in die Briefkasten am Murschell'schen Hause. Poststr. Nr. 1 und Ecke der Stifts- und Königsstraße geworfen haben, was zur Folge hatte, daß mehrere in diese Briefkasten eingelegten Briefe verbrannten; auch ist an letzterem Briefkasten durch die entstandene Explosion der Boden hinausgeschlagen worden.
Stuttgart, 2. Febr. In der Nacht vom letzten Samstag auf Sonntag wurde in dem eingefriedigten und verschlossenen Garten des Hrn. Kommerzienrats Knosp, Rotebühlstr. Nr. 72, ein frecher Diebstahl verübt. Es sind nämlich im Geflügelhaus daselbst 6 Schwäne und 8 Enten, welche den Sommer über zur Zierde auf dem Feuersee sich befanden und über die kalte Winterszeit dort untergebracht waren, gestohlen worden. Die Köpfe wurden den Tieren abgerissen und lagen am Ort der That.
Stuttgart, 2. Febr. Heute nacht wurde bei dem Restaurateur Fischer, Forststraße 43, aus einem Sekretär der Wohnstube, während in der Wirtschaft noch Gäste waren, die Summe von 700 entwendet. Bis jetzt hat man von dem Thäter noch keine Spur.
Neuffen, 3l. Jan. Es gereicht mir zur Freude, Ihnen mitteilen zu können, daß die günstigen Folgen des deutschen Koloniewesens sogar schon in unserer Stadt fühlbar werden. Aus sicherer Quelle erfuhr ich gestern, daß Hr. Fabrikant K. in Reutlingen, der hier eine Bettdeckenfabrik hat, große Bestellungen in möglichst bunten Bettdecken (vermutlich künftige Toilettengegenstände der Zulus) für Afrika erhielt. Damit ist unsern Jacquardwebern eine günstigere Aussicht geboten, als vielen unserer Arbeiter der Korsettfabrik, deren gegenwärtig eine ziemliche Anzahl ohne Arbeit ist. Der letzteren Wunsch ist, daß sich unsere deutschen Schwestern, die Zuludamen, doch recht bald des Korsetts bedienen möchten, damit auch nach ihrem Artikel wieder mehr Nachfrage gehalten werde.
Brandfälle: In Alberweiler (Biberach) am 30. Jan. das Oekonomiegebäude des Müllers Merk, wobei 2 Schweine den Tod in den Flammen fanden; in Rottweil am 2. Febr. das im sog. Fuchsloch gelegene Laboriergebäude der dortigen Pulverfabrik. Der Schaden ist bedeutend.
Ein neuer Gedächtnisrieje. der in der Kopfrechenkunst das Erstaunlichste leistet, ist am arithmetischen Horizont erschienen und in Leipzig abgestiegen. Seine Leistungen setzen um so mehr in Erstaunen, als es ein Knirps von 9 Jahren ist. Er ist ein geborener Ungar und heißt Philipp Roth. Die Leipziger sind gute Rechenmeister und gerade deshalb imponiert ihnen Philipp Roth erst recht. Um einen Begriff von der Rechenkunst dieses Wunderkinds zu geben, entnehmen wir einiges aus einem Bericht im Leipziger Tageblatt. Das Programm des kleinen Ritter Minuspius ist vielseitig genug, denn er addiert fünf fünfstellige Zahlen, subtrahiert zwei zwölf- stellige Zahlen, multipliziert zwei vierstellige Zahlen, dividiert achtstellige durch vierstellige Zahlen und was dergleichen Aufgaben mehr sind. Mit staunenswerter Geschwindigkeit rechnete er z. B. 8 Jahre 3 Monate 4 Tage und 6 Stunden in Sekunden um, multiplizierte 3745 mit 2l58, dividiert 44 268 durch 7763, und gab an, wie viel Zinsen 57 450 ^ in 208 Tagen bei 3Ur pCt. geben. Befand er sich einmal mit demjenigen, der ihm das Exempel gestellt, in Widerspruch, jo schaute er seinen Examinator ungläubig an. und es stellte sich denn auch bei nochmaliger Prüfung heraus, daß Philipp Roth in seinem Rechte war.
Der Berein Berliner Kaufleute und Industrieller hat beute eine Eingabe gegen die Erhöhung der Getreidezölle beschlossen.
Die dritte Beratung des Etats im Reichstage s soll am Freitag den 6. Februar ihren Anfang neh- § men; es wird dabei sofort zur erneuten Debatte und : Abstimmung über den vielbesprochenen Posten von l 20000 ^ für eine neue Direktorstelle im Auswär- ' tigen Amt kommen, auf deren Ausgang natürlich alle ^ Welt sebr gespannt ist. Man glaubt nicht, daß im ^ übrigen die dritte Lesung viel Zeit in Anspruch neh- ' men wird. '
In parlamentarischen Kreisen betrachtet man es allgemein als unzweifelhaft, daß die Ablehnung . der Tampferfubventivnsvorlage die sofortige Auflösung s des Reichstags zur Folge haben werde. Man hält t indessen trotz des negativen Ergebnisses der Kom- ^ missionsbcratung an der Erwartung fest, daß das Gesetz schließlich zu Stande kommen werde. ,
Wohl die letzten Gefangenen aus dem Kriege 1870/71 haben das deutsche Reich verlassen. Am 28. Jan. passierten, von Wesel kommend, den Kölner Zentralbahnhof diejenigen Turkos, welche während ihrer Kriegsgefangenschaft einen Wächter ermordet hatten und deshalb zu langjähriger Festungsstrafe verurteilt waren. Die Leute sahen recht gut aus; die französische Regierung hatte sie mit neuer Montierung versehen.
Bobreck, Kreis Beuthen, 29. Jan. Vor kurzem fanden, wie der „O. A." berichtet, zwei Frauen im Biskupitzer Wald drei Kinder erfroren vor. Der eigene Vater soll dieselben in einem Anfall von Tiefsinn selbst dahin gebracht und mit dem Bemerken, bald zu ihnen zurückkehren zu wollen, ihrem Schicksal überlassen haben.
Kiel, 2. Febr. Heute und gestern trafen ca. 800 Rekruten für die erste Matrosen-Division hier ein; es ist dies eine weit größere Zahl, als sie in den letzten Jahren zur Einstellung gelangt ist. Für den Kriegsbedarf der Marine bei Indienststellung sämtlicher Schiffe und Fahrzeuge und voller Besatzung der Reichskriegshäfen sind rund 30000 Mann erforderlich, der Beurlaubtenstand zählt 15 000 Mann. Oesterreich-Ungarn.
Roggendorf ist ein kleines Nest in der Nähe von Wien. Dort kam vor einigen Tagen ein Fremder im Dorfwirtshaus an und verlangte Nachtquartier. Paß? fragte der Wirt und der Fremde langte ein Papier in fremder Sprache heraus. Als ihm ein Stübchen angewiesen wurde, sagte er, es ist mir zu kalt, ich gehe lieber in den warmen Stall. — Dem Wirt und feinem Bruder, einem Soldaten, fiel das auf und er machte dem Bürgermeister Anzeige. Dieser beorderte einen Gensdarmen an den Stall und als morgens der Fremde heraustrat, um nach dem Wetter zu sehen, wurde er verhaftet. Im Ueberrock des Fremden fand man einen sechsläufigen Revolver mit 18 Patronen, ein Stilet und 200 Doll. Der Paß war ein amerikanischer. Der Fremde verweigerte jede Auskunft und wurde nach Wien gebracht. Schicken etwa die amerikanischen Anarchisten Mörder aus, wie die Kaufleute Reisende?
Frankreich.
In Paris ist ein Polizeibeamter als Hauptmann einer Verbrecherbande entlarvt worden. Während seine Leute in einem Hause „arbeiteten", pflegte er in Uniform vor demselben auf und ab zu gehen, wodurch aller Verdacht und jegliche Aufmerksamkeit ab gelenkt wurde.
England.
London, 3. Febr, Dem „Daily Telegraph" zufolge wäre der Polizei die Anzeige zugegangen, es bestehe ein Komplott zur Zerstörung der Westminster- Abtei.
Asien.
Constantine, 2. Febr. Gestern sind durch eine Erderschütterung in Msila 8 arabische Häuser zerstört worden. Menschen wurden nicht verletzt.
Handel K Umkehr.
/X Egenhausen, 3. Febr. Der heute hier abgehal- tenc Lichtincst-Bichmarkt hatte, des Glatteises wegen, einen nur mittelstarken Zutrieb an den verschiedenen Tiergattungen. Die Händler, Mezger und Landleute der Umgegend waren zahlreich zur Stelle, doch blieb die Zahl der abgeschlossenen Käufe eine minderwichtigc. Einige Paare fetter Ochsen gingen zum Preise von 43-46 Karolin, Kühe u. s. w. zu den längst bestehenden Schlägen ab. Der sehr stark befahrene Schweinemarkt brachte alles an den Mann: Milchschweine 18—22 geringe Läufer 36 — 38 starke Läufer bis etliche 70 das Paar.
Vom Bezirk Herrcnberg, 31. Jan. Nachdem nun verschiedene Produzenten zur Einsicht gekommen sind, daß ein Steigen der Dopfcnprcise nicht mehr 'zu erwarten steht, so setzen sic ihre Vorräte nach und nach zu den jeweiligen Tagespreisen zu 70-HO ab. Nachfrage ist gegenwärtig fast gar keine. Mitunter'' liegen im Bezirk auch noch Posten von Spekulationshopfen auf Lager.
Stuttgart, 2. Feb. (Mchlbörse.) An heutiger Börse sind von inländischen Mehlen 1915 Sack als verkauft zur Anzeige gekommen, zu folgenden Preisen: Nr. 0 30-31.50,
Nr. 1 ^ 27.50—29, Nr. 2 ^ 25.50-26.50, Nr. 3 .« 23.50 bis 24.50, Nr. 4 19.50-20.50. In ausländischen Mehlen
kein Handel.
Stuttgart, 2. Feb. (Landesproduktenbörse.) Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, bayer. 18.75 -19, russisch Sax. alt 20, dto. neu ^5 19, Ungar, 19.25—19.50, Kernen ^ 19, Dinkel 12.40. Durchschnitts-Mehlpreisc Pr. 100 Kilogr. incl. Sack pro Feb. 1885: Mehl Nr. 1 29
bis 30, Nr. 2 26.50—27.50, Nr. 3 24 -25, Nr. 4
19.50 20.50, Suppcngries 30, Kleie mit Sack 9 per 100 Kilo je »ach Qualität.
GH» Moderner D*« Carlos-
(Fortsetzung.)
„Mein Cousine Editha," sagte Wulfen, die Dame seiner Gemahlin Darstellend.
Heber der etwas sehr hervorspringenden, gebogenen Nase des alten Fräuleins blickten ein paar stechende, schwarze Augen prüfend in das jugendschöne Antlitz der jungen Frau; dann streifte ihr Blick Wulfen mit einem eigentümlichen Ausdruck, es lag fast etwas wie Geringschätzung darin. Wulfen schien mit einer gewissen Verlegenheit zu kämpien, der er erst Herr wurde, als man sich in dem Eckzimmer niederließ, wo Editha ein feines 8ouxor hergerichtet hatte.
Editha Wulfen hatte in den langen Jahren, in denen sie den Haushalt in dem Schlöffe geleitet, sich eine gewisse Herrschaft über ihre ganze Umgebung und auch über Wulfen ungeeignet. Sie war, als man nach dem Tode der ersten Frau Wulfens ihr den kleinen, damals 5jährigen Herbert gebracht, fast zugleich mit dem Kinde in dem Schlosse erschienen, ohne daß ein Mensch sie darum ersucht hatte. Sehr energisch hatte sie sogleich die Zügel des Hauswesens in die Hand genommen und die Erziehung des mutterlosen Knaben geleitet. Böse Zungen behaupteten und wohl nicht mit Unrecht, daß sie dem berühmten Maler sehr gern die etwas magere Hand zum Bund sür's Leben gereicht hätte. — Wulfen schien aber vop dieser wohlmeinenden Absicht nie etwas geahnt zu haben; es war ihm angenehm, bei seinen häufigen Reisen sein Haus so wohl versorgt und die Erziehung seines Knaben in so guten Händen zu wissen. Kehrte er zurück, so fand er ein behagliches Heim. Für Herbert hatte Editha eine fast abgöttische Liebe, trotzdem er längst ihrer Erziehung entwachsen und auch nur zeitweise wie sein Vater auf dem Schlosse Aufenthalt nahm. Ihr Antlitz verklärte sich förmlich, als sie jetzt Wulfen berichtete, daß Herbert geschrieben und zwar aus Rom, auch eine Kiste habe er gesandt, die jedenfalls ein Hochzeitsgeschenk enthalte, denn dergleichen Aufmerksamkeiten versäume Herbert ja nie, noch nie hätte er ihren Geburtstag vergessen, wenn er auch noch so fern von der Heimat gewesen wäre. Wulfen blickte etwas betroffen aus, er hatte nie ein Gedächtnis gehabt für Editha's Geburtstag. Es schien ihm heute überhaupt erst aufzufallen, wie, alt und häßlich dieselbe geworden, als er Elisabeths rosiges Antlitz neben dem ihren sah. Nach dem Essen begab man sich nach Wulfens Zimmer, wo die Kiste aus Rom sollte geöffnet werden. Sie enthielt ein kleines Kunstwerk, aus weißem Marmor gemeiselt, ein schlafendes Mädchen. — Lose umschloß ein leichtes Gewand die zarten jungen Glieder, auf dem lieblichen Antlitz lag die süße Ruhe eines erquickenden Schlafes. Der Künstler hatte es meisterhaft verstanden, das blühende frische Leben, welches über der jugendlichen Gestalt lag, in die Ruhe des Schlafes zu bannen. Alle drei betrachteten das Kunstwerk mit Entzücken. „Wenn das wirklich Herberts Werk ist," rief Wulfen, „dann beuge ich mich vor seinem Genius."
„Natürlich ist es Herberts Werk", erwiderte Editha, „er schreibt es ja in dem Brief an mich: es sei eine Arbeit, die er schon vor längerer Zeit einmal begonnen und jetzt in Nom erst vollendet habe."
„Diese zarten Linien des Profils, der Schnitt der Augen," sagte Wulfen, sich wieder ganz in die Betrachtung des Kunstwerks vertiefend. „Mir däucht fast, dieses Gesichtchen gleicht dem Deinen, Elisabeth, sieh nur das Haar, es fällt eben so tief und wellig in die Schläfen wie das Deine. Wer weiß, was für ein schöner Traum ihm in Rom Dein holdes Bild schön gezaubert."
Elisabeth lachte: „Irgend eine schöne Italienerin wird ihn begeistert haben."
„Nein, nein, eine Südländerin ist das nicht, Kind, das sind üppigere Frauenerscheinungen, solche zarten jungfräulichen Mädchenknospen findet m an unter einem südlichen Himmel kaum, die bedürfen einer kühleren Atmosphäre, deutscher Wald- und Bcrgluft." „Ich habe mich denn doch getäuscht," setzte er nach einer Pause hinzu, „und Herbert zu wenig zuge raut, weil er sich zu Allem berufen fühlte, zu Malerei' zur Plastik, zur Musik, darum glaubte ich an keine wahrhaft große künstlerische Leistung von ihm, heute nehme ich mein Urteil über ibn zurück; wenn er so weiter schafft, dann hat er alle Aussicht, eine Berühmtheit zu werden."
Editha's kleine Gestalt hob sich förmlich bei