Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag den 10. November.

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1885 .

Amtliches.

Nagold.

Bekanntmachung

Unter der Schafherde des Küfers Gottfried Brauchte in Unterschwandorf ist die Raudekrankheit ausgebrochen, was hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht wird.

Den 6. November 1885.

K. Oberamt. Güntner.

Die Volkszählung am 1. Dezember 1885.

Am 1. Dezember d. I. wird im deutschen Reich wieder eine allgemeine Volkszählung vorge­nommen werden. Zu diesem Zweck wird, wie bei den früheren Zählungen, in Württemberg jeder Haushaltungsvorstand und jede einzeln lebende selb­ständige Person, welche eine besondere Wohnung inne­hat und eine eigene Hauswirtschaft führt, in den letzten Tagen des Monats November eine ZählnngS- liste zugcstellt erhalten. Diese Liste ist nach der ihr vorgedruckten Anleitung und unter Beachtung des beigegcbenen Musters für sämtliche Personen, welche in der Nacht vom 30. November bis 1. Dezember in der Haushaltung anwesend sind, auch wenn sie an derselben für gewöhnlich nicht teilnehmen, sodann au besonderer Stelle für die zur Haushaltung gehö­renden, aus dieser jedoch vorübergehend abwesenden Personen von dem Haushaltungsvorstande auszufül­len. Dies hat so zeitig zu geschehen, daß mit der Wiedereinsammlung der ausgefüllten Zählungslisten schon am Nachmittag des 1. Dezember begonnen werden kann. Die Zustellung und Abholung der Zählungslisten erfolgt durch die Zähler, welche er­forderlichenfalls bei Ausfüllung der Formulare mit Rat und That behilflich sein, ausnahmsweise auch, wenn nötig, auf Grund ihrer Erkundigungen in den Haushaltungen die Einträge in die Listen selbst zu machen bereit sein werden. Auf durchschnittlich 50 bis 70 Haushaltungen, welche zusammen einen Zähl­bezirk bilden, wird ein Zähler gerechnet. Die Vor­nahme der Zählung würde wesentlich gefördert, wenn sich möglichst viele zuverlässige und ortskundige Per­sonen zur freiwilligen Uebernahme der Zählerfunktion als eines Ehrenamts bereit finden würden.

Die einzelnen Erhebungsgegenstäude werden, wie bei der letzten Zählung vom 1. Dezember 1880 sein: Name; Verwandtschaft oder sonstige Stellung zum Haushaltungsvorstand, Geschlecht, Tag und Jahr der Geburt, Geburtsort, Religionsbekenntnis, Familienstand, Beruf, Stand oder Erwerbszweig, Staatsangehörigkeit, für vorübergehend Anwesende der Wohnort, für vorübergehend Abwesende der vermut­liche Aufenthaltsort.

Neben der Feststellung der Volkszahl im gan­zen, als dem Maßstabe für die Bemessung sowohl der Leistungen und Pflichten als der Rechte des Staats gegenüber dem Reich, soll aus jenen Einzel­erhebungen das unentbehrliche Material für die er­neute Feststellung und Kenntnis der wichtigsten Grundlagen unseres Volks- und Staatslebens, für die Beurteilung unseres sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und kirchlichen Verhältnisse geschöpft werden.

In Württemberg haben sich die Volkszählun­gen bei der allgemeinen Schulbildung der Bevölke­rung, sowie bei der Tüchtigkeit der mit ihrer Aus­führung betrauten Organe der Orts- und Bezirks­verwaltung durch Genauigkeit und Zuverlässigkeit, wie auch durch die Raschheit der Zusammenstellung der Ergebnisse von jeher ausgezeichnet. Dies mag die Erwartung rechtfertigen, daß auch am 1. De­

zember 1885 jeder im Lande Anwesende zum Gelin­gen des Zählungswerks nach Möglichkeit beitragen werde.

Nagold, 8. November 1885.

K. Oberamt. Güntner.

Eine europäische Krisis.

Es ist nicht zu leugnen, daß Europa, dessen Fr iedeusbedürstigkeit widerholt anerkannt und besie­gelt wurde, in eine schwere politische Krisis geraten ist. Die bulgarische Revolution hat den ganzen euro­päischen Orient in Unruhe versetzt, und auch drei Großmächte, Rußland, England und Oesterreich, sind in hohem Maße daran interessiert, wie die gegen­wärtige orientalische Verwickelung gelöst wird, des­halb hat dieselbe ihre Nachwirkungen aus die gesamte europäische Lage. Zum Glück hat sich auch in dieser Krisis das Einverständnis Rußlands, Oesterreichs und Deutschlands trotz mancher zu überwindenden Schwierigkeiten bewährt, wie erst vor kurzem der österreichisch-ungarische Minister des Auswärtigen, Graf Kalnoky, vor den Parlamentsausschüssen erklärt hat, und da außerdem keine einzige europäische Macht das Vorgehen der Bulgaren billigt und alle die Aufrechterhaltung der bisherigen Verträge wünschen, so sind ja zweifellos bedeutsame Unterpfänder dafür vorhanden, daß die gegenwärtige Krisis gütlich bei­gelegt wird.

Aber mit dem Vorhandensein einer großen po­litischen Spannung, vor deren Wendepunkt man jetzt angelangt ist, muß immerhin gerechnet werden. Die Botschafter-Konferenz ist in Konftantinopel behufs Lösung der bulgarischen Frage an der Arbeit und wenn man auch auf eine einmütige Aktion der Groß­mächte durch Konferenz-Beschluß rechnen zu können glaubt, so steht doch nicht ohne Weiteres fest, daß die Bulgaren die Konferenz-Beschlüsse ausführen und Ostrumelien wieder herausgeben werden. Um die bulgarische Einigungsbewegung gütlich rückgängig zu machen, müßten den Bulgaren einige goldene Brücken gebaut werden, indem man ihnen irgendwelche andere Zugeständnisse macht; denn die Hauptsache bleibt die Fernhaltung eines blutigen Zusammenstoßes zwischen den Bulgaren, Serben, Türken und Griechen, die alle aus der bulgarischen Frage Kapital schlagen wollen. Sind aber im Orient einmal die Schwerter wieder gezogen, dann ist es vorbei mit dem Werte von Konferenzbeschlüssen und auch vorbei mit dem europäischen Frieden. Aus diesen Umständen erhellt die Schwierigkeit der gegenwärtigen politischen Krisis und die große Spannung, welche die Konferenz-Be­schlüsse der Großmächte in Konstantinopel begleiten.

Von der Einmütigkeit der Großmächte darf man sich in dieser Krisis auch keine kindlichen Vorstellun­gen machen. Die Einmütigkeit besteht, zumal bei den Kaisermächten, im Prinzip, aber die Praxis der Politik führt zu manchen Differenzen und Schwierig­keiten, die nur durch große Geschicklichkeit der leiten­den Staatsmänner überwunden werden können. Alle Mächte wollen auch den früheren Zustand im Orient nach dem Berliner Vertrage hergestellt sehen, aber Rußland möchte den Fürsten Alexander von Bul­garien nebst seinen ersten Ratgebern als die Urheber des Vertragsbruchs beseitigt wissen, während Eng­land gerade den Fürsten Alexander auf dem bulga­rischen Throne erhalten möchte. Offenbar sind dabei spezifisch russische und englische Interessen im Spiele. Ebenso neigt Oesterrrich zu einer den Serben und Griechen freundlichen Haltung, die in dem Sinne von Rußland nicht geteilt wird. Dagegen ist Deutschland in dem Maße weder für noch gegen

Bulgarien, Serbien und Griechenland interessiert und kann daher eine uneigennützige Vermittlerrolle spielen, die man als einen wahren Hoffnungsstern in dieser Krisis betrachten kann.

Gestorben: Den 5. November zn Oberbrüden Emil Trippel, 1851 Pfr. in Walddorf, 70 I. alt.

Tages-Neuigkeiten.

(Brand in Neubulach.) Derselbe brach abends V-7 Uhr im Hause des Martin Hanselmann aus. Das Haus brannte total nieder. Gefahr für andere Gebäude war, weil alleinstehend, so ziemlich ausgeschlossen. 3 Schweine find mit verbrannt, das übrige Vieh konnte gerettet werden. Die Entstehungs­ursache ist unbekannt.

Stuttgart, 5. Nov. Ein höchst gefährlicher Taschendieb wurde am Sonntag im Nill'schen Tiergarten in ÜLgranti ertappt. Es ist dies kein Geringerer als der Elephant. Mit der Durchsuchung der Ueberziehertasche eines Herrn beschäftigt, fand er in derselben neben Brot auch ein Portenionnaie mit 60 Inhalt. Ehe der Besitzer desselben es sich's versah, erklärte der Elephant dasselbe als gute Beute und übergab es nebst dem Brote seinem unersättli­chen Magen. Bis jetzt hat sich Herr Elephas, wel­cher über seine That nichts weniger als Reue zeigt, noch nicht bequemt, den teuren Bissen wieder von sich zu geben, trotz in großer Dosis verabreichter Purgier­mittel! Von einer gerichtlichen Bestrafung des raffi­nierten Gauners hat der Besitzer des verzehrten Portemonnaies Abstand genommen.

Stuttgart, 5. Nov. Nach Erhöhung un­serer Branntweinsteuer wird die Erhebung der Ueber- gangsabgabe auf eingeführte spiritushaltige Flüssig­keiten sehr streng gehandhabt und auf Artikel ausge­dehnt, die früher von dieser Steuer frei waren. So wird neuerdings die Uebergangssteuer von 13.10 per Hektl. auch auf Kölnisches Wasser und alle Ar­ten Toilettemitteln erhoben, welche die Auflage na­türlich recht gut erleiden können.

Stuttgart, 6. Nov. Heute vormittag empfing S. M. der König den kommand. General v. Schacht­meyer in Audienz. Das Gerücht, als habe der General sein Abschiedsgesuch eingereicht, ist unbegründet.

Stuttgart, 6. Nov. Das Komitee der Friedensliga hat sich gestern abend bei Bertrand ver- sammmelt und eine Kommission für Redaktion und Statuten gewählt, ferner eine Allgemeine Versamm­lung einzuberufen beschlossen, die am 13. ds. Mts. stattfinden soll. Hierbei wird Oberbürgermeister v. Hack die Eröffnungsrede halten, und alsdann Red­ner von sämtlichen politischen Parteien auftreten. Ein Aufruf an das Publikum soll verlesen und in sämtlichen hiesigen Blättern veröffentlicht werden.

In Gaildorf ist derNeue" sehr billig, das halbe Liter kostet dort 15 ^, 7 halbe Liter erhält man um 1 daß sich auch die Bierbrauer veran­laßt sahen, den Preis des halben Liters Bier von 12 auf 10 ^ herabzusetzen.

DerKöln. Zeitung" schreibt man aus Ber­lin, 5. Nov.: Bei Hof hat der warme und herzliche Empfang des Prinzen Albrecht in Braunschweig einen überaus wohlthuenden Eindruck gemacht. Vor allem ist hier die Absicht, die Selbstständigkeit Braun- schweigs zu wahren. Es sind also zunächst in kei­ner Weise Aenderungen zu erwarten, dagegen wird der Abschluß einer Militärkonventton mit Preußen, welche sich schon längst als eine unverschiebbare Notwendigkeit herausgestellt hat, nicht mehr lange auf sich warten lassen.