kann, wenn erstens die Lehrlinge und Gehilfen eine bessere, auf höhere Ziele gerichtete Ausbildung erhalten und zweitens der Handwerkerstand einigermaßen von dem Drucke der Groß- und Fabrikindustrie befreit wird.
Es wäre nun aber offenbar verfehlt, von der Gesetzgebung durch Zwangsmaßregeln die entsprechende Abhilfe zu verlangen, es könnte hier höchstens nur auf dem Gebiete des Lehrlingswesens und der korporativen Berechtigung eine gesetzliche Regelung stattfinden, in der Hauptsache kann den Handwerkern aber nur durch freie persönliche oder genossenschaftliche Selbsthilfe geholfen werden und freut es uns, daß der erste deutsche Jnnungstag zu ähnlichen Resultaten geführt und sich nicht für die Zurückschraubung des Jnnungswesens in die früheren Zwangsverhältnisse ausgesprochen hat. Es gilt, durch genossenschaftliche Bestrebungen die Leistungen des Handwerkes denen der Groß- und Magazin-Industrie ebenbürtig, ja in der Ausführung als überlegen hinzustellen und dies ist nur möglich, wenn es den Innungen gelingt, durch gemeinsame Beschaffung von Rohmaterial, durch Aufstellung von Maschinen zu gemeinsamem Gebrauch, durch Heranziehung technisch, künstlerisch und merkantil durch gebildeter Kräfte, durch Eröffnung ausreichender Kreditquellen, durch Einschließung von Absatzweaeu, durch Beschickung von Ausstellungen, durch sorgsames Studium der gewerblichen Leistungen fremder Länder es der Großindustrie gleichzuthun. Dann wird das Handwerk die Großindustrie zweifellos überbieten, da es der Individualität der einzelnen Meister und Arbeiter einen weiteren Spielraum bietet, da es die Befähigung besitzt, auch Dinge zu leisten, die nicht in Massen produziert werden und da es endlich vor der Großindustrie den für das Publikum hochwichtigen Vorzug hat, daß es das, was es schafft, auch im Falle der Beschädigung zu reparieren vermag.
Tages Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
** Nagold, 22. Juni. Die Nachbargemeinde Eb Hausen vorlor durch den Aod zwei ihrer wackersten Bürger. Am 3. d. M. starb im 59. Lebensjahre nach längerem Leiden Hirschwirt und Gemeinderat Kleiner, der wegen seines klaren Blickes und biedern Sinnes das Vertrauen seiner Heimatgemeinde genoß und derselben in uneigennütziger Weise treue Dienste geleistet hatte. — Heute wird daselbst der allgemein bekannte und hochgeschätzte Schullehrer Ernst Kreß zu Grabe getragen, der durch treue Unterweisung der Jugend über 30 Jahre hindurch (als Schullehrer seit 1856) in großem Segen gewirkt hatte. Die Gemeinde Ebhausen verliert an demselben nicht nur einen gutbegabten, rastlos thätigen Lehrer und Erzieher der Jugend sondern auch einen ihrer edelsten Bürger, der für das Wohl und Weh aller Gemeindeangehörigen ein warmes Herz hatte und besonders den Armen und Kranken mit Rat und Thal kräftig zur Seite stand. Der Entschlafene hat sich durch seinen echten Christensinn die Achtung, Liebe und Verehrung seiner Gemeinde in hohem Grade erworben, die demselben gewiß ein dankbares Andenken bewahren wird.
Stuttgart, 18. Juni. Die Karl Hagen- beck'sche Singhalesen-Karawane trifft in den nächsten Tagen hier ein. Tie Karawane besteht jetzt nach ihrer vollständigen Kompletierung aus 51 Personen, darunter 2 Buddhapriester; mit sich führt die Karawane eine ganze Herde Arbeitselephanten, verschiedene Rinder der Zeburace zum Fahren und Reiten, dressierte Affen, Cobras oder Brillenschlangen und schließlich ein aus ca. 2000 Nummern bestehendes ethnographisches Museum.
Stuttgart, 20. Juni. Die Maimesse hat nach Abzug der Kosten von 2065 „kL der Stadtkasse einen Reinertrag von 5983 -4L, die Möbelmesse einen solchen von 861 geliefert.
Stuttgart, 20. Juni. Der Unterstützungs- Verein für Buchdrucker und Schriftgießer Württembergs hat den homöopatischen Arzt, vr. nroä. Zeller, Guttcnbergstraßc 20, zum Vcreinsarzt gewählt.
Stuttgart. In der Jnfanteriekascrne ist wiederun der Typhus ausgebrochen. Die Zahl der, Erkrankungen beim Grenadierregiment beträgt 10, 1. Kompagnie des 7. Regiments 3. — Wie verlautet, sind höheren Orts die geeigneten Maßnahmen zur Verhütung einer größeren Ausdehnung der Epidemie bereits getroffen. Es soll in Aussicht ge
nommen sein, sobald die Krankheitserscheinungen sich auf 20 Soldaten ausgedehnt haben, beide Regimenter zu verlegen, und zwar wird das Grenadier- Regiment Königin Olga in Ulm, die beiden hiesigen Bataillone des Infanterie-Regiments Nr. 125 in Neu-Breisach kaserniert werden, da eine Unterbringung der Truppen in Zeltlagern (wie im Vorjahr) des Kostenpunktes wegen unzulässig erscheint.
Tübingen, 19. Juni. Heute morgen starb hier Herr Gymnasiallehrer Dr. Wildermuth, der Gatte der verstorbenen Jugendschriftstellerin Ottilie Wildermuth, im 79. Lebensjahre.
k' Wer von Hall aus die Straße nach Gelbingen geht, ist überrascht von dem Anblick, der sich ihm hier darbietet. Das Diakonissenhaus, an welchem seit diesem Frühjahr eifrigst gebaut wird, steht nun schon vollständig unter Dach gebracht da. Die Maurer haben demnächst ihre Arbeit beendigt, und die GyPser sind in voller Thätigkeit; es wird allem aufgeboten, daß die für den Herbst gegebenen Termine sicher erreicht werden. Der Bau hat eine große Front, die er parallel der Straße präsentiert, während die beiden Flügelbauten gegen den Berg hin sich ausdehnen. Nicht nur das Hauptgebäude zeigt gefällige Proportionen, sondern auch vom Berge aus gesehen zeigt die Rückseite gar nicht das Winkelige, das an so vielen sonst schönen Bauten unangenehm auffällt. Wir werden später darauf näher zurückkommen. Möge jetzt, wo es nur noch wenige Monate bis zur Eröffnung des Diakonissenhauses anstehen wird, auch die öffentliche Wohlthätigkeit diesem längst geplanten wohlthätigen Unternehmen sich wieder rege zuwenden.
Leider mehren sich die betrübenden Nachrichten über stattgehabten Hagelschaden, der auch in den Oberämtern Urach die Gemeinden Wittlingen, Seeburg und Rietheim, sowie Döttingen, O.A. Mün- singen, betroffen hat. In Wittlingen flüchtete sich eine Frau unter einen Baum, der Sturm riß ihn um, die Frau, in derselben Richtung fliehend, wie der Baum fiel, wurde erschlagen. Gleiche Nachrichten treffen vom Mainhardter Wald, von Mainhardt, Gailsbach, Ziegelbronn, Lachweiler, Bubenorbis und Gnadenthal ein.
Auch auf dem Heuberg wurden die Gemeinden Burgfelden und Hausen ohEck vom Hagel schwer geschädigt.
Die Gemeinden Brcch und Pfahl bronn (Welzheim) sollen durch ein furchtbares Gewitter mit Hagelschlag schwer betroffen worden sein.
In der Kienlensbergkaserne bei Ulm sind dieser Tage 10 Mann am Typhus erkrankt.
München, 17. Juni. Die Nachricht von einer dem Könige von Bayern durch den verstorbenen Fürsten Maximilian von Thurn und Taxis hinterlassenen Schenkung von 8 Millionen ^ gewinnt nach der „Voss. Ztg." an Wahrscheinlichkeit. Die genannte Summe soll gerade ein neuerdings entstandenes Deficit zu decken im Stande sein.
Frankfurt a. M., 17. Juni. Heute abend um ein Viertel nach 9 Uhr ging über die Stadt, wie wir Frankfurter Blättern entnehmen, ein ungeheurer ,Wolkenbruch nieder. Sturzbäche füllten die Straßen und in vielen Häusern drang schnell das Wasser durch die Decken in die Keller. In welcher Weise das Wetter wütete, geht auch daraus hervor, daß im Garten des Bürgerhospitals 102 tote Vögel, größtenteils Sperlinge, gefunden wurden. — Auch in Mainz hat man den Wolkenbruch gehabt.
Berlin, 20. Juni. Die Verhandlungen des Norddeutschen Lloyds mit der Reichsregierung über die Dampfersubvention sind, wie der Franks. Ztg. aus Berlin geschrieben wird, abgeschlossen. Der Kontrakt liegt dem Reichskanzler zur Genehmigung vor. Der Lloyd übernimmt aus 15 Jahre gegen Zuschuß von -4L 4400 000 die im Gesetz vor- geschriebenen Verbindungen, hat sich erboten, auf der ostasiatischen und Mittelmeerlinie mit 12 statt die geforderten 11*/s Knoten zu fahren und will 6 neue in Deutschland gebaute und 9 andere in seinem Besitz befindliche, auf 13 Knoten Schnelligkeit kontrahierte Dampfer einstellen, wovon 5 speziell für die Fcchrt in den Tropen gebaut sind.
, Das „Elsäßer Journal" schreibt: „Der Augenblick ist noch nicht gekommen, um das Werk des Feldmarschalls von Manteuffel zu beurteilen und namentlich dasjenige zu untersuchen, was er in Elsaß- Lothringen gewirkt hat. Was man aber jetzt schon aussprechen kann, und was alle politischen Parteien
unseres Landes anerkannt haben, ist, daß der alte Diplomat und Soldat zu uns gekommen ist mit wohlwollenden Gesinnungen und mit dem aufrichtigen Wunsche, die Gemüter zu beruhigen, indem er sich vornahm, den annektierten Provinzen eine normale und blühende Existenz zu verschaffen. Sein einziger Wunsch war, Elsaß-Lothringen eine regelmäßige Verfassung zu verleihen und der Ausnahmestellung, in welcher sich unser Land seit 1870 befindet, ein Ende zu machen. In allen seinen Reden erklärte er, daß dies das Ziel sei, welches er seinen Anstrengungen und seinem Ehrgeize gesetzt habe; es war ihm aber nicht vergönnt, diefes Werk mit Erfolg gekrönt zu sehen. Wer wird jetzt Elsaß-Lothringen regieren? Welch Regierungssystem wird befolgt werden? Diese gewichtige Frage drängt sich jedermann auf und wird manche Besorgnisse erregen."
Berlin, 18. Juni. In der heutigen Bundesratssitzung wurde auf Anttrag Sachsens der kleine Belagerungszustand über Leipzig auf 1 Jahr verlängert. — Dem Vernehmen nach wird gegenwärtig die Frage von Entsendung Sachverständiger nach Spanien zur Beobachtung der dortigen Cholera-Epidemie und der Jmpffrage erwogen.
Berlin, 19. Juni. (Fr. Journal.) Nicht nur die Zeitungen, sondern auch die verschiedenen politischen Kreise beschäftigen sich mit der Frage, wer der Nachfolger Manteuffel's auf dem Statthalterposten in Elsaß-Lothringen sein werde. Man nennt die verschiedensten Namen, zunächst Prinzen des Hauses Hohenzollern, ferner den Botschafter Prinzen Reuß, den Grafen Otto von Stollberg-Wernigerode, den Fürsten Hohenlohe nnd endlich auch einen zur Zeit aktiven Minister. Schon aus der sehr verschieden zusammengesetzten Kandidatenliste, weiche die verschiedensten Kreise aufstellen, ergibt sich zur Evidenz, daß bisher die maßgebende Stelle noch keine Gelegenheit genommen hat, sich in der Frage schlüssig zu machen.
Berlin, 19. Juni. Die Abreise des Kaisers nach Ems ist auf Sonntag festgesetzt.
Berlin, 19. Juni. Die Cholera ist auch in Portugal nahe der spanischen Grenze ausgebrochen.
Berlin, 19. Juni. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Für den Feldmarschall v. Manteuffel hatte der Kaiser eine Trauerfeier in Berlin derart angeordnet, daß die Leiche von Karlsbad hierhergebracht und die Feier in der Garnisonskirche ähnlich wie die bei der Leichenfeier für den Prinzen August von Württemberg stattfinden solle. Nachdem sich aber herausgestellt, daß Frhr. v. Manteuffel in seinem letzten Willen den bestimmten Wunsch ausgesprochen, auf seinem Gut Topper in der Stille ohne militärische Ehrenbezeugungen beerdigt zu werden, so haben Se. Maj. von dieser Anordnung Abstand genommen und nur bestimmt, daß der Beisetzung in Topper Deputationen des fünfzehnten Armeekorps, des ersten Gardedragoner-Regiments Nr. 5 beiwohnen sollen.
Berlin, 19. Juni. Die Angriffe der liberalen Presse auf den Hofprediger Stöcker dauern mit steigender Heftigkeit fort. Man will den Staatsanwalt zwingen, gegen denselben Anklage zu erheben. Das Berliner Tagblatt veröffentlicht eine „Anklageschrift", worin Stöcker des fahrlässten Meineids und der Unterschlagung von 2000 -4L beschuldigt wird; ^ die Aufregung über den Prozeß ist noch immer ungeheuer.
Berlin, 20. Juni. Hofprediger Stöcker hat einen Urlaub genommen und Berlin verlassen.
— Der Maurerstrik nimmt einen außerordentlichen Umfang an; es feiern über 12 000 Personen.
Der in Berlin zusammengetretene deutsche Innungstag hat folgenden Beschluß gefaßt: „Der j Befähigungsnachweis ist für handwerksmäßige Be- j triebe als Vorbedingung für die selbständige Aus- ^ Übung einer solchen in die Reichsgewerbeorduung aufzunchmen. Die namentliche Feststellung dieser Betriebe hat durch Gesetz demnächst auch unter Mitwirkung von Organen einer zu schaffenden handwerklichen Selbstverwaltung im Verwaltungsweg zu geschehen."
Kiel, 20. Juni. Der für Kamerun gebaute Dampfer ist soeben glücklich vom Germania-Werft vom Stapel gelassen worden. Viceadmiral Wickede taufte das Schiff auf kaiserlichen Befehl „Nachtigal", damit der Name desjenigen Pioniers der Cilvisation, der so Hervorragendes bei der Erwerbung unserer