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Forderungen bewilligt hat, welche sie bei der Branntweinsteuervorlags stellen zu muffen glaubten. Offen sagt die Kcmserv. Korr., man dürfe nicht für die Industrie (durch den Kanalbau) große Summen bewilligen, „wenn für die Landwirtschaft gar nichts geschehe/'
— Ueber bevorstehende Monarchenzusammenkünfte tauchen auch Heuer mit dem herannahenden Sommer allerhand Gerüchte auf. Bald heißt es, unser Kaiser wolle mit dem Zaren in Königsberg, bald der österreichische Kaiser mit den beiden anderen Monarchen in Danzig Zusammentreffen. Da der Graf v. Perpo-ncher soeben in dienstlichen Angelegenheiten nach Kiel abgereist ist, so wird nunmehr wohl auch diese Stadt bald als Schauplatz einer Zusammenkunft genannt werden.
— Zwischen Sozialdemokraten und Gendarmen ist es am Himmelsahrtstag bei Berlin zu einem Zusammenstoß gekommen. Die Sozialdemokraten hatten sich in dem Köpenicker Stadtforst gelagert. Als die berittene Gendarmerie über Köpenick auf dem Lagerplatz eintraf, wurde sie alsbald mit Steinen empfangen. Die Gendarmen zogen darauf blank, so daß es an blutigen Köpfen nicht fehlte. Vier der Rädelsführer wurden verhaftet und nach Köpenick ins Gefängnis gebracht.
Amerika.
Chicago, 6. Juni. Mehreren der kürzlich angeklagten Anar - chisten wurde der Prozeß gemacht. Sie erklärten sich für nichtschuldig. Der Bericht der Großjurr, sagt, daß es nur ungefähr hundert gefährliche Anarchisten in der Stadt gäbe und der Rest aus unwissenden, den Führern der Bewegung blindlings folgenden Personen bestände. — In Cumming, bei Chicago, begaben sich die Frauen und Kinder der streikenden Nage l s ch m i e d e in Menge an die Eisenbahn und verhinderten, daß ein Zug, auf dem sich von Nicht-Slreikern verfertigte Nägel befanden, abfuhr. Die Maschinisten ließen den Zug nicht abfahren, weil sie fürchteten, die Frauen und Kinder zu überfahren.
Tages-Weuigksiten.
— Bei der am 28. April und den folgenden Tagen bei der König!. Regierung für den Schwarzwaldkreis vorgenommenen niederen Dienstprüfung im Departement des Innern sind u. A. die nachgenannten Kandidaten zu Uebernahme der in § 7 der König!. Verorordnung vom 10. Februar 1837 bezeichneten Aemter für befähigt erklärt worden: Proß, Gustav, von Röthenbach, Oberamts Calw, Ritter, Georg Jakob, von Stammheim, Oberamts Calw.
— Bezüglich des in vorletzter Nr. von Altbulach gemeldeten Brandfalls werden wir ersucht, jener Notiz nachzutragen, daß das Feuer hauptsächlich von der Altbulacher Steigerabteilung gelöscht worden sei. Außerdem seien auf dem Brandplatzs eingetroffen, die Feuerwehr von Neubulach und die Löschmannschaft von Liebelsberg, welche jedoch — durch den Umstand, daß das Wasser in nächster Nähe zu haben war — wenig Arbeit mehr vorgefunden hätten. .Der Schaden belaufe sich auf ca. 1000 Mark.
* Altensteig, 7. Juni. Die gestrige Feier des 25jährigen Bestehens unserer Feuerwehr ist recht gut verlaufen. Die Stadt hatte ihren schönsten Schmuck angelegt, Ehrenpforten mit sinnigen Sprüchen überragten die Straßen, Guirlanden mit eingeflochtenen Blumen schmückten die Häuser. Ca. 20 Feuerwehren waren trotz der Ungunst der Witterung eingetroffen, um in kameradschaftlicher Weise den Tag zu begehen, darunter die von Calw, Wildbad, Nagold und Neuenbürg. Nach einer allgemein befriedigenden Uebung der hiesigen Feuerwehr wurde trotz strömenden Regens der Festzug zur Ausführung gebracht, welcher durch die stattliche Zahl von 500—600 Feuerwehrmännern und unter Voraufgang der Musik, durch Böllerschüsse unterstützt, einen wirklich schönen, fast impoffanten Anblick gewährte. Ein Leiterwagen mit angebrachter Aufschrift: „Die gute alte Zeit" erregte durch seinen Inhalt fast vorfünd- flutlicher Löschgerätschaflen, von einem bedreispitzten Bäuerlein im langsamsten Tempo geführt, allgemeine Heiterkeit. Auf dem Festplatze angekommen,
hielt Hr. Kollaborator Rau eine mit großem Beifall aufgenommene, gelungene Festrede. Entgegen sonst bei Feuerwehrfesten kam heute die meiste Feuchtigkeit von oben und sonst noch so standhaft, mußten sich die wackeren Feuerwehrmänner frühzeitig in die Gasthäuser begeben. Der Anblick des so schön geschmückten, nun gründlich durchweichten, leeren Festplatzes aber ließ Ihren Berichterstatter unwillkürlich die bekannte Strophe aus dem Scheffel'schen Lied vor sich Hinsummen: „es wär' so schön gewesen rc., und mit verhängten Zügeln folgte er den andern in's Trockene nach.
Stuttgart, 7. Juni. Gestern abend hat ein Stromer in einigen Wirtschaften am Charlottenplatz die daselbst anwesenden Gäste in der frechsten Weise angebettelt; wenn ihm dieselben unter 5 Pf. verabreichten, warf er denselben die 2-Pfennigstücke wieder hin. Einer der Wirte wies den Bettler aus seiner Wirtschaft und rief einen Schutzmann, letzterer war in Zivilkleidung ; als er den Stromer, den 23 Jahre alten Gastinger, Metzger aus Salzburg in Oesterreich, festnahm, widersetzte sich derselbe und brachte dem Schutzmann Verletzungen im Gesicht durch Schläge mit einem stumpfen Instrument bei. — In letzter Zeit wurden wiederholt in der Marien-, Eberhards- und Wanderkirche Diebstähle, bezw. Diebstahlsverfuchs verübt. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wurde in die englische Kirche eingebrochen und der Opferstock bestohlen, viel Geld soll nicht darin gewesen sein. Sodann hat der Dieb sämtliche Bücher, Altartücher, Gasrohre rc. zerschnitten und demoliert, vielleicht aus Aerger darüber, daß seine Beute gering ausgefallen ist.
C a n n st a t t, 8. Juni. Der Neckar ist heute früh an mehreren Stellen über seine Ufer getreten. Der Fußweg zwischen hier und Berg ist unter Wasser. Die Schwimmbäder und Badhäuschen sind sämmtlich abgebrochen. Das Wasser war noch heute früh in langsamem Steigen begriffen.
Ludwigsburg, 5. Juni. Die Königsparade verlief heute in glänzender Weise bei denkbar günstigster Witterung, bedecktem Himmel, ohne Hitze, ohne Staub, ohne Regen. Se. Majestät der König erschien um 9 Uhr in Begleitung des funktionierenden Generaladjutanten, Oberst Freiherr v. Molsberg, von begeisterten Hoch und Hurrah des zahlreichen Publikums und der Truppen freudig begrüßt, und fuhr die Fronten der drei Treffen ab, die von den Regimentskommandeuren v. Walter, v. Hartrott und v. Karaß geführt waren, während der Brigadekommandeur Oberst v. Gleich die Parade kommandierte, die in dem üblichen zweimaligen Vorbeimarsch abgenommen wurde. Se. Majestät sprachen sich sehr anerkennend über Stand und Haltung der Truppen aus; besonderes Lob erhielt das seit 1. Juni auf Kriegsfuß hier eingestellte Landwehrbataillon unter Führung des Hauptmanns Göz, das seiner militärischen Schulung alle Ehre machte. Der Parade wohnten an Ihre Majestät Königin Olga, die sich besonders für Ihr Dragoner-Regiment interessierte, Ihre König!. Hoheiten Prinz und Prinzessin Wilhelm, beide zu Pferd, Prinzessin Pauline mit der Hofoame Gräfin Uxkull und ihrer Erzieherin im Wagen, Großfürstin Wera mit Prinzessinen-Töchtern im Wagen der Königin, Ihre Hoheiten Prinz und Prinzessin Weimar mit Tochter und die höchsten Chargen des Hof- und Militärdienstes, Oberstallmeister Graf Taubenheim, die Generale v. Alvensleben, v. Steinheil, v. Perglas, Oberst v. Gleich u. a. Nach der Parade fuhr Se. Majestät ins Schloß nach Ludwigsburg. Die Stadt hatte mit reichem Flaggenschmuck ein festliches Kleid angelegt, vom „Schwätzbänkle" bis zum Schloß bildeten Schüler und Schülerinnen mit Fähnchen und Sträußen Spalier, deren kindliche Grüße dem vaterländischen Herzen sichtliche Freude bereiteten. Im Schloß erwarteten den König zur Audienz befohlene Herren, der Vertreter der Regierung, sämtliche Geistliche, die Bezirksbeamten und eine Deputation der bürgerlichen Kollegien mit dem Oberbürgermeister, in dessen Dekoration mit dem Kronenorden II. Klasse zugleich die Stadt geehrt ist. Se. Majestät sprach seinen gnädigen Dank aus und sagte, daß er von dem allseitig herzlichen Empfang gerührt und erfreut sei; er denke so gern zurück an den zweijährigen Aufenthalt hier in seinen jungen Jahren, die Erinnerung an Großmutter und Mutter werden ihm heute besonders lebendig und er freue sich, daß wieder
Riston triumphierte.
„Das ist mein zweiter Sieg über Sie," sagte er. „Sehen Sie nun ein, wie thöricht es von Ihnen ist, nach meinen, Leben zu trachten? Macht uns jetzt die Polizei einen Strich durch die Rechnung, so beginnen wir in einem neuen Staat das gleiche Spiel mit demselben günstigen Erfolge. Also Hand darauf, daß von Verrat und Mord — es wäre denn gegen die außer unserem Bunde Stehenden — zwischen uns nicht mehr die Rede sein soll. Noch ein solch geflüstertes Wort, und meine Geduld ist erschöpft. Ihr lerntet bisher nur meine Freundschaft schätzen, meine Feindschaft könnte Euch furchtbar werden."
Tuprat und Dryden hatten ihre eigenen Gedanken hierüber, die sie aber wohl bewahrten. Sie sagten noch dies-und das über die neue Fälschung, welche als gelungen anzusehen war und vermieden ängstlich den Punkt, den Riston jetzt noch einmal berührt hatte.
Duprat war besonders schweigsam. Was ihn beunruhigte, war, daß er sich überhaupt in Riston's Hand gegeben, indem er seine Teilnahme an den Münzfälschungen jenem aus eigenem Antriebe verriet. Er war nun vor allen Dingen darauf bedacht, ihm keinen tiefer greifenden Einfluß auf seine Schicksale einzuräumen. Riston durfte also weder Jonas noch Etwold kennen lernen, oder überhaupt etwas von ihren besonderen Plänen mit letzterem erfahren. Er war nicht so leicht abzuschütteln, wie Duprat anfänglich geglaubt hatte. Man mußte also Zeit vergehen lassen, um seinen einmal geweckten Perdacht wieder einzuschläfern und ihn dann zu überlisten.
Schweigend kehrten alle drei von der Falschmünzerwerkstadt in den Katakomben nach dem von Riston bewohnten Zimmer des öden Hauses zurück. Der Tag graute, als sie dieses betraten.
„Nun zu Ihrem Brief, Duprat!" sagte Riston. „Das Schreiben wird Ihnen nicht leicht werden."
„Ich danke," entgegnet« dieser kalt ablehnend, „ich habe mir die Sache anders überlegt." Und zu Dryden sich wendend, sagte er: „Ich werde einfach in meine
Wohnung gehen und Nachsehen, ob das Couvert, das ich ganz sicher nicht mit verbrannte, noch da ist oder nicht. Das ist ganz ungefährlich."
„Und wenn es wirklich im Portefeuille sich befand?" fragte Riston.
„So bin ich da so gut geborgen, wie hier."
„Als Viton — ja, ja."
Duprat biß auf die Lippen. Er hatte gehofft, daß jener den Namen, den Dryden nur einmal genannt hatte, vergessen habe.
„Ganz recht," gab er zögernd zu. „Man wird mich dort nicht suchen. Wie sollte man auch darauf kommen, daß der Prokurist Duprat und der Privatier Viton ein und dieselbe Person sein könnten. — Und Du?" wandte er sich, um das Gespräch abzubrechen, an Dryden.
„Ich bin selbst zu neugierig," entgegnete dieser, „zu erfahren, ob meine Gedankenlosigkeit das gefürchtete Unheil herbeigeführt hat oder nicht. Ich begleite Dich."
Riston legte sein Gesicht in finstere Falten.
„Ich könnte Euch hier behalten," sagte er, „denn Euer Gehen erweckt mir keinen guten Gedanken; aber ich lasse es darauf ankommen. Verratet Ihr mich, so bin ich durch das gerächt, was ich vor Gericht gestehen werde; wollt Ihr mir zu Leibe, so könnt Ihr schlimmer dabei fahren, als ich. Im Uebrigen erwarte ich Euch bald wieder zu sehen, sonst komme ich zu Euch. Und nun folgt nur auf einem anderen Wege hinaus."
Er führte sie durch den ganz verwilderten Garten des öden Hauses zu einer kleinen Seitenpforte, welche in der unverhältnismäßig hohen Mauer eingelassen war. Die Pforte war von innen verschlossen, und komüe Riston selbst nur mit Aufbietung aller Kräfte den Schlüssel in dem verrosteten Schloß herumdrehen.
Es gab einen kreischenden, unheimlichen Laut; knarrend öffnete sich die lang verschlossen gewesene Thür, und nach einem letzten flüchtigen Gruß auf den finster blickenden. Riston eilten die tief in ihre Mäntel gehüllten Freunde hinaus.
(Fortsetzung folgt.)