Bekanntmachung, die Gültigkeitsdauer der Stempelung bei gewissen Wagengattungen, sowie die Zulassungsfristen für ältere Wagen betreffend.
Nach § 67 der Aichordnung für das Deutsche Reich vom 27. Dezember 1884 ist bei festfundamentirten Brückenwagen, sowie bei allen Wagen, welche für eine größte zulässige Last von mehr als 2000 kg- bestimmt sind, ferner bei den selbstthätigen Registrir- wagen und bei den Wagen für Eisenbahnpassagiergepäck und für Postpäckereien ohne angegebenen Werth die Stempelung so auszuführen, daß sie neben dem Äichüngsstempel auch die Jahreszahl der Aichung enthält.
Ueber die Giltigkeitsdauer der Stempelung bei diesen Wagengattungen bestimmt § 68 der Aichordnung, daß nach Schluß des Kalenderjahres, in welchem" laut der aufgestempelten Jahreszahl die Aichung oder eine Wiederholung derselben erfolgt ist,
1) sestfundamentirte Brückenwagen, sowie alle für eine größte zulässige Last von mehr als 2000 Lss bestimmten Wagen im öffentlichen Verkehr nur bis zum Ablauf von drei Jahren,
2) selbsttätige Registrirwaaen nur bis zum Ablauf von einem Jahre,
3) Wagen für Eisenbahnpassagiergepäck nur bis zum Ablauf von einem Jahr und solche für Postpäckereien ohne angegebenen Werth nur bis zum Ablauf von zwei Jahren benützt werden dürfen.
Die Bestimmung unter Ziffer 1 tritt vom 1. Januar 1888 an in Kraft, während die Bestimmungen unter Ziffer 2 und 3 mit der Veröffentlichung der Aichordnung in's Leben getreten sind.
Es sind daher die im Gebrauch befindlichen selbstthätigen Registrirwagen, die Wagen für Eisenbabnpafsagiergepäck unv die für Postpäckereien ohne angegebenen Wert ohne Verzug, die festfundamentirten oder für eine größte Last von mehr als 2000 bestimmten Brückenwagen aber im Laufe dieses und des nächsten Jahres einer Neustempelung mit Angabe der Jahreszahl der letzteren zu unterwerfen.
Nach Art. 1 VI. b der Bekanntmachung der Kaiserlichen Normal-Aichungs- Kommission vom 30. Dezember 1884, betreffend die Zulassungsfristen für ältere Maße, Meßwerkzeuge, Gewichte und Wagen (Beil, zu Nr. 5 des Reichs- ges.-Bl. für 1885) sind ferner festsundamentierte oder überhaupt für eine größte Last von mehr als 2000 bestimmte Brückenwagen, welche mit einer vollständigen Entlastungsvorrichtung der Schneiden noch nicht versehen sind, zur Aichung und Stempelung nur bis zum 31. Dezember 1886 zugelassen. Diese Uebergangsfrist ist durch Bekanntmachung der Kaiserlichen Normal-Aichungskommission vom 29. April d. I. (Bef. Beil, zu Nr. 15 des Reichsgef.-Bl.) bis zum 31. Dezember 1889 erstreckt worden.
Sind diese Wagen festfundamentirt, fo soll bei ihnen jedoch schon jetzt durch geeignete Schutzvorrichtungen Vorsorge dafür getroffen sein, daß Verschiebungen der sich berührenden Pfannen und Schneiden, wie sie durch die beim Aufbringen der Last auf die Brücke stattfindenden Stöße entstehen, thun- lichst ausgeschlossen oder eingeschränkt werben.
Stuttgart, den 28. Juni 1886.
K. Centralstelle für Gewerbe und Handel.
Gaupp.
Hages-Werrigkeiten.
Calw, 7. Juli. Etwas erschöpft von all dem in den wenigen Tagen bei so hoher Temperatur Erlebten, kamen gestern Abend V-8 Uhr die Sänger des „Calwer Liederkranz es" von Heilbronn zurück. Daß dieselben preisgekrönt zurückkehren, meldete bereits am Montag Abend der Telegraph nach allen Seiten; das Wochenblatt konnte die freudige Botschaft noch im größeren Teil seiner Auslage, insbesondere in der Stadt bekanntgeben. Außer dem 2. Preis, einer broncenen Medaille, bringen dieselben noch eine Ehrengabe in Gestalt eines wertvollen Pokals von eleganter Form, gestiftet von dem im Kunstgesang mit l. Preis ausgezeichneten „Gutenbergverein". Der Empfang
derselben Stunde nach verschiedenen Richtungen die Residenz verließen. Ohne des Letzteren plötzlich geänderten Entschluß wäre er jetzt mit Soltmann zusammen in M. angekommen und Diesem dort sicher als willkommener Fang in die Arme gelaufen.
Es war am Abend dieses ereignisvollen Tages. Ein dichter Nebel lagerte in den Straßen der Residenz. Die Menschen huschten schattengleich unter den matt brennenden Latemen hin, welche den Nebel kaum zu lichten vermochten.
Unter den hastenden Passanten einer sehr belebten Straße befand sich auch ein junges Mädchen, welches alle anderen Fußgänger noch überholen zu wollen schien — Hedwig König.
Tie hatte bis zum letzten Augenblick gezögert, um eine mögliche Antwort Eduards auf ihr Telegramm selbst in Empfang nehmen zu können. Eine solche war nicht eingetroffen, und nun eilte sie nach dem Theater, in doppelter Sorge um Eduard der möglichenfalls ihr Telegramm gar nicht erhalten, und um ihre Verspätung, welche, da sie im Anfang eine keine Solopartie hatte, den Beginn der Vorstellung verzögern mußte.
Die Menschen strömten schon in dichten Schaaren dem Kunsttempel zu, zu Wagen und zu Fuß; denn es war ein Zug- und Kaffenstück, welches jetzt gegeben wurde. Um'so unverzeihlicher war Hedwigs Versäumnis, welche sie mit Nichts entschuldigen konnte.
Im Begriff, von der Straße nach dem Vorplatz des Theaters einzubiegen, tönte plötzlich ihr Name an ihr Ohr, und als sie sich umwandte, stand Eduard vor ihr.
Sie stieß einen leisen Schrei aus, der aber in dem Gedränge ungehört verhallte, nicht viel hätte gefehlt, und sie wäre ohnmächtig hingesunken.
„Eduard — Du!" hauchte sie.
„Ja, ich Hedwig," flüsterte er.
„Weißt Tu auch, daß Dein Leben in Gefahr schwebt?"
am Bahnhof war ein überaus herzlicher, Böllerschüsse kündigten das Nahen des Zuges an, auf dem Perron harrten bereits eine stattliche Reihe von Jungfrauen im duftigsten Costüm, außerdem hatten sich zur Begrüßung und Beglückwünschung aufgestellt: der Veteranenverein, die Liedertafel „Concordia", der Turnverein und eine große Anzahl Mitglieder des Liederkranzes und Freunde der Sänger. Mit von der Heilbronner Sonne stark gebräunten Gesichtern, frohgestimmt wie noch nie, entstiegen dieselben unter allgemeinem Jubel den Wagen. Nachdem der Freude des Wiedersehens Ausdruck gegeben, ordnete sich der Zug, voran die Calwer Stadtmusik, um begleitet von einer zahllosen Menschenmenge sich durch die Stadt nach dem Vereinslokal, resp. dem Thudium'schen Garten zu begeben, woselbst durch die Gesangsvorträge des Liederkranzes sowohl, wie auch der „Concordia", sich noch eine wirklich schöne Nachfeier des Heilbronner Festes gestaltete. Die Calwer Stadtmusik füllte die Pausen in nützlichster Weise aus, indem sie den jungen Leuten Gelegenheit zum Tanzen bot. Im Namen der passiven Mitglieder sprach Hr. C. Zilling den Sängern für die an den Tag gelegte Ausdauer, welche nun durch das glänzende, den ganzen Verein ehrende Resultat belohnt worden sei, Dank und Anerkennung aus und schloß mit einem Hoch auf die Sänger, das durch deren Dirigenten Hrn. A. Müller sofortige Erwiderung fand, indem er der Freude, die ihnen durch den herzlichen Empfang bereitet worden sei, in paffenden Worten Ausdruck gab.
St^» ttgart, 6. Juli. Von den heute morgen 7 Uhr 30 Min. nach Berliner (7 Uhr 13 Mm. nach Stuttgarter) Zeit aus Metz abgegangenen Brieftauben wird denen des Bäckers Wörnle (Thorstraßs) der erste Preis zuerkannt werden, während es sich beim zweiten Preis um die Au« wärte r'schen und Luicker t'schen handeln wird, da beide wohl zu gleicher Zeit ankamen, aber die Entfernung vom Revisionslokal (V o l k'sche Restauration, Hauptstätterstraße) eine ziemlich ungleiche ist. Die ersten Tauben kamen eine Sekunde nach 11 Uhr 18 Minuten hier an.
Friedrichshafen, 5. Juli. Heute nachmittag trafen mit Extraschiff mehrere hundert Feuerwehrleute vom Feuerwehrfeste von Bregenz hier ein. Vor dem Einlaufen in den Hafen hatte das Schiff gegen das Königl. Schloß abgeschwenkt, wo Ihren Königlichen Maje (täten eine Ovation dargebracht wurde. — Während des eidg. Sängerfestes in St. Gallen soll eine Bergbeleuchtung stattfinden. Am Samstag abend 9 Uhr fand nun eine Probebeleuchtung des Säntis statt, welche sich hier nur als zwei große Funken mit stark rotem Licht auf der höchsten Spitze zeigte.
HI. Schwäbisches Sängevfest.
8r. 0. L. Heilbronn, den 5. Juli.
Auch heute wieder wecken Böllerschüsse und Tagwache die Schläfer; in den ersten Stunden des Vormittags werden die Proben für die Hauptaufführung vorgenommen. Von 9 Uhr ab drängt sich eine immer größere Volksmenge dem Bahnhof zu, wo um 9^4 Uhr Prinz und Prinzessin Wilhelm eintreffen, empfangen von den Spitzen der Behörden, den bürgerlichen-Kollegien und dem Festausschuß rc. Im Hofwartesalon begrüßt der Prinz die Anwesenden, zugleich die Grüße und die Glückwünsche des Königs für die Feststadt mitteilend. Nach einem von dem Oberbürgermeister Hegelmaier ausgebrachten Hoch auf das Prinzenpaar besteigt dasselbe den Wagen und fährt unter brausenden Hochrufen der freudig erregten Volksmenge durch die Stadt zur Wohnung des Oberbürgermeisters, wo ein kleiner Imbiß eingenommen wird. Zur Hauptaufführung marschiert der Zug um '/-10 Uhr in die Festhalle, voraus die Bundesfahne und hinter dieser Hunderte von Fahnen der einzelnen Vereine und dann die Sänger. Nachdem das Prinzenpaar ebenfalls in der Festhalle erschienen, nimmt die Hauptaufführung, welche den Glanzpunkt des Festes bildet, unter der Leitung des altbewährten Gesangsmeisters, Professor vr. Faißt ihren Anfang. Es wäre eitles Unternehmen, wollte man die Großartigkeit dieser Aufführung schildern. Mächtig dringen die harmonischen Akkorde an das Ohr, bald in heiliger Andacht, bald aufjauchzend in überschwenglicher Freude, alles aber getragen von der feurigsten Begeisterung. Die höchste Wirkung erzielt Abts „Siegesgesang". Vor der Aufführung wird auf das Prinzenpaar ein aus tausenden von Kehlen erschallendes Hoch ausgebracht und von einer Festdame ein Begrüßungsgedicht verlesen, während eine andere Festdame dem Prinzen in silbernem Pokal feurigen „Heilbronner"
„Du sagst es, aber ich glaube es nicht. Gieb mir eine Erklärung."
„Unmöglich, guter Eduard! Ich habe, auf eine Antwort von Dir wartend, schon so lange gezögert. Du siehst, wie Alles nach dem Theater strömt. Ich soll das Stück eröffnen. Alles ist gewiß schon in Aufregung um mein Ausbleiben. Ich muß hinein."
„Ach, laß doch das dumme Volk!" sagte Eduard halb ärgerlich. Mir gehörst Du in erster Linie an und nicht dem Theater."
„Dir gehört meine Neigung; hierher ruft mich die Pflicht. Laß mich, ich bitte Dich!"
„Nicht einen Schritt, bis Du mir eine genügende Erklärung gegeben."
„Bei meinem Leben, bei unserer Liebe schwöre ich Dir, daß jede Minute Deines Verweilens hier Dir Gefahr bringt."
„Und wessen beschuldigt man mich?"
„Des Mordes?"
„Bist Du wahnsinnig?"
„Nein, aber ich möchte es sein, um meine Behauptung unglaubhaft zu machen. Hörst Dü das Klingelzeichen? Es geht nach den Garderoben der Künstler und fordert sie 4 wf, zur Bühne herabzusteigen. Ich muß fort!"
„Dennoch muß ich Dich sprechen. Also nach der Vorstellung."
„Zögere keinen Augenblick. Fliehe ungesäumt, soweit Deine Mittel reichen. Ein Beamter ist schon nach M., um Dich zu verhaften."
„Ach, Gott sei Dank, Fräulein, da sind Sie ja," rief hier eine männliche Stimme.. Es war ein Theaterdiener, welcher soeben im Aufträge des Direktors nach ihrer Wohnung fahren und sie per Wagen zum Theater holen sollte. „Kommen Sie nur rasch," drängte der Mann. „Der Direktor rast; Alles ist in Verzweiflung um Ihr Ausbleiben. Mein Gott, Sie wußten doch, daß Sie das Stück anfangen."
(Fortsetzung folgt.)