Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für -e« Oberamts-Bezirk Nagold.
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ZS 54.
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Dienstag den 11. Mai.
1886 .
Amtliches.
Nagold.
Die Ortsvorsteher
werden aufgefordcrt, für den Staats-Anzeiger pr.
1. Jnli 1886/87
8 c/lL 4« L
an die Oberamtspflege hier einznsenden.
Den 7. Mai 1886.
K. Obe ramt. Güntner.
Tages-Nenigkeiten.
Deutsches Reich.
Eingesendet. Die Mädchenmittelschule in Nagold. Wie aus dem Anzeigenteil ersichtlich, soll demnächst eine Mädchenmittelschule ins Leben treten. Dieselbe ist Privatunternehmen, genießt aber die sehr dankenswerte Unterstützung der Stadt Nagold, welche einen namhaften Geldbeitrag u. die Gewährung und Ausrüstung der Schulzimmcr zugesichert hat. Eine sehr tüchtige Lehrkraft ist bereits gewonnen. Es ist hiedurch denjenigen Eltern, welche für ihre Mädchen eine über den Rahmen der Volksschule etwas hinausgehcnde Schulbildung wünschen, Gelegenheit geboten. Der Lehrplan dieser Mittelschule unterscheidet sich von dem der gewöhnlichen Volksschule durch erweiterten Unterricht in sprachlicher und besonders den Weltkundefächern (Geschichte, Geographie, Naturkunde), sowie durch Ausnahme des Zeichnens, Turnens und des Französischen. Letzteres soll ebenfalls als ordentliches Fach dem Unterricht eingegliedert werden, wenn auch auf besonderen Wunsch einzelne von diesen: Unterricht dispensiert werden können. Daß Turnen ausgenommen ist, wird nur willkommen sein. Unleugbar ist dasselbe für die Mädchen zur Kräftigung und Ausbildung ihres Körpers ebenso heilsam und nötig als für die Knaben. Den Arbeitsunterricht und den Religionsunterricht des Geistlichen genießen die Schülerinnen nach wie vor mit den betreffenden Altersklassen der Volksschule. Durch diese Einrichtung ist einem vielseitig ausgesprochenen Bedürfnis genügt. Das mäßige Schulgeld von 10 ^ ermöglicht es auch minder Bemittelten, von derselben Gebrauch zu machen und so ist zu hoffen, daß die gebotene Gelegenheit reichlich benützt werde.
Nagold, 10. Mai. Die Arbeitgeber, welche in letzter Zeit neue Lehrlinge angenommen haben, werden an deren alsbaldige Anmeldung zur Krankenversicherung erinnert. Die Versäumnis der Anmeldepflicht ist nicht nur mit Strafe bedroht, sondern die Arbeitgeber sind außerdem verpflichtet, alle etwaigen Aufwendungen zu erstatten, welche zur Unterstützung einer vor der Anmeldung erkrankten Person gemacht werden.
Am letzten Sonntag wurden in Eb Hausen zwei 13jährige Knaben von ihrem Lehrer ertappt, als sie eben im Begriff waren, die Opferbüchse um einen Teil ihres Inhalts leichter zu machen. Gewiß zwei hoffnungsvolle Früchtchen, an denen sich das Wort erfüllt: „Was ein Dorn werden will, das krümmt sich bei Zeiten".
Stuttgart, 6. Mai. Sehr hartnäckig erhält sich seit gestern hier das Gerücht, es seien bei den Mitgliedern der königlichen Familie ungünstige Nachrichten über den Gesundheitszustand des Königs aus Nizza eingelaufen. Wir nehmen einstweilen Anstand, dem bedenklichen Charakter, den diese Gerüchte dem Gesundheitszustand des Königs bcimeffen, Ausdruck zu geben. (Fr. I.)
Stuttgart, 6. Mai. Wie verlautet, hat der 'Kaiser das Abschiedsgesuch des kommandierenden
Generals des XIII. (kgl. württemb.) Armeekorps, v. Schachtmeyer, genehmigt. Als dessen Nach- olger wird General v. Alvensleben, kommandierender General des Posen'schen Armeekorps, genannt.
Stuttgart, 6. Mai. Die kgl. württ. Eisenbahn-Direktion hat sich nach verschiedenen Versuchen entschlossen, zur elektrischen Belenchtung der Personenwagen überzugehen. Grundlage derselben bilden die von der elektrotechnischen Fabrik in Cannstatt konstruirten Accumulatorcn. Der gen. Fabrik ist die Ausführung übertragen. Im Augenblick ist dieselbe mit der Ausführung der Maiu-Neckarbahn befaßt.
Stuttgart, 7. Mai. Vorgestern Abend verschied in Rottenburg, im Alter von 44 Jahren, Domkapitular Freytag, der seit 29. Nov. 1885 dem bischöflichen Ordinariat an- gehörtc. Freytag war -geboren zu Kirchheim im Oberamt Neresheim am 1. Nov. 1842.
Stuttgart, 8. Mai. Die Ankunft Ihrer Majestät der Königin wurde telegraphisch auf nächsten Montag mittag angekündigt.
Die letzten Frostnächte haben im Stuttgarter Thal weniger Schaden angerichtet, als man zuerst befürchtete, es läßt sich immer noch ein hübscher Herbstertrag erwarten.
Der ehemalige Gefängniswärter am Stuttgarter Stadtgerichtsgefängnis. Ferdinand Fix, der feit einigen Jahren als Privatmann in Oberndorf lebte, ist vorgestern daselbst gestorben.
Infolge der traurigen Folgen des Frostes, der z. B. in Eßlingen aller Triebe vernichtet haben soll, wollen dort viele Weingärtner ihre Weinberge in Baumgüter umwandeln.
Ludwigsburg, 5. Mai. Von hier wird dem „Neuen Tagbl." geschrieben: Daß einige Ludwigsburger Mädchen keine Mädchen sein wollen, das ist das Neueste, was durch den Einzug der hohen Neuvermählten hier gezeitigt wurde. Die verschiedenen Kommissionen und Sektionen, die für dieses Fest eingesetzt wurden, arbeiteten und tagten sehr fleißig. Nun handelte es sich in einer der letzten Sitzungen darum, ob die Festjungfraucn, die am Bahnhofe Aufstellung erhalten sollen, mit von der Stadt besorgten Wagen abgeholt werden würden, und ein Herr Stadtrat brachte den Vermittlungsvorschlag: „Ah, wenn es schönes Wetter ist, dann können die Mädchen ganz gut gehen." Dieser Vorschlag wurde angenommen und ebenso harmlos verbreitet. Aber andern Tages, sollen von den Vätern einiger der designierten Festjungfrauen gepfefferte Schreiben auf dem Rathause angelangt sein, daß ihre Töchter jetzt keine Festjungfraucn würden, weil sie Fräuleins und keine Mädchen seien. (Ob das wirklich so geschehen ist am 4. Mai 1886 zu Ludwigsburg S)
Mühlheim a. d. M., 3. Mai. In den letzten Tagen sind hier über 80 Morgen Wald abgebrannt. der Schaden beläuft sich auf nahezu 60 000 Mark.
Dürrwangen (Balingen), 6. Mai. (Volksfreund). Am nächsten Samstag verläßt uns Herr Schullehrer Bauser, nachdem er nahezu drei Dezennien in unserer Gemeinde im Segen gewirkt, um den Rest seiner Tage am Geburtsorte feiner verstorbenen Frau, wo er früher längere Jahre lehramtlich thätig war, in Alten steig, zu verbringen. Der Scheidende darf auf ein reichbewegtes, arbeitsvolles Leben zurückblicken; neben treuer Erfüllung seiner Pflichten als Lehrer an der hiesigen Schule nützt er seine freie Zeit mit Entwerfen und Zeichnen von Landkarten in großer Anzahl aus, oft ganze Nächte durcharbeitend. Erst vor wenigen Jahren ist von ihm ein vollständiger „Handatlas fämtl. Oberämter Württembergs" erschienen; seine große „Wandkarte des Bezirks Balingen", sowie seine „Höhenkarte", ist in unserer Gegend in jedem größeren Lokale zu finden, und die von ihm im Jahre 1872 herausgegebene „Beschreibung des Oberamts Balingen" erfreut sich ihres ebenso belehrenden als unterhaltenden Inhalts wegen allseitiger Beliebtheit. Seine sämtlichen Arbeiten in diesem Fache zeugen von gro
ßer Begabung und unermüdlichem Fleiß. Auch der chöne erhebende Verlauf der gestern abend zu Ehren des Scheidenden im Gasthof z. Ochsen hier veran- talteten sehr zahlreich besuchten Abschiedsfeier bewies, wie Hr. Bauser durch sein offenes, gerades Wesen, durch seinen biederen Charakter nicht nur hier, sondern überall in Stadt und Bezirk, namentlich auch bei seinen Herren Kollegen, sich Achtung und Freund- chaft erworben.
In der Nacht vom Freitag auf Samstag wurden au der Straße von Besigheim nach Gemmrigheim von einem Handwerksburschen, wie er sagte, aus Aerger, weil er in Gemmrigheim ausgewiesen wurde, 17 junge Obstbäume abgebrochen und in den anstoßenden Weinbergen 55 Reb- chenkel abgeschnittcn.
Biberach, 5. Mai. Eine Naturseltenheit kam vor einiger Zeit im Stalle des Ziegler Schlegel in Füramos vor, indem eine Kuh drei vollständig entwickelte Kälber zur Welt brachte, die sämtlich gesund blieben, so daß sie vorgestern an einen hiesigen Metzger verkauft werden konnten.
Brandfälle: In Neusatz (Neuenbürg) am 4. Mai das Wohnhaus und die an dasselbe angebaute Scheuer des Taglöhners I. Fr. Knüller; in Fellbach ein Wohnhaus und eine mit Holz gefüllte Remise; in Nordstetten (Horb) am 5. Mai das Wohnhaus des Anton Kiefer und das Wohn- und Oekonomiegebäude des Markus Bock; in Lustnau (Tübingen) am 6. Mai eine große Scheuer und ein Schuppen.
Die durchaus verlässige Mitteilung über die Höhe der Zahlungsverbindlichkeiten der bayrischen Kabinetskasse ist, wie die „Münch. N. N." schreiben, geeignet, die Lage in einem viel weniger bedrohlichen Lichte zu zeigen, als bisher allgemein angenommen wurde. Gegenüber den Klatschgeschichten, welche noch in den allerletzten Tagen von ultra- montanen Blättern, z. B. der „Augsb. Postzeitung" verbreitet wurden, ist zu konstatieren, daß die Schulden 19yz Mill. nicht übersteigen. Da nun hievon 7stz Mill. auf das vor zwei Jahren bei Münchener Banken aufgenommene Anlehen kommen, das nach einem festen Plane verzinst und getilgt wird, kommen als drängende Schulden eigentlich nur 6 Millionen in Betracht und diese Ziffer dürfte sich noch verringern, wenn eine gründliche und energische Revision der Forderungen und Rechnungen von sachverständiger Seite vorgcnommen würde; denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die Zustände in der Hofkasse von manchen Lieferanten rücksichtslos zu ihrem Vorteil ausgebeutet worden sind. Die „M. N. N." meinen weiter, daß die Kabinetskasse sehr wohl in der Lage ist, aus eigener Kraft die augenblicklichen Schwierigkeiten zu bemcistern, denn eine Kronrente von 4pz Mill. jährlich vermöge sicherlich trotz der bereits auf ihr ruhenden Verpflichtungen im Laufe der Jahre eine Schuldenlast von 5yz oder 6 Mill. zu tilgen.
Mädchenhandel in Bayern. Der Nürnberger Korrespondent schreibt: Schon im Sommer vor. Js. Katen Anzeichen auf, daß von München aus junge Mädchen an das Ausland verhandelt werden. Die in dieser Richtung angc- stelltcn Erhebungen führten zu einer Reihe von Verhaftungen von mit einander in Verbindung stehenden Kupplerinnen, welche erwiesenermaßen einige Mädchen in berüchtigte Häuser der deutschen und französischen Schweiz, Italiens und der Reichslande lieferten. Diese Kupplerinnen, sowie ein mitbeteiligter, ebenfalls verhafteter sog. Louis sehen ihrer gerichtlichen Aburteilung entgegen. Kürzlich wurde auch in Bordeaux ein Kaufmann aus Valparaiso und dessen Zuhälterin, eine Münchenere Kupplerin, verhaftet, als sie sich mit 2 in München ihnen Angebrachten Mädchen nach Buenos-Ayrcs einschiffen wollten. In wie weit Personen in München an diesem Geschäft sich beteiligt haben, wird die cingcleitrte Untersuchung ergeben.
Aus Thüringen. Schon wieder eine Unterschlagung, das ist das Neueste. Der Direktor der Landrenten-Bank in Greiz, Leo mit Namen, ist wegen Unterschlagung größerer Summen verhaftet worden. Herr Leo soll übrigens, wie das Becl. Tagbl. zu berichten weiß, wegen Wechselfälschung früher schon mit Zuchthaus bestraft worden sein. Und trotzdem Direktor der fürstlichen Landrenten-Bank, das klingt ja fast unglaublich!