Frankfurt a. M., 6 . Nov. Die Franks. Ztg. meldet aus Belgrad: Die Situation wird drohender, der Krieg scheint trotz der Konferenz unvermeidlich.
In einem hinterlassencn Brief erklärte der verschwundene Rechnungsführer eines Hüttenwerks im Kreis Essen, man solle nicht nach ihm suchen, er sei in den glühenden Hochofen gesprungen. Er hatte 45000 vkL unterschlagen, aber schwerlich wird er den Mut zu dem Sprung gehabt haben.
Hamburg, 6. Nov. Nach einem Belgrader Telegramm der „Börsenhalle" wurde im Lager zu Nisch ein Militärkomplott gegen den König Milan entdeckt. (Wird dementiert.)
Berlin, 6 . Nov. Das Gesamtresultat der preußischen Wahlen ist folgendes: Gewählt sind 195 Konservative, 119 Zentrumsmitglieder, Polen und Dänen, 71 Nationalliberale, 44 Deutsch-Freisinnige, 4 Wilde. Die deutsch-freisinnige Partei verlor 9, die nationalliberale gewann 3 Sitze.
Berlin, 7. Nov. Die „Kreuzzeitung" erhält ein Telegramm aus Rom, wonach Deutschland in der Karolinen-Angelegenheit einen Gegenvorschlag gemacht habe.
Berlin, 7. Nov. Das allgemeine Befinden des Chefs der Admiraliät, v. Caprivi, gilt als so schlecht, daß er schwerlich im Dienst bleiben kann.
(Briefumschlag-Verfügung.) DieReichs- postbehörde sieht, wie man aus Berlin schreibt, mit großer Strenge auf eine genaue Durchführung der schon vor einiger Zeit erlassenen Verfügung, nach welcher auf geschäftlichen Brief-Couverts nichts weiter als nur die Firma und zwar in einer Höhe von einem Sechstel des ganzen Couverts stehen darf. Neuerdings sind infolge dessen vielfach Briefe, die außer der Firma noch die Angabe des Telephon-Anschlusses auf dem Couvert enthielten, unerledigt den Absendern zurückgeschickt worden.
Der zweite Diätenprozeß gegen Lerche in Nordhausen wurde gleichfalls wie die früheren vom Fiskus verloren.
Vom Mörder der Frau Paepke wurde noch nichts entdeckt; soeben wird ein Preis auf die Entdeckung desselben ausgesetzt.
Der polnische Dichter Kraszewski ist seiner Haft in Magdeburg für einige Zeit entlassen worden. Er ist krank und will nach Italien gehen, um sich zu erholen. Gesundet er wieder, dann muß er unweigerlich den Rest seiner Festungsstrafhaft absitzen.
Die „Kl. Presse" erzählt: „Während des deutsch-französischen Krieges waren ein deutscher Feldwebel und sein Bursche in die Lage gekommen, in Nanch zwei alten Eheleuten, bei denen sie einquartiert waren, gegen zwei gefährliche Spitzbuben Beistand zu leisten. Kurz nach diesem Ereignis wurde der Bursche, der damals von den alten Leuten reich beschenkt worden war, im Gefecht getötet. Der Feldwebel kehrte nach dem Kriege gesund nach Frankfurt, seiner Vaterstadt, heim. In den ersten Jahren nach dem Kriege erhielt er alljährlich zu Weihnachten eine Wertsendung, bestehend in 1500 Franken. Vorige Woche gelangte an den ehemaligen Feldwebel, welcher jetzt verheiratet und Vater mehrerer Kinder ist, ein amtliches Schreiben aus Paris, worin ihm mitgetcilt wurde, daß er von dem alten Herrn im Testamente mit 20 000 Franken bedacht sei, weiter wurde um die Adresse des ehemaligen Burschen des Feldwebels gebeten, da derselbe 10000 Franken laut Testament erhalten solle. Der Empfänger dieser Nachricht meldete zurück, daß sei» damaliger Bursche kurz nach Verlassen von Nanch getötet worden sei, worauf ein weiteres Schreiben eintraf, in welchem mitgcteilt wurde, daß wenn einer der beiden Deutschen gestorben sei, der andere beide Legate erhalten solle. Das Erbteil muß auf Wunsch des Verblichenen, besten Gattin schon mehrere Jahre vorher gestorben war, in Paris persönlich unter Vorzeigung der Legitimationspapieren abgcholt werden. Der Erbe hat sich deshalb nach Paris verfügt.
Aachen, I.Nov. lieber drei Opfer des Schnaps- teusels berichtet der „Aach. Anz.": Am Samstag vormittag wurden zwei hiesige Kaufleute von vier Eckenstehern angesprochen, etwas zu traktieren. Die ganze Gesellschaft begab sich hierauf in eine Wirtschaft der Alexanderstraße, und die Vier fingen dort an, den Fusel, sogen. „Aachener Wachholder" aus geeichten Zweizehntel'Litergläsern, in denen sonst Bier gezapft wird, zu trinken. Gegen Mittag kamen noch zwei Bummler und sprachen den herumgehenden Gläsern stark zu. Ein und eine halbe Stunde später wurde einer von den beiden zuletzl Gekommenen bereits tot in der Hinzengasse aufgefunden, der andere sollte kurze Zeit darauf ins Spital geschafft werden, starb jedoch schon auf dem Wege dahin. Von den vier Eckenstehern erlag einer Sonütag vormittag halb 11 Uhr der Alkoholvergiftung, in seiner Wohnung, einem elenden Dachstübchen in der Sandkaulstraße, das als gesamtes Meublement nur
einen Bund Stroh und eine Decke aufwies. Alle drei Leichen wurden nach dem Leichenhause geschafft und dort obduziert. Die Behörde hat die Sache in die Hand genommen.
PapageiausKamerun. Als vor einigen Tagen der Oberamtsrichter W. in Schwartau von einem Spaziergang nach Hause kommt, findet er einen jungen Mann vor, welcher ihm einen schönen Papagei nebst großem Vogelbauer überreicht. Ein beifolgender Brief erklärte alles. Der Gouverneur von Kamerun, Frhr. v. Soden, übersandte seinem früheren Studienfreund und Corpsbruder (beide Herren waren beim Corps Suevia in Tübingen aktiv) obigen Vogel. Natürlich wurde der neue Ankömmling von Kamerun mit großem Jubel begrüßt. Hoffen wir, sagen hierzu die „Ahr. Nachr.", daß der afrikanische Papagei von seiner alten heißen Heimat in gut deutscher Sprache bald recht viel Neues zu erzählen weiß.
Straßburg, 3. Nov. Ueber die Fortschritte des Deutschtums in Elsaß - Lothringen stimmt ein Augenzeuge im Pariser Martin ein gar bewegliches Klagelied an, welches mit dem verständlichen Winke an die Adresse des französischen Chauvinismus schließt, daß, wenn Frankreich nicht binnen jetzt und zehn Jahren eine Anstrengung mache, es bei den Elsaß-Lolh-1 ringern in Vergessenheit geraten werde, selbst wenn! diese einstweilen auch noch fortfahren sollten, die Deutschen zu verabscheuen. Als die drei Hauptfeinde der französischen Erinnerungen in den Reichslanden bezeichnet der Klageprophet des „Matin" die altdeutsche Einwanderung, die deutsche Sprache und die deutsche Volksschule. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ein von I. E. Weiß im Feuilleton der „Debüts" veröffentlichtes Tagebuch-Bruchstück, welches den Titel führt: „Acht Tage im Elsaß im Jahre 1884."
Straßburg, 9. Nov. Der Statthalter hat sich jeden offiziellen Empfang verbeten. Trotzdem waren am Bahnhöfe die Spitzen der Civilbehörden anwesend, ebenso der kommandierende General von Heuduck. In der Bahnhofsballe und auf dem Bahnhofsplatz warteten viele tausende Zuschauer. Mit dem um 2 Uhr einlaufenden Schnellzuge kam der Fürst von Hohenlohe an. Den Staatssekretär und die sonstigen hohen Beamten freundlich grüßend, lehnte er die Einladung, inS Kaiserzimmer zu treten ab, und schritt gleich auf den Wagen zu, um nach dem Palaste zu fahren. Die Menge auf dem Bahnhofsplatz brachte ihm ein donnerndes Hoch, der Fürst nach allen Seiten dankend, fuhr langsam zum Palast. Die Stadt ist festlich beflaggt.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 6 . Nvv. Die Meldung der „Times" über die Haltung Englands macht die Situation höchst gefährlich und einen baldigen Ausbruch der Feindseligkeiten wahrscheinlich. Die Bulgaren sind dadurch ermutigt und nehmen eine drohende Haltung ein. Der Kriegsausbruch dürfte die Konferenz unterbrechen. Andere Blätter konstatieren auch Meinungsdifferenz zwischen Oesterreich und Rußland. Die Konferenz dürfte vermutlich nutzlos verlaufen. Der deutsche Kaiser beschwor den Fürsten Alexander und den König Milan brieflich, den Frieden nicht zu stören. In Bulgarien und Ostrumelien wird versucht, einen Aufstand gegen den Fürsten Alexander zu erregen.
Der frühere Schauspieldirektor Zelt inPreß- burg hat sich dieser Tage in Lemberg erschossen. Er soll ein schöner interessanter Mann gewesen sein, was wohl glaubhaft erscheint, wenn man in Rechnung stellt, daß sich in seinem Nachlaß nicht weniger als wvhlgezählte 5000 Stück Liebesbriefe, 55 verschiedene Damenhandschuhe, eine Umnasse von gepreßten Rosen, Haarlocken, Bändern, Damenstiefeln rc. vorgefunden haben!
Frankreich.
Paris, 4. Nov. Der „Temps" veröffentlicht Briefe des 7 Philosophen Edgar Quinet aus der Periode 1864—1869. Dieselben sind aus Beytaux am Genfer See, wo Quinet als Exilierter lebte, datiert, und an verschiedene Personen gerichtet, u. a. auch an Ferry, der damals noch bescheidener Journalist war. Quinet verweist in einem vom 9. Juli 1866, also sofort nach Königgrätz datierten Schreiben auf ein von ihm verfaßtes Buch ,1'VIl6mg.§ns et lg, Revolution", worin er bereits die Gefahren auseinandergesetzt habe, welche für Frankreich mit dem Emporsteigen Preußens verknüpft seien. Eine
französische Regierung, — habe er schon 1831 geschrieben — welche diese despotische teutonische Macht ohne Widerstand aufkommen lasse, wäre der größten Nachlässigkeit, der gröbsten Versäumung ihrer Pflichten, des größten Unverstandes schuldig. Napoleon III. habe dieses gegen Frankreich geschmiedete Werk der deutschen Einheit gar noch begünstigt. Ein solches ungeheuerliches Thun habe man in 300 Jahren nicht erlebt, die unwürdigsten Handlungen von Louis XV. und der Pompadour verschwinden gegen ein solches Staatsverbrechen. Diese Hohlköpfe, welchen Frankreichs Geschick seit dem Staatsstreich anvertraut sei, haben Frankreich einen Rivalen in Gestalt einer mächtigen Nation von 40 Millionen erweckt; einmal entfesselt, werde Deutschland nicht mehr aufzuhalten sein, es werde Frankreich immer und überall auszustechen, zu erniedrigen, herunterzudrücken versuchen, und diese Organisation der germanischen Welt habe Frankreich seinen eigenen Leitern zu verdanken. — Bekanntlich hat Thiers dieselben Grundsätze verfochten, während die Staatsmänner Napoleons, Rouher voran, in der 1866er Lösung eine Schwächung Deutschlands sehen wollten, da der deutsche Bund durch den Prager Frieden in 3 Rümpfe
— Norddeutschland, Oesterreich und Süddeutschland
— auseinandergefallen sei.
Paris, 6. Nov. Oesterreich und Rußland sind bezüglich Bulgariens einig, Italien wird ein Mandat, für die Türkei oder Rußland in Rumelien einzuschreiten, ablehnen.
Paris, 7. Nov. Präsident Grevy hat das Entlassungsgesuch des Ministeriums abgelehnt; dasselbe wird daher vor den Kammern erscheinen.
Frankreich soll sich bemühen, Rußland zu der Ansicht zu bekehren, daß man die Türkei nicht mit bewaffneter Hand einschreiten lassen dürfe, wolle man nicht eine — vielleicht stärkere - Auflage der bulgarischen Greuel.
Der Botschafter Graf Münster wurde gestern in Paris in großer Gala von Präsident Grevy empfangen. Ein Ehrenbataillon mit Musik und Fahne war ausgestellt, die Musik spielte bei der Auffahrt „Die Wacht am Rhein". Eine große Menge Volks war vor dem Elyseepalast versammelt. Es fand keinerlei Kundgebung statt.
Ein kurioser Auftrag wurde in diesem Frühjahr einer Schuhfabrik inT 0 ul 0 usc von der französischen Kriegsverwaltung erteilt; nämlich 100000 Paar Schuhe kleiner zu machen. Dieselben waren über alles Maß groß und trotzdem sonderbarer Weise angenommen worden. Bei der Untersuchung der Ware zeigte es sich, daß die Brandsohlen, Füllung und Futter aus Pappdeckel und Papier bestanden. Man forschte nach und fand, daß auch die anderen Schuhe in den Magazinen so gemacht waren. Die Sache wird nun vor die Gerichte kommen, ist aber absolut nicht neu, denn schon im Krieg 1870/71 war die französische Armee, besonders aber die Loirearmee, mit derartigem miserablem Schuhwerk ausgerüstet.
Aus Tonkin liegt wieder einmal eine Depesche des Generals Courcy vor, welche besagt, daß die französischen Truppen in Ausführung einer kombinierten Aktion, zur Reinigung des Landes von den aufständischen Banden begriffen seien. Die letzteren schildert Courcy als zahlreich, aber schlecht bewaffnet, auch teilt er mit, daß bei der Einnahme von Thamnor eine größere Anzahl von Bandenführern, darunter der Oberbefehlshaber der Aufständischen, gefangen genommen worden sei. Weniger erfreulich ist der Schluß der Depesche, an dem es heißt, daß die französischen Truppen täglich 5 —6 Mann an der Cholera verlieren.
Spanien.
Madrid, 6. Nov. Der Zustand des Marschalls Serrano hat sich erheblich verschlimmert; der Marschall empfing heute die letzte Oelung.
Madrider Privatbriefe bezeichnen fortdauernd den Gesundheitszustand des Königs Alfonso von Spanien als höchst bedenklich. Ein tötlicher Ausgang des Leidens des Monarchen wird bereits von den monarchischen Gruppen ins Auge gefaßt. Besonders lebhaft soll sich die Karlistenpartei damit beschäftigen. Angeblich tauchte ein Vorschlag zur Aussöhnung beider Bourbonenlinien auf. Der 15- jährige Sohn des Kronprätendenten Don Carlos solle mit der 6 jährigen Tochter des Königs Alfonso Erbprinzeß Mercedes, verlobt werden. Die liberale Schattierung der Monarchisten wäre diesem Ausgleich abgeneigt. In Berliner politischen Kreisen wird^