Und mit versagender Stimme fragte er: „Ist Jemand da unten in dieser Pesthöhle?"
Ein dumpfes Stöhnen gab Antwort.
Ja, es war ein Mensch, der sich da in Schmerzen auf elender Strohschütte wand und sich die Augen mit den Händen bedeckte, welche das lange entbehrte Licht nicht zu ertragen vermochten.
Eduard war sogleich ganz Mitleid für diesen Unglücklichen, trotzdem er noch nicht wußte, wer es war.
Er sprang die wenigen Stufen hinab und beleuchtete die Gestalt des am Boden Liegenden.
Diese verschwand ganz und gar unter den Lumpen, welche sie nach allen Richtungen hin bedeckten.
„Ich erkenne Euch nicht," sagte er. „Zeigt mir Euer Antlitz, damit ich sehe, ob ich Euch nicht kenne."
Der Andere, ein alter Mann, erhob sein Antlitz, trotzdem die Augen noch immer bedeckt haltend.
„Fächer!" stieß Eduard in voller Verzweiflung hervor. Der alte Förster, der vor Jahr und Tag verschwunden! Wie ist das möglich! Mensch, wie kommt Ihr in diese entsetzliche Lage?"
„Das ist nicht Etwolds Stimme," flüsterte der Andere matt. „Das ist mem Schließer nicht. Wer seid Ihr?"
Mein Vater Euer Schließer?" rief Eduard, entsetzt zurücktretend, „ohr redet irre Atter. Nimmer hat mein Vater Euch in diese Lage gebracht. Euch lebendig
begraben. Das wäre ja mehr als Freiheitsberaubung, das wäre Mord!-
Sprecht, nehmt alle Eure Gedanken zusammen und antwortet nur noch einmal, wer brachte Euch hierher?"
Jetzt hatte der alte Förster sich soweit an das Licht gewohnt, daß er zu Eduard emporblicken konnte.
(Fortsetzung folgt.)
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