sprach hauptsächlich über das Jnnungswesen. Als ein entschiedener Gegner der jetzt zu Recht bestehen­den Gewerbefreiheit forderte derselbe zur Gründung von Handwerker-Innungen auf. Nur durch festes Aneinanderschließen der Handwerker könne dem Wach­sen des Proletariats entgegen gewirkt werden. Die Handwerker wollen besser geordnete Zustände, aber keine Verstaatlichung des Eigentums. Sie fordern erstens ein gut geordnetes Lehrlingswesen, einen festen Damm gegen den Wucher und Schutz gegen solche Leute, die dem Handwerk durch schlechtes Fab­rikat viel schaden. Insbesondere wurde betont, daß es dem Handwerker nicht möglich sei. so billig zu arbeiten als die Zuchthäuser und daß es besser wäre, wenn in den Strafanstalten für das Militär gear­beitet würde. Die Meister sollen sich verschiedene Blätter gemeinschaftlich. also im Handwerker-Verein halten und zwar solche Blätter, die sich auf ihren Beruf beziehen. Der Handwerker müsse ein christ­lich, deutsch gesinnter Mann sein und nicht auf Um­sturz des Bestehenden hinarbeiten. Schließlich be­merkte Redner, die Handwerker sollen alle dahin ar­beiten, nur demjenigen Reichs- und Landtagsabgeord­neten ihre Stimme zu geben, der ihr Interesse ver­tritt.

Stuttgart, 2. Nov. Am letzten Sonntag fand hier das 18. Bundesfest des Süddeutschen Jünglingsbundes unter zahlreicher Beteiligung der Vereinsmitglieder statt. Die Bevollmächtigten der einzelnen Vereine fanden sich vormittags 11 Uhr im Lokal des Stuttgarter Jünglingsvcreins ein. Auf der Tagesordnung der heutigen Bundeskonferenz stand die Errichtung einer Bundesunterstützungskasse, welche in Fällen unverschuldeter Not, z. B. Krank­heit oder Unfall dann eintreten würde, wenn die ge­setzlichen Kassen nichts oder nichts mehr leisten. Im Allgemeinen fand dieselbe Zustimmung, es wurde üb­rigens beschlossen, vor Realisierung des Projekts noch Erhebungen darüber anzustellen, in welchem Maße die einzelnen Mitglieder sich beteiligen würden. Der Festgottesdienst fand im großen Saal der Ev. Ge­sellschaft nachmittags 2 Uhr statt. Hierauf erstattete der Sekretär Riefner den Bundesbericht. Nach dem­selben zählt der Bund gegenwärtig 1650 Mitglieder. Außerdem bestehen innerhalb seines Gebiets noch weitere 20 Jünglingsvereine mit ca. 550 Mitglieder, welche dem Bund bis jetzt nicht beigetreten sind. Als erfreulich wurde die Errichtung weiterer Musik­chöre bezeichnet. Der Stand der Bundeskasse ist ein befriedigender. Nachmittags 4^/z Uhr einigten sich die Teilnehmer des Festes im Bürgermuseum zur Nachfeier, Ansprachen wechselten dort mit Vorträgen der Eßlinger und Stuttgarter Posaunenchöre und dem Singchor des Cannstatter Vereins. (Der Na­golder Jünglingsverein hatte sich hiebei ebenfalls beteiligt).

In Stuttgart stahl ein Dienstmädchen einer Kame­radin einen im Lasten wohlverwahrten Sparkasscnschein, er­hob den Betrag bei der Kasse und ging mit selbigem nach Amerika. Bis der Verlust bemerkt wurde, war die Diebin über alle Berge. Der Sparkasscnschein repräsentierte einen Wert von 1610 .«t 86 Das Geld war Ersparnis des Mädchens.

Br and fälle: In JlsHofen am 2. Nov. die Scheuer des Zimmermeisters Müller.

Gernsbach, 3. Nov. Die drei Ansfinder der Leiche der Gräfin Arnim haben sich nun dahin geeinigt, daß der Alois Heitzler 4400 und Leo­pold Merkel sowohl wie Valentin Merkel je 2800kL erhält. Das Geld wurde ihnen alsbald eingehändigt. Der Graf hatte es zur Bedingung gemacht, daß das Geld nur ausgezahlt werden solle, wenn die drei Fin­der durch Unterschrift bestätigt haben würden, über die Verteilung des Geldes einig zu sein.

Der kürzlich in Sck Warzenbach a. d. S. verstorbene Privatier Geyer hat 28 MO für wohlthätige Zwecke testa­mentarisch vermacht, nämlich 3000zur jährlichen Anschaf­fung von Konfirmationskleidern an vier wohlgesittete Knaben und 25 OM ^ zur jährlichen Verteilung von 12 Präbenden an Arme.

In Hamburg haben sich um die erledigte Stelle des Kastellans in einer höheren Töchterschule 485 Personen beworben; darunter viele mit Gym­nasialbildung.

Ein junger wohlhabender Geschäftsmann in Ham­burg hatte sich mit der hübschen Tochter eines reichen Schläch­termeisters verlobe, die festgestellte bare Mitgabe sollte 60000 Mark betragen. Das Brautpaar schwamm in Wonne und goldenen Zukunftsträumen. Da erfuhr der Bräutigam, daß die längst gestorbene Mutter seiner Braut die Schwester vor eines mehr als .30 Jahren Hingerichteten Mannes gewesen sei. Sofort machte er die Verlobung rückgängig und läßt es selbst auf einen Prozeß ankommenl

State eines Zwcipfcnnigstückes gab eine Dame in

! Gera einem bettelnden Handwerksburschen ein Zehnmark- l stück. Während derselbe dang in der Herbergeetwas Ordent- ^ liches" zu sich nahm, wurde er von der Polizei überrascht, die ihm den größten Teil des Geldes wieder abnahm.

In Gotha fand die Feuerbestattung einer 72- jährigen Dame statt, die sich mit der Pistole erschos­sen hatte.

Elberfeld, 30. Okt. Ueber ein Familien­drama berichtet dieElberf. Ztg.": Ein Fabrik­arbeiter , welcher schon längere Zeit den Verdacht hegte, daß sein Weib mit einem anderen Manne, einem Bekannten von ihm, näheren Umgang pflege, begab sich gestern abend zu gewohnter Stunde von Hause fort, angeblich zur Arbeit, wie überhaupt jeden Abend, weil der Mann in der Fabrik, in welcher er beschäftigt ist, Nachtdienst thut. Gegen 12 Uhr nachts jedoch kehrte er gestern unerwartet nach Hause zurück und fand nun seine Ahnung richtig bestätigt. Kurz entschlossen zog der Mann einen Revolver und jagte seinem Nebenbuhler eine Kugel in den Kopf. Dar­auf begab sich der Thäter zur Wachtstube und stellte sich freiwillig der Behörde. Der Verletzte wurde ins Krankenhaus geschafft, woselbst er hoffnungslos darniederliegt.

Berlin, 4. Nov. Das Befinden der Fürstin Bismarck ist nicht befriedigend, die Aerzte empfeh­len dringend einen Winteraufenthalt im Süden.

Berlin, 4. Nov. Die Herauszahlungen ans Zöllen, der Tabaksteuer und den Stcmpelabga- ben pro 1887/88 sind veranschlagt für Preußen auf 83 716 280 --6, für Bayern auf 17 380 720 für Sachsen auf 9 777040 , für Württemberg auf

6 482 670 -M, für Baden auf 5164 290 und für Hessen auf 3 079 460

Berlin) 5. Nov. DerKöln. Ztg." wird telegraphiert: Aus Kreisen, die gut unterrichtet sein müssen, verlautet, die Russen beabsichtigen eine teil­weise Besetzung Bulgariens, und es sei den Mächten bereits Mitteilung davon gemacht worden. Um die Empfindlichkeit der Mächte zu schonen, werde betont, es handle sich nur um eine vorübergehende Maßre­gel. Rußland soll den Augenblick für gekommen halten, sich einen oder zwei weitere Hafenplätze an dem Schwarzen Meere anzueignen. von denen es einerseits Bulgarien beherrschen, anderseits seinen Machteinfluß über den Bosporus bedeutend verstär- ^ ken könnte. Zunächst gilt Varna für das Ziel dieser ^ Wünsche.

Berlin, 5. Nov. Prinzregent Luitpold von Bayern hat die Ansage hieher gelangen lassen, daß er am 13. d. M. in Berlin eintreffen werde, um den Kaiser zu den Hofjagden nach Letzlingen zu be­gleiten.

Aus Luckenwalde (Reg.-Bez. Potsdam) wird ge­meldet: Die Kunde von einem Gatten-und Vatermorde durch­eilt heute unsere Stadt. Seit dem 2. Aug. d. I. wurde hier ein Arbeiter vermißt, der, wie seine Angehörigen aussagteu, von Hause fortgcgangen und nicht znrückgckehrt ist. Jetzt hat ein zum Militär ausgehobener Sohn des Vermißten, von Gewissensbissen gefoltert, sich dem Gericht gestellt und das Geständnis abgelegt, daß er mit seiner Mutter den Vater er­mordet und auf einem Ackerstücke verscharrt habe. Die vor­genommene Ausgrabung hat die Angaben des Verbrechers bestätigt. Selbstverständlich wurden beide sofort verhaftet.

Dem Bundesrat ist ein Gesetzentwurf betr. Abänderung des Gerichtskostengesetzes und der Ge­bührenordnung für Rechtsanwälte zugegangen.

Der höchste Grundstückspreis, welcher bisher in Berlin amtlich festgestellt ist, beträgt 25500 ! Mark für die Quadratruthe. Das Kauffieber ist

> aber nicht im Abnehmen, sondern im Zunehmen.

^ In einer dem neuen Reichs-Marineetat beige- ! gebenen Denkschrift wird ausgeführt, daß der gegen- ! wärtige Bestand an Kreuzern und Kanonenboten für ! den politischen Dienst 26 beträgt und diese Zahl auch für die Zukunft genügen dürfte. Dagegen wird ! die Beschaffung weiterer Torpedoboote und größerer - gepanzerter Kanonenboote zur Küstenverteidigung für ^ notwendig erachtet, und zwar für die Elbe sechs und

> für andere Küstenplätze vier Kanonenboote, jedes etwa i im Werte von 3Vz Millionen. Die elfteren würden

> mit der Vollendung des Nordostseekanals fertig zu stellen sein. An Marineoffizieren und Mannschaften

> werden dadurch jährlich mehr nötig 15 Offiziere und ^ 300 Mann.

DieKreuzzeitung" und derReichsbote be- ^ richten, daß die russische Regierung der Stadt R e- val befohlen hat, binnen 14 Tagen das Vermögen sämtlicher evangelischer Kirchen der Stadt in den . Besitz des Sultans bezw. der Staatskasse überzufüh­ren. Sic hat ferner gleichzeitig der Stadt verboten, aus kommunalen Mitteln irgend etwas für die Fort­

führung oder Erhaltung des evangelischen Kultus zu thun. Die einzelnen Gemeindeglieder müssen also die dazu nötigen Mittel privatim aufbringen. Die Kreuzztg." bemerkt dazu:Eröterungen sind über­flüssig. Ohne Zweifel haben wir es mit dem ersten Schritt zur äußerlichen Vernichtung der evangelisch­lutherischen Landeskirche in den Ostseeprovinzen zu thun.

Der Reichskanzler Fürst Bismarck wird, wie es heißt, seinen Aufenthalt in Varzin bis kurz vor Weihnachten ausdehnen und alsdann nach Berlin zurückkehren. Danach wäre eine Erörterung der aus­wärtigen Politik im Reichstage vor der Hand nicht zu erwarten.

Der preußische Eisenbahnminister hat ein Zir­kular erlassen, in dem er den Eisenbahnbeamtcn Höf­lichkeit gegenüber dem reisenden Publikum dringend zur Pflicht macht.

Während in manchen Bezirken Württembergs die Naturalverpflegungsstationen wieder aufgehoben werden, hat sich die Zahl derselben in Preußen be­deutend gesteigert und beläuft sich jetzt auf ca. 1000. Die in Preußen angestellten Ermittelungen haben ergeben, daß infolge der Errichtung von Naturalver­pflegungsstationen die Wanderbettelei stark abgenom­men hat. In verschiedenen Gegenden der Monarchie sind neuerdings Landräte mit Polizeiverordnungen gegen das Almosengeben vorgegangen, um auch so der Wanderbettelei entgegenzutreten. Es liegt auf der'Hand, daß die guten Folgen des Systems nur bei allgemeiner Durchführung desselben erzielt werden können.

DieStraßb. Post" schließt einen längeren Artikel über die soeben erschienene, auch von uns erwähnte Schrift:Der nächste deutsch-französi­sche Krieg" (militär-politische Studie von Oberst­lieutenant C. Köttschau) mit folgenden treffenden Sätzen: So glänzend die Bewilligungen der fran­zösischen Volksvertretung auch gewesen sind, mit der Zeit wird das Geld in Frankreich doch knapp. Der Krieg von 1870/71 hat unerhörte Summen gekostet und die Unternehmungen in Afrika und Asien sind gleichfalls teuer gewesen. Bei der ungeheuren Höhe der französischen Staatsschuld von dreißig Milliarden Franken kann daher die Verzinsung nur durch neue Anleihen gedeckt werden, so oft die wirtschaftlichen Verhältnisse darniederliegen. Und das ist jetzt der Fall. Wir Deutsche werden freilich auch dafür ver­antwortlich gemacht. Wenn das widerliche Revanche- geschrei, die Spionenfurcht und dergleichen endlich auch die deutschen Frauen darauf aufmerksam gemacht haben wird, daß man die sogenanntenPariser Ar­tikel" auch in Deutschland fertigt, wird die vermin­derte Einnahme Frankreichs nicht der eigenen Schuld, sondern der boshaften deutschen Rasse zugeschriebcn werden. Für einen Krieg jedoch gegen diese Rasse, die man umsomehr Haffen muß, je weniger man dem einzelnen vorwerfen kann," wird immer Geld da sein, meint der Verfasser desNächsten Krieges". Schon recht. Aber daß das ein Jammervolk ist, welches sich allmählich an den Bettelstab rüstet und dann die letzte Million für einen thörichten aussichts­losen Krieg aufhebt, unterliegt wohl keinem Zweifel. Und Frankreich ist schon sehr arm geworden. Aber seinen Krieg" will es doch haben.

Oesterreich Ungarn.

Wien, 3. Nov. In Preßburg explodierte eine Dynamitsabrik; 4 Arbeiter sind tot, 5 schwer verletzt.

Wien, 3. Nov. Der Postkvndukteur Paul Harany ist nach Entwendung von 53000 Gulden ärarischer Postgelder aus Pest verschwunden.

Wien, 5. Nov. Gestern abend wurde auf offener Straße der hiesige Buchdrucker Schloß der g ermordet. Dem Mörder gelang es, zu entkommen.

Wien, 6. Nov. Die Rede des Kaisers an die Delegationen ist sehr interpretationsfähig. Der Kaiser hob den Ernst der Sachlage wiederholt hervor und betonte, daß die Lösung der bulgarischen Frage nur im Sinne der bestehenden Verträge und der Interessen Oesterreich-Ungarns möglich sei. Auch des Vorfalles in Burgas that der, Kaiser Erwähnung, sprach aber zum Schlüsse die Hoffnung aus, daß der Friede erhalten bleibe.

Wien, 6. Nov. Nach einer Meldung des Matin" aus Paris ist eine baldige Verständigung zwischen England und Frankreich wegen Egypten be­stimmt zu gewärtigen.

Der Erfinder des Gasglühlichts. Das