bei der Arbeit, und auch diese hatten während dieser Zeit mehr oder weniger am Fieber gelitten. Zudem erreicht der von den Agenten gebotene Arbeitslohn lange nicht die Höhe des dort ortsüblichen, nach offiziellen Bekanntmachungen der dortigen Regierung, 800 bis 1000 ^ jährlich betragenden Lohnes, wie solcher zum Lebensunterhalt bei dortigen Teuerungsverhältnissen erforderlich ist. Da die Anwerbung von Deutschen nur den soeben von der englischen Regierung unterdrückten Kulihandel ersetzen soll, können unsere Landsleute wissen, welchem Schicksal sie entgegengehen würden, wenn sie den Lockungen der betreffenden Agenten Folge leisten würden.
Oesterreich-Ungarn.
Graf Kalnoky, der österreichische Minister des Auswärtigen, ist Anfang dieser Woche von Varzin und Berlin wieder nach Wien zurückgekehrt. Der österreichische Staatsmann soll sich im pommer'schen Tusculum des Reichskanzlers einer äußerst zuvorkommenden Aufnahme erfreut haben, was allerdings bei der ausgedehnten Gastfreundschaft, die Fürst Bismarck in seinem Berliner Palais, wie auf seinen Landsitzen zu üben pflegt, nicht Wunder nehmen darf. Mehr hat man aber den Aufenthalt Kalnoky's in Varzin nicht erfahren können und so wird man denn wohl erst aus kommenden Ereignissen auf das schließen dürfen, was die beiden Staatsmänner mit einander besprochen und beschlossen haben. Fast gleichzeitig mit dem österreichischen Minister weilte auch Herr v. Schlözer, der Gesandte Preußens beim Vatikan, in Varzin, wo er jedenfalls dem Fürsten Bismarck über die Absichten und Gesinnungen der Curie übsr die zur Zeit schwebenden kirchenpolitischen Fragen eingehenden Bericht erstattet hat. Außerdem wird sich auch der deutsche Botschafter in Rom, Baron Keudell, welcher anläßlich seines Urlaubes in Berlin eingetroffen ist, dieser Tage wahrscheinlich nach Varzin begeben.
Die offiziellen Kreise in Pest halten sich von allen den Festlichkeiten fern, welche zu Ehren der Franzosen arrangiert werden; der Ministerpräsident ist nahezu ostentativ an demselben Tage von Pest abgereist, an welchem die Ausstellungsgäste aus Frankreich angekommen sind. Der „Egyetertes" will wissen, daß Erzherzog Joseph, welcher die französischen Gäste zu einem Diner auf die Margarethen- Insel geladen hatte, auf direkten Allerhöchsten Wunsch von diesem Diner ferngeblieben sei. Der alte Pulszky — das „alte Schlachtroß der Revolution", wie er sich selbst nennt — hat eine Abwehr veröffentlicht, in welcher er feierlich erklärt, daß er an dem Bündnisse mit Deutschland unverbrüchlich festhalte.
„Figaro" berichtet aus Pest: Gegen den Schluß des Frühstücks, welches die Stadt Budapest am 21. ds. den französischen Gästen gab, erhob Ferdinand v. Lesseps sein Glas und sagte: „Meine Herren! In einigen Monaten werde ich von neuem Vaterfreuden erleben. Ist es ein Junge, so soll er zur Erinnerung an diese Reise „Stephan" heißen; ist es ein Mädchen, so nenne ich es „Gisela". Ich hoffe, es werden Zwillinge kommeu. Dieser hoffnungsfreudige Familienvater wird am 19. Nov. d. I. 80 Jahre alt.
Brünn, den 14 Aug. Heute nachts erreig- nete sich auf der Brünn-Wiener Strecke der Staatsbahn ein großer Unglücksfall. Ein von Brünn nach Wien abgegangener Lastzug stand in der Station Kanitz Eibcnschitz, als um 11 Uhr 45 Minuten nachts der Wien-Brünn-Prager Kurierzug heranbrauste und in folge falscher Weichenstellung auf dasselbe Geleise geriet, auf welchem der Lastzug stand. Es entstand ein furchtbarer Zusammenstoß. Beide Maschinen sind gänzlich zertrümmert und etwa 13 Wagen erlitten arge Beschädigungen. Der Bremser des Lastzugs wurde schwer verletzt. Die Reisenden kamen mit geringeren Verletzungen davon. Nachdem die Reisenden, sowie das Zugspersoual einvernommen worden, wurde die Beförderung des Kurierzugs nach Brünn eingeleitet.
Innsbruck, 16. August. Bis jetzt hat ein deutscher (Leipziger) Schütze auf Scheibe Kaiser den besten Schuß; auch von Württembergern wurden noch mehrere Plättchen geschossen. Land und Leute von Tirol haben sich den Anspruch auf die volle Sympathie erworben.
Innsbruck, 16. Aug. Der Ort Thschengds ist fast ganz abgebrannt!
Italien.
Vom Kriegsministerium ist die Lieferung von
30000 Paar farbigen Augengläsern und 30000 Schleiern zum Schutze wider Sonnenlicht upd Hitze für die italienischen Truppen in Afrika ausgeschrieben worden. (Welch kriegerisches Aussehen!!)
Frankreich.
Paris, 17. Aug. Der Toast des Ministers des Innern anläßlich der Enthüllung des Denkmals , für Chancy betonte den energischen friedlichen Charakter der republikanischen Regierung, den auch Kriegsminister Campenon hervorgehoben. Deroulöde hat nicht gesprochen, resp. durfte nicht sprechen, weit die Regierung es ihm untersagte.
Die Uebertreibungen, die sich die Blätter mit Chanzy gestatten, sind groß, man stellt es dar, als ob Chanzy dicht daran gewesen wäre, den Ausgang des Krieges zu ändern und die deutschen Armeen zu besiegen. Die „Köln. Ztg." sagt zur Richtigstellung dieser Ueberschwenglichkciten: Lange bevor Chanzy den Oberbefehl der Loire-Armee übernahm, war der Ausgang des Kriegs endgiltig entschieden. General Aurelles de Paladines, der weitern Widerstand für nutzlos hielt und dem dafür jetzt Schwachmütigkeit vorgeworfen wird, hatte eine weit richtigere Auffassung der Gesamtlage, und es wäre für beide Länder sehr zu wünschen gewesen, daß man seinem Rate gefolgt wäre. Die Mehrheit der Franzosen wird aber nie einsehen, daß alles, was nach Sedan und Metz folgte, unnützes Blutvergießen war, und hält sich an die Redensart, daß die Fortsetzung des Kampfes durch die Regierung der Nationalen Verteidigung die „Ehre Frankreichs — gerettet habe." Man will eben der republikanischen Nationalen Verteidigung um jeden Preis die Rolle des Ehrenretters zuteilen!
Ein interessanter Prozeß ist kürzlich in Paris zwischen dem Homöopathen Dr. Anastasio Alvarez und der Herzogin von Medina-Cely entschieden worden. Der Arzt hatte für eine kurze Kur von der Herzogin ein Honorar von 600000 Francs verlangt und seinen Anspruch mit dem bekannten unermeßlichen Reichtum der Patientin begründet. Die Herzogin hatte die Forderung etwas phantastisch gefunden und der Arzt war zur Klage geschritten. Der Gerichtshof erkannte dem Kläger ein Honorar von 84 000 Francs und legte ihm auch die Prozeßkosten auf. Dieser Ausfall wird für Dr. Alvarez um so ärgerlicher sein, als die Herzogin von Medina-Celli, um dem Aufsehen erregenden Prozesse zu entgehen, ihm ein bedeutend höheres Honorar freiwillig angeboten hatte, als ihm gerichtlich zugesprochen wurde.
Spanien.
Madrid, 14. August. In Spanien kamen gestern 4000 Erkrankungen und 1300 Todesfälle in Folge der Cholera vor. Vom Beginn ihres Ausbruches bis heute hat die Epidemie 56 000 Todesfälle unter 145000 erkrankten Personen verursacht. Amerika.
Ein Petroleum ström. Eines der außerordentlichsten Ereignisse, die je in den Jahrbüchern des Oellandes (Pennsy lv anien) verzeichnet wurden, ereignete sich jüngst in Titus ville. Der Armstrongbrunneu war durch eine sehr trockene Lage von Schiefersteiu getrieben worden, als seine Eigentümer die Idee hatten, eine Sprengung in diesem Schacht zu versuchen, und 50 Quart Nitroglycerin darin verbrannten. Augenblicklich antwortete der Schacht auf die Explosion mit einer riesigen Oelsäule, die sich über die Böschung des Brunnens ergoß und einen ganzen Oelstrom bildete, der eine Zeitlang nutzlos in den Sand floß. Bald aber dirigierte ihn ein Bataillon von Arbeitern in Behälter, in die er sich mit einem Erträgnis von 9000 Barrels per Tag ergießt, eine Quantität, welche das günstigste bisher erzielte Er- trägnis um 2300 Barrels überschreitet._
Handel K Verkehr.
Herrenbery, 17. Auy. Die Grmmneternle ist im Bezirk nun nahezu vorüber. Die Qualität ist eine ausgezeichnete, die Quantität läßt etwas zu wünschen übrig. Die Obsternte stellt sehr reichen Ertrag in Aussicht.
Stuttgart, 17. Aug. (Landesproduktenbörsc). Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, bayr. 18 19 .2, Wei
zen russisch Sax. alt 19 .«—19 ^ 25 Kernen bayr. alt 18 50 4, neu 18 Gerste neue Ungar. 18 ^ 50 ^1.
Stuttgart, 17. Aug. (Mehlbörse). An heutiger Börse sind von inländischen Mehlen 855 Sack als verkauft zur Anzeige gekommen zu folgenden Preisen: Nr. 0 29.50—31.50 ^ Nr. 1 27.50 -29.50 Nr. 2 26 -27 Nr. 3 24-25.50 Nr. 4 20—22.50 In ausländischen Mehlen kein Umsatz.
Stuttgart, 17. Aug. In der Gcwcrbehalle räumen heute die Verkäufer, 1l2 an der Zahl, ihre Waren für die morgen beginnende Tuch messe ein. Am stärksten ist Freudcnstadt vertreten.
Stuttgart, 18. August. (Kartoffel-, Obst- und Krautmarkt). 500 Säcke Kartoffeln zu 2 2 50 4 per
Ztr. 150 Säcke Mostobst zu 2 '.«—2 30 -I per Ztr.
100 Stück Filderkraut zu 15—20 ü« per 100 Stück.
Obwyhl die Hopfenernte liicht so überreich ausfallen wird, als män noch vor 4 Wochen glaubte, stehen doch niedrige Preise in Aussicht. Baden und Württemberg werden gute Ernte haben, Bayern auch, Elsaß-Lothringen über Mittel; Frankreich, Belgien, Oesterreich loben ihre voraussichtliche Ernte gleichfalls.
Nürnberg, 15. Aug. (Hopfen). Unwesentliche Aen- derungen an unserm Markte sind heute zu berichten, so daß die Preise mit 84er Hopfen mit 18 -« beginnen und bis 38 reichen. Feinste Sorten, selbstverständlich höher, sind weniger gesucht und es wurden von solchen Sazer zu 110 gekauft.
Konkurseröffnungen. Karl Wieland, vormaliger Beindreher, setzt Bauer in Murrhardt. — Wilhelm Beauvais, Kaufmann in Stuttgart, Königsstraßc 17 (Weißwaren-, Spitzen- und Stickereienhandlung. — Karl Schwab, Ochscnwirt in Mi- chclbach a. W. (Oehringen).
Der vernr««schene Prinz.
Novelle von Theodor Scheffel.
(Fortsetzung.)
So kam es auch vor, daß Gertrud zuweilen ganz allein zu Fuß oder zu Roß die Wälder und Fluren ihres Vaters durchstreifte und wenn dann ein schwärmerischer Tourist das schöne Burgfräulein sah, so glaubte er eine Elfe erblickt zu haben, einen so wunderbaren Eindruck machte Gertrud. Sie war auch in der That ein sehr schönes Mädchen von herrlichem schlankem Wüchse, mit edel gebildetem und von Jugendfrische strahlendem Antlitze, großen, lebhaften, blauen Augensternen und üppig auf Nacken und Schultern hinabwallendem blonden Lockenhaar.
Ein romantischer Zug in dem Geiste Gertruds batte sie bald in der ganzen Umgebung mehrere Lieblingsplätzchen mit bezauberndem Aufenthalt herausfinden lassen, am liebsten verweilte Gertrud aber, wenn sie der Romantik ihres Geisteslebens so recht Genüge leisten wollte, in oder auf der Ruine Eulenstein, in der Residenz des verwunschenen Prinzen. Wer sie da in einer einsamen Vormittags- oder Mittagsstunde, die großen schwärmerischen Augen auf ihn gerichtet, erblickt hätte, der würde gewiß sich erschrocken an die Stirn geschlagen haben, um zu erfahren, ob er noch auf dieser Erde weile oder in eine Mährchenwelt versetzt sei.
An einem sehr heißen Augustnachmittage des Jahres 1876 saßen Herr und Frau von Ravenstein in einem Erkerzimmer ihres Rittersitzes und Frau von Ravenstein tadelte ernstlich, daß Gertrud bei dieser Hitze einen Ausflug zu Pferde unternommen habe.
„Ach, Du mußt schon Nachsicht mit ihr üben." erwiderte der Herr von Ravenstein, „denn hier in unserer Einsamkeit können wir den kleinen Wildfang nicht an die Scholle fesseln. Wenn sie leben soll wie die anderen jungen Damen, unter dem Banne der Etikette, dann müssen wir sie wieder nach der Stadt bringen. Hier tan.! sie sich einige Freiheiten erlauben, es entspricht ihrem Charakter und ganzen Wesen und schadet ihr nichts."
„O, es könnte Gertrud doch einmal ein Unglück zustoßen, meinte Frau von Ravenstein ernst, „das Unglück schreitet in allerlei Gestalten einher."
„Ach, darüber mache ich mir keine Sorgen," sagte lächelnd der Gemahl. „Gertrud kann zu Hause ebenso von Unglück betroffen werden, als draußen. Von bösen Menschen ist wohl auch gar nichts zu fürchten, ich habe die Umgegend von Gesindel gründlich säubern lassen. Was sollte auch ein Vagabund unserer Gertrud anhaben können? Sie ist kräftig und weizn es sein muß, auch kühn und würde nicht säumen, einen frechen Angriff mit einem wuchtigen Schlage ihrer Reitgerte zurückzuweisen. Auch sind ja fast auf allen Fluren immer Arbeiter und Dienstleute von uns beschäftigt und Gertrud wird gewissermaßen von diesen Leuten bewacht. Darum sei außer Sorge, liebe Frau, Gertrud wird auch heute wie jeden andern Tag froh und munter heimkehren. Und dort kommt sie ja auch," fuhr Herr von Ravenstein fort, indem er mit der Hand zum Fenster hinauswies. „Wie übermütig sie heute ist, das Pferd läuft ja fast im vollen Galopp den Berg herauf, das muß ich ihr doch verbieten. Nun will ich aber hinunter, um den Wildfang vom Pferde zu heben und dann will ich Dir ihn gleich heraufbringen.
Herr von Ravenstein eilte hinab auf den Burghof und der Mutter Gertrud hüpfte das Herz vor Freude, ihren Liebling, um den sie soeben Sorge gehabt hatte, wieder fröhlich bei sich in ihrem Zimmer zu sehen.