Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für -en Oberamts-Bezirk Nagold.
W 52.
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1886 .
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Zum Ausgleich zwischen Kapital «L Arbeit.
Die jüngsten Arbeiterunruhen in Frankreich und Belgien haben naturgemäß auch die schon so oft ventilierte Frage, wie denn am besten ein Ausgleich zwischen den Anschauungen, Wünschen und Forderungen einerseits der Arbeitgeber, anderseits der Arbeitnehmer herbeizuführcn sei, wieder zum Gegenstände eingehender Erörterungen gemacht. Mit bloßen akademischen Diskussionen ist nun freilich auf diesem Gebiete nicht das Geringste zu erreichen, aber erfreulicher Weise hat die jüngste Zeit auch einige recht bemerkenswerte praktische Vorschläge gebracht, um die Arbeiterfrage für beide hierbei beteiligten Parteien in gleich 'befriedigender Weise zu lösen. In dieser Beziehung liegt zunächst gerade aus Belgien eine Kundgebung vor. Der Brüsseler Oberbürgermeister, Herr Bulß, hat die Einrichtung eines aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzten Arbeitsamtes in Vorschlag gebracht und die Brüsseler Gemeindeverwaltung stellt für Arbeitszwecke Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung und will außerdem die Gründung einer Arbeiterbörse veranlassen. Auf solche Weise wird durch freie Vereinbarung unter Führung der Stadtverwaltung Arbeitsgelegenheit geschaffen und die Bedingungen, unter denen die Arbeit gegeben und genommen wird, erhalten eine, alle Beteiligten zufriedenstellende Regelung.
Mindestens ebenso beachtenswert erscheinen die Vorschläge, welche Mr. Cleveland, der Präsident der nordamerikanischen Union, in Form einer an den Kongreß gerichteten Botschaft zur Lösung der Arbeiterfrage , die ja auch in den Vereinigten Staaten eine hervorragende Rolle spielt, kürzlich gemacht hat. In der Botschaft wird die Einsetzung einer aus drei Regierungsbeamten bestehenden Arbeits - Kommission empfohlen, welche die Meinungs-Verschiedenheiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern regeln und ansgleichen soll. Präsident Cleveland weist hierbei auf die unüberlegten Forderungen der ersteren hin, welche häufig den Arbeitern gerechten Anlaß zur Unzufriedenheit gäben, aber gibt auch den Arbeitern zu bedenken, daß sie durch ihr Auftreten ebenfalls nicht schuldlos an diesen Zerwürfnissen seien und öfters Ruhe und Ordnung störten. — Sowohl der Botschaft Clevelands als auch dem Vorschläge des Brüsseler Stadtoberhauses ist der Appell an "ein Schiedsgericht gemeinsam, durch welches die Differenzen zwischen Kapital und Arbeit beglichen werden sollen. Nur hält Mr. Cleveland die Form des freiwilligen Schiedsgerichtes nicht für ausreichend und schlägt deshalb das Eingreifen der Rcgierungsgewalt vor, während Herr Bulß ein aus Vertretern beider Parteien bestehendes Schiedsgericht, bei welchem nur der Gemeindeverwaltung eine mitwirkende und vermittelnde Rolle zustehen soll, errichtet wissen will. Wir wollen hier nicht die größeren Vorzüge des einen oder des anderen Planes verteidigen, sondern nur darauf Hinweisen, daß der beiden gemeinsame Zug, die schiedsrichterliche Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, wohl geeignet erscheint, eine Wendung in der Behandlung der sozialen Frage
herbeizuführen. Denn offenbar ist es das beste und gesündeste Verhältnis, wenn Arbeitgeber und Arbeiter gemeinsam die Bedingungen zu ermitteln suchen, unter denen man friedlich mit einander auskommen kann. Diese Bedingungen sind aber gewiß auf dem Wege einer schiedsrichterlichen Vergleichung viel eher zu erfahren, als auf dem bisher beliebten Wege der Lohnherabsetzung , resp. des schroffen Festhaltens von Lohnsätzen, welche hinter billigen Anforderungen zu- rückbleiben auf der einen und der Arbeitseinstellung auf der anderen Seite. Die Unerquicklichkett des gegenwärtigen Zustandes beruht ja gerade darin, daß sich die Arbeiter als die „Sklaven des Kapitals" betrachten, und wenn sie nun zu der Ueberzeugung gelangen , daß sie dies keineswegs sind, daß sie vielmehr den ihren Leistungen entsprechenden Lohn erhalten, so fällt für sie ein Hauptgrund ihrer bisherigen Unzufriedenheit fort. Diese Wirkung zu erzielen, sind aber die von Präsident Cleveland und Bürgermeister Bulß gemachten praktischen Vorschläge durchaus geeignet und man kann nur wünschen, daß sie baldigst und allenthalben zu ihrer Durchführung gelangen.
Tagesneuigkeiten.
Deutsches Reich.
* Nagold, 5. Mai. Seit Eintritt in den ..Monat Mai hatten wir jeden Morgen Reifen, gestern sank das Thermometer sogar auf 4 Grad Null. Allerdings ist die Vegetation an Bäumen, Gärten, Kartoffelfeldern bei uns etwas zurück, doch dürfte der Schaden an Frühgewächsen und den wenigen blühenden Bäumen nicht ganz unerheblich sein. Ob die Saaten und die Kleefelder stark gelitten, werden erst die späteren Tage zeigen; denn es sagte uns gestern ein Oekonom: „es sei doch merkwürdig, jedes Frühjahr erfrieren unsere Saaten, Futtergewächse rc. und doch habe man jeden Herbst meistens Sachen genug." Möchte dies auch für Heuer zutreffend sein ! Daß der Schaden in den in der Vegetation vorgeschritteneren Gegenden an Weinbergen, Bäumen, Gärten rc. ein erheblicher sein mag, läßt sich denken und bringen die verschiedenen Blätter auch teilweise trostlose Berichte. Möchten die Berichterstatter im ersten Schrecken auch^ zu schwarz gesehen haben.
Herrenbcrg, 2. Mai. Die Amtsversammlung hat in ihrer letzten Sitzung an Stelle des zurückgetretenen Amtspflegers Stöfflcr den Oberamtssparkassier Eisenbach zum Amts- Pfleger gewählt.
Stuttgart, 3. Mai, (Militärisches.) Bezüglich der diesjährigen großen Herbstübungen des K. Arnieecorps erfahren wir, daß ein Manöver des zusammengczogenen Armeecorps voraussichtlich nicht stattfinden wird. Es werden daher nur Detachements- und Divisionsübungen abgehalten werden; als letzter Uebungstag ist vorläufig der 9. September d. I. bestimmt. Die Hebungen der 26. Division (1. K. württ.) werden voraussichtlich auf rechtem Kocher-Ufer nördlich der Linie Hall-Crailsheim, die der 27. Division (2. K. württ.) zwischen Donau und Iller, nördlich der Linie Her- bcrtingen-Aulendorf-Waldsec-Wurzach startfinden. Die beiden Dragoner-Regimenter werden wahrscheinlich auf den Fildern in der Gegend von Neuhausen-Nellingen zusammengezogen werden, um unter dem Kommando des Oberst v. Gleich, Kommandeur der 26. Kavallerie-Brigade (1. K. württ.), Brigade-Exerzitien abznhalten. Die beiden Ulancn-Regimenter nehmen an den großen Herbstübungcn des 15. Armeecorps teil.
Am Tage nach der Aufführung des Reiterfestspiels in Stuttgart wurden die mitwirkenden Artillerieoffiziere von Ulm zu Sr. K. Hoh. dem Prinzen Wilhelm von Preußen beschicken. Der Prinz empfing die Herren in der wohlwollendsten Weise und versicherte dieselben, daß er durch die Leistungen der württembergischen Artillerie aufs angenehmste überrascht worden. Er selbst sei von seinem Großvater,
von Sr. Maj. dem Kaiser, längere Zeit mit einem Artilleriekommando betraut worden, und vermöge die ganze Schwierigkeit der Aufgabe und die Größe der Leistung beurteilen. Das, was er gesehen, stehe einzig in seiner Art da; es freue ihn, eine so ausgezeichnet tüchtige. Leistung gesehen zu haben, und werde nicht ermangeln, seinem Großvater Bericht zu erstatten, von dem, was die württember gische Artillerie zu leisten sich fähig gezeigt.
Feuerbach, 3. Mai. Der Streik der hies. Steinbrecher hat sein Ende erreicht, indem heute alle Arbeiter, soweit solche nicht wcggezogen sind, die Arbeit in ihren alten Stellen wieder ausgenommen haben. Nur wenige haben in Folge der Arbeitseinstellung ihre Plätze verloren.
Jag st he im, 3. Mai. Am Sonntag früh kam in dem Hause des Bauern Häberlein Feuer aus, welches jedoch nach kurzer Zeit unterdrückt wurde; leider sind dabei die zwei jüngsten von 7 Kindern des Häberlein im Alter von 18 Wochen und 21/2 Jahren an Kopf und Händen fürchterlich verbrannt, so daß sie nach wenigen Stunden starben. Die Ent- stchungsursache des Feuers ist darin zu suchen, daß in dem Häberlcn'schen Zimmer der Ofen sehr stark eingeheizt war, um Flachs daran zu dörren; wahrscheinlich entzündete sich nun der Flachs und an diesem eine Kanne Erdöl, die gleichfalls in der Nähe des Ofens stand. Eine 4jährige Schwester rettete sich durchs Fenster, wurde aber auch im Gesichte stark verbrannt; die Mutter selbst holte die beiden Kinder aus dem Qualm heraus und erlitt dabei bedeutende Brandwunden.
Weinsberg, 8. Mai. Die bürgerl. Kollegien haben beschlossen, den 100jährigen Geburtstag von Justinus Kerner am 18. Sept. d. I. durch ein großes Volksfest zu feiern.
Tuttlingen, 29. April. (Denkmal für M. Schnck- kenburgcr.) Das Komitee für Errichtung eines Denkmals für M. Schneckenburger ist in den letzten Tagen sehr erfreut worden. Nachdem Ihre Kaiserliche Hoheit die Frau Herzogin Vera einen Beitrag von 50 huldvollst gewährte, haben auch Sc. Majestät unser in Ehrfurcht geliebter König Sich über den Stand der Sache Bericht erstatten lassen und einen Beitrag von 100 gnädigst bewilligt. Auch unsere Brüder drüben in Amerika ehren den Dichter der „Wacht am Rhein"; so hat der Volksfcstvercin -in Philadelphia allein 200 .« beigcsteuert. — Demnächst sollen die Gebeine Max Schncckenburgcrs in der Schweiz (Burgdorf) abgeholt und in Thalheim feierlich bcigesetzt, und so die letzte Bitte des Dichters erfüllt werden. Bis jetzt ist etwas über 6000 eingcgangen, eine Summe, die natürlich zu einem würdigen Denkmal noch nicht hinreichend ist. Möchten daher alle Patrioten ihr Scherflcin beitragen und überall Sammelstelleu errichten; es handelt sich um ein ausschließlich patriotisches Unternehmen. —
München, 30. April. Aus vollkommen sicherer Quelle erfährt der Korresp. der „Frkf. Ztg.", daß heute abend die Konferenz zwischen Mitgliedern aller Parteien des Landtages und des Ministeriums in der Kabinetskassen-Angelegenheit stattfindet.
Wie die Blätter mitteilen, belaufen sich der Schaden und die Wiederaufbauungskosten des in Baisweil (Bayern) eingestürzten Turmes auf 150000 Die Baulast trägt das k. Staatsärar.
Von der bayerischen Grenze, 1. Mai. In Ho he im wurde bei dem heftigen Gewitter, das vorgestern über die Gegend zog, eine Frau, die sich zum Kartoffeleggen auf freiem Felde befand, inikittcn ihrer Kinder vom Blitze erschlagen, während die Kinder Unversehrt blieben.
Leipzig, 30. April. Im „Sozialist", dem Zentralorgan der sozialistischen Arbeiterpartei von Nordamerika, wird jetzt von dem National-Exekuliv- Komite offiziell mitgeteilt, daß Bebel und Liebknecht zugesagt haben, im Sept. d. I. zwecks einer Agita- tions- und Vortragstour die Vereinigten Staaten zu besuchen. Das Konnte richtete an die Sektionen und Vereine, „welche auf die besagten deutschen Genossen reflektieren," das Ersuchen, dies sofort zu melden und „unverzüglich mit der Sammlung von Geldern zu beginnen."