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ganze bildet, das Eintreffen der nächsten Postdampfer abwarten müssen. Die Lösung dieies Rätsels wird eben auch wieder das Wort „Ueberpro- duktion" sein.
Hcrges-Weuigkeilsn.
Calw, 10. Mai. Gestern nachmittag, kurz nach 2 Uhr, brannten zwischen der Station Teinach und Waldeck ca. 2 Hektar Wald ab. Das Feuer begann am Straßengraben und ist wohl durch ein Streichholz entstanden, das einer der zahlreichen Passanten brennend weggeworfen hat. Ein Graben verhinderte das Weiterumsichgreifen und ist der entstandene Schaden in Anbetracht, daß der Bestand nur wenig Unterholz und Gras hatte, nicht besonders groß. Eine von hier abgegangene Abteilung der Feuerwehr fand keine Arbeit mehr vor.
Stuttgart, 7. Mai. Die Rückkehr Ihrer Majestät derKönigin wird voraussichtlich am nächsten Montag den 10. abends nach 6 Uhr erfolgen, während Seine Majestät der König noch einige Zeit in Nizza verweilen und wahrscheinlich am Mittwoch den 26. d. Mts. hierher zurückkehren wird.
— Vergangene Nacht wurde in den Expeditionsräumen des „Staats- Anzeigers für Württemberg", sowie in der Druckerei der Stuttgarter Buch- druckereigesellschast (vormals C. F. Cotta's Erben) ein Einbruch verübt. Die Diebe müssen sich bei anbrechender Nacht ins Haus geschlichen und dort verborgen gehalten haben, bis sie die Zeit zur Ausführung ihres Planes gekommen erachteten. Sie erbrachen die Zimmertüre und sodann eine Anzahl von Schubladen mit Stemmeisen; dem in einem festen eisernen Kaffenschrank verwahrten Geld konnten sie nicht beikommen, und so entfernten sie sich unverrichteter Dinge unter Mitnahme von 1 durch die Haustüre, als diese von einem heimkehrenden Bewohner des Hauses geöffnet wurde.
Stuttgart, 8. Mai. Der Bürgerverein des nördlichen Stadtteils hat gestern eine Resolution in Sachen des in der Schillingstrabe zu errichtenden Volksbades gefaßt, die dahin geht, daß der Platz zu klein, die Kosten aber zu groß seien, und daß man einen andern Platz suchen sollte. Nur wenn ein solcher nicht gefunden werde, möge man in der Schillingstraße bauen, es solle dann aber auch in einem andern Stadtteil ein weiteres Schwimmbad errichtet werden. — Betreffs der bevorstehenden Bürgerausschußwahl wurde von dem Vorsitzenden daran erinnert, daß diesmal nur Bürger der Stadt Stuttgart wählen dürfen. Von den früheren 14,000 Wahlberechtigten waren nur 6000 Bürger, 2200 haben seither durch Zahlung von 6 M das Bürgerrecht erworben. Somit stehen noch fast 6000 aus, welche so lange nicht wählen dürfen, als sie sich gleichfalls durch Bezahlung von 3 das Bürgerrecht erworben haben werden.
Ludwigsburg, 7. Mai. Die Stadt legt allmählich ihr Festgewand ab, nachdem Ihre königlichen Hoheiten in den letzten Tagen noch zu Wagen und zu Fuß desselben sich gefreut haben. Prinz Wilhelm erließ fol. gendes gnädige Handschreiben <l. ä. Marienwahl 5. Mai an den Stadtvorstand: „Lieber Herr Oberbürgermeister! Die vielen Zeichen warmer Anhänglichkeit und Treue, welche uns am gestrigen schönen Tage von allen Seilen der Bevölkerung von Ludwigsburg entgegengebracht worden sind, haben unserem Herzen unendlich wohlgethan. Der 4. Mai ist für mich und mein Haus ein Freudentag seltener Art gewesen, so möchten wir, daß alle, so weit es in unseren Kräften steht, freudige Eindrücke von diesem Tage mitnehmen. In diesem Sinne haben wir der Armen Ludwigsburgs gedacht und ich bitte Sie, die beiliegende Summe von 1000 in geeigneter Weise ganz nach ihrein Ermessen unter denselben zur Verteilung zu bringen. — Es gereicht mir zu besonderem Vergnügen, bei diesem Anlaß Ihnen meinen wärmsten innigsten Dank für den uns zu Teil gewordenen Empfang, der in so rührender Weise den Stempel aufrichtigster Herzlichkeit trug, zu wiederholen, wie ich mich auch stets nenne Ihren ganz ergebenen Wilhelm, Prinz von Württemberg."
Von der Tauber, 6. Mai. Wir haben seit dem 1. d. Mts. allnächtlich Frost. Das Thermometer schwankt dabei zwischen 0—3 Grad unter Null. Die Reben haben im gesamten Taubertale sehr empfindlich gelitten, da die meisten Augen schon Trauben angesetzt hatten. Die Ansichten über einen mutmaßlichen Ertrag für dieses Jahr sind geteilt. Während einzelne Weingärtuer sich gar keinen Ertrag mehr versprechen und ihren ganzen zu hoffenden Herbst an Dritte um wenige Mark losgeschlagen haben, glauben erfahrene Weingärtner, die Nachtriebe in Verbindung mit den noch „in der Wolle" steckenden Spätsorten könnten noch immer einen bis >/e Herbst geben. Die vorjährigen Weine sind mit einem Schlage im Preis in die Höhe geschnellt.
Künzelsau , 6. Mai. Die Rachsucht führte vorgestern Nacht zu einem Akt teuflischer Bosheit. Es wurden dem Steinhauer L. von hier in seinem Baumgut nicht weniger als 16 junge Obstbäume umgehauen. Die Zahl der Nägel in den Schuhen führten auf die Spur des mutmaßlichen Thäters, eines 17jährigen Burschen, der bereits verhaftet, aber der Thal bis jetzt nicht geständig ist. Man vermutet einen älteren Helfershelfer.
WernrischLes.
— Fürst Bismarck scheint neuerdings an Spaziergängen durch die Stadt Berlin Geschmack zu finden; namentlich nimmt er die Gelegenheit wahr, nach Schluß der Sitzung in den Parlamenten sich Berlins Straßen und das weltstädtische Getriebe derselben anzusehen. So begab er sich am Dienstag Nachmittag nach Vertagung der Debatte im Abgeordnetenhause zu Fuß über Jerusalemer- und Taubenstraße, Gendarmenmarkt und Mohrenstraße in sein Palais. Der Fürst schritt rasch, in gerader Haltung, von einer großen Menschenmenge auf Schritt und Tritt gefolgt, dahin. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich auf dem ganzen Wege in den angrenzenden Straßen die Kunde: „Fürst Bismarck kommt!" Aus den Läden strömten Käufer und Personal, die Insassen der Droschken ließen halten und stellten sich im Wagen in Positur: Pferdebahnen und Omnibusse entleerten sich und vergrößerten die Begleitung des Fürsten. Alles drängte heran, jeder wollte den Kanzler auch einmal Aug' in Auge sehen. Mütter hoben ihre Kleinen in die Höhe: „Kinder. das ist der Bismarck!" tönte es rechts und links; und das Grüßen und Hutschwenken wollte kein Ende nehmen. Für jeden Gruß dankte der Kanzler, dessen Linke auf dem Pallasch ruhte, durch Anlegen der Rechten an die gelbe Kürassiermütze. Nach einer Viertelstunde hatte er das Palais erreicht, und als wie zum Abschied die Menge bis dicht an's Gitter des Vorgartens herandrängte, drehte sich Fürst Bismarck am Eingang schnell um, machte Front und salutierte, sich wiederholt verbeugend, die nachdrängende Menge.
— Ein Wrackstück von der „Augusta" ist aufgefunden worden. Der Dampfer „Tetartos", Kapt. Petersen, welcher am 2. d. Mts. mit Reis von Moulmain in Bremerhaven eintras, überbrachte von Aden, wo derselbe behufs Einnahme von Kohlen anlief, nach Bremerhaven den Seitenteil eines kleinen Fahrzeuges, welches Wrackstück, nach dem Material und der Bauart zu urteilen, von einer Pinasse herrührt, die zu der im Golf von Aden verunglückten Korvette „Augusta" gehörte. Das Wrackstück ist, nach einem Bericht der „Nordse-Ztg.", von Fischern in der Nähe der vermutlichen Untergangsstelle aufgefischt worden und wird auf Veranlassung des deutschen Konsulats in Aden an die kaiserliche Admiralität in Berlin gesandt werden.
Eine neue Druckmaschine. Auf der für nächstes Jahr in Aussicht genommenen Industrie-Ausstellung in Würzburg werden die Herren König und Bauer eine Rotationsmascbine zur Ausstellung bringen, welche geeignet ist, auf dem Gebiet des Zeitungs- spez. Rotationsdruckes einen Umschwung hervorzurufcn. In Betrieb wird dieselbe von dem Verlag der „Süddeutschen Eisenbahn-Zeitung" und des „Würzburger Generalanzeiger" gesetzt, die Auflagen beider Blätter werden während der Ausstellung daraus gedruckt werden. Die Maschine kann mit Recht „Universal-
Die ersten, keuchend hervorgestoßenen Worte bestätigten dies. Ihr Vater wollte jedes Aussehen vermeiden, wie er denn auch strengste Geheimhaltung dieser Unterredung forderte.
Nach kurzer Zeit hatte er mit Hülfe einiger kleiner Nestaurativmittel, welche Klara ihm reichte, seine volle Selbstbeherrschung wiedergewonnen. Ein paar hastige Schritte durchs Zimmer thaten das Uebrige, um jede Spur von Ermattung aus seinem Körper zu verscheuchen.
Klara war aber noch immer sehr besorgt um ihn, und so zwang er sich zu einem Lächeln, um sie zu beruhigen.
„Es war nur ein starker Blutandrang nach dem Kops", sagte er, eine ganz gewöhnliche Erscheinung des Affekts bei solchen reizbaren Naturen wie die meine. Wenn ich den Mann, der das von mir behauptet, mir gegenüber gehabt hätte, wäre der Erfolg seiner verleumderischen Anklage wohl ein anderer gewesen; ich hätte meinem Zorn freien Lauf lassen können. Dir gegenüber, der Nacherzählerin des Vorgefallenen, konnte ich das nicht. Und so blieb der Unwille, der in meinem Innern gährte, ohne Ausdruck, bis der Zorn mich fast erstickte. Jetzt habe ich das überwunden, jetzt bin ich gefaßt, und nun, mein Kind, bitte ich Dich, bringe Deine Erzählung zu Ende."
„Jetzt um keinen Preis, Papa", remonstrierte Klara. „Du wähnst
Dich stark genug; aber wenn Du das Ende erführest-nein, nein, ich
will's verschweigen bis auf eine spätere Stunde". '
Der Kommerzienrat sah seine Tochter lange prüfend an ; dann schüttelte er, wie in Verneinung seiner innersten Gedanken, den Kopf.
„Du mußt inir dieses Ende berichten, Klara", sagte er ernst und gefaßt, „ich muß es wissen und werde eher dieses Zimmer nicht veiüissen".
„Warum, Papa?'
„Das werde ich Dir dann erklären, wenn ich Alles weiß".
„Und ich muß reden?"
„Da Du Dich stärker erwiesen, als ich selbst es war, finde ich das Verlangt» nicht unbillig. Oder ist Deine Kraft im Sinken? Kannst Du nicht weiter sprechen? Du sagtest es selbst, nur das könne Dir Ruhe geben."
Klara führte die Hand zur Stirn.
„Ja, Du hast Recht", sagte sie. „Es ist schon besser, ich komme gleich zu Ende".
Sie schwieg noch einen Augenblick, wie um ihre Gedanken zu sammeln, während ihr Vater sie heimlich beobachtete.
„Ja so, von dem Brief!" sagte sie dann, aus ihrem Sinnen erwachend. „Es war, wie gesagt, der letzte, welchen der junge Förster von seinem Vater erhielt, und dieser sprach darin von einem Verbrechen, welches — Du, mein Vater, begangen haben solltest, auf dem Deine ganze stolze Existenz basire".
Ueber des Kommerzienrats Lippen zuckte ein spöttisches, überlegenes
lächeln. . . ^ ,
„Und das also war das furchtbareBeweis mittel, von dem er Sohn des Verschwundenen sprach", sagte er. „Wahrhaftig! Wenn das llles war, wäre er der Observationszelle kaum entgangen'.
Der alte Förster begnügte sich aber nicht mit diesem allgemeinen Hinweis", entgegnete Klara gepreßt. „Das Verbrechen, hieß es, ruhe — in den
mterirdischen Gewölben des Hauses-
„Da, siehst Du, siehst Du!" unterbrach sie sich nun selbst. „Wie es Oich wieder angreift! Nein, nein — ich erzähle nicht weiter".
Aber ihr Vater hatte die ihn anwandelnde Schwäche seiner nicht Herr verden lassen; er raffte sich rasch und mit ungewöhnlicher Energie empor, ein Gesicht in ärgerliche Falten legend. , ^
Zum Schluß!" rief er grollend. 'Es macht auf mich fast den Ein-
>ruck, als ob Du selbst —"
„Was, Papa?"
„Nichts, nichts. Vollende!" ^
„Ich habe bereits Alles gesagt. Mehr war in dem Briefe des alten Förster auch nicht enthalten, als dieser Hinweis auf den Keller. Aber hieran anknüpfend, folgerte nun der Sohn, daß sein Vater — dort hinabgedrungen and da — sein Ende gefunden von — von Deiner Hand".
kKortsekuna folgt.)