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daß einer der Verhafteten, Namens Fischer, wahrscheinlich der Haupt­anstifter des von den Anarchisten am 4. d. unternommenen Angriffs auf die Polizei ist. Jedenfalls ist es einer von den Hauptteilnehmern. Die Polizei setzt ihre Nachforschungen bezüglich des Treibens der Anarchisten fort.

In Chicago wird Jedermann, welcher anarchistische Ansichten äußert, sofort verhaftet. DieArbeiter-Zeitung" des Spies ist am Freitag in ganz kleinem Format wieder erschienen, jedoch sehr zahm und der Mayor hat erklärt, daß er den Straßenverkauf des Blattes verbieten werde, falls es wieder aufreizende Artikel bringe. Die Polizei hat am Freitag einen ge­wissen William Sedger verhaftet und bei der Durchsuchung seiner Wohnung eine große Menge Dynamit, 2 Kanonen und viele Patronen gefunden. Der Mann war so erschreckt, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Von den 51 verwundeten Polizisten führen 32 irische Namen, während unter den 34 verwundeten Ruhestörern sich nur 7 Irländer befinden. Neuerdings wird der bekannte sozialistische Agitator Paul Grotkau, der früher in Berlin war, als Hauptanstifter der anarchistischen Ruhestörungen in Chicago bezeichnet. Er hat eine Stellung an derArbeiter-Zeitung" in Chicago.

Gerges-Werrigkeiten.

Stuttgart, 1.0. Mai. Ihre Majestät die Königin sind beute Abend 6 Uhr 35 M. von Nizza hier angekommen und ihm König­lichen Residenzschlofse abgestiegen. Mit der Ankunft Ihrer Majestät aus Nizza sind wohl am besten die Gerüchte entkräftet, welche über einen angeblich in hohem Grade Besorgnis erweckenden Gesundheitszustand S. M. des Königs nicht allein in hiesiger Stadt umliefen, sondern auch leider von auswärtigen Zeitungen vielfach verbreitet worden sind. Ueberdies sind wir in der erfreulichen Lage, bei­zufügen, daß nach unseren an maßgebender Stelle eingezogenen Erkundigungen diese Gerüchte der Begründung entbehren. Auf das Befinden Ihrer Majestät war der diesjährige Winteraufenthalt von günstigstem Einfluß. Auch das Befinden Seiner Majestät des Königs war im Laufe der letzten Monate meist zufriedenstellend. Ein heftiger Katarrh der Luftwege, von welchem Seine Majestät Ende März befallen wurde, ging glücklicher Weise rasch und ohne weitere Störungen vorüber und zur Zeit befindet Sich der König, abgesehen von den noch immer wiederkehrenden, die Bewegung erschwe­renden rheumatischen Schmerzen, wohl. Seine Majestät werden am 26. Mai nach Stuttgart zurückkehren. (N. Tgbl.)

Cannstatt 10. Mai. Die gestern erfolgte Eröffnung der Badzeit war eine überaus glänzende; namentlich hatte die Hauptstadt eine sehr bedeutende Schaar von Besuchern des Sulzerrains gestellt. Die Kurkapelle unter der Leitung des Kapellmeisters Schlichthärle ist gegen frühere Jahre verstärkt uud befizt ganz tüchtige Künstler. In allernächster Zeit werden auch die beliebten und immer stark besuchten Sulzbäder in der Nähe des Bahnhofs eröffnet.

Marbach, 7. Mai. Heute Mittag besuchte, wie dieLudw. Ztg." berichtet. Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Wilhelm in Begleitung der Baronin Basselly die Schillerhöhe und das Schillerhaus. Dasselbe Blatt berichtet: Der Fremdenbesuch in Marbach ist Heuer ziemlich stark. Im Monat April z. B. haben im Album des Schillerhauses 495 Per­sonen eingeschrieben und es schreiben sich erfahrungsgemäß nur etwa die Hälfte der Besucher ein. Unter den Besuchern ist immer eine bedeutende Zahl Aus- länder, man hat oft auf 2 Blättern des Schillerhaus-Albums Schillerverehrer aus allen 5 Weltteilen beisammen. Am 10. Mai wird nach den an das Schillerkomite eingegangenen Anzeigen in Chicago das bei Pelargus in Stuttgart gegossene Abbild der hiesigen Schillerstatue im Lincoln-Park ent­hüllt werden.

Künzelsau, 10. Mai. Die letzten Frost nächte haben nicht blos die Hoffnung des Weingärtners und des Pomologen, sondern auch die

des Bienenzüchters bedeutend heruntergestimmt. Es wurden viele Blüten ganz vernichtet und die über den Frost hinüber geretteten Blüten wollen nicht honigen", so daß hier die traurige Beobachtung gemacht wurde, daß selbst volk- und honigreiche Bienenstöcke, von denen Anfangs Mai ein Schwarm erwartet werden konnte, heute ihre Drohnen abstechen, also voraussichtlich in diesem Frühjahr gar nicht schwärmen.

Künzelsau, 10. Mai. Im Laufe der letzten Woche wurden einem hiesigen Bürger in seinem Baumgut 12 Bäume ruiniert; 6 davon waren schon tragfähig; es scheint dies ein Racheakt zu sein. Als der That ver­dächtig wurde ein 15 Jahre alter Bursche verhaftet. In den letzten 3 Wochen wurden in unserem Stadtwalde 4 in Schlingen gefangene, ver­endete Rehs aufgefunden. Es wäre zu wünschen, daß dev Thäter den ge­bührenden Lohn erhielte.

Ravensburg, 10. Mai. Im Laufe dieser Woche wird der 3/4 Stunden von hier entfernte Flattbachweiher ausgefischt. Gestern wurden gegen einen Zentner Hechte, Karpfen und Schleien, darunter Exemplare von 7 und 11 Pfund schwer, gefangen. Das Fischwasser gehört Herrn Fabrikant Spohn. Die Ausbeute, die seit 22 Jahren unterblieben ist, scheint eine sehr beträchtliche zu werden.

Hon au, 10. Mai. Gestern Vormittag besuchten in Begleitung des Herzogs Wilhelm v. Urach die Herzogin Wera mit den Prinzessinnen Elsa und Olga, sowie die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar mit Gefolge die Burg Lichtenstein. Die Gäste machten einen mehrstündigen Spaziergang im herzoglichen Park. Um 5 Uhr abends fuhren sie wieder vom Lichtenstein ab.

Vom Bodensee, 8. Mai. Auf der Straße von Bregenz nach Wolfurt wurde vor einigen Tagen der Monteur Jakob Bauer aus Zürich von dem Dienstknecht Anton Ritsch aus Unterdeufstetten, OA. Crailsheim, der sich ihm angeschlossen hatte, an einer abgelegenen Stelle plötzlich über­fallen, durch sieben Stiche in Hals und Brust verwundet und hierauf, als er wie tot zusammengebrochen war, seiner Barschaft nebst Uhr und Fuß­bekleidung beraubt. Der Räuber entfloh, ist aber andern morgens in Lindau verhaftet worden; er hat ein Geständnis abgelegt und auch einen im April im Oberamtsbezirk Tuttlingen begangenen Diebstahl zugegeben. Der Schwer­verwundete wurde von einem Landmann in seinem Blute liegend aufgefunden. Seine Verletzungen sind lebensgefährlich, doch geben die Aerzte die Hoffnung nicht auf, ihn zu retten.

München, 10. Mai. Die Königin Isabella von Spanien ist zu längerem Aufenthalt heute nachmittag hier eingetroffen.

Aus dem mittleren Elsaß, 9. Mai. Den Berichten über den Frostschaden erlaube mir von hier aus den folg, anzureihen. Am Morgen des 4. war der Thermometer bei mir auf -j- 2« R. gefallen und ein starker Reif deckte Wiesen und Felder. Der Anzeige des Wärmemessers entsprechend waren nun zwar die Reben in irgendwie geschützter Lage, an Mauern, unter Bäumen, ja in der Hauptsache schon in eingehegten Wein-, Gras- und Baumgärten (wie sie vielleicht in Deutschland sonst nicht wieder Vorkommen) unversehrt geblieben, dagegen zeigte sich in freier Lage ein ganz bedeutender Schaden. An manchen Bögen sind alle Schößlinge erfroren, an anderen die meisten und merkwürdiger Weise an andern nur wenige. Doch zeigt sich jetzt schon, daß manche Augen, die ohne den Frost vielleicht schlafend geblieben wären, nunmehr austreiben, auch kann man es noch als günstigen Umstand betrachten, daß nur die Blätter und Samen, nicht aber die Zweige selbst erfroren, was immerhin für die Saftleitung von Wichtigkeit sein mußte, da das Fruchtholz dadurch der Gefahr entging, im Safte zu ersticken. Die Obstbäume konnten keinen Schaden nehmen und es entwickeln sich auch die Früchte in normaler Weise. Sichtbare Beschädigungen rühren von Angehörigen der Jnsektenwelt her, von denen sich bei den Aepfeln namentlich der Kaiwurm bemerklich macht, der so recht eigentlich denWurm in der Blüte" darstellt. Daß im Uebrigen

Dein Fuß-"

Vater!" Sie taumelte gegen die Wand zurück.Sagt man, ich sei die Mörderin?" hauchte sie.

Noch wagt man es nicht offen auszusprechen", entgegnete Etwold, und wird's auch nie, wenn Du jede Bekanntschaft mit dem Toten und die Begegnung mit ihm leugnest. Thust Du das nicht, dann allerdings"

Meinst Du, daß man mich ernstlich verdächtigen könne?"

Einer wird es sicher".

Wer?"

Assessor Soltmann Ah! Du kennst ihn?"

Dies in Folge einer leise zuckenden Bewegung Klara's, als er den Namen nannte.

Nur oberflächlich", entgegnete sie,nur von gelegentlichem Sehen".

Und welchen Eindruck machte er auf Dich?"

O, ich weiß wirklich nicht"

Sie stockte.

Gar keinen, kann mir's denken", sprach ärgerlich der Kommerzienrat. Es erging Dir so, wie mir. Ich habe auch diesem Nichts, diesem gesell­schaftlichen Niemand nicht die gebührende, oder richtiger gar keine Beachtung geschenkt, und nun verfolgt er mich, verdächtigt Dich"

Mich Herr Soltmann?"

Zwar nicht direkt, aber mit versteckten Worten, dieser! Doch was rede ich! Gleichviel. Mag er sein Aergstes thun. Bewahre Dein Geheimniß tief in Deiner Brust und lasse mich statt Deiner sprechen. Ich habe mich verpflichtet, Dich nach Deiner möglichen Bekanntschaft mit dem Ermordeten zu befragen, man drängte mich dazu, und nun werde ich sagen, daß man sich geirrt, daß die Bewegung, die Du an der Leiche machtest, eine rein zu­fällige des bloßen Schreckens war. Das wird den ersten Sturm auf Dich abschlagen. Dennoch darfst Du damit nicht Alles erledigt wähnen. Solt­mann ist so schnell nicht abzuweisen. Er wird mir natürlich nicht glauben

und entweder bei Gelegenheit Dich selbst ausfragen oder durch seine Spione oder Werkzeuge Dich aushorchen lassen. Darum hüte Deine Zunge, wo es auch sei, und wäre es selbst in der feinsten Gesellschaft. Je versteckter die Falle, desto sicherer, daß Jemand hineintappt".

Unbesorgt, Papa. Mich kümmert es wenig, daß man von mir sagt und denkt; wenn's nicht um Deinetwillen wäre".

Etwold starrte seine Tochter mit einem unsicheren Ausdruck an.

Um meinetwillen? Wie meinst Du das?" fragte er.

Nur des Geredes wegen, das entstehen würde, wenn ich sagte, was in dem Brief"

Ja so, der Brief", zuckte der Kommerzienrat zusammen. Und halb­laut fügte er hinzu:Wenn ich nur wüßte"

Nach kurzem Besinnen wandte er sich noch einmal an seine Tochter.

Er dämpfte seine Stimme noch mehr, als er fragte:Du weißt wohl noch gar nicht, daß Du bei jener Unterredung belauscht worden?"

Er hatte ein heftiges Erschrecken Klara's vermutet. Er fand sich getäuscht.

Ich weiß es", entgegnete sie gelassen;aber der mich belauschte, hat allen Grund zu schweigen".

Ja, denn er war der Mörder".

Er hat es Dir gestanden?" staunte Klara.

Nein, man hat es so entdeckt, durch Zufall".

Jetzt erst erschrak Klara. Sie starrte ihren Vater wie irrsinnig an.

Entdeckt?" hauchte sie.

Aber zu spät", entgegnete der Kommerzienrat.Der Mörder war selbst schon eine Leiche oder ist er spurlos verschwunden".

Es war wieder, als wenn sie einen Namen nennen wollte, wie damals an der Leiche. Dann aber glitt ein ungläubiges Lächeln über ihr entstelltes Gesicht und sie blickte ihren Vater sragend, forschend an.

(Fortsetzung folgt.)