Kartoffeln u. s. w. bombardiert. Aus einem Hause an der Brücke wurde ein Kübel Wasser auf die Droschke, in welcher Bamberger saß, entleert. Die Volksmenge war außerordentlich groß.
Wie der König von Bayern einsam aus den Schlössern der höchsten Berge sitzt, so sitzt er auch einsam im Theater. Schauspieler und Sänger müssen spielen und singen vor ihm ganz allein und werden mehr als königlich beschenkt und belohnt. Die Kosten der jüngsten „Separatvorstellungen" sollen 600 000 betragen. (Die Civilliste des Königs beträgt 4231000 -/L)
Zum Prozeß Lieske schreibt man aus Frankfurt a. M.: Auf dem Transport nach Wehlheiden und Halle (von dort soll er bereits wieder in ein anderes Zuchthaus gebracht worden sein) soll sich Lieske überaus zurückhaltend bewiesen und zn keinen Beschwerden Anlaß gegeben haben. Als der überwachende Polizeikommissär in ihn drang, ein reumütiges Geständnis abzulegen oder da ja er noch immer seine Unschuld beteuere, den wahren Mörder zu nennen, so daß er (Lieske) sich wenigstens seinen eigenen Kops rette, entgegnete der Delinquent: „Sparen Sie sich Ihre Lockspeise, Herr Kommissär, ich verrate Niemand. Wenn sie aber Speise und Trank bestellen wollen, dann esse und trinke ich mit Ihnen." — Der Termin zur Verhandlung der von Lieske eingelegten Revision ist auf den 25. d. M. anberaumt worden.
Dresden, 20. Juli. (Vom Turnfest.) Bon den Reden, die beim Fest gehalten wurden, erwähnen wir besonders die des.böhm. Abgcord. Knotz. Anknüpfend an den Toast Langers von Biberach auf das deutsche Vaterland, sagte er u. a.: Vorredner hat in seiner Rede auch der Deutsch-Österreicher gedacht, jener deutschen Söhne der Östmark, die einst auch dem deutschen Vaterlande angehört haben; gedacht hat er derjenigen deutschen Brüder, die, seit 1866 in politischer Richtung losgelöst von dem großen deutschen Volke, angewiesen sind auf ihre eigene Kraft und Stärke. Zerschnitten wurde im Jahre 1866 das schwarz-rot-goldene Band, das uns an das einige große Deutschland geknüpft hat. Losgelöst wurden wir in politischer Richtung, angewiesen aus uns allein und verlassen. Gott hat es gewollt, die Würfel waren gefallen, und uns war es nicht vergönnt, mit euch Hand in Hand, in Reih' und Glied, die großen glänzenden Tage des deutschen Volkes, das Jahr 1870, durchzumachen. Unserer Jugend war es nicht vergönnt, an der Seite der deutschen Genossen aus dem Reiche einzutrrteu für Deutschlands Einigkeit; die Mitwirkung an diesem großen Werke, an diesem langersehnten Traume des deutschen Volkes war uns versagt. Aber unser Segen hat euch begleitet; unsere innigsten Herzenswünsche, sie folgten euren Siegen. Wir jubelten, als der Siegeswagen der Germania über den Rhein rollte, und wir klagten mit über eure Toten. In der Stellung, die wir derzeit einnehmen, unter schwierigen Verhältnissen erhebt uns Ein Bewußtsein, und das besteht darin, daß wir, wenn auch politisch losgetrennt von dem einigen deutschen Batcrlande, in nationaler Richtung dessenungeachtet einig sind mit allen Deutschen, weil wir kein isolierter Teil in der europ. Völkerfamilie sind, sondern ein freier, ein echter Stamm des großen deutschen Volkes. Wir fühlen uns ebenso wie Ihr, geliebte Landsleute aus dem deutschen Reiche, als freie, als opferwillige Kinder unserer gemeinschaftlichen Mutter Germania. Und wenn wir auch kein gemeinschaftliches Vaterland haben, kein Vaterland, das uns auch in politischer Richtung umschließt, uns umschließt Eines: der deutsche Gedanke, das deutsche Stammesbewußtsein, die Liebe für die höchsten Ideale der Menschheit, die glühende Liebe zu unserem teuren deutschen Volkstum, und hierin liegt das einigende Band, dieses ideale Band, welches alle Deutsche umschließt. Wir fühlten es, als wir die Landesgrenze überschritten, daß wir nicht in fremdes Land kamen, sondern daß wir kamen in die Reihen geliebter deutscher Brüder, welche uns trotz der politischen Trennung als gute, wahre Deutsche, als unverfälschte deutsche Brüder betrachten. Und wenn ich einen Toast aussprechen soll, der auch echt deutsch und national lautet, so geht er dahin: Pflegen wir trotz der politischen Trennung das innige Band der Freundschaft und der Stammesvcrwandtschaft zwischen den Deuffch- Öesterreichern und zwischen den Deutschen im Reich, und dieser treuen, innigen Freundschaft, dieser treuen, innigen Gemeinsamkeit in nationalen Angelegenheiten,
dieser Pflege des gemeinschaftlichen Stammesbewußt- scins zwischen uns Deutsch - ^esterreichern und den Deutschen aus dem großen Baterlande gilt mein dreimaliges Hoch! Der Vorsitzende Geh. Hofrat Ackermann sagte in seiner Begrüßungsrede u. a.: „Wir feiern ein großes nationales Fest, wir bringen nicht mehr wie vordem durch Volksfeste unser Sehnen nach Einigung der deutschen Stämme in einem großen mächtigen Reiche zum Ausdruck, aber wir geben erneutes Zeugnis dafür ab, daß wir Mann für Mann einstehen, um zu verteidigen den zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhab desselben giltigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes geschlossenen ewigen Bund. Wir geben erneutes Zeugnis dafür ab, daß wir mit unseren deutschen Brüdern in Österreich in alter Treue verbunden bleiben wollen, daß wir allen Nationen be» freundet sind, die deutsche Sprache, deutsches Wesen, deutsche Sitte, deutsche Gelehrsamkeit, deutsche^Arbeit, deutschen Fleiß und deutsches Recht zu achten wissen." — Der Oberbürgermeister Dr. Stübel, der die Festgäste im Namen der Stadt begrüßte, sagte: „Es würde ein bedauerlicher Irrtum sein, wollte man annehmen, daß nach erfolgter politischer Einigung des Vaterlandes solche Feste entbehrlich seien. Ich halte dafür, daß sie nicht nur den Patriotismus beleben, sondern auch vermittelnd und ausgleichend wirken auf die vielfach entgegengesetzten Strömungen im politischen und wirtschaftlichen Leben des deutschen Volkes, und ich möchte wünschen, daß sie zu einer berechtigten Institution würden."
Dresden, 21. Juli Der Kaiser dankte den Turnern für das Begrüßungs-Telegramm, welches ihm auf der Reise zugegangen, und sprach den Wunsch aus, daß das Turnen als Pflanzstätte der Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes sich weiter entwickeln und bewähren möge.
Dresden, 22. Juli. Den ersten Preis hat Stuttgart erhalten. Der Mittelrheinkreis hat 7, Amerika 2, die Schweiz 1, London 1 Preis zu erwarten.
(Vom deutschen Turnfest in Dresden.) Das 6. deutsche Turnfest nimmt einen großartigen Verlauf. An dem Festzuge beteiligten sich 25—28 000 Menschen mit 1100 zum Teil prächtigen Fahnen. Eröffnet wurde der Zug durch die Musik der Garde zu Pferde. Es folgen Reiter, Turner, Vereine, Scheibenschützcn, Mitglieder des Dresdener Turngaues. Nun kommt in prächtigem, mit wunderschönen Rappen bespanntem Wagen das herrliche Bundesbanner. Die Turner Amerikas, Australiens, Englands, Hollands, Belgiens, Italiens, der Schweiz, aus Norwegen, Schweden, Rußland, die Deutschen aus Paris und Ungarn. Alte ergraute Häupter der Turnerschaft zu Wagen. Der deutsche Ausschuß erscheint, überall stürmisch begrüßt und mit einem förmlichen Blumenregen überschüttet, dann folgten die deutschen Vereine. Bei dem Erscheinen beider Majestäten auf dem Balkon des Schlosses, König Albert in Feldmarschallsuniform, erscholl tausendstimmiges Gut Heil. So geht es fort durch die überaus herrlich geschmückten Straßen der Stadt, oft mit einem wahren Blumenregen übersät. Sv vergehen volle drei Stunden, bis das Ende des Zuges den Festplatz erreicht. Gleicher Jubel, gleiche Ehre wurde allen Teilnehmern zu teil und Schwabenturner haben sich hohe Anerkennung errungen, als sie vor dem Schlosse ankommend unter der Führung des Ludwigsburger Vorstands in strammer Haltung dem Sachsenkönigspaare ein hundcrtstimmigs Gut Heil darbringeu. 5000 Turner treten nun zu den Freiübungen an. Der riesige Festplatz war wohl mit hunderttausend Menschen gefüllt. Schlag 4 Uhr erscheinen die Majestäten, begrüßt vom Geschützesdonner u. lOOOOOstimmi- gem Gut Heil. Sämtliche Musikchörc stimmen die Königshymne an. Georgii (Eßlingen) dankte den Majestäten für die dein Feste gewordene königl. Unterstützung und rief denselben ein kräftiges Gut Heil zu. Die Majestäten, umgeben von ihrem ganzen Hofstaate, nahmen nun im königl. Pavillon Platz, um den Turnübungen beizuwohnen.
Berlin, 20. Juli. Der junge GrafGrote, welcher eine Adresse zur Wahrung der Rechte des Herzogs von Cumberland unterschrieb, während er gerade als Reservelicutenant beim 17. Drag.-Regiment Dienste that, wurde vom Kriegsgericht zu mehrmonat- lichcr Festungsstrafe verurteilt, da allen Öffizieren jede Teilnahme an politischen Manifestationen und Unterschreibung von Adressen streng untersagt ist. '
Ein anderer Unterzeichneter, ein preußischer Rittmeister a. D., wird das Recht, die Uniform zu tragen, verlieren.
Berlin, 20. Juli. Wie der „Fr. Ztg." gemeldet wird, lehnte es die Staatanwaltschaft ab, auf die Denunziation eines hiesigen Berichterstatters gegen Hosprediger Stöcker Anklage wegen Meineids zu erheben, da es ausgeschlossen sei, daß Stöcker die falsche Beeidigung wider besseres Wissen gemacht habe.
Berlin, 20. Juli. Wie berichtet wird, hat Fürst Bismarck seine Zustimmung dazu erteilt, daß dem Reichstage wieder eine Postsparkasscnvor- lage zugeht. Mit der Umarbeitung des früheren Entwurfs hat man bereits angefangen.
Berlin, 21. Juli. Für Preußen steht eine Verordnung, betreffend eine Enquette über die Sonntagsfrage, bevor. Eine Befragung der Arbeiter ist dabei vorgesehen.
Berlin, 22. Juli. Die Berliner Maurer haben beschlossen, die Arbeit bei denjenigen Meistern aufzunehmen, welche 5 täglich (bei lOstündiger Arbeitszeit) bewilligen; damit ist der allgemeine Streik beendet, da viele Meister sich erboten haben, die geforderten 5 -4L zu zahlen.
Berlin, 22. Juli. Die demnächst zur Publikation gelangende revidierte Submissionsordnung enthält eine Bestimmung, wonach solche Gebote, welche nach dem Urteil der Behörde den Selbstkostenpreis nicht erreichen, von der Beteiligung an der Conkurenz ausgeschlossen sind; damit würden die Schleuder-Fabrikanten nicht mehr zugelassen sein.
In dem preußischen Dorfe Petrzkowitz, im Kreise Ratibor, schlug am 14. Juli der Blitz in das Schulgebäude während des Nachmittagsunterrichts ein. Eine Magd wurde getötet, der Lehrer gelähmt und vier Kinder verletzt. Das Gebäude ist abgebrannt.
Die Mehrforderungen für Zwecke des Heeres und der Marine, die übrigens erst bei der künftigen Vorlage wegen Erneuerung des im März 1888 ablaufenden Militürseptennats zu erwarten sind, werden sich voraussichtlich auf 4 Punkte beziehen, die gegenwärtig noch der sorgfältigen Erwägung an den maßgebenden Stellen unterliegen. Zunächst handelt es sich um die schon häufig erwähnte Vermehrung der Artillerie. Vorzüglich wird eine Vermehrung des Pferdematerials angestrebt, damit eine auch für Kriegszwecke ausreichende Bespannung der Geschütze schon in Friedenszeiten ermöglicht werde. Zweitens ist die Bildung neuer Kavallerie-Divisionen ins Auge gefaßt worden. Drittens strebt man eine der gewachsenen Bevölkerungszahl entsprechende Erhöhung der Heerespräscnzziffer an. Der jetzigen Präsenz liegt die Annahme einer Bevölkerungsziffer von 42 727 400 zu Grunde. Die nächste Volkszählung dürfte aber eine wesentliche Erhöhung dieser Zahl ergeben, '^welche schon bei der letzten Zählung um 3 Millionen überschritten war. Endlich beschäftigt man sich sehr lebhaft mit der Frage einer Änderung in der Ausrüstung unseres Heeres, die bekanntlich Gegenstand einer vom Kriegsministerium seiner Zeit ausgeschriebenen Konkurrenz gewesen ist, für welche die Preisverteilung jüngst erfolgen konnte, (s. u.)
Wesel, 20. Juli. Ein Unteroffizier der hiesigen Garnison, welcher überführt ist, ein anonymes Schreiben an den Oberst gerichtet zu haben, in welchem er über angebliche Mißstände seines Regiments Äi denunzierender Weise vorgegangen, von der Unwahrheit seiner Auslassungen aber überzeugt wurde, hat eine Festungsstrafe von 5 Jahren erhalten.
Von neuen Modellen für Ausrüstung der Infanterie hat das preußische Kriegsministerium folgende Preise zuerkannt: 100 „lL für einen Helm, 9000 -1L (?) für einen Tornister, 100 -4L für einen andern Tornister, 300 -.lL für eine Feldflasche, 300 ^tL für einen Brodbeutel, 1000 -4L für einen Marschstiefel und 100 „1L für eine zweite leichtere Fußbekleidung. !
Urbach, 22. Juli. In der Dynamitfabrik - E i l, der Akticn-Gesellschaft „Kölner Dynamitfabrik" gehörig, erfolgte heute früh 10 Uhr, wie die Fr. Ztg. meldet, eine Explosion des Nitroglycerin-Kessels mit 250 Kilo Nitroglycerin. Die Arbeiter waren durch aufstcigende Dämpfe gewarnt worden. Drei Minuten nach ihrer Entfernung ging die Bude in die Luft. Niemand ist verunglückt. Alle Fenster ringsum sind zerstört, viele Dächer beschädigt.