stückes behufs Erbauung eines Dienstgebäudes für das Reichspatentamt, 78000 ^ zu Zwecken des Reichsversicherungsamtes und des Reichsschatzamtes) nach ebenfalls kurzer Diskussion. Debattelos und unverändert nahm das Haus den Gesetzentwur über die Ausprägung von 20-Pfennigstücken in Nicke' an. Eine etwas längere Debatte knüpfte sich an den Gesetzentwurf, betr. die Erhebung einer Schiffsabgabe auf der Unterweser, wobei weniger fachliche als ver­fassungsmäßige Erwägungen (Art. 54 der Reichsver- fassung) zur Annahme des Antrages führten, den Entwurf einer besonderen Kommission zu überweisen. Der Rest der Sitzung wurde durch die zweite Bera­tung des Lenzmann'schen Gesetzentwurfes, betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungs­und Strafhast, ausgestillt. Nach zum Teil sehr lebhaften Verhandlungen wurden zunächst die von verschiedenen Seiten durch die Abgeordneten Kassier, Hartmanu und v. Rheinbaben zu den drei ersten Paragraphen des Entwurfs gestellten Abänderungs­anträge abgelehnt und alsdann die genannten Para­graphen in der Kommissionsfassung angenommen, wonach also den unschuldig Verurteilten nur der entstandene Bcrmögensschaden zu ersetzen ist. Der Rest des Lenzmann'schen Gesetzentwurfes dürfte am Sonnabend gleichfalls nach den Kommissionsanträgen erledigt worden sein; auf der weiteren Tagesordnung stand die zweite Beratung der bekannten Ausfeld'- schen Zollanträge.

Zu der Aeußerung, welche Fürst Bismarck bei dem letzten parlamentarischen Festessen über Papst Leo VIII. gethan hat, bemerkt die Köln. Ztg.: Es ist bezeichnend, daß die Germania aus dieser Mittei­lung die bezeichnendste Stelle, die von der Bedeu­tung des konservativen deutschen Staatswesens handelt, wegläßt. Es gefällt dem Zentrumsblatt ebensowenig, wie es vermutlich dem Zentrumssührer gefüllt, daß der jetzige Papst das neue deutsche Reich nicht nur in seinem Bestände anerkannt, sondern es als einen Hort für die Ordnung inmitten der fortschreitenden Zersetzung in den übrigen Ländern ansieht. Papst Pius IX. war ein Parteigänger der Welfen, Papst Leo ist es nicht, und darum mußte das Zentrum, dessen Führer im innersten Wesen nur Welfe, alles andere lediglich zum Zwecke des Welfentums ist oder zu sein vorgiebt, sobald Papst Leo die Mitwirkung zum kirchenpolitischen Vergleich die Hand bot, die Füh­lung mit der Kurie verlieren, in gewissem Sinne sogar in eine schiefe Stellung zur Kurie gelangen. Das ist unverkennbar. Während die Zentrumshelden, insbe­sondere Windthorst, nichts als Nebel und Mißständc, Fehler und Gefahren im deutschen Reich erblicken, betont Papst Leo bei jeder Gelegenheit die Größe, Macht und Herrlichkeit dieses Reiches, die Weisheit und die Pflichttreue seiner Lenker. Daß der Papst noch etwas weiter sieht und die großen Vorteile er­kennt, die eine konservative Monarchie für die katho­lische Kirche von einer radikalen Republik bietet, das kann freilich Herrn Windthorst nicht recht sein aus dem Grunde, weil diese Monarchie Preußen ist und nicht von ihm geleitet wird. Papst Leo wartet nicht, bis Gott ein Wunder thäte und das bekannte kleine Steinchen des seligen Pius ins Rollen brächte, um das deutsche Reich zu zerstören; er erkennt, wie festgefügt dieses Reich ist und daß auch nicht einmal die Zcrsetzungswut des Herrn Windthorst ihm etwas Ernstliches anzuhaben vermochte; darum ist Papst Leo über die Bestrebungen und über die Hoffnungen und Träume der Welfen zur praktischen Tagesord­nung übergegangen und sucht sich mit dem deutschen Reich einzurichtcn; möglichst vorteilhaft natürlich, aber doch schiedlich-sriedlich.

Auf der am Freitag in Berlin stattgefunde­nen General-Versammlung des deutschen Handelsta­ges haben sich 71 Handelskammern für Beibehaltung der Goldwährung und nur 4 dagegen ausgesprochen.

Der Zentrumsmann v. Schalscha, der sich geweigert hatte, vor Gericht diejenigen Personen zu nennen, welchen er bei der Wührungsdebatte ein Münzverbrechen nachgesagt hat, soll jetzt dem Staats­sekretär im Reichsschatzamt 2 Berliner Firmen nam­haft gemacht haben, welche in der Schweiz preußische Thaler prägen lassen. Ist das richtig, so wird man bald mehr zu hören bekommen.

Ter preußische Fiskus hat einen der Diäten- prozesfe in zweiter Instanz gewonnen: in dem Pro­zeß gegen den sozialdemokratischen Reichstagsabgeord- nete» Heine hat der dritte Zivilsenat des Naumbur- gcr Oberlandcsgerichts dahin erkannt, der Beklagte

sei schuldig, anzuerkenncn, daß er die ihm als Ab­geordneten von seiner Funktion gewährten Gelder an den Fiskus erstatten müsse. Ohne Zweifel wird gegen dieses Erkenntnis, wie gegen die anderen noch zu erwartenden Erkenntnisse von Oberlandes­gerichten, wie dieselben auch lauten mögen, von dem unterliegenden Theil das Reichsgericht angerufen werden; erst dieses wird die Streitfrage endqiltiq entscheiden.

Darum keine Feindschaft nicht! Beim Stiftungsfest des Lehr-Jnfanterie-Bataillons in Pots­dam geht es immer sehr gemütlich zu: namentlich der Kronprinz scherzt mit den Soldaten auf das Zwang­loseste. Zwei Potsdamer Kaufleute standen dabei dicht hinter dem Kronprinzen und der eine bemerkte zu dem andern:Der Kronprinz ist doch ein gemüt­licher Kerl." Da drehte sich der Kronprinz plötzlich um und sagte verbessernd:Mann, aber nicht Kerl." In demselben Augenblick präsentierte er aber auch schon dem verblüfften Potsdamer als Symbol der Versöhnung seine Zigarrentasche.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 9. März. Das Mährische Tagblatt veröffentlicht eine Adresse katholischer österreichischer Bauern an den Papst, in welcher die Unterzeichner ihrer Freude darüber Ausdruck geben, daß derEr­habene Vater der Christenheit" demgrößten deut­schen Manne der Gegenwart, dem Fürsten Otto v. Bismarck", sein Wohlwollen zugewandt und ihn huld­voll ausgezeichnet habe. Mit ihrem Danke verbin­den die Unterzeichner die Bitte zu Gott, er möge einen Funkenjenes wahrhaft edlen Geistes, welcher Eure Heiligkeit beseelt, auch in die Herzen jener sen­ken, welche in beklagenswertem Irrtum das Gefühl der Liebe zum angestammten deutschen Volkstum zu ersticken bestrebt sind." Die Adresse soll aus dem niederösterreichischen Waldviertel stammen und zwar, wie in Wien behauptet wird, aus dem Wahlbezirk des Abgeordneten Ritter v. Schönerer.

Wien, 11. Mürz, lieber den Nachlaß des vor wenigen Tagen in Paris verstorbenen Fürsten Dpsilanti, des früheren griechischen Gesandten am hiesigen Hose, ist aus Antrag der Witwe der Kon­kurs erklärt worden. Die Passiven betragen der Fr. Ztg. zufolge 1 685 0000 fl. Als Aktiva fun­gieren die Nutznießung der Substitutionsgüter mit 120 000 fl. jährlich und die Pflichtanteilansprüche der Fürstin aus die Hinterlassenschaft ihrer verstor­benen Mutter, sowie Mobiliar und Schmuck. Das fürstliche Ehepaar hat von der Erbschsaft der Fürstin väterlicherseits (ihr Vater, Baron Sina, ist 1876 gestorben) 3'/2 Millionen durchgebracht; der Fürst besaß fast gar nichts mehr.

Frankreich

Paris, 10. März. Die Polizei will jetzt festgeslellt haben, daß die Person, welche Gallo vor seinem Mordversuch besuchte, der Fürst Krapotkin ge­wesen sei. Der Händler, bei welchem Gallo seine Glasgefäsie kaufte, hat nämlich ausgeiagt, daß er am 20. Februar zu Gallo gekommen sei und bei ihm einen alten Herrn getroffen habe, der ihm An­weisungen gegeben habe, wie die Gefäße anzufertigen seien. Die von ihm gemachte Beschreibung dieses Herrn aber paßt vollständig auf Krapotkin. Neue Geständnisse hat Gallo bisher nicht gemacht; er be­schränkt sich darauf, zu wiederholen, daßandere sein Werk in Ausführung bringen würden", und die Be­hörden glauben in der That, daß er Mitschuldige habe.

Unerhörte Mordthat. In Perpignan drangen vor einigen Tagen, abends gegen 7 Uhr, 3 vermummte Männer in die Wohnung des Pfar­rers von l'Hospitalet ein, der mit einem Kollegen, dem Pfarrer von Rivesaltes, zu Tische saß. Sie banden die Köchin an einer Thüre fest, verstopften ihr den Mund und töteten sodann die beiden geist­lichen Herren mit zahlreichen Messerstichen. Nachher banden sie die Dienstmagd los und ließen sich von ihr unter fortwährenden Todcsdrohungen im Hause herumführcn und raubten, was an Geld und Wert­sachen auszufinden war. Schließlich banden sie das Mädchen wieder fest und entkamen, wie man an­nimmt. über die spanische Grenze. Die Wertpapiere im' Betrage von 7000 Frks. warfen die Mörder, von welchen bis jetzt keine Spnr entdeckt ist, im Gar­ten wieder weg. Die ganze Gegend ist ob der un­erhörten Mordthat in größter Aufregung.

England.

London, 13. März. Es herrscht hier leb­

hafte Besorgnis über die Lage in Birma. Soeben trifft die Nachricht ein, daß 12000 Rebellen nach Mandalay marschiren.

Mit vier kleinen, netten, lebendigen Mädchen man denke! hat am vergangenen Mittwoch in Beverley in England eine Frau ihren Mann be­schenkt. Die Frau ist jetzt Mutter von 12 gesunden Kindern.

Wenns unter den Fischen Schnupfer gibt, dann haben diese jetzt billigen Tabak. Von Dublin aus ist dieser Tage der SchleppdampferJntegrity" mit einem merkwürdigen Auftrag in See gegangen. Er hatte 24 Tonnen, also 48000 Pfund Schnupftabak an Bord, welche die Zollamtsbehördcn in die See werfen ließen, weil die Eigentümer sich geweigert hatten, den Zoll zu entrichten.

Türkei.

Konstantinopel, 11. März. Eine Mel­dung der Agence Havas sagt: Nachdem die Angele­genheit wegen der türkisch-rumelischen Zollgrenze be­friedigend erledigt ist, sind nunmehr sämtliche Bot­schafter ermächtigt, an der Konferenz teilzunehmen, welche am Samstag hier zusammentreten soll. Einige Punkte untergeordneter Bedeutung sind noch zu er­ledigen, doch gilt es als wahrscheinlich, daß noch vor Samstag ein Einvernehmen erzielt sein wird.

Amerika.

New York, 11. März. Einem Telegramm aus Valparaiso zufolge ist daselbst das Stadtviertel, in welchem sich die größten Handlungshäuser befin­den, durch eine Feuersbrunst zerstört worden. Der Schaden beläuft sich auf eine Million Dollars.

Handel K Uerkehr.

)( Nagold. Wir wollen nicht umhin, unsere Leser und besonders die Marktbesucher darauf auf­merksam zu machen, daß am morgenden Calwer Jahr­märkte (also am Mittwoch den 17. ds.) der sonst nur an Sonntagen rc. cursierende Zug 883 von Calw hieher ausgeführt wird und zwar mit Abgang in Calw um 3 Uhr 30 Min. nachmittags, mit An­halten auf allen Unterwegsstationen und Ankunft hier 4 Uhr 12 Min. nachm.

Calw. Die hiesige Krcdilbank für Landwirtschaft und Gewerbe hatte 1885 einen Kasscnumsatz von 1413 933 ^6, das Betriebskapital der Bank beträgt 351 150 darunter Einla­gen der Mitglieder 123432 Sparkasse 75 7S0 Res.- Fonds 24371 ^ Der Reingewinn beträgt 7731.67 da­von erhalten die Mitglieder (526) «Wjg Div.

Nürnberg, 1l. März. (Hopfen.) Die Verkäufe seit Beginn der Woche beziffern zusammen ca. 1000 Ballen, wo­gegen die Zufuhren nur mähig sind. Es notieren: feinste Sorten 6085 gutmittcl 4060 , mittel 2040

geringe 1020

(Konkurseröffnungen.) Anton Lohr, Schreiner in Bickendorf (Biberach). Paul Schloch, Säger in Oberwal­dach , Gcmde. Cresbach (Freudcnstadt). Johann Nepomuk Mohr, Schuhmacher in Ravensburg, wegen Geisteskrankheit entmündigt. Johannes Weber, Schuhmacher von Dunuingen und dessen Ehefrau Viktoria Weber, geb. Rottlcr.

Eine blaue Schleife.

Historische Novelle v. Emma Händen.

(Fortsetzung.)

V.

Henry Suffolk. ein leichtlebiger, wenn auch gerade nicht leichtsinniger, junger Mann, vernahm die Nachricht von seiner Ernennung zum Oberstall­meister mit unendlicher Freude, denn er, der un­bedeutende Jüngling, sollte eine Stelle antreten, um die ihn die ersten Familien Englands beneiden wür­den. Noch mehr aber freute ec sich, als er hörte, daß Katharina Parr die Gattin des Königs von England sei. Er hatte in ihr stets nur eine Schwe­ster gesehen, also kam ihm auch nicht im Entfern­ten der Gedanke, man könne ein anderes Verhält­nis zwischen ihm und der Königin argwöhnen. Di­rekt wollte Norfolk diese Befürchtungen nicht aus­sprechen, und Andeutungen über die Gefährlichkeit seiner neuen Stellung verstand er nicht.

Es ist ein Zug des Menschenherzens, die Vergangenheit unwandelbar treu festzuhalten , die Menschen in der Erinnerung so zu sehen, wie wir sie vor Jahren verließen, und so sah auch Henry Suffolk im Geist auf Englands Königsthron die jugendliche 18jährige Braut, die Lord Latimer als Gattin gefolgt war. Diejenige, die ihm aber jetzt in St. James entgegentrat, sie entsprach dem Bilde seiner Fantasie nicht. Er stand vor einer hoheits- vollen, jungen Frau, die Königin war in jedem Zug des Antlitzes. in jeder Bewegung, in jedem Wort. Wohl reichte sie ihm die Hand zum Will­kommen, wohl klang ihre Stimme freundlich, als sie