Vom Brenzthal, 19. Juni. Einen rohen Spaß erlaubte sich am letzten Sonntag vormittag ein Milchmann. Derselbe begegnete in Heiven- heim einem Knaben, der in einem großen Krug den Wein fürs hl. Abendmahl zur Kirche trug, nahm ihm denselben ab, setzte ihn an den Mund und that einige herzhafte Schlücke. Wegen Straßenraubs wurde der Durstige verhaftet.
Tuttlingen, 20. Juni. Die irdischen Ueberreste Max Schneckenburgers werden in Gemeinschaft einer Abordnung des Thalheimer Komites von zwei hiesigen Herren in Empfang genommen und hierher begleitet werden. Auf dem Friedhof zu Burgdorf, wo die Gebeins ruhen, soll eine kleine Feierlichkeit stattfinden, an welcher auch etliche Burgdorfer Herren, Jugendfreunde des Dichters, teilnehmen. Der Grabstein, den eben diese Männer einstens dem früh aus dem Leben geschiedenen Freunde widmeten, soll ein Vermächtnis der seitherigen Ruhestätte des Dichters bilden. Am 8. Juli, morgens 8 Uhr, werden die Gebeine vom hiesigen Bahnhof aus au? einem sinnig geschmückten Wagen unter ehrenvollem Geleite zur bleibenden Ruhe in die heimatliche Erde nach Thalheim überführt. Nachdem Diakonus Knapp eine feierliche Ansprache gehalten und die hiesigen Vereine ein gemeinschaftliches Lied gesungen haben, wird sich der Zug vom Bahnhof aus unter dem Geläute der Glocken der evangelischen und katholischen Kirche durch die Stadt bewegen. Der Schuljugend soll an diesem Tage Vakanz gegeben werden, damit der Funke echter Vaterlandsliebe schon frühe entflammt werde.
Ulm, 21. Juni. Vor einiger Zeit wurde um die Mitternachtsstunde ein in der Stadt umherirrendes, nicht ganz 13 Jahre altes Bürschchen hier aufgegriffen und als unterstandslos auf die Polizei gebracht, das angab, aus dem Oberamt Münsingen zu sein und aus Furcht vor einer von dem Vater zu gewärtigenden Strafe das Weite gesucht zu haben. Bei seiner Durchsuchung andern Tags fand man aber ein nagelneues Portemonnaie, sowie eine Taschenuhr bei ihm vor, welche Gegenstände das hoffnungsvolle Früchtchen auf seiner Tour hierher gestohlen zu haben nach längerem Läugnen zu- gad. Die Uhr hatte er bei einem Uhrmacher in Zwiefalten, der aus Barmherzigkeit ihm für ein Nachtquartier gesorgt und ihm andern morgens ein Frühstück vorgesetzt hatte, als schuldige Danksagung gestohlen. Das Reisegeld hierher wußte er sich auch auf betrügerische Weise zu verschaffen.
Leutkirch, 19. Juni. Dieser Tage schickte ein Handelsmann aus dem Bezirke seine Frau auf die Wallfahrt nach Steinbach. Als sie heimgekehrt war, entdeckte sie, daß der Kamin durchbrochen und mit Brennstoffen umlagert war. Der Plan, ein Schadenfeuer zu veranlassen, lag klar zu Tage. Der Verdacht der Thäterschaft fiel auf den Mann selbst, welcher auch verhaftet und zu weiterer Untersuchung eingeliefert wurde.
Sigma rin gen, 21. Juni. Vom Wetter in keiner Weise begünstigt , kam die projektierte Zusammenkunft des O b e r s ch w ä b i s ch e n und des Schwarz wälder Zweigvereins für vaterländische Naturkunde dennoch gestern unter Beteiligung von etwa zwanzig Gästen zu stände. Nach Begrüßung auf dem Bahnhof besichtigte die Gesellschaft unter Führung von Hofrat Lehner die Sehenswürdigkeiten und Kunstschätze des Schlosses. Um 1 Uhr fand das Mittagsmahl im Hotel Schach statt. Mittags kamen noch einige Gäste nach. Bei Tisch toastierte Baron Richard v. König-Warthausen auf Sigmaringen als das Athen des südwestlichen Schwabens urd auf das fürstliche Haus.
Zürich, 21. Juni. Heute Vormittag wurde der Postwagen von einem Amerikaner um 7000 Frcs. beraubt. Der Thäter ist arretiert. Auch sein Komplice ist erkannt, derselbe ist aber mit dem Geld geflüchtet. Wahrscheinlich hat man es mit den Gliedern einer internationalen Bande zu thun.
KcrnöeL L WevkeHv.
Stuttgart, 22. Juni. Der Verkehr in Kirschen sollte sich jetzt seinem Höhepunkt nähern; am 29. Juni wurde in früheren Zeiten der „Kirschenpeter" genannte Hauptmarkt auf dem Forum der jetzigen Vorstadt Berg gehalten. Heute besteht die Zufuhr an einheimischen Kirschen in so
winzigen Gaben, daß sie vor der eingeführten Ware fast verschwinden. Von gestern (230) und heute (50, zusammen gegen 300) abgewogenen Körben ist kaum 1 o/g einheimische Frucht. Nicht bloß Baden und die Pfalz, sondern auch Italien muß die Vorräte liefern, die, kaum aufgestellt, auch von den Händlerinnen schon weggenommen sind. Die Preise bleiben im Usbrigen doch mäßig und bewegen sich im Kleinverkauf für sehr schöne Ware in Nahmen von 20—30 L, Beweis genug, daß die Frucht in den bezeichneten Bezugsgegenden sehr wohl geraten sein muß. Aus Italien stammen selbstverständlich auch die jungen Aprikosen. Ausfallen muß, daß bei diesem Handel immer noch München eine-Vermittlerrolle spielt und im Stand ist, den Rahm abzuschöpfen, weil nur wenige der Großhändler hier, mit Umgehung von München, in Italien direkt aufkaufen lassen. Der Kirschenvsrkehr war bis jetzt keineswegs im Stande, dem Lebensmittelmarkt den um diese Zeit gewohnten Gesichtsausdruck zu verleihen. Der Großmarkt am alten Schloß wird ihn erst gewinnen, wenn die Gartenfrüchte vollends gereift sind. Heute kamen die ersten allerdings noch schwachen Proben von reifen Stachelbeeren zu Markte; diese sind, wie nahezu die Johannisbeeren, von einer Härte und Unempfindlichkeit, daß ihnen die Witterung, die gegenwärtig mit bewunderungswürdiger Zähigkeit 10 «k unter Normal verharrt, nichts anhaben kann. Aus Gartengewächsen werden, wenn man die Bewohner des Neckar- und Remsthales hört, seit anderthalb Jahrzehnten weit bessere und regelmäßigere Erträge gezogen, als aus dem besten Weinberge. Daß die jungen Birnen, die heute wieder angeboten werden, einer milderen Flur entstammen, bedarf wohl keiner Versicherung.
WevrnifcHLes.
— Die Herrn Franzosen legen bekanntlich, wenn es sich um deutsche Verhältnisse handelt, stets eins genaue Kenntnis der Thatsachsn an den Tag. So zeichnen sich auch gegenwärtig wieder einige pariser Zeitungen durch einen verblüffenden Reichtum an geschichtlichen und geographischen Kenntnissen aus. So schrieb der Gil Blas unter anderem, daß König Ludwig der Einigung Deutschlands im Jahr 1870 den größten Widerstand entgegengesetzt habe und daß nur der Energie des Prinzen Luitpold die Krönung Kaiser Wilhelm's zum deutschen Kaiser zuzuschreiben sei. Derselbe Historiker des Gil Blas teilte seinen Lesern über den nächsten Wohnsitz des Königs Folgendes mit: ,1>6 rai Uoum restsra jusqu'ä nouvel orckrs ü Mussten Mokriollten ckans Is Iz-rol." Wahrscheinlich hat nun wohl auch bei der Trauerfeier für den König wieder der bekannte „Aonsisur le Domokor" seinen ergreifenden Gesang vernehmen lassen.
— In einer der letzten Nummern des Frankfurter JntelligenzblatteS schließt der Feuilleton-Roman mit folgenden Worten ab: „Plötzlich ertönte eine Klingel, die Stille im Saal stellte sich wie mit einem Zauberschlage her, die Jury trat wieder ein und stellte sich in ihrer Loge auf. Ein Herr in schwarzer Kleidung, der Obmann der Geschworenen, that einen Schritt vorwärts, legte die Hand auf die linke Brust und sagte mit erhobener Stimme: „Fortsetzung folgt."
Calw.
Lan-wirthschaWcher BeMsvereitt.
Am Donnerstag, den 24. Juni (Johannisfeiertag) , hält der landw. Bezirksverein im Löwen in Oberhaugstett eine Wander- Versammlung, zu deren zahlreichem Besuch die Vereinsmitglieder und sonstige Freunde der Landwirthschaft hiemit freundlichst eingeladen werden. Die Verhandlungen beginnen um 2 Uhr. Auf der Tagesordnung steht:
1) Ein Vortrag über Feldweganlagen mit besonderer Beziehung auf das neue Gesetz von Hrn. Landwirthschaftsinspektor Clausnitz er.
2) Ueber künstlichen Futterbau von Hrn. Alber.
3) Ueber Baumzucht von Sekr. Horlacher.
Den 18. Juni 1886. Für den Vorstand:
E. Horlacher, Sekretär.
Ihrer bevorzugten Stellung sich nicht schuldig machen sollte. Sie mißbrauchen Ihre Amtsgewalt, um mich, einen allgemein geachteten Mann, zu beschimpfen,"
Dunkle Zornesröte bedeckte das Gesicht des Kommissars; aber er bezwang sich.
„Ich bin es gewohnt, solche Anschuldigungen zu hören", sagte er, „und Sie sind zu erregt, um zu wissen, was Sie sprechen. Wenn hier von einem Mißbrauch meiner Amtsgewalt die Rede sein kann, so kann dies nur Bezug haben auf meine zu große Langmut und die Rücksicht, die ich gegen Ihre Familie übte. Ich hätte mich gar nicht erst an Sie wenden, sondern Ihren Sohn einfach verhaften lassen sollen. Aber ich hoffte und hoffe noch, das Sie discreditirende Aufsehen vermeiden zu können, wenn Sie sich nämlich entschließen wollen, mich zu Ihrem Sohne zu führen, und ihn in meinem Beisein kraft Ihrer väterlichen Gewalt zu einem vollen Geständnis zu bewegen."
„Ach so", ermannte sich der Kommerzienrat zu sagen, „Sie wissen nur, daß mein Sohn sich nicht hier befindet, weil sein gegenwärtiger Aufenthalt für Jedermann im Hause Geheimnis ist. Und nun stellen Sie mir diese Falle, um mich zur Nennung seines auswärtigen Domizils zu veranlassen."
Der Vorwurf traf. Der Kommissar war zuvor bei Soltmann gewesen, hatte ihn aber nicht zu Hause getroffen und die Sache dann selbständig behandelt; sonst würde er von Jenem wohl erfahren haben, daß Eduard Etwold in M. und jetzt eines noch größeren Verbrechens verdächtig sei.
Dem Kommerzienrat gegenüber wollte er diesen Vorwurf nicht gelten lassen. .„Das hätte ich auf anderem Wege wohl auch noch erfahren können", sagte er.
„Aber nicht so rasch und bequem wie durch mich", versetzte höhnend der Andere.
Der Kommissar zuckte die Achseln.
„Ich könnte Sie sogar zur Nennung des gegenwärtigen Aufenthaltsortes
Ihres Sohnes zwingen", sagte er. „Aber ich vermeide gern jeden Zwang, wo ich auf gültlichem Wege zum Ziele gelangen kann."
„Und ich könnte Ihnen dann antworten, mein Sohn ist verreist und sein gegenwärtiger Aufenthalt mir unbekannt. Aber es liegt mir selbst zu viel an der Wiederherstellung von Eduard's angegriffener Ehre, als daß ich Ihnen da noch Opposition machen sollte. Sie haben ganz recht, wenn Sie vermuten, daß er mir sagen wird was er Ihnen verschweigen könnte. Und ich werde ihm ein strenger, wenn auch ein gerechter Richter sein. Haben Sie die Sache schon weiter bekannt gemacht?"
„Nein."
„Gut denn. Ich werde heute meine dringendsten Geschäfte erledigen und morgen mit Ihnen zu meinem Sohne reisen."
„Wohin?"
„Das werde ich Ihnen dann sagen. Sie meinten selbst, daß seine Teilnahme an dem Verbrechen nur eine unbewußte, unbeabsichtigte gewesen sein könne, und ich möchte ihn gern vor unnützen Belästigungen bewahren."
Der Kommissar nahm die Mene eines Mannes an, der sich willenlos in sein Schicksal ergiebt. „Wie Sie meinen!" sagte er. „Und wann werden wir fahren?"
Der Kommerzienrat konsultirte seine Uhr.
„Um neun Uhr morgens."
Racheis machte eine Notiz.
„Ich werde zur Zeit hier sein."
Mit diesen Worten ging er wie er gekommen, mü einer leichten Verbeugung gegen den Kommerzienrat und einem forschenden Blick auf Duprat, dessen Vertrauensstellung ihm einen zweifelhaften Eindruck zu machen schien.
(Fortsetzung folgt.)