Berlin, 5. Mai. Ein Wrackstück von S. M. S. „Augusta" ist ausgesunden worden. Das Wrackstück ist nach einem Bericht in der Nordsce-Ztg. von Fischern in der Nähe der vermutlichen Unter- gangsstellc aufgefischt worden und wird aus Veranlassung des deutschen Konsulats in Aden an die Kaiserliche Admiralität in Berlin gesandt werden.
Berlin, 6. Mai. Ueber eine Unterredung, welche Fürst Bismarck während der Dienstags- Sitzung des Abgeordnetenhauses mit einem nationalliberalen Abgeordneten hatte, berichtet die „Nat.-Ztg.": „Fürst Bismarck sprach sich nicht ohne Besorgnis über den Gesundheitszustand seines Sohnes, des Grafen Herbert Bismarck, aus, bei welchem zwar das Fieber aufgehört, trotzdem aber das Delirium noch drei Tage angehalten habe. Er selbst sei in Ermangelung von geeigneten Ersatzkrästen gezwungen, für seinen Sohn einzutreten, der eine ungewöhnliche Arbeitskraft besitze. Sehr eingehend äußerte sich Fürst Bismarck über die kirchenpolitische Frage. Seit acht Tagen sei er bestrebt gewesen, zu dem Ziele zu gelangen, dem er sich jetzt genähert habe, und zwar sei das wesentlich geschehen unter Berücksichtigung der dringenden Wünsche maßgebender Personen. Dr. Falk habe als Kultusminister die Dinge mit großer juristischer Feinheit und Geschicklichkeit behandelt, aber eben nur mit juristischer, während ihm der politische Blick zuweilen gemangelt habe. Immerhin sei es Dr. Falk gewesen, der ihm, dem Reichskanzler, den Stuhl vor die Thüre gesetzt, denn er selbst habe bis zum letzten Augenblick nicht aufgehört, dem Kollegen behilflich zur Seite zu stehen, wenn es sich darum handelte, bei dem Kaiser die Genehmigung zu einer Vorlage zu erlangen, was nicht immer leicht war. — Diese Bemerkung war vorzugsweise dadurch provoziert, daß von der anderen Seite entgegengehalten war, Dr. Falk habe seiner Zeit über eine Abnahme der kollegialischen Hilfsbereitschaft des Kanzlers geklagt. Im Uebrigen, so schließt die „Nat.-Ztg.", ergab sich aus der Unterredung, daß Fürst Bismarck keinerlei Mißstimmung empfindet wegen der ablehnenden Haltung der Nationalliberalen gegenüber der kirchenpolitischcn Vorlage."
Berlin, 7. Mai. Das Befinden des Unter- staatssecretärs Grafen Herbert von Bismarck ist nun durchaus befriedigend, voraussichtlich wird der Patient aber erst im Anfang nächster Woche das Bett verlassen können.
Berlin, 8. Mai. Das neue Opernhaus in Derby (England) ist abgebrannt; vom Publikum und vom Personal ist niemand verletzt worden.
Im preußischen Abgeordnetenhause fand gestern die Spezialberatung der kirchenpolitischen Vorlage statt. Die ganze Beratung nahm nur 2 Stunden in Anspruch; nirgends ergaben sich erhebliche Debatten. Der Standpunkt der Nationalliberalen Partei wurde bei jedem der 15 Artikel des Gesetzes durch Prof. Gneist dargelegt. Den Bestimmungen, welche die wissenschaftliche Staatsprüfung für Theologen beseitigen, die Errichtung von Priesterseminaren gestatten und die Straffreiheit für das Lesen stiller Messen sowie das Spenden der Sterbesakramente sestsetzen, stimmte die nationalliberale Partei zu. Das Gesetz wurde unverändert angenommen.
Fürst Bismarck scheint neuerdings an Spaziergängen durch die Stadt Berlin Geschmack zu finden; namentlich nimmt er die Gelegenheit wahr, nach Schluß der Sitzung in den Parlamenten sich Berlins Straßen und das weltstädtische Getriebe derselben anzuschcn. So begab er sich am Dienstag nachmittag nach Vertagung der Debatte im Abgeordnetenhause zu Fuß über Jerusalemer- und Taubcnstraße, Gendarmenmarkt und Mohrenstraßc in sein Palais. Der Fürst schritt rasch, in gerader Haltung, von einer großen Menschenmenge auf Schritt und Tritt gefolgt, dahin. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich auf dem ganzen Wege in den angrenzenden Straßen die Kunde: „Fürst Bismarck kommt!" Aus den Lädeit strömten Käufer und Personal, die Insassen der Droschken ließen halten und stellten sich im Wagen in Positur; Pferdebahnen und Omnibusse entleerten sich und vergrößerten die Begleitung des Fürsten. Alles drängte heran, jeder wollte den Kanzler auch einmal Aug' in Auge scheu. Mütter hoben ihre Kleinen in die Höhe: Kinder, das ist der Bismarck!" tönte es rechts und links und das Grüßen und Hutschwenken wollte kein Ende nehmen. Für jeden Gruß dankte der Kanzler, dessen Linke auf dem Pallasch ruhte, durch Anlegen der Rechten an die gelbe Kürassiermütze. Nach einer Viertelstunde hatte er das Palais erreicht, und als wie zum Abschied die Menge bis dicht an's Gitter des Vorgartens herandrängte, drehte sich Fürst Bismarck am Eingang schnell um, machte Front und salutierte, sich wiederholt verbeugend, die nachdrängende Menge.
In Berlin sinken wieder die Maurer. Die Zahl der sinkenden beträgt jetzt etwa 1200, während etwa 100 Arbeitgeber bekannt gegeben waren, welche
die von den Gesellen vorgelegten Fragebogen, auf welchen die Zahlung eines Stundenlohnes von 50 Psg. verlangt wird, in zustimmendem Sinn unterzeichnet haben. Eine Versammlung von 160 Meistern beschloß einen Aufruf an die Gesellen zu erlassen betreffs der Bildung einer unter gemeinsamem Zusammenwirken zu wählenden Gesellenvertretung. Die Meister waren gewillt, 45 Psg. pro Stunde als allgemeinen Lohn, mehr aber nur an besonders gute Gesellen zu bezahlen.
Schweiz.
Basel, 4. Mai. Die hier verstorbene Witwe Christoph Merian setzte in ihrem Testament die Stadt Basel zur Erbin ihres Gesamtvermögens im Betrage von etwa 20 Millionen Franken ein.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 5. Mai. Bei Golta in Podolien riß sich nach der Fr. Ztg. auf dem Flusse Bug eine Fähre los und vierzig Personen ertranken.
Wien, 6. Mai. In Hernals warf eine arme Witwe aus Not vom dritten Stockwerke ihr Wickelkind in den Hofraum und stürzte sich dann selbst mit einem 4jährigen Kinde im Arme hinunter. Die Mutter und der Säugling blieben sofort tot. Das ältere Kind ist lebensgefährlich verletzt.
Wien, 6. Mai. Der Walzerkönig Johann Strauß, welcher deutscher Reichsangehöriger geworden, trat wegen Heiratsangelegenheiten zum Protestantismus über.
Frankreich.
Paris, 6. Mai. Der Deputierte Rochefort, welcher von dem Grafen Pourtalcs der Feigheit 1871 und der Aufreizung der Communarden beschuldigt worden war, ließ dem Grafen einen Brief mit der Herausforderung zum Zweikampf überbringen.
Eines derWundcr der nächsten Weltausstellung in Paris wird ein eiserner Turm sein, dessen Erfinder, der Maschinenbauer Eiffel, den Handelsminister schon für seinen Plan gewonnen hat. Der Turm soll 300 Meter in der Höhe haben, ganz aus Eisen, in durchbrochener Arbeit gebaut sein und auf vier Pfeilern ruhen, deren Bogen die Türme von Notre-Dame überragen würden. Er wäre nicht rund, sondern viereckig, und seine Kanten würden gegen die Spitze so znsammenlaufen, daß dort noch ein elektrischer Pharus und eine Terasse eingerichtet werden könnten. Die Schwingung des höchsten Punktes würde beim stärksten Winde 75 Centimeter nicht — überschreiten. Auf einer Plattform, die in der Höhe von 70 Meter angebracht und die Türme von Notre-Dame um 10 Meter überragen würde, wäre eine Gallerie einzurichten, die zu einem Restaurant, Cafe oder dergleichen verwendet werden könnte. Ein Aufzug ginge bis an die Spitze des Turmes. Das Gewicht des Riesenbaues würde 6 Millionen Kilogramm nicht übersteigen und dessen Kosten 5 bis 5Ü2 Millionen betragen, von denen Herr Eiffel 4 beistellen wollte und der Staat den Restbetrag als Subvention zu liefern hätte. Zur Deckuug seiner Auslagen fordert der Erfinder das Recht, eine Eintrittsgebühr zn erheben, und die Erlaubnis, den Turm nach der Ausstellung noch einige Zeit stehen zu lassen. Der Turm könnte auch für die Wissenschaft und die Landesverteidigung große Dienste leisten, so zur Vornahme meteorologischer Versuche. Bei Hellem Wetter kannte ein elektrisches Signal von der Turmspitze in Dijon wahrgenommen werden.
Ein Eldorado für Leinwandhändler muß Frankreich sein. Eiu Statistiker des „Voltaire" gibt die Zahl der in Frankreich thätigen Maler auf die Summe von 22357 Köpfen an. Diese bedecken jährlich 15 Quadratkilometer Leinwand mit Farben.
England.
London, 5. Mai. In Mandalay» der Hauptstadt Birma's, sind 4000 Häuser niedergebrannt, einschließlich der chinesischen und siamesischen Bazars. Das englische Militär ist machtlos und eine Verstärkung desselben notwendig.
London, 7. Mai. „Reuter's Bureau" meldet aus Athen von heute mittag: Die Gesandten Englands, Oesterreichs, Deutschlands und Italiens sind heute vormittag abgereist; der russische Geschäftsträger erwartet Instructionen, der französische Gesandte verbleibt in Athen. Das internationale Geschwader hat Phalerun verlassen und ist nach der Suda-Bai gegangen. Die griechische Flotte hat Salamis verlassen und hat sich wahrscheinlich nach Poros begeben.
London, 7. Mai. Die „Times" glaubt, die Blockade der griechischen Häfen sei ein unzulängliches Zwangsmittel, und tritt für die von; Fürsten Bismarck begünstigte Alternative ein, der Türkei freie Hand gegen Griechenland zu gewähren.
Ueber eine Hebung von 90000 Pfund Sterling aus dem Meere, welche vor kurzer Zeit bei den Großen (kanarischen Inseln erfolgte, berichten Londoner Zeitungen folgendes: Diese Summe lag eine Meile von der südlichen Grenze der genannten Inseln und war vor zwei Jahren mit dem neuen spanischen Dampfer Alfonso XII. nn- tergegangen, welcher 100 000 Pfund Sterling in nengeprägtcn spanischen Fünf-Dollarstücken, die für Cuba bestimmt waren, an Bord hatte. Das Geld war beim Lloyd versichert, welcher die Summe auch auszahlte, als das Schiff unterging. Nachdem mehr als ein Jahr verflossen war, wurde Kapitän Stevens mit drei Tauchern entsandt, um den versunkenen
Schatz zu suchen und wieder zu heben. Sie- führten diese Sendung glücklich durch, indem sic neun Kisten hoben, von denen jede 10000 Pfund Sterling enthielt; die zehnte Kiste konnte jedoch nicht gefunden werden und die Taucher kehrten ohne dieselbe zurück. Die Gefahren und Schwierigkeiten waren außerordentlich. Das Geld befand sich im Kielraume des Schiffes. Das Verdeck mußte gesprengt werden und die Taucher mußten die Kisten, nachdem sie mit großer Mühe in den Kielraum gelangt waren, von einem Deck bis zum andern schleppen. Die Taucher legten bei ihrer neunmonatlichcn Arbeit nicht nur Mut, sondern auch große Ausdauer au den Tag. Die größte Schwierigkeit hatten sie in dem ungeheuren Drucke, den das Wasser in solcher Tiefe ausiibt, zu überwinden. Einmal blieb einer der Taucher namens Lambert länger unter Wasser, als er vernünftigerweise hätte thuu sollen. Als er dann wieder an die Oberfläche kam, war er an beiden Füßen gelähmt. Zu dieser Zeit waren erst 40000 Pfund Sterling gehoben. Und trotz seines Mißgeschicks tauchte der tapfere Lambert wieder und wieder in die Tiefe, bis seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt waren. Kapitän Stevens und die Taucher befinden sich jetzt in London, wo die Sache große Aufmerksamkeit erregt hat.
Portsmouth, 5. Mai. Als gestern das neuerbaute Panzerschiff „Colliugwood" zum ersten Mal den hiesigen Hafen verlassen wollte, um seine Kanonen und Maschinen zu erproben, flog ein Hinterladergeschütz von 43 Tons mit dem Thurm, auf dem es sich befand, in die Lust. Der Schaden ist beträchtlich, verletzt wurde niemand.
Rußland.
Warschau, 3. Mai. In Swislotsch (Gouvernement Grodno) hat eine Feuersbrunst 136 Häuser eingeäschert; 500 Familien sind obdachlos; das Elend ist groß.
Belgien.
Brüssel, 2. Mai. In der letzten Nacht brach im Heuspeicher der Zeche Vivisres-Unies inGilly bei Charle- roi Feuer aus. In dem Gebäude waren die Pferde einer Abteilung Ulanen uutergcbracht, welche seit den Unruhen dort in Gilly Garnison hält. Die Pferde konnten nicht alle gerettet werden; vierzehn sind verbrannt. Zwei Soldaten wur-. den beim Löschen erheblich verletzt.
Spanien-
Madrid, 9. Mai. In dem Processe wegen des Angriffs auf die deutsche Gesandschaft am 4. Sept. v. I. wurde einer der Anstifter zu 1 Jahr Gefängniß verurtheilt. Der Officier, welchem die Bewachung des Gesandtschaftshotcl übertragen war, wurde freigesprochen.
Wie der „Jmparcial" wissen will, hätte der Minister der öffentlichen Arbeiten ein einfaches Mittel entdeckt, wie die finanziellen Schwierigkeiten mit einem Schlage beseitigt werden können. Der Minister soll nämlich die Entdeckung gemacht haben, daß sich Staatswaldungen im Betrage von nicht weniger als 250 Millionen im widerrechtlichen Besitz von Privatleuten befinden (?), die daraus , wer weiß wie lange, ihren Nutzen ziehen. Durch Beschlagnahme, bezw. Verkauf derselben durch den Staat soll jetzt die genannte Summe flüssig gemacht und zur Deckung des Fehlbetrages verwandt werden.
Der Herzog von Sevilla ist jetzt nach den Balearen-Jnseln gebracht worden, wo er in der Festung Mola seine 8jährige Haftstrafe zu verbüßen hat. Die Verzeihung der Königin hat ihm also nichts geholfen.
Griechenland.
Athen, 7. Mai. Delyannis erklärte gestern, er würde die verlangten Erklärungen abgegeben und die Abrüstung begonnen haben, wenn das Ultimatum nicht gestellt worden wäre und die internationalen Schiffe nicht im Hafen wären; unter den obwaltenden Verhältnissen könne er nur auf seine Antwort vom 29. April bezugnehmen. (In derselben versprach er zu einer graduellen Reduktion des Effektivstandes der griechischen Armee zu schreiten, um die damalige Kollektivnote der Mächte gegenstandslos zu machen.)
Athen, 7. Mai. Die Türkei überreichte Griechenland ein Ultimatum. Die Garnison von Athen rückt an die Grenze ab. Der Krieg gilt als unvermeidlich.
Athen, 8. Mai. Die Geschäftsträger der 5 Mächte zeigten der Regierung den Blockadezustand für die griechische Ostküste vom Cap Mali« bis Grisch an der türkischen Grenze an.
Amerika.
New-Iork, 4. Mai. Die Arbeiterbewegung wächst rasch herauf. Hier sind es bereits 50000 Streikende, in Chicago 35000. Die Frachtarbciter der sämtlichen 25 in Chicago cimnündenden Eisenbahnlinien haben die Arbeit niedergelegt. Der Verkehr stockt. Die Börse ist flau.
New York, 6. Mai. Die Journale sprechen sich auf das Schärfste gegen die anarchistischen Ruhe-