61. Jahrgang.
Mo. 72.
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Amts- Uliil Intekkigenzbkatt für äen Kezirsi.
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Donnerstag, äen 24. Juni 1886.
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H^oLitifchs Wcrchrrchtsn.
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Deutsches Reich. »
— Der Reichstag ist auf den 25. Juni wieder einberufen. Die Blätter sprechen von einer raschen Erledigung der Geschäfte. Auf der ersten Tagesordnung steht die Litteraturkonvention mit Großbritannien und die Errichtung des oriental. Seminars, Gegenstände, denen eine rasche Annahme sicher ist. Am Tag darauf soll die Branntweinsteuervorlage darankommen und mit ihrer Erledigung die Session schließen. — Ob diese Zeitungsnachricht Recht behalten wird, steht dahin. Bekanntlich ist dieser Tage das Militär- Neliktengesetz an den Bundesrat gelangt, und man kann annehmen, daß dasselbe auch noch dem Reichstag in dieser Session zugehen werde.
München, 20. Juni. (König Otto.) Ungefähr 2 Stunden von München auf der Straße nach Starnberg steht das alte, jetzt aber kom- fortabel umgebaute Jagdschloß Fürstenried. Auf Anordnung des verstorbenen Königs wurde dasselbe vor ca. 10 Jahren für den Prinzen Otto total umgebaut und neu hergerichtet. Eine 12 Schuh hohe Mauer umgibt Garten und Park, in dessen Mitte mir der Front auf eine große Lindenallee das nun prachtvoll hergerichtete Schloßgebäude steht. Zu beiden Seiten lehnen sich Stallgebäude und Dienerwohnungen an dasselbe an. Die Frontseite der Mauer ist links und rechts mit je einem Häuschen versehen, welches die Gendarmerie und der Hofgärtner bewohnt. Seit der Prinz König geworden, hat auch Fürstenried eine etwas veränderte Gestalt angenommen. Während nämlich früher dortselbst nur eine kleinere Gendarmeriestation domicilierte, welche dem Landbezirke angehörte, ist dieselbe seit der Proklamation ziemlich verstärkt worden durch Gendarmerie aus der Stadt. Die Proklamation, wodurch die bayerische Majestät auf König Otto übertragen wurde, ist ihm durch seine beiden Kuratoren, General Freiherr von Prankh und Oberst- hosmarschall Freiherr von Malsen, überbracht worden. Er weiß davon, daß er König und sein Bruder tot sei. Die Todesursache kennt er nicht. König Otto ist schon seit längerer Zeit auf mehrere Zeitungen abonniert, welche von demselben mit Vergnügen gelesen werden. In der letzten Zeit dürften keine vorgelegt worden sein. König Otto raucht gerne Cigaretten, fährt aber
selten aus, will jedoch demnächst in die Stadt fahren. Ueber das österreichische Kaiserhaus pflegt derselbe gerne zu sprechen, wie er überhaupt für dasselbe sehr eingenommen zu sein scheint. König Otto kommt selten aus seinem Schlosse oder Schloßparke heraus; man kann sich nur erinnern, daß er im vorigen Herbste einmal in dem nahen Walde Erdbeeren suchte. Das Schloß mit seiner hohen Mauer macht den Totaleindruck eines noblen Gefängnisses und dies um so mehr, als die Bewachung der Gendarmerie übertragen ist. Die Cavalier-Umgebung des jetzigen Königs von Bayern besteht aus dem Rittmeister Baron Redwitz als funkt. Hosmarschall und dem Hauptmann Baron v. Stengel, dann dem Rittmeister v. Schubart als Begleiter. Die Aerzte, welche monatlich wechseln, sind Assistenzärzte der hiesigen Irrenanstalt ; außerdem sind 3 Wärter da, von denen jedesmal einer im schwarzen Anzuge bei der Spazierfahrt neben dem Kutscher sitzt. Sein alter Kammerdiener Vögele bildet immer noch den Chef der Hausdienerschaft. In einer Wiener Zeitung werden Aeußerungen eines Arztes des nunmehrigen Königs über den Zustand desselben und über sein Verhältnis zu König Ludwig mitgeteilt. Der erwähnte Arzt war verpflichtet, den Prinzen mit dem Aufgebot seiner ganzen Kunst zu behandeln; aber es blieb ihm verwehrt, in äußersten Fällen auch nur ein einziges der Mittel anzuwenden, welche die moderne Jrrenheilkunde gestattet und empfiehlt. Nur mit mildem Zuspruch sollten und durften die Aerzte dem kranken Bruder des Königs nahen; schon die Drohung mit der Gewalt war ihnen von Ludwig II. strengstens verboten. Wenn Prinz Otto sich schlechterdings nicht mehr fügen wollte, dann wurde als höchste Instanz der König aufgerufen. Mehr als einmal fuhr Ludwig II. dann in Fürstenried ein; am liebsten bei nachtschlafender Zeit. Mehr als einmal trat er dem Tobenden gegenüber. Und mehr als einmal soll Prinz Otto inmitten der heftigsten Wahnsinnsanfälle der Autorität des Königs sich gebeugt haben, von dem Blick der Majestät zum Gehorsam gebracht worden sein. Ein erschütternder Gedanke: daß der in brüderlicher Liebe wirkende königliche Arzt bestimmt war, dereinst Selbst in Wahnsinnsnacht zu fallen! König Otto ist von Wahnvorstellungen befangen. Er sieht Personen und Dinge, die nicht vorhanden sind. Er hat aber lichte Stunden.
— Ueber den Inhalt der dem bayerischen Landtag vorgelegten
^ Nachdruck »irbotkn.»
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
„So? Nun das Portefeuille enthält zum Glück nicht blos Banknoten, sondern auch noch Etwas, das mit unabweisbarer Sicherheit auf den Inhaber oder Verlierer desselben deutet. Und wenn Sie, meine Herren, denselben nicht kennen oder nennen wollen, so haben Sie jedenfalls Ihre besonderen Gründe hierfür. Ehe ich Ihnen nun dieses Papier vorweise, frage ich Sie nochmals auf Ehre und Gewissen, kennen Sie diese Tasche und ihren Inhalt oder nicht?"
„Nein", tönte es einstimmig aus Etwold's und Duprat's Munde. „Nur ableugnen", dachte Letzterer. „Ein an sich selbst adressirtes Couvert ist gravierend, aber kein so unleugbares Beweismittel wie er mich glauben machen möchte."
Der Kommissar öffnete jetzt das Portefeuille und entnahm einer Tasche desselben eine Karte, welche er mit überlegenem Lächeln und einer leichten Verbeugung dem Kommerzienrat überreichte.
Dieser hatte kaum einen Blick auf die goldumränderte Karte geworfen, als er befremdet zurücktrat.
„Die Karte meines Sohnes?" sagte er mit einem unsicheren Blick auf den Kommissar. Derselbe verneigte sich.
„Wo haben Sie das Portefeuille gefunden?" fragte der Kommerzienrat.
„A« einem Ort", entgsgnete der Kommissar, ,/m welchem Ihr Herr Sohn besser
nicht gesehen worden wäre, und in einer Gesellschaft, welche aus der Hefe des Volkes sich zusammensetzt."
„Mein Sohn?" sagte mit gezwungenem Lachen der Kommerzienrat. „Zum Glück befindet sich derselbe so viele Meilen weit weg, daß er gerade Siebenmeilenstiefel zur Verfügung haben müßte, um Ihrer Vermutung gerecht zu werden."
„Das ist doch die Karte Ihres Herrn Sohnes?" fragte der Kommissar.
„Allerdings", entgegnete Etwold. „Ich glaube wenigstens. Was meinen Sie, Duprat?"
„Ja, die Karte Herrn Eduard's ist es", gestand dieser zögernd zu. „Ich habe selbst solche Karten bei ihm gesehen."
„Das also zugegeben", fiel der Kommerzienrat erregt ein. „Was beweist Das?"
„Das beweist zum mindesten", entgegnete der Kommissar, „daß Ihr Herr Sohn, wenn auch nicht selbst der Eigentümer des Portefeuilles, respektive der Verlierer desselben, doch ein Freund und zwar ein intimer Freund des Letzteren ist. Er hat ihn einmal besucht und nicht zu Hause gefunden. Er hinterließ seine Karte, die der Andere dann zu sich steckte. Was giebt es Natürlicheres als Das? Begreifen Sie nicht, Herr Duprat?"
„Vollkommen", erwiderte Dieser mit mühsam verhaltener Freude. Er hatte sich selbst gefährdet gewähnt, und nun war es durch einen Zufall gerade derjenige Mensch, auf dessen moralische Vernichtung er zunächst mit allen Mitteln hingewirkt hatte, ohne sie ganz zu erreichen. Der Umschlag in Duprats Stimmung von tiefster Bezweiflung zur heitersten Sorglosigkeit läßt sich hiernach bemessen.
„Also von jenem Menschen", nahm der Kommerzienrat wieder das Wort, „dem mein Sohn angeblich seine Karte übergeben haben soll! Wer und was ist er, um Ihre Worte von vorhin zu rechtfertigen?"
„Wer?" erwiederte der Kommissar. „Das werden wir wohl nur u«r Ihrem