Amts- «nd Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag den 9. November.

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1886.

Die Zahl der Verurteilungen

auf Grund von Reichsgesetzen hat im Jahre 1885 in Deutschland nach den amtlichen statistischen Anga­ben gegenüber 1884 in erfreulicher Weise abgenom­men. 1884 sind 345 977 Verurteilungen konstatiert, 1885 nur 343085. An und für sich ist die Abnahme ja nur klein, sie wird aber größer, wenn man die Vermehrung der Bevölkerung in Anrechnung zieht, und überdies ist auf dem Gebiet der Kriminal-Justiz schon die geringste Besserung ein Umstand, der Be­achtung verdient. Er beweist, daß die vielfach ge­äußerte Annahme, die Menschheit würde immer schlech­ter. eine zutreffende nicht ist. Sehr weit, überaus weit sind wir freilich davon entfernt, die Sachlage eine befriedigende nennen zu können; aber sie ist doch keine verzweifelte, und die Verhältnisse sind nicht so schwarz und abschreckend, wie sie hin und wieder Largestellt werden. Speziell, Deutschland steht, was die Kriminalstatistik anbetrifft, nicht schlimmer, son­dern besser da, als andere Länder; es steckt im gro­ßen ganzen im deutschen Volke ein guter Kern, den Rohheit und Verwilderung selbst nicht immer vertil­gen können. Warum sollen wir unser Vaterland schlechter machen, als es wirklich ist? Zahlen bewei­sen, und wir haben oben die amtlichen Zahlen ge­geben, die also durchaus zuverlässig sind. Freilich behaupten zu wollen, die Abnahme der Verurteilun­gen würde eine dauernde werden, das ist unmöglich.

Die Welt und jeder Staat wird stets eine be­trächtliche Zahl von Uebertretern menschlicher und göttlicher Ordnungen zählen. Das ist stets so ge-, wesen und wird stets so sein. Der Mensch bleibt* Mensch; er kann nicht die Leidenschaften und Begier­den völlig von sich abstreisen, 'welche zum Vergehen und zum Verbrechen führen. Blättern wir im alten Te­stament umher, so finden wir eine solche Zahl von Gesetzesübertretungen, daß wir ruhig schließen können, es war vor so und so viel tausend Jahren nicht besser, sondern eher schlimmer als heute. Mag sich der Mensch dem Aeußeren nach ändern, im Innern bleibt er wesentlich derselbe, daran ändert auch ein Jahr­tausend nichts. Verbrechen und Vergehen in der Welt ausrotten zu wollen, ist ein Nonsens; das ganze Bestre­ben des modernen Staates und der modernen Gesellschaft kann sich nur darauf richten, die Zahl der Gesetzes­übertretungen zu verringern. Staat und Gesellschaft müssen dabei Hand in Hand gehen, der Eine ver­mag nichts ohne den Anderen. Der Staat verfügt über die Straf- und Abschreckungsmaßregeln; er trifft den Schuldigen und bietet mit seiner Verurteilung der ganzen Gesellschaft eine Genugthuung. Durch Strafe, durch den Schrecken vor ihr wirkt der Staat auf die Abnahme der Verbrechen. Das allein kann aber nicht nützen, wie es soll, denn es gibt zur Ge­nüge Gemüter, die die Furcht vor der Strafe ver­gessen, damit zugleich wahrhaft menschliches Gefühl verloren haben. Sich dieser anzunehmen, durch gute Erziehung zu verhüten, daß solche Menschen in größe­rer Zahl heranwachsen, das ist Aufgabe der Gesell­schaft. Strenge Justiz gute und liebevolle Er­ziehung, da haben wir die beiden besten Mittel gegen die Ueberhandnahme von Verbrechen und Vergehen.

Die Jugenderziehung macht den ganzen Men­schen; aus sie muß das Hauptgewicht gelegt werden, und versäumen es die Eltern, ihre Schuldigkeit zu thun, so muß anderweitig eingegriffen werden. Die Schule hat vor allein Gelegenheit, tiefe und wenig erfreuliche Blicke in das Familienleben zu thun, sie muß bei Zeiten darauf aufmerksam machen, wo Ge­fahr droht. Die Erziehung des Kindes im Eltern­

hause gibt diesem den Charakter für das Leben; nie lassen sich die ersten Eindrücke völlig verwischen, und was bis zum Austritt aus der Schule an dem Kinde gesündigt, das wieder gut zu machen, ist spater fast nie möglich. Alles dereinstige Lamentieren und Kla­gen macht frühere Fehler nicht wieder gut; zu spät ist und bleibt zu spät. In der Einwirkung auf eine geregelte, verständige Jugenderziehung und die wei­tere Fortbildung der jungen Leute wird bei uns viel schon gethän, aber es kann noch mehr geschehen, um Verwahrlosung von Kindern zu verhindern und spä­ter junge Leute in gehöriger Zucht zu halten. Ge­rade in neuester Zeit ist mancher wilde Streich von Kindern bekannt geworden und sie fordern dringend auf, auf das Heranwachsende Geschlecht zu achten, es im deutschen Sinne und in einfacher, deutscher Art zu erziehen. Die Mühe belohnt sich später in überrei­chem Maße.

Die vierzehnte Volksschulstclle in Eßlingen wurde

dem Unterlehrtr Wciubrenuer in Wildbad, und die in Obcrhansen, Bcz. Reutlingen, dem Schull. Decker in Gän gen Wald übertragen. _

Durch mutvolle und aufopfernde Thätigkeit bei dem

am 8. Sept. in Altnuifra stattgehabtcn Brandfalle ist die Feuerwehr in Haiterbach öffentlich bel obt worden.

Gestorben: Dir. v. Schickhardt bei dem königl.

Konsistorium, Vorstand der Abteilung für Erziehungsanstalten un d der Strafanstalten, 65 Jahre alt. _

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Gewerbliche Fortbildungsschule in Nagold.

-Anläßlich der letzten Visitation hat die K. Kommis­sion für die gewerbl. Fortbildungsschulen es auffal­lend gefunden, daß verhältnismäßig so wenig Schüler den Unterricht in den sogen, wissenschaftlichen Fächern (gewerbl. Aufsatz , Rechnen, Buchführung ) besuchen, und es ausgesprochen, daß mit allen thunlichen Mit­teln darauf hingewirkt werden sollte, daß in dieser Beziehung eine Besserung eintrete. Demgemäß wird nach Beschluß des Gewerbeschulrats auch in diesem Blatte darauf hingewicscn, daß jetzt wieder der Un­terricht der Fortbildungsschule beginnt und werden die Väter und Lehrmeister gebeten, im Interesse ih­rer Söhne und Lehrlinge, welche ja oft den Nutzen solcher Fortbildung noch nicht recht zu schätzen wis­sen und, auch im Blick auf die Lehrlingsprüfuugen, die jungen Leute zum Besuch der gewerbl. Fortbil­dungsschule sowohl in den wissenschaftlichen Fächern als im Zeichnen, insbesondere im Fachzeichnen, an- halten zu wollen.

S Unterjettingen. Kaum hatten wir uns von den Schrecken des letzten Brandes erholt, so wurden wir Freitag den 5. d. M. von einem viel schrecklicheren Brandunglück heimgesucht. Abends um Vr9 Uhr schlugen schon die Flammen in der Scheuer des Bauern Fr. Wilhelm zum Dach hinaus und ob­gleich die hiesige Feuerwehr und die Einwohnerschaft rasch zur Stelle war und mit unermüdlicher Thätigkeit arbeitete, spottete das entfesselte Element jeder An­strengung. Mit Recht sagt Schiller: Die Elemente hassen das Gebild der Menschenhand. Ehe eine Viertelstunde verging, standen schon die anstoßenden Scheuern u. 2 Wohnhäuser in Hellen Flammen. In den vollständig angefüllten Scheuern fand natürlich das Feuer überreichliche Nahrung. Bleiches, angstvolles Ent­setzen malte sich auf jeder Miene; ein starker Südwest­wind unterstützte noch das Rasen der Flammen; an meh­reren Punkten lohten ganze Feuergarben zum nächtlichen Himmel. Bald versagten die Brunnen, da wurden die Güllengruben geöffnet und auch unsereWette" lieferte sehr viel Wasser. Schreiende, halbgekleidete Kinder wur­

den durch die Menge getragen, Vieh und Mobiliar geflüchtet, die Glocken wimmerten ihr schauriges Lied. Die Schrecken und das Entsetzen einer Schlacht mö­gen grauenvoll genug sein und jeden Blutstropfen fast zum Gerinnen bringen, aber mehr Weh und Jammer kann auch eine Schlacht nicht bieten, als eine solche Brandnacht. Die Hitze war unerträglich, die Löschmannschaft und die Wasserträgerinnen leiste­ten Uebermenschliches. Man rühmt mit vollem Recht Soldaten, die im Schlachtengewühl bis zum letzten Hauch ausharrten und einander zuriesen: Hier kommt keiner durch! Aber das ist auch ein Stück Heldentum in der nächsten Nähe der sengenden Glut auf einem Dache zu sitzen und im Kampf zu stehen mit einem übermächtigen Element. Zum Glück langten bald die benachbarten Feuerwehren an und zeigten, was geübte und wohl disciplinierte Feuerwehren zu leisten im Stande sind und wie sich heute noch das Wort Schillers in seinem Tell bewahrheitet: Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt, vertraut auf Gott und rettet den Bedrängten. Es sei ihnen allen hie- mit für ihr hilfreiches u. mutiges Eingreifen unser herzlichster Dank gebracht. Bald ergriffen die Flammen auch das Dach der großen Doppelscheuer der Gebrüder Rentschler; eine brennende Garbe stürzte durch das Garbenloch auf die Tenne und nun war auch das Schicksal dieser Scheuer besiegelt. Erst zwischen 11 und 12 Uhr sah man, daß jetzt endlich der Wut der Flammen ein Ziel gesetzt sei; aber 2 Wohnhäuser und 6 Scheunen liegen in Schutt und mehrere an­grenzenden Wohnhäuser zeigen deutlich genug, wie auch an ihnen die Flammen geleckt und wie 'es nur einer gnädigen Bewahrung zuznschreiben sei, daß sie verschont geblieben sind.

Stuttgart, 2. Nov. Die Anträge der Kommission der Kammer zu den beiden Kirchengesetzcntwürfen gehen dahin, in die Beratung der Entwürfe einzutreten. Doch ward im Schoße der Kommission bemängelt, daß die Regierung nicht vorgängig die Organe der kirchlichen Gesetzgebung über den neuen Entwurf, betr. die Vertretung der evangelischen Kirchen- gcmeinden und die Verwaltung ihrer Vermögensangelegenhci- ten, gehört habe, während sie sich für den katholischen Ent­wurf vorher der Zustimmmung des Bischofs versicherte. Durch den Entwurf sehe sich die evangelische Kirche vor die mißliche Alternative gestellt, entweder das unerwünschte Nebcncinan- derbcstehen zweier kirchlicher Gemeindeorgane zu ertragen, oder einem durch die einseitige staatliche Gesetzgebung geschaffenen Kirchengemeinderat innerkirchliche Funktionen zu übertragen. Es wurde sogar, allerdings nur vereinzelt, geltend gemacht, daß in dem einseitigen Vorgehen der k. Staatsregierung eine Schädigung der Kirche liege. Die einschncidenste Acnderung, welche die Kommission beantragt, bezieht sich darauf, daß das Staatsgesetz davon absehen soll, kirchliche Wahlqualitäten aufzustcllcn und erteilt nur für den Fall der Verschmelzung der inncrkirchlichen mit der staatskirchlichen Organisation der kirchlichen Gesetzgebung die Befugnis, innerhalb bestimmt ge­zogener Grenzen das aktive Wahlrecht und die Wählbarkeit einzuschränken (Entziehung der kirchlichen Pflichten bei Ein­gehung der Ehe, bez. die Taufe und die Konfirmation seiner Kinder.) Beim Entwurf, betr. die Vertretung der katho­lischen Pfarrgemeinden und die Verwaltung ihrer Vermögens- angelcgenhcitcn, sind die von der Regierung vorgeschlagencn Aenderungen nicht so prinzipieller Natur, daß dadurch die Frage des Eingehens auf den Entwurf beeinflußt werden konnte. Ueberhaupt mußte 1883 die Ablehnung des katholi­schen Entwurfs nur in Konsequenz der Zurückweisung des evangelischen Entwurfs erfolgen, da man mit der Regelung der einschlägigen Verhältnisse für die katholischen Gemeinden nicht einseitig Vorgehen konnte.

Stuttgart, 2. Nov. Gestern abend hielt im Ferd. Weiß'schen Saale Herr Schumann, der Vorsitzende des deutschen Schuhmacher-Jnnungsbun- des in Berlin, einen Vortrag, welcher nicht nur von den Mitgliedern der hiesigen Schuhmacher-Innung sondern auch von den anderen Jnnungsmitgliedern, sowie von den Gewerbevereins- und den Kollegial­mitgliedern stark besucht war. Herr Schumann