Akten wird berichtet, daß in denselben enthalten sei: Ein Dekret des Königs, betreffend die Bildung eines „Ministerium Hesfelschwerdt." So hieß einer der Kammerdiener; Dekrete, betreffend die Hinrichtung und Verbannung der Minister; ein Namensverzeichnis der vom König verwundeten Personen, die dann hohe Entschädigungen zugesprochen erhielten, damit sie schwiegen; ferner Rechnungen über die seltsamsten Ausgaben, so z. B. für die Kerzenbeleuchtung des Schlosses HerrewChiemsee, wo der König dann allein im Spiegelsaal promenierte, für ein großes Gartenfest zu Ehren eines Leiblakaien, bei dem die Lakaien und Chevauxlegers türkisch kostümiert waren und der König ihnen eigenhändig Sorbet servierte; endlich für des Königs nächtliche Fahrten und Diners, bei denen für 20 Personen gedeckt war, aber der König allein saß und stundenlange Zwiegespräche mit eingebildeten Gästen führte, und ähnliche, bereits vielfach bekannte Dinge mehr.
München, 21. Juni. Zur Enthüllung des wahren Sachverhalts bezügl. der Vorkommnisse im bayrischen Königshaus und zwecks Widerlegung der in verschiedenen Blättern zu lesenden Verdächtigungen über zu rasches Vorgehen seitens der Minister, trat heute die hohe Kammer der Reichsräte zusammen. Die Prinzen des Königl. Hauses waren vollzählig erschienen. Es mangelt uns der Raum den Bericht des Abendblattes des Frkf. I. wörtlich abzudrucken und beschränken wir uns auf das zum Gegenbeweis wichtigste nachstehende: Dem Ausschuß der Zwölfer-Commission lagen vor die eidlich bekräftigten Aussagen der Cabinetssekretäre Dr. v. Ziegler und v. Müller, der Diener Hesfelschwerdt, Mayer, Welker und des Stallmeisters Hornig. Der Bericht Dr. v. Ziegler's schildert zunächst wie die Vereinsamung des Königs iminer schlimmer wurde. Der Verkehr mit den oberen Räten der Krone kam in's Stocken; es ereignete sich der Fall, daß ein höherer Beamter durchaus selbst den König sprechen wollte: der König sah ihn kaum eintreten, so verschwand er sofort durch eine andere Thüre, die er verschloß, darüber bemüchtigle sich seiner bei jeder ähnlichen Gelegenheit eine angsterzeugende Erregung, kein Mensch seiner Umgebung war vor Mißhandlungen sicher. Sein Verfolgungswahn ließ ihn Geräusche vernehmen und Dinge sehen, von denen Andere nichts gewahr werden konnten, dann raste er oft stundenlang, stundenlang stand er wie festgebannt oder weinte. Dazu kam die unglaubliche Projektensucht. Zweimal schickte der König den Hornig nach Capri, damit er über die beste Art belehrt werde, wie die dortige blaue Grotte künstlich zu beleuchten sei. Bald trug er sich mit dem Plane eines Geheimbundes zur Ueberwachung von Land und Volk, oder brütete er über die Vernichtung der Residenz München und hing den Schreckenstaten eines Nero und Caligula nach; zahlreiche Verurteilungen zu lebenslänglicher Einsperrung ins Burgverließ von Hohenschwangau liegen bei den Akten und betreffen Prinzen und Staatsmänner. Alles bisher gebrachte: über die Zumutung ocs Königs an den Finanzminister, Geld zu schaffen, bestätigt sich vollständig, während bezügl. der Unterhandlungen mit dem Grafen von Paris sogar noch weiteres verlautet.
Schließlich mußte auch die Lebensweise des Königs unter seiner hochgradigen Krankheit leiden; er unterließ die Beobachtung aller Reinlichkeitspflichten, vernachlässigte sich selbst u. s. w. u. s. w. Demnach gelangte der Ausschuß zu der Ueberzeugung, daß die Einsetzung der Regentschaft am 10. d. M. eine Notwendigkeit war; ob dieselbe schon früher hätte erkannt werden sollen, lag außerhalb des Bereiches einer Entscheidung. Auf den Vorwurf des Fürsten v. Löwenstein, die Regentschaft hätte nach dein eben Erwähnten schon früher abgelöst werden sollen, während dieselbe von einem Minister ausgeübt worden sei, rief Minister v. Lutz bewegten Herzens den Reichsräten zu, daß er jeden anderen Vorwurf weit von sich weise, nur den einen gerne ertragen wolle, nämlich zu spät gehandelt zu haben. Der Minister wiederholt nochmals, daß gerade v. Ziegler bis vor Kurzem geschwiegen; er betont, daß ein früheres Eingreifen den Aufruhr des Landes gegen die Minister zur Folge hätte haben müssen; nimmt auch die Autorität Dr. Gudden's in Schutz und rechtfertigt die Schritte und Maßnahmen der Staatsdeputation auf Hohenschwangau.
München, 22. Juni. (Dep. d. Fr. I.) Die Kammer des Reichs- rats nahm einstimmig den Ausschußantrag, der Regentschaft zuzustimmen, an und überwies den Antrag wegen der Dotation des Regenten
Herrn Sohn eruiren können. Was? Das ist eine Frage, welche dieses Portefeuille beantwortet, sowohl durch den Ort, an welchem es gefunden, wie durch die Umstände, unter denen es verloren wurde."
„Das betonten Sie schon einmal", sprach Etwold ärgerlich. „Ich darf wohl endlich um eine nähere Erklärung bitten."
„Gern bereit. Hoffe nur, daß Sie meine Offenheit entschuldigen werden. Herr Duprat hier —."
„Nimm keinen Anstoß an Dem, was Sie sagen werden", warf der Kommerzienrat spöttisch ein. „Wir sind Geschäftsleute — Beide, und hassen Nichts so sehr als gewundene gedrechselte Erklärungen. Gerade heute ist soviel zu thun, daß, wie wie Sie sehen, Herr Duprat, trotz einer Verletzung seiner rechten Hand, anwesend zu sein gezwungen ist; und Das dürfte mit Notwendigkeit zu einem abgekürzten Verfahren Veranlassung geben. Wenn Sie also die Liebeswürdigkeit haben wollten, mir den Fall ohne alle Schonung auseinanderzusetzen, so könnten wir um so eher in die Beratung desselben treten. Wir sind hier wirklich sehr beschäftigt."
Als von Duprat's verletzter Hand die Rede war, schwand auf einen Augenblick der Ausdruck heiterer Sorglosigkeit von dessen Antlitz, und er zuckte mit der verbundenen Hand zurück, während der Kommissar seinen Blick darauf richtete. Sonst hatte diese Indiskretion des Kommerzienrats keine Folge weiter.
„Ihre Zeit ist bemessen", sagte der Kommissar, „und die meine auch. Nur Teilnahme für Ihre Person nötigte mir das gerügte verlängerte Verfahren auf. Ich werde Ihnen also zunächst in Kürze sagen, wie und wo wir das Portefeuille gefunden."
Er berichtete nun, was wir von der Flucht der drei Falschmünzer aus der Penne des Vater Christoph bereits wissen, und betonte besonders, daß ein Irrtum, als ob einer der Drei nicht der Verlierer des Portefeuilles gewesen, gar nicht auf-
dem Finanzausschuß. Der Präsident schlug vor, allensallsige Anträge betreffs einer Interpretation der Verfassungsartikel (Beamtenanstellung während der Regentschaft) den vereinigten Ausschüssen übergeben zu dürfen.
Baden-Baden, 21. Juni. Heute mittag V^i Uhr verließ die deutsche Kaiserin nach mehr als fünfwöchentlichem Aufenthalt unsere Stadt, um sich mittels Extrazugs nach Koblenz zu begeben. Die hohe Frau wurde von der Groß Herzogin von Baden bis Karlsruhe geleitet.
Hages-Werrigkeitsn.
Calw, 22. Juni. Gestern Abend war uns wieder ein Kunstgenuß geboten, der nach keiner Seite etwas zu wünschen übrig ließ. Opernsänger Geleng vom Kaiser!. Theater in Straßburg, die Konzertsängerin Geleng - Behrens mit dem Kapellmeister vom Deutschen Theater in Rotterdam, Hrn. Gustav Starke, waren am Samstag hier eingetroffen um in hiesiger Stadt ebenfalls ein Konzert zu veranstalten. Die Bekanntmachung konnte nur noch durch Circular in den beiden ersten Vereinen hier erlassen werden. Dennoch war der Besuch ein ungeahnter. Der den Künstlern mit vollem Recht in reichem Maße gespendete Beifall gab Veranlassung zur Einlage zweier weiterer Nummern, wobei ein Duett aus „Figaro", welches wie alle andern des fein gewählten Programms meisterhaft burchgesührt wurde.
— Nachdem der Bezirksfeuerlöschinspektor, Herr E. Georgii, sein Amt niedergelegt, wurde diese Funktion dem Oberfeuerschauer, Hrn. Oberamtsbaumeister Claus hier übertragen, mit der Voraussetzung, daß die Visitationen in der Regel mit der Vornahme der Ober- seuerschau verbunden werden.
— Das nun schon lang andauernde naßkalte Wetter läßt uns auch hier vielfach besorgen Gesichtern begegnen. In den Zimmern herrscht eine Temperatur von 12—13» und nicht sehr selten trifft man geheizte Oefen. Sehnsüchtig erwartet man die Wetterprognose in den Abendblättern, welche uns wenigstens von Tag zu Tag vertröstet. Gegenwärtig können wir ihr aber nichts ins Haben schreiben.
— Ueber die schädlichen Wirkungen des anhaltenden Regenwetters schreibt mariner „Ludw. Ztg." vom Neckar: Wenn jetzt nicht andere Witterung sich einstellt, so muß manche schöne Hoffnung zu Grabe getragen werden. Viel Futter, besonders der Klee, ist schon verdorben! Acht bis zehn Tage wars draußen und mußte, nicht einmal trocken, ziemlich wertlos eingeführt werden. Andere Kleefelder müssen, da die Pflanzen sonst auf dem Halme faulen, trotz der Ungunst der Witterung, abgemäht und im Regen ausgebreitet werden. Auch die Wiesen harren längst der Sense. Weiteres Zuwarten ist Schaden für das jetzige und künftige Wiesengras'. Lagerfrucht ist allerorts zu sehen. Den Weingärtnern sinkt die Hoffung auf einen Herbstertrag aufs neue, denn die Troubenblüte könnte keine ungünstigere Witterung haben. Die Bienenzüchter können nicht ernten, im Gegenteil müssen die Völker gefüttert werden. — Der „Tüb. Chr." wird aus Reutlingen geschrieben: Bei dem naßkalten Wetter kränkeln die Pflanzen immer mehr. So fault das Heugras von unten herauf und bringt eine schädliche Wirkung beim Vieh hervor. Bei uns sind mehrere Kühe durch den Genuß von frischem Heu schwer erkrankt.
Heilbronn, 21. Juni. Bei der gestrigen zweiten Amateur-Ruder- Regatta in Mainz siegte bei dem ersten Rennen die hiesige Rudergesellschaft „Schwaben" mit dem Boot „Prinz Weimar" über den Mannheimer Ruderklub, den Mainzer Ruderverein, die Gießener Rudergesellschaft uns den Frankfurter Ruderklub. Unsere „Schwaben" errangen damit den ersten Ehrenpreis der Mainzer Damen.
Winzerh aus en, 17. Juni. Heute waren neben andern Freunden des Wunnensteins die Herren Regrerungsrat v. Drescher (hiesiger Bürger) und Finanzrat Dr. Paulus aus Stuttgart hier, um die baufällige Wunnensteinwarte, d. h. die besteigbare Ruine der 1558 abgebrochenen Wallfahrtskirche zum h. Michael aut dem sog. Vorderköpfle zu besichtigen und sich über die Instandsetzung dieses Denkmals zu beraten. Man wurde darüber einig, einen Plan und Kostenüberschlag unfertigen zu lassen, und dann mit der Bitte um Beiträge sich an das Publikum zu wenden, damit bis zur 500jährigen Erinnerungsfeier der Döffinger Schlacht im Jahre 1888 unser Wunnenstemturm hergerichtet sei.
kommen könne, da Letzteres auf dem Dach und nicht auf der Straße gefunden wurde. Die früheren Vorgänge, welche Veranlassung zu der Jagd über die Dächer gegeben, berührte er nur andeutungsweise, so daß Duprat über den Verbleib des aus dem Wasser gezogenen Maskenkostüms, für das er ein so lebhaftes Interesse an den Tag gelegt, nichts Näheres erfuhr. Des Kommissars Bericht endete mit dem spurlosen Verschwinden der Verfolgten von den Dächern.
Duprat war diesen Ausführungen mit derselben Spannung gefolgt wie sein Chef. Als der Kommissar geendet hatte, athmete Jener erleichtett auf, während Etwold über die Zumutung, daß sein Sohn der Genosse solchen lichtscheuen Gesindels sein könne, in Hellen Zorn geriet. Duprat hegte die verwegene Hoffnung, daß es sich zur Zeit nur um die Auffindung des Portefeuilles an dem verdächtigen Ort handle, wurde darin aber gründlichst getäuscht, als der Kommissar nach Etwold's Zornausbruch fortfuhr: „Wenn es sich nur um die Genossenschaft solcher zweifelhaften Existenzen handelte, könnten Sie sich noch zufrieden geben; denn mancher junge Mann mit so viel Zeit und Geld läßt sich verführen, sie um der bloßen Lust am Abenteuerlichen zu suchen. Aber der Zufall hat hier gar wunderlich gespielt und uns durch das Verluststück eines der Verfolgten verraten, warum die Letzterm eine Flucht über Dächer ihrer Sistirung vorgezogen. Es war eine Gesellschaft von Falschmünzern; und die Banknoten, die Sie hier sehen, sind Falsifikate."
Der Kommerzienrat prallte entsetzt zurück.
Sie verlangtm keine Schonung", sagte schneidend der Kommissar, „und ich halte mich verpflichtet. Ihnen zu bemerken, daß ihr Herr Sohn, der ein ausschweifendes Leben führen soll, bei uns im Verdachte steht, an diesen Fälschungen mitgewirkt zu haben, respektive selbst ein Falschmünzer zu sein."
„Mein Sohn — ein Falschmünzer?" stammelte der Kommerzienrat. „Herr Kommissar — das ist eine — Unwahrheck, eine wissentliche Lüge, deren ein Mann in