Fulda, 11. Aug. Als Beratungsgegenstände der Bischofskonferenz werden der „Voss. Z." bezeichnet: 1) Immediateingabe an den Kaiser, in der der Dank für das neueste kirchenpolitische Gesetz ausgesprochen wird. 2) Denkschrift an das Gesammt- Staatsministerium, betr. die organische Revision der Maigesetze. 3) Hirtenbrief an die preußischen Katholiken im Hinblick aus die neugeschaffene Lage der Kirche. 4) Berwaltungsvorschriften für die Kurat- geistlichkeit, soweit sich solche neuerdings notwendig erwiesen haben. 5) Bericht an den Papst über den Status guo innerhalb der katholischen Kirche Preußens, sowie Anträge auf kleine Aenderungen in der Verwaltungsorganisation der oberrheinischen Kirchenprovinz. 6) Mahnworte an die katholische Presse zum Zwecke der Herbeiführung eines versöhnlicheren Tones.
Berlin, 12. Aug. Nicht nur vor der Auswanderung nach den überseeischen Ländern wird gewarnt, sondern auch der Auswanderung aus Deutschland nach anderen europäischen Ländern gegenüber ist Vorsicht geboten. So wird in einem Handelsbericht aus Genf ausgeführt, daß angesichts der ungünstigen Geschäftslage der Westschweiz der Zuzug deutscher Arbeiter dahin, wiewohl er in den letzten Jahren bedeutend abgenommen hat, immer noch viel zu groß sei. Von 10 zureisenden Arbeitern finden gewiß nur zwei oder drei Arbeit. Auch die Arbeitslöhne sind, besonders wenn man die höheren Preise der Lebensmittel in Betracht zieht, keineswegs so vortheilhast, als es beim ersten Anblick scheint. Deutsche Arbeiter, die Frau und Kinder haben, kommen in der Heimat im Allgemeinen besser durch als dort. Die Berichte der deutschen Hilfsvereine sind in dieser Beziehung sehr lehrreich. Familiennot und Heimbeförderung nehmen bei allen Vereinen einen sehr großen Teil der Einnahmen in Anspruch. Handwerker, die nicht sehr gute Arbeiter sind und aus Mangel an Arbeit für Konfektionsgeschäfte arbeiten müssen (z. B. Schneider und Schuster) gehen sehr häufig an Ueberanstrengung und schlechter Nahrung zu Grunde, selbst wenn sie keine zahlreiche Familie haben. Landarbeiter und Taglöhner finden sehr schwer Beschäftigung, und Kaufleute, Kommis u. s. w. sollten nie dahin gehen, ohne bestimmte Anstellung zu haben, sie müßten denn längere Zeit von eigenen Mitteln leben können.
Berlin, 12. Aug. Am 13. ds. feiert Rudolf Gneist in Gastein seinen 70. Geburtstag, dem in wenigen Tagen der Gedenktag folgen wird, daß er 50 Jahre Doktor der juristischen Fakultät der hiesigen Hochschule und gleichzeitig preußischer Staatsbeamter ist.
Berlin, 12. Aug. Auf den deutschen Münzstätten sind im Monat Juli d. I. 5 053 980 Reichsgoldmünzen ausgeprägt worden. Unter Hinzurechnung des vorher ausgeprägten Betrages und nach Abzug der wieder eingezogenen nicht mehr umlaufsfähigen Stücke stellt sich der Gesamtbetrag an ausgeprägten Reichsgoldmünzen auf 1 949043185 vkL
Berlin, 13. Aug. Die Einnahmen aus der Wechselstempelsteuer im Deutschen Reich betragen im Juli 550992 in den ersten vier Monaten des Etatsjahres (April mit Juli) 2212269 was abermals einen erheblichen Rückgang gegen das Vorjahr aufweist.
Auf Grund eines Beschlusses des Kriegsmi- niüers wird der Karabiner in der Feldartillerie durch den Revolver ersetzt. Sechzehn Artillerie-Regimenter werden dieser Reform unterzogen.
Aus Elsaß-Lothringen, 11. Aug. Im Reichslande, das bekanntlich etwa 4 mal so viel Wein hervorbringt, als die Rheinprovinz, also das erste Wcinland des Reiches ist, ist in den letzten Tagen abermals ein ausgedehnter Reblausherd entdeckt worden. Derselbe befindet sich bei dem Dorfe Wcgenheim in der Nähe der Schweizergrcnze. Die zur Vertilgung der Reblaus seither angewandten Mittel erstrecken sich ans Verbrennen der Reben und Pfähle; ferner werden rings um die Pflanzenstellen Löcher gegraben, welche sodann mit Schwefelkohlenstoff gefüllt werden. Schließlich wird das ganze Gebiet mit Erdöl begossen. Statt des letzteren hat man auf Grund der in den letzten Jahren in Frankreich angestellten Versuche schwefelkohlensaures Kali angewendet. Nachdem der reichsländische Weinbau aufs ernstlichste bedroht erscheint, soll nun zur Verhütung der Einschleppung, bczw. Weiterverbreitung des gefährlichen Insektes zunächst Oberclsaß in 3 Weinbanbezirke zerlegt werden, in denen sowohl die Ausfuhr als auch Einfuhr von Reben strengstens untersagt werden soll. Behufs Durchführung dieser Maßregel sind in sämtlichen weinbautreibenden Dörfern Kommissionen ernannt worden, welche bei Nenpflanznngen die Herkunft der dazu verwendeten jungen Reben festzustcllen haben. 'Außerdem haben dieselben die Weinberge ihrer Gemarkung öfter zu begehen und über verdächtige Erscheinungen sofort zu berichten.
Die Schulzenkathcrin, ein braves und tapferes Weib aus dem Volke, kannte in Saarbrücken Jedermann. Sie ist jetzt an ihrem Ehrentage, dem 6. August, dem 16. Jahrestage der Schlacht bei Spichern, gestorben und auf dem Schlachtfeld im „Ehrenthal", da wo die gefallenen Krieger liegen, mit dem Verdienstkreuz und der Kriegsdenkmünze, die ihr der Kaiser verliehen, feierlich beerdigt worden. Am 6. August 1870, als auf dem Schlachtfeld die Kämpfer und die Verwundeten vor Hitze zu verschmachten drohten, ging Katharina Weißgerber den Frauen als leuchtendes Beispiel voran; eine Wasserbütte auf dem Kopfe, erschien sie furchtlos in der Fechtlinie und labte die Kämpfenden und die am Boden liegenden Verwundeten, während der Tot rings um sie her reiche Ernte hielt. In diesem gefahrvollen Samaritergeschäft suchte sie ein höherer, auf sie zufprengender Offizier zu warnen: „Weib, sieht Sie denn nicht, wie gefahrvoll es hier ist; mache Sie sich fort, hier wird ja geschossen!" rief er ihr zu. Die brave Katharina aber, ein Hünenweib von Gestalt, antwortete ruhig: „Das sehe ich wohl, Herr Lieutenant, aber ich bin ja kein Soldat und schieße auch nicht!" Ungestört setzte sie ihr Werk fort, die Verwundeten labend und auf den starken Armen aus der Gefechtslinie tragend. Sie verschied 61 Jahre alt in einem Ruhesesscl sitzend. „Ich lege mich in kein Bett, sagte sie, die Kathrin will sitzend sterben!" — Länger als ein Menschenalter war die Brave bei einer und derselben Familie als Dienstmagd und als über ihre Herrschaft Tage des Unglücks kamen und die treue Magd sogar ihren Lohn verlor, da nahm sie sich der Kinder liebevoll an und versah Mutterstelle an denselben. Sie mietete sich eine Kammer und ernährte sich und ihre Pflegebefohlenen als Taglöhnerin. Katharina Weißgerber ist ihr Name.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 12. Aug. Die Ablehnung des Münchener Gemeinderates auf die Einladung zu der zur Rückeroberung der ungarischen Hauptstadt veranstalteten Jubelfeier hat in Pest das peinlichste Aufsehen erregt.
Wien, 12. Aug. Im Markte Silleine (Trens- ciner Comitat), dem Bereinigungspunkte der Waagthalbahn und der Kaschau-Oderberger Bahn, sind laut „Fr. Z." 400 Häuser abgebrannt. Der Schaden beträgt eine halbe Million.
Bei der Monarchen-Begegnung in Gast ein ist auch Italien im Geist zugegen gewesen, so heißt es in einem offiziösen Brief der Politischen Korrespondenz aus R o m. Die italienische Regierung sei über alles, was in Gastein vorfiel und verhandelt wurde, auf das Vollständigste unterrichtet. In Gastein sei nichts beschlossen worden, was nicht auch dem Interesse Italiens vollständig entspreche. Der Erhaltung des europäischen Friedens hat die Zweikaiserzusammenkunft gegolten und darum sind jetzt noch die Blätter des Lobes darüber voll. Die Abreise Kaiser Wilhelm's von Gastein begleitet das Wiener Fremdenblatt mit folgenden herzlichen Worten: „Die besten Wünsche der Völker unseres Reiches begleiteten den Kaiser auf seiner Heimkehr. Sie vermengten sich alle in der Hoffnung, daß der greise, aber nimmer ermüdende Herrscher auch nächstes Jahr im vollen Genuß seiner geistigen und körperlichen Frische nach unserem lieben Gastein kommen und sich daselbst neuerdings an der erquickenden Luft und an den heilbringendeu Thermen laben wird. Diesem Wunsch werden sich sicherlich auch alle anderen Nationen anschließen, welche bereits zur Kenntnis gelangt sind, welch eine mächtige Säule des Friedens Europa in dem Kaiser Wilhelm besitzt."
Die Abnahme der Kenntnis der deutschen Sprache wird in den slavischen Gegenden der österr.- ungarischen Monarchie immer auffallender, so daß das den österreichischen Regierungskreisen nahestehende Prager Abendblatt darauf aufmerksam machen mußte, wie auffallend viele Juristen an der czechischen Universität die Staatsprüfungen nicht bestehen, weil sie beim deutsch geprüften Fache eine erschreckende Unkenntnis des Deutschen an den Tag legen. Mittels eines Erlasses vom 22. Juli d. I. hat der österreich-ungarische Reichskriegsmiilister Graf Bylandt- Rheydt sämtliche militärische Prüfungskommissionen angewiesen, genau die Bestimmungen der Instruktion, betreffend die Kenntnis der deutschen Sprache seitens der Aspiranten für Offiziersstellen im Auge zu behalten. Er ordnet an, daß solchen Einjährig-Freiwilligen, welche der deutschen Spvache nicht in einer für den Dienstgebrauch ausreichenden Weise mächtig sind, die Eignung zum Reserve-Offizier auch in dem Falle nicht zuerkannt werden darf, wenn der Betreffende die nötigen theoretischen Kenntnisse in seiner nichtdeutschen Muttersprache nachzuweisen vermag und derselbe bei der praktischen Erprobung für die Verwendung als Kompagnie-Offizier geeignet erkannt würde. Man wird dies Zurückgreifen auf das gemeinsame feste Band der deutschen Sprache für die Einheit der Monarchie nur gutheißen können.
Italien.
Der Papst hat, wie die „Jtalia" meldet, ein Schreiben an Kaiser Franz Josef gerichtet, in dem er seine Freude über die bevorstehende Gasteiner Zusammenkunft und zugleich die Hoffnung ausdrückt, daß dieselbe auch der Kirche zum Heile gereichen werde.
Frankreich.
Paris, 11. Aug. Die Briefe Boulangers werden jetzt von seinen Gegnern in IV, Million Exemplaren in den Provinzen vertheilt.
Paris, 12. Aug. Das Schwurgericht verurteilte Louise Michel wegen Aufreizung zum Mord zu Monatlicher Gefängnisstrafe und zu 100 Fr. Geldbuße. Die Mitangeklagten erhielten Gefängnis von 4 bis 6 Monaten.
Die Gnadenquelle in Lourdes wirkt auch in diesem Jahr ihre Wunder. Aus Wien sind mittelst Separatzuges der Westbahn 400 Pilger über Zürich nach Lourdes abgereist.
Belgien.
Brüssel, 15. Aug. Soweit bis jetzt festzustellen ist, blieb die Zahl der an dem soeben sich arrangierenden Arbeiter-Aufzug Teilnehmenden hinter den Erwartungen zurück, dürfte jedoch 30000 betragen; andere Berichte schätzen die Zahl zwischen 15 und 20000.
England.
In England treten immer mehr und immer gewichtigere Stimmen für einen Anschluß der englischen Politik an Deutschland und Oesterreich aus. „Wenn unsere Regierung sich kühn auf die Seite der Friedensmächte stellt, so ist aller Grund anzunchmen, daß sie mit den vielen Schwierigkeiten daheim um so leichter fertig wird."
Der neue englische Ministerpräsident, Lord Salisbury, hat bei dem gestrigen Lord-Major- Bankett die übliche politische Rede gehalten; Lord Salisbury wünschte seinen Zuhörern Glück zu dem Ergebnisse der Wahlen; dasselbe sei als eine Entscheidung der Nation und nicht irgend einer Klasse der Bevölkerung anzusehen. Wenngleich die afghanische Grenzfrage und die egyptische Frage noch nicht völlig geregelt seien, so sei doch guter Grund vorhanden , auf die Aufrechterhaltung des Friedens zu rechnen. Redner sprach mit Anerkennung über die von Lord Rosebery befolgte Politik und bemerkte hinsichtlich Irlands, die Regierung müsse es sich zur Aufgabe macheu, die loyalen Unterthanen der Königin in Irland von dem auf sie ausgeübten Drucke zu befreien. Die Schwierigkeiten seien groß, aber die Regierung besitze das Mandat des Volkes, das in unwiderruflicher Weise gegen eine unabhängige, selbständige Regierung in Irland entschieden habe. Die Regierung müsse die soziale Ordnung, welche in ihrer gegenwärtigen Gestalt die einzige gerechte Grundlage für die Unzufriedenheit in Irland bilde, umgestalten. Vieles in diesen Aeußerungen ist so unverständlich, daß wir es vorziehen, ausführlichere und zuverlässigere Mitteilungen abzuwarten, ehe wir uns auf eine Würdigung der Rede einlassen. Rußland.
Nach langer Unterbrechung macht wieder einmal der einst viel genannte russische Botschafter am Hofe von Konstantinopel, General Jgnatiew, von sich reden. Slavische Blätter veröffentlichen den Inhalt einer Unterredung, die der noch heute als Haupt der panslavistischen Partei geltende General mit einem Berichterstatter hatte, und in welcher er sich u. a. über das Verhältnis Rußlands zu Deutschland folgendermaßen äußerte: „Rußland war stets Deutschland freundlich gesinnt; es hat Deutschland im Kriege mit Oesterreich und im Kriege mit Frankreich unterstützt und dadurch Deutschland zu neuer Größe verholfen. Seit dem Zustandekommen des Berliner Vertrages lohnt aber Deutschland dem russischen Reiche seine Unterstützung mit Undank. Sv oft Rußland seine Thätigkeit auf der Balkan- Halbinsel entwickeln will, stellt sich ihm Deutschland hindernd in den Weg oder schiebt Oesterreich-Ungarn vor. Fürst Bismarck ist ein Feind Rußlands^ und gefährlicher als Napoleon I. es gewesen. Rußland muß auf der Hut sein, denn der Konflikt mit Deutschland ist unvermeidlich. Ob Deutschland gut daran gethan habe, Rußland gegenüber eine feindselige Stellung einzunehmen , möchte er entschieden bezweifeln. In Frankreich gewinnt die Revanche-Idee immer mehr Anhänger., und die politischen Parteien arbeiten dort auf den Krieg hin. Es kann Deutschland geschehen, daß es sich, wenn es seine bisherige