sollte erst der thönerne Riese für drollige Bewegungen machen, wenn Rußland einmal mit einem Heere von hundert Tausend Mann an die Thore Indiens anklopft oder Frankreich seine Aussöhnung mit Deutschland vollständig vollzieht und sich zu einer mannhaften That erhebend von Algier aus mit 50000 Mann in Egypten einrückt, um die Engländer aus diesem Unrechten Gute, welches durch französische Kultur der Barbarei entrissen wurde, wieder hinauszujagen. Das deutsche Reich, dem ohnedies von England in der Kolonialpolitik jeder Schritt sauer gemacht wird, hat sicher kein Interesse daran, Rußland von Indien oder Frankreich von Egypten fern zu halten. Die mögen sich die germanischen „Vettern" in London hinter die Obren schreiben.
Die erledigte zweite Schulstellc in Hochdorf (Nagold), wurde dem Schullehrer Zahn in Lautcnbach (Crailsheim) und die fünfte in Wildbad dem Unterlchrer Monn in Bernstadt (Langen au) gnädigst übenrag en._ _ _
Tages-Reuigkeiterr.
-j-j- Nagold, 25. Febr. Gestern wurde uns wieder ein hoher musikalischer Genuß zu teil, zu welchem von hier und Umgegend viele kunstliebende Zuhörer herbeiströmten. Es galt nämlich der 200jährigen Geburtsfeier des berühmten Oratorienmeisters G. F. Händel (geb. 23. Febr. 1685 in Halle, von s. 27. Jahre an meist in England, Schöpfer von etwa 45 Opern und 26 Oratorien, darunter Messias, Samson, Alexauderfest, Saul, Israel in Egypten, Judas Maccabäus, Josua, Salomon, Heracles, Jephta u. a., mit ihren erhabenen Chören und einfach innigen Arien; erblindet 1751, gestorben 1759, beigesetzt in der Westminsterabtei in London). Um diesen Tag würdig zu begehen, wurde vom hiesigen gemischten Chor mit Hille von hiesigen und auswärtigen Solostimmen in der hiesigen Stadtkirche das Oratorium „Judas Maccabäus" aufgeführt. Es war dies ein für hiesige Verhältnisse schwieriger Stoff, zu dessen Vorbereitung eine verhältnismäßig kurze Zeit zur Verfügung stand; allein man muß sagen — und dies Urteil wurde von vielen sachverständigen Besuchern des Konzerts bestätigt, — daß die schwere Aufgabe von den sorgfältig einstudierten Solostimmen sowohl als von dem rein und präzis zusammenwirrenden Chor in mustergiltiger, ja glänzender Weise gelöst wurde, so daß die äußerst gelungene Aufführung beredtes Zeugnis gab von dem Eifer und der verständnisvollen Hingabe, mit welcher sich die Mitwirkenden von ihrem unermüdlichen Direktor in die zum großen Teil recht schwierige Komposition des Altmeisters Händel einführen ließen. — Dankenswert war die Ausgabe von Programmen mit Text, wodurch den Hörern das Verständnis erleichtert und damit auch der musikalische Genuß erhöht wurde. Aber schade ist es, daß der Raum bei bezw. vor der Orgel so klein ist, daß einerseits der Dirigent seine musikalischen Kräfte in 2 langen schmalen Flügeln aufstellen muß und für ihn also die Direktion sehr erschwert wird, andererseits hiedurch sehr viel von der Wirkung für die im Chor befindlichen Zuhörer verloren geht, (wobei wir übrigens für solche, denen es mehr ums Höre» als ums Sehen zu thun ist, verraten wollen, daß wohl der akustisch günstigste Platz gerade unter der Orgel ist). Sollte diesem Nebelstand nicht abgeholfen werden können?
** Nagold, 24. Febr. Auf eine Reihe von Seminar- und Kirchenkonzerten, die vom hiesigen Seminar veranstaltet wurden und sich einer stets wachsenden Zuhörerschaft von hier und auswärts zu erfreuen hatten, folgte heute die erste Aufführung eines vollständigen, größeren Oratoriums „Judas Macca- bäus" zur Feier des 200jährigen Gedächtnisses der Geburt des Komponisten G. F. Händel (geboren zu Halle den 23. Febr. 1685). Außer dem gemischten Chor des Seminars wirkten als Solosängcr Fräulein Federhaff von Calw, sowie die HH. Barthel und Staiger von hier mit. Die ganze Aufführung, welche 2 volle Stunden in Anspruch nahm, war in allen Teilen eine wohlgelnngene und machte sowohl dem Dirigenten. Herrn Musikoberlehrer Hegele, als den Mitwirkenden alle Ehre. Die zahlreiche Zuhörerschaft, die sich nicht nur von Stadt und Bezirk Nagold, sondern auch von drn Bezirken Calw. Herrenberg u. a. eingefunden hatten, folgten den Recitativen, Arien, Duetten und Chören mit ge spannter Aufmerksamkeit und verließen vollkommen befriedigt die Kirche. Es würde dem Berichterstatter sehr angenehm sein, die Einzelgesänge, Duette und Chöre des Oratoriums dem Publikum vorzuführen
und seinen Blick auf ihre besonderen Schönheiten zu lenken; allein es heißt hier: Komm und höre! um sich dann ein eigenes Urteil bilden zu können. Ans einiges soll aber dennoch aufmerksam gemacht werden. Die 12 Recitative, 7 Arien und 4 Duette wurden durchweg schön und sicher vorgetragen. Am meisten Eindruck machte wohl die wirklich anmutige Arie, von Fräulein Federhoff gesungen: „Jehova, sieh von Deinem ew'gen Thron rc." Unter den 10 Chören, die alle mit Orchester- und Orgelbegleitung mit Sicherheit und Präzision gesungen wurden und am meisten Eindruck auf die Zuhörer machten (weil bei letzteren im allgemeinen doch mehr Verständnis für Chöre vorhanden ist. als für andere Gesangsvorträge) heben wir außer den bekannten: „Sieh, er kommt mit Preis gekrönt!" und: „Heil, Heil, Judäa!" namentlich den: „Dringt ein in die Feinde mit rüstiger Hand!" „Singt unsrem Gott!" welche großen Eindruck machten, und den Schlußchor: „Hallelujah, Amen!" - Schließlich sei dem Berichterstatter noch eine Frage erlaubt: Wäre es nun nicht an der Zeit, daß nach Aufführung des erstes Oratoriums hier zur Bildung eines eigentlichen Oratoriumsvereins geschritten würde, der außer den Seminaristen, die dem Wechsel unterworfen sind, nnd hiesigen Jungfrauen auch noch weitere sanglustige und sangeskundige Männer und Frauen in sich vereinigte und demselben Gelegenheit zu geben, sich mit den herrlichen Schöpfungen der hochbegabten Componisten Backi (das 200jährige Gedächtnis seiner Geburt in Eisenach wird den 2l. März d. I. wohl auch da und dort gefeiert werden), Händel, Mendelssohn u. a. näher bekannt zu machen? —
/V Egenhausen, 22. Febr. Dem Fuhrmann M. Volz von hier, welcher jüngst (Nro. 20 d. Bl.) bei Seebronn verunglückte, mußte am letzten Donnerstag abend in Tübingen das schwerverletzte linke Bein nahe am Rumpfe abgenommen werden, um die drohende Gefahr für das Leben des jungen Mannes abzuwenden. Einige Stunden nach der vollzogenen Amputation kamen die wohlbctagten Eltern des Verunglückten von dem erfolgten operativen Vorgänge nichts ahnend in Tübingen an. Sic konnten und durften bei dem bis zur Erschöpfung Ermatteten nur ganz kurze Zeit weilen. Ihr Schmerz war groß und zeigt sich allenthalben Teilnahme für sie und den Sohn.
/V Haiterbach, 24. Febr. Letzten Freitag verstarb Herr Schullehrer Hildenbrand nach zehnjähriger gesegneter Wirksamkeit dahier im Alter von 41 Jahren infolge einer schweren Krankheit. Beweint von der hinterlasseuen Witwe und ihren vier Kindern im Alter von 11-3 Jahren, betrauert von seinen Collegen u. von seinen Mitbürgern wurde der zu frühe Dahi«geschiedene gestern nachmitt, unter der Teilnahme von etlichen 30 Lehrern zur letzten Ruhestätte getragen. Wir setzen dem stets aufrichtigen Verblichenen ein Denkmal des liebevollen Gedächtnisses in den Herzen.
Stuttgart, 22. Febr. Während in einem Teil der hiesigen Presse wiederholt der Genugthuung darüber Ausdruck gegeben worden ist, daß die zweite Kammer nicht auf die Beratung der Gesetzentwürfe, betr. die Kicchengemeinde- und Synodalordnung, eingegangen ist, vielmehr die Bitte an die Regierung richtete, sie möge einen Gesetzentwurf einbringen, durch welchen nur eine fakultative Ausscheidung des .Orts-Kirchcnvermögeus aus dem Geschäftskreis der Stiftungsräte nnd Ueberweisung desselben an die Organe der Pfarrgemeinden angestrebt werden soll und außerdem die noch bestehenden Lücken der Gesetzgebung betreffs der vermögensrechtlichen Vertretung der ortskirchlichen Lokalgemeinden zu ergänzen sind, ist die Kommission der Kammer der Standesherren diesen Beschlüssen nicht beigetreten. Der Berichterstatter Staatsrat Dr. v. Sarwey begründet diesen Kommissionsbeschluß folgendermaßen: Durch das Aufhören der konfessionellen Einheit der bürgerlichen Gemeinde hat sich die Scheidung der kirchlichen von politischen Gemeinde thatsächlich vollzogen und die Teilung des bisher gemeinschaftlich verwalteten Vermögens sei zur Notwendigkeit geworden. Da eine rechtliche Pflicht der bürgerlichen Gemeinden zur Deckung des kirchlichen Defizits nicht bestehe, so werde die kirchliche Gemeinde dadurch rechtlos, wie bereits schon vielfach eine Schmälerung des ortskirchlichen Vermögens durch Belastung mit außerkirchlichen Ausgaben zu konstatieren sei. Was endlich die Bitte des anderen Hauses, betr. die nur fakultative Ausscheidung des Ortskirchenvermögens anbe
langt, so sei zu befürchten, daß durch diese fakultative Normierung der Friede in der Gemeinde gefährdet werde, auch sei es praktisch unausführbar, die Scheidung von dem Antrag der „bürgerlichen oder kirchlichen Gemeinde" abhängig zu machen, da nach dem Beschlüsse selbst bis zn diesem Antrag die kirchliche Gemeinde jeder Vertretung entbehren würde und die Gemeinde doch nicht ohne Vertretung handeln könne. Wenn jeder Korporation im Staate, sogar jeder Aktien- und sonstigen Handelsgesellschaft das Recht zustehe, sich ihre Organe zu schaffen und ihre organischen Verhältnisse zu ordnen, so werde man sich der Anerkennung nicht verschließen können, daß die Kirchenvertretung in ihrem vollen Rechte sei, wenn sie dasselbe für die Kirchengemeinden fordert, Der Staat könne und müsse seine Aufsichtsrechte gegenüber den einzelnen Kirchengemeinden streng wahren; allein denselben eine Organisation im Sinne der Selbstverwaltung zu verweigern, sei mit dem Begriff des Rechts und Verfassungsstaats unvereinbar. Auch wer die Zweckmäßigkeit einer Landessynodalvertretung verneinen zu müssen glaube, werde sich der Anerkennung nicht entziehen können, daß die Organisation der Kirchengemciude eine wohlbegründete Forderung der Kirche sei. Die Kommission be- daure, daß die hohe Kammer nicht in der Lage sei, in die Einzelberatung einzutreten, sie glaube jedoch gezeigt zu haben, daß die gesetzliche Regelung der kirchlichen Gemeindeverhältniffe ein dringendes Bedürfnis ist, dessen Befriedigung durch die Einbringung neuer Vorlagen unter Beachtung der kirchlichen Autonomie nicht einer unbestimmten Zukunft überlassen werden könne.
Stuttgart, 22. Febr. lieber die Thätigkeit des kgl. Landjägerkorps im Jahre 1884 schreibt der Staats-Anzeiger: Im Jahre 1884 wurden insgesamt 10 581 Personen eingeliefcrt, im Jahre 1883 9881. Darunter waren Diebe 993 (1883: 1066), Landstreicher 1383 (1883: 1163), Bettler 3856 (3853), Brandstifter 32(29), Räuber 13 (21), Mörder 6 (7). Der Durchschnitt der eingelieferten Gesetzesübertreter in den Jahren 1874/83 beträgt 10 555; derselbe wird somit im Jahre 1884 um 26 überschritten. Sehr erheblich überschritten wird der Durchschnitt der Anzeigen an die Staatsanwaltschaft; derselbe beträgt in den 10 Jahren 4468, während 1884 8591 und 1883 7998 solcher Anzeigen erstattet wurden. An die Gerichtsbehörden wurden 2038 (1915) Anzeigen erstattet, Durchschnitt 3111, somit 1073 weniger.
Stuttgart, 24. Jan. In dem Brennmate- rialien-Mogazin Rothebühlstraße 22 bemerkten gestern abend gegen */,12 Uhr die Passanten einen verdächtigen Rauch aufstcigen und bald darauf schlug eine mächtige Feuersäule empor. Die bald auf dem Brandplatze erscheinende Feuerwehr sah sogleich, daß das unbewohnte Gebäude verloren war und konnte nur trachten, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken und Maßregeln zum Schutz der Nebenhäujer zu treffen. Trotzdem ist das Widmann'sche Anwesen am Giebel uicht unwesentlich beschädigt worden. Heute Morgen noch schlugen hie und da Flammen aus dem Schutt der Brandstätte empor , die dort lagernden Kohlenvorräte glimmen immer noch fort. Ueber die Entstehungsursache ist bis jetzt nichts Näheres bekannt. Untersuchung ist eingcleitet. — Gleichfalls gestern abend brach ein Brand in einem Hause der Werastraße aus, wobei für circa 150 Haushaltungsgegenstände zu Grunde gingen.
Ueber die bevorstehenden Truppenübungen des 13. kgl. Württemberg. Armeekorps wird der „Allgem. M.-Ztg." von Stuttgart geschrieben: Wie schon aus dem Reichsmilitäretat für das Etatsjahr 1885/86 hervorgeht, wird das 13. Armeekorps in diesem Jahr ein großes Kaisermauöoer haben. Es ist dafür als einmalige Ausgabe die Summe von 150 631 bestimmt. Das Manöver wird im September, voraussichtlich in dessen 2. Hälfte statifinden. Die Einziehung der Komplettierungsmannschafken ist dabei in einem solchen Umfange in Aussicht genommen, daß dadurch das Ausrücken der Truppenabteilungen in der vorgeschricbcncu Etatsstärke e möglicht wird. Das letzte Kaisermanöver fand bei uns bekanntlich im Herbst 1876 statt.
O chs en h a u s e n, 23. Febr. In der vergangenen Nacht wurden laut Ä. v. O. in einer hiesigen Brauerei 3 Brauknechtc erstickt in ihren Betten aufgefunden. Die Ursache ist noch nicht bekannt.
Vor den Geschworenen in Osnabrück stand ! Herr Rößler, Direktor der Taubstummenanstalt in