Berlin, 30. Okt. Der Reichstag soll am 23. Novbr. zusammentretcn.

Berlin, 30. O kt. Nach der Schätzung Sach­verständiger wird das neue Reichstagsgebäude im Jahre 1890 bezogen werden können.

Der Reichstag wird sich in diesem Jahre im Wesentlichen nur mit dem Etat, der Unfallver­sicherung für Seeleute und der Abänderung des Servistariies beschäftigen.

Der neue französische Botschafter Her bette wird auch mit dem Fürsten Bismarck persönlich über die Teilnahme Deutschlands an der Pariser Weltausstellung verhandeln.

Eine allgemeine Konferenz der internationalen Erdmesfung ist am Mittwoch in Berlin, dem Sitz des Zentralbureaus der Erdmessung, in den Räumen des Herrenhauses durch den Kultusminister v. Goß- ler eröffnet worden. Die Konferenz ist dazu berufen, auf den neu gewonnenen Grundlagen die Fortführung der wissenschaftlichen Arbeiten kräftig zu fördern. England hat bis jetzt noch keinen Vertreter gesandt, doch wird es sich wohl noch dazu entschließen, eben­so wie die Vereinigten Staaten Nordamerikas. Frank­reich hat seinen Beitritt noch nicht endgültig erklärt, ist aber durch drei Vertreter von hohem wissenschaft­lichen Rang auf der Konferenz vertreten. Aus Oester­reich ist Fregatten-Kapitän v. Kolmar und Major v. Sterneck, aus Italien Generalmajor v. Ferraro ein­getroffen.

lieber die deutsche Konkurrenz klagen Franzosen und Engländer. Aus Manchester z. B. wird an das Auswärtige Amt in London berichtet, daß die Deutschen zwei Drittel des südamerikanischen Handels in Händen hätten, aus Mexiko bemerkt ein Bericht, daß die Deutschen die eifrigsten Mitbewerber Englands bei jeder kaufmännischen Unternehmung seien und der englische Konsul in St. Petersburg bezeichnet die deutschen Handelsreisenden als die sprachgewandtesten. Neidisch auf uns sind schon lange auch die Franzosen; das neue HetzblattRevanche" meint, Deutschland suche Frankreich auf dem Welt­markt zu vernichten. Was aber die Engländer und Franzosen beklagen, das kann uns der Natur der Sache nach nur mit Befriedigung erfüllen und muß in uns den Entschluß befestigen, auf den eingeschla­genen Wegen weiter zu streben.

In Berliner Blättern wird behauptet, daß verschiedenen in der Nähe Berlins von der Gemcindver- tretung zum Gemeindevorsteher erwählten Landbewohner zu- gemutet sei, vor dem versammelten Krcisausschuß förmliches Examen zu bestehen. Darnach sei erst die Bestätigung er­folgt. Ein Kandidat des Schnlzenamtes sei bereitsim Rech­nen durchgefallen!" der Mann habe erklärt, er sei zu befan­gen, vor den Herren das Exempel ansznrechnen und wolle lieber nicht Schulze werden. Darnach unterblieb auch die Bestätigung. Die Prise scheint doch etwas zu stark zu sein.

Bismarck war ein zu großer Menschenken­ner, als daß er seinem Gegner Beust jemals ge­traut hätte. Einmal sagte er ihm sogar ins Gesicht: Ob Sie reden oder ob der Wind durch den Schorn­stein pfeift, ist mir einerlei. Darauf fand selbst Beust keine witzige Antwort. Als Botschafter in Paris pflegte Beust auch nach der Aussöhnung zwischen Deutschland und Oesterreich die intimste Freundschaft mit Gambetta und vergaß sich soweit, bei einem öf­fentlichen Feste zu sagen, mein Herz ist französisch, meine Seele ein Sansculotte. Den Kampf Beust's mit Bismarck verglich ein ungarischer Politiker mit dem Zusammensloß eines irdenen Topfes mit einem von Eisen.

Der preußische Eisenbahnminister hat ein Re­skript an die Eisenbahndirektionen erlassen, in welchem u. a. daraus hingewiesen wird, daß es sich empfiehlt, sowohl um unnötiger Beunruhigung des Publikums vorzubcugen, als auch, um wahrheitswidrigen Dar­stellungen von vornherein thunlichst den Boden zu entziehen, bei Aufsehen erregenden Unfällen und Be­triebsstörung schleunigst eine kurze, rein objektiv ge­haltene Mitteilung über das Sachverhältnis an ge­eignete Organe der Presse gelangen zu lassen.

Oesterreich Ungarn.

Die Leiche des Grafen Beust ist am Mittwoch nachmittag in der protestantischen Kirche in Wien bcigesetzt worden. Die österreichischen Minister waren fast sämtlich anwesend, Erzherzog Karl Ludwig ver­trat den Kaiser, Prinz Hohenlohe die Kaiserin, Graf Nopsa den Kronprinzen. Außerdem waren zu der Feierlichkeit noch Abgeordnete, Herrenhaus-Mitglieder und einige Generale erschienen, die Beteiligung aus anderen Kreisen der Gesellschaft war eine nur sehr geringe.

Der Mops mit der Tournüre. Unter dem Pro­menadenpublikum der Waitznergasse in Budapest herrschte jüngst abends um 5 Uhr eine sonderbare Bewegung. Die Herren blieben stehen, blickten die Straße entlang und schüttel­ten sich vor Lachen, und die Damen, errötend bis an die Stirn, preßten das Taschentuch vor das Antlitz und suchten eilig das Weite. Die Ursache war ein Mops, ein schöner, gutgenährter Mops, welcher, seinem Herrn folgend, in stolzer Ruhe die Straße durchschritt. So weit wäre an dem Mops nichts auszusetzen gewesen, wenn er nicht eine nach allen Re­geln der Kunst befestigte Tournüre getragen hätte. Er trug das diskrete Kleidungsstück mit größter Grazie und vieler Würde, und schien sich nicht das Geringste daraus zu machen, daß er auf der einen Seite lachend, auf der anderen wütend angeschaut wurde. Herr und Hund setzten ihre Promenade so lange fort, bis alle Damen dmchgebraunt waren.

Der galante Papagei. Aus einer mährischen Provinzstadt wird die nachstehende originelle Art von Reklame als verbürgt mitgeteilt. Die Inhaberin eines Konfektionsge­schäftes in dem besagten Städtchen erwarb einen Papagei, der jeder Dame, die das Gcschäftslokal betritt, die Worte zuruft:O, wie hübsch!" Dieses artige Kompliment scheint auf die Damenwelt der kleinen Stadt eine ganz gewaltige Anziehungskraft auszuüben, denn das Geschäft erfreut sich jetzt, dank dem galanten Papagei eines bedeutend vermehrten Zuspruches.

Ein praktisches Mittel gegen die Cholera ein Fiumaner Arzt Dr. Giacich; er behauptet, daß der tätliche Ausgang der Cholera vom Herzschlag ^ herrührt, weshalb in Fällen von Cholera hauptsäch- ! sich auf die unausgesetzte Thätigkeit des Herzens und j den Blutumlauf überhaupt zu sehen ist. Dr. Gia- ! cich verordnet die Anwendung von Ammoniak im i Munde und Schwefeläther unter der Haut. Dieses ! Verfahren wurde während der Cholera in Fiume ! mit großem Erfolg angewandt.

> Im österreichischen Landtag ist bekanntlich ein Antrag auf Einführung von Arbeiterkammern und Zulassung der Arbeiter als solche zum Parla­ment eingebracht. In Wien wollen die Arbeiter aber von dem Vorschlag wenig wissen, sie verlangen die Bewilligung des allgemeinen direkten Wahlrechtes, woraus nun allerdings schwerlich etwas werden wird.

Frankreich.

Paris, 28. Okt. Dieser Tage wird sich der Staatsrat mit der Streichung der Prinzen aus der Armeeliste zn beschäftigen haben. Die Prinzen sind: Oberst Herzog von Chartres, General Herzog von Aumale, General Herzog von Nemours und sein Sohn Hauptmann Herzog von Alengon, Schwager der Kaiserin von Oesterreich, General Prinz Murat und sein Sohn Lieutenant Prinz Murat. Der Kriegsminister wird die Zuständigkeit des Staatsrats bestreiten. Die Prinzen haben die ersten Anwälte genommen.

Paris, 28. Okt. Das Budget des Unter­richts ist in 10 Jahren von 39 auf 133 Millionen gestiegen, weil seither die Zahl der Volksschulen stark vermehrt worden ist. Die oppositionellen Blätter zweifeln, ob diesen erhöhten Kosten ein entsprechender Nutzen gegenüberstehe. ImFigaro" stellt Magnard die Frage so:Ist Frankreich dadurch, daß mehr Leute lesen und schreiben können, glücklicher, vernünf­tiger, sparsamer, ordnungsliebender geworden? Sind die Mädchen weniger kokett, die Knaben weniger flatterhaft? Sind die Reichen wohlthätiger und die Armen genügsamer? Man lernt mehr, aber man ver­steht nicht besser; und was die Sittlichkeit betrifft, so genügt ein Abendspaziergang in dem durch die wüstesten Ausschweifungen verpesteten Paris oder l ein Blick in die Gerichtsverhandlungen, um die rich­tige Antwort zu sinden.

Paris, 29. Okt. Nach Londoner Berich­ten beschloß das Kabinet, negativ zu antworten, falls Frankreich eine Fixierung der Periode der Okkupa­tion Egyptens verlangt. Freycinet ließ bereits Lon­don wissen, daß Frankreich niemals in die Aufrecht- crhaltung der Okkupation willige. Laboulaye und Herbette besitzen spezielle Instruktionen betreffs Egyp­tens. Die Ropubligue franyaise" betont die Iden­tität der russisch-französischen Interessen im Mitrel- meer und hofft, daß die Vorurteile des russischen Hofes gegen Frankreich schwinden.

Paris, 30. Okt. Im Budgetausschuß for­derte der Marineminister Aube 33 Millionen pro 1887 zur Erbauung zweier Küstenwachlschiffe und einiger 40 Torpedoboote. Die neuesten Telegramme aus dem Süden berichten von dem Abnehmen der Uebcrschwemmungen. Der Regen läßt nach, das Wasser der Rhone sinkt langsam, dasjenige der Du- rance rasch.

Fast die gesamte Presse in Paris hat dem verstorbenen Grafen Beust sehr warme Nachrufe ge­widmet. Sie nennt ihneinen der besten Freunde

Frankreichs". Das ist er leider in der That gewe­sen, er, der als österreichischer Botschafter in Paris, als deutscher Mann, sich nicht geschämt hat, bei einem französischen Fest von seinemfranzösischen Herz" zu sprechen.

Nach überaus heftigen Debatten, welche nicht weniger als 8 Sitzungen ausfüllten, hat die franzö­sische Deputiertenkammer am Donnerstag das Or­ganisationsgesetz des Elementarunterrichtes endlich unter Dach und Fach gebracht und damit die Reform des Volksschulwesens vollendet, welche Jules Ferry begonnen hatte. In dem Kampfe um die Schule, den der Liberalismus in Frankreich seit Jahren führt, bedeutet das neue Gesetz, welches zur Giltig­keit nur mehr der Verkündigung bedarf, da die De­putiertenkammer den vom Senate votierten Wortlaut unverändert angenommen hat, einen ungeheuren Fort­schritt. Der Kernpunkt des Gesetzes liegt in dem Art. 17 desselben, welcher bestimmt, daß fortab in allen Gemeindeschulen Frankreichs nur mehr weltliche Elementarlehrer angestellt werden dürfen. Der Re­ligionsunterricht wird in Zukunft vollständig ans der französischen Elementarschule verbannt sein; kein Geistlicher wird mehr das Recht haben, sich in den Schulunterricht zu mischen oder gar dem Gemeinde­schullehrer Befehle zu erteilen.

Nachdem der Garantiefonds von 22 Millionen für die Pariser Weltausstellung gezeichnet worden, hat sich ein Generalkomite unter Vorsitz des Handels­ministers gebildet. Die Vorarbeiten sollen nun be­schleunigt werden.

Prinz Viktor Napoleon, der älteste Sohn des Prinzen Jerome, hat von Brüssel aus, wo er förmlichHof" hält, schon wieder einen Schreibebrief erlassen, in welchem er sein altes Programm wieder­holt , Frankreich müsse sich selbst seine Regierung wählen. Bis dahin es kommt, wird der Prinz wohl graue Haare haben, oder es überhaupt nicht erleben.

Ein freigesprochener Mörder. Vor dem Schwur­gerichtshofe der Meuss erschien der Bankbeamte Dänin, der seinen Freund Heidt, welcher auch sein Chef war, auf grau­same Weise ermordet hatte. Heidt hatte Madame Dänin, die noch im Vorjahre eine strahlende Schönheit war, heute eine gebrochene totkrankc Frau ist, verführt. Dänin fand in ihrem Zimmer einen Liebesbrief, der ihm keinen Zweifel mehr ließ; er stellte Heidt zur Rede und dieser antwortete ihm höhnisch:Glauben Sie mir, meine Beziehung zu Ihrer Frau hat Ihrem Engagement nicht geschadet, im Gegenteil." Halb wahnsinnig vor Zorn stürzte Dänin in seine Wohnung, holte sein Gewehr, lauerte auf der Straße auf den Chef und schoß ihn nieder. Die zwei ersten Kugeln führten den Tot Hcidt's herbei, allein Douin lud noch einmal und zerschmetterte durch eiuen dritten Schuß den Kopf des Leichnams. Dann ging er zu Gericht und sagte ruhig:Dieser Mann hat mein Ver­trauen getäuscht, ich bin gerächt, die Geschworenen werden mein Vorgehen billigen." Douin ist ein auffallend schöner Mann. Me Zeugen sagen freundlich für ihn ans, während man über Hcidt's Lebenswandel ein schlechtes Zeugnis gibt. Madame Douin ist so hinfällig, daß der Präsident, von Mit­leid erfaßt, auf ihre Anssage verzichtete. Douin wird nach kurzer Beratung einstimmig freigesprochen, und nun spielte sich eine erschütternde Szene ab. Douin nähert sich seiner Frau und sagte leise:Die Geschworenen haben mich freigc- sprochen, wenn Du willst, verzeihe ich Dir." Da erhebt sich die Schattengcstalt von ihrem Sitze und ruft in leidenschaft­lichem Tone:Sie konnten Dich freisprechen, in ihren Augen hast Du nur Deine Ehre gerächt. Ich aber rufe ein ewiges Schuldig über Dich, denn Du hast den Mann getötet, den ich liebte;Ich will Deine Verzeihung nicht, ich bin es, die Dir nichts verzeiht!"

Belgien-

Brüssel, 30. Okt. Die Regierung wird den Kammern eine Reihe sozialer Gesetzentwürfe unter­breiten, betreffend das Verbot der Frauen- und Kin- der-Arbeit in Kohlengruben, das Verbot der Nacht­arbeit für Frauen und Kinder, die Schaffung eines Haftpflichtgesetzcs und die Errichtung von Arbeiter- Schiedsgerichten.

England.

London, 28. Okt. Die Kirchen-Missions- gesellschaft hat mit der Post von Sansibar Briefe bekommen, die über das von König Mwanga anbe- fohlene Massacre eingeborener Christen in Uganda peinliche Einzelnhciten bringen. Die Verwendungen der Missionäre waren erfolglos, lieber die Glau­benstreue der Opfer werden die rührendsten Schil­derungen gegeben.

London, 30. Okt. Dem Standard wird aus Kopenhagen gemeldet, Prinz Waldemar sei im Auftrag des Zaren befragt worden, ob er geneigt sei, als Kandidat für den bulgarischen Fürstenthron aufzutreten, falls die Unterstützung seiner Kandidatur durch die Mächte gesichert sei.

Rußland.

Petersburg, 28. Okt. DasJournal de