Westfalen; schönes Wetter begünstigt denselben. Gestern abend kam die Kaiserin hier auf dem Köln- Mindener Bahnhof an. Von der Bevölkerung, die zahlreich vor demselben versammelt war, mit herzli­chem Jubel begrüßt, fuhr die Kaiserin in geschlosse­nem Wagen zum königlichen Schlosse. Die Stadt ist prächtig geschmückt. Ein enormer Andrang von Fremden fand durch Extrazüge statt. Ueber 100 Kriegervereine sind eingetroffen. Unter endlosem Jubel der am Bahnhof aufgepflanzten Menge und der Schuljugend traf der Kaiser um 1 Uhr hier ein. Der Kaiser sah vorzüglich aus und fuhr unter Glockengläute und brausenden Hochrufen mit dem Kronprinzen zum königlichen Schlosse. Beim Festessen brachte der Landtagsmarschall den Toast auf den Kaiser, Se. Majestät einen Toast auf die Provinz, der Herzog von Croy einen Toast auf das königliche Haus aus.

DerReichsanzeiger" meldet aus Benrath: Auf die im Namen von etwa 75 Prozent aller in­dustriellen Arbeiter des Landkreises Düsseldorf von drei Arbeitern respektive Meistern überreichte Adresse mit 3123 Unterschriften, welche für das große Wohl­wollen und die ernste landesväterliche Fürsorge dankt, von welcher das durch des Kaisers persönliches Ein­schreiten in's Leben gerufene Krankenkassen- und Un­fall-Gesetz einen glänzenden Beweis gäben, erwiderte der Kaiser, sichtlich freudig bewegt, etwa folgendes: Es sei ihm nicht immer vergönnt, Dank zu ernten für seine Bemühungen zum Wohle des Volkes, um­somehr freue es ihn, heute solchem Danke zu begeg­nen, aus einem Stande, dem er seine ganz besondere Fürsorge widme, für dessen Wohl durch die Gesetz­gebung schon Wichtiges geschehen sei. Er freue sich auch, daß man anscheinend mit dem eingeschlagenen Weg zufrieden sei; Allen könne auch er freilich es nicht recht machen.

Heute (20.) sind es 22 Jahre, daß der da­malige Wirkliche Geheimrat v. Bismarck-Schönhausen zum Staatsminister ernannt worden ist. Im Laufe der Zeit ist der Minister, welcher noch heute Prä­sident des Staatsministeriums, Minister des Aus­wärtigen und des Handels ist, Reichskanzler und Fürst geworden, und während v. Bismarck 1866 noch Major war, ist er heute General der Kavallerie und Regimentschef im Heere.

Der von der Westküste von Afrika am 18. d. in Liverpool angekommene PostdampferMalabar" überbringt die Meldung, daß die Deutschen den an die Kolonie der Goldküste grenzenden Hafen Bah Besch annektiert haben. Einer der Könige von Ka­merun sei, weil er den Deutschen gestattete, die Stadt zu annektieren, von den Eingeborenen gebun­den und gepeitscht worden.

(Dementi.) Die kürzlich durch die Blätter gegangene Nachricht, es seien zwei Landwehrleute, weil sie sich ans dem Leipziger Bahnhos geweigert, in einem Gütertransportwagen sich nach Torgau befördern zu lassen, und aus telegraphischem Wege sich beschwerdeführend an den Kaiser gewandt hätten, je zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt worden, beruht, wie das Lcipz. Tagbl." mitteilt, auf müßiger Erfindung. Die Unter­suchung gegen die betreffenden Wehrleute schwebt noch und ist daher auch das Urteil noch nicht verkündet.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 22. Sept. Im böhmischen Landtage begründete Herbst in glänzender Rede seinen Antrag auf nationale Abgrenzung der Bezirke und beantragte die Zuweisung an eine besondere Kommission. Graf Clam beantragte eine Zuweisung an den Gemeinde- Ausschuß, da weitergehende Ziele, die in,den Antrag hiueingelegt werden sollen, abgelehnt werden müssen. Trojan erklärte, die Czechen werden nie die Zerrei­ßung Böhmens oder eine Verletzung seiner verbrief­ten Rechte zulassen. Der Antrag Clam's wurde ge­gen die Stimmen der Deutschen angenommen. Herbst sagt u. A., daß es nothwendig sei, daß der Rezirksinsasse zum Richter Vertrauen habe, was ge­genüber einem Richter anderer Nationalität nicht immer möglich sei. Mit der Sprachenverordnung sei ein Mangel für die Beamtenschaft anderer Na­tionalität in deutschen Bezirken geschaffen; auch die Geistlichkeit habe aufgehört, in deutschen Bezirken die Bezirkssprache zu reden. Betreffs des Landes­kulturrates sei die Regierungsmotivieruug bezüglich der Hinweisung auf Tyrol unrichtig. (Hier Beifall links, Gallerie zischt.) Herbst wendet sich gegen das Ministerum und sagt u. A.:Der Klassenhaß sei eingetreten, die Stände gegen einander gehetzt. Wenn gegen das Kapital geschürt werde, möge man nicht glauben, der Haß werde vor Latifundien stehen bleiben."

Wien, 23. Sept. DerPolit. Corresp." zu­folge schloß sich Rußland dem Protest Deutschlands, Oesterreichs und Frankreichs gegen die eigenmächtige Abänderung des egyptischen Liquidationsgesetzes an. Der Protest wurde bereits überreicht oder ist un­mittelbar bevorstehend. Der Anschluß Italiens werde erwartet.

Unter großer Beteiligung fand in Wien vor einigen Tagen die Beerdigung einer im 40. Lebensjahre verstorbenen Beamtenfrau, einer Schwester Hugo Schenk's statt. Sie hat das schreckliche Schicksal ihres Bruders nicht lange überlebt, es hat ihr das Herz gebrochen.

Frankreich.

Paris, 24. Sept. Offiziös wird versichert, es sei dem französischen Botschafter in Berlin, Ba­ron de Courcel, der morgen hier erwartet wird, ge­lungen, bezüglich der Behandlung der egyptischen Frage ein vollständiges Einverständnis mit Bis­marck zu erzielen, so daß Frankreich jetzt rechnen dürfe, bei Verteidigung seiner Interessen in Egypten durch die drei Kaiserreiche unterstützt zu werden. Die Manifestationen brotloser Arbeiter in Lyon neh­men täglich bedenklichere Dimensionen an. Mehrere der gefährlichsten Agitatoren haben sich nach Lyon begeben, um die Bewegung zu schüren. Die Regie­rung soll, wie es heißt, befürchten, daß auch in an­deren Städten, wo Tausende von Arbeitern brotlos sind, Manifestationen veranstaltet werden und daß sich dieselben in Paris ebenfalls erneuern werden.

Der Geschäftskrisis in Lyo n, wo 25 000 Ar­beiter ohne Arbeit sind, wird hier große Aufmerksam­keit geschenkt. Die Regierung wird jedoch in eine Forderung von Nationalwerkstätten keinesfalls ein­willigen.

Italien.

Neapel, 23. Sept. Die Offizielle Statistik zählt nunmehr 5000 Tode, von denen 700 begra­ben wurden, ohne daß ihre Identität hätte festge­stellt werden können. Man hat auf dem Kirchhof die Entdeckung gemacht, daß Lebende begraben worden sind.

Belgien.

Die liberalen belgischen Blätter greifen den König Leopold mit ziemlicher Heftigkeit an, weil er dem neuen Schulgesetz nicht sein Veto entgegenge­setzt habe. Als konstitutioneller Monarch hat aber der König unter allen Umständen korrekt gehandelt und er konnte nicht anders reden, als wie er zu den Bürgermeistern der petitionierenden Städte gespro­chen hat:Ich mache keinen Unterschied zwischen den Belgiern: ich werde für die einen das sein, was ich für die andern gewesen bin; meine Haltung ist die­selbe wie im Jahre 1879." Das ist die korrekte Sprache eines konstitutionellen Herrschers.

England.

London, 23. Sept. Dem Standard wird aus Berlin telegraphiert, Graf Herbert Bismarck überbringe eine wichtige Mitteilung des Reichskanz­lers an die englische Regierung betreffs Egyptens.

London, 23. Sept. Ein englisches Kano­nenboot ist Montag früh bei Tory Island geschei­tert. Von der Mannschaft wurden nur 6 gerettet. Man befürchtet, daß 50 Personen ertrunken sind. An Bord befanden sich auch 8 Marinecommissarien. Der Capitän und die Schiffsoffiziere befinden sich nicht unter den Geretteten.

(Armut iu England.) Einen traurigen Beweis für die furchtbare Not, in welcher sich manche Familien i» Sun­derland (England) befinden, gibt dasNewcastle Chronicle" in folgender Mitteilung: Eine Frau, welche ein Schwein hatte, hegie aus verschiedenen Anzeichen den Verdacht, daß dem Tiere das Futter, welches sie ihm brachte, weggenommcn würde. Sie stellte sich auf die Lauer und als es dunkelte, bemerkte sie, wie ein Mann und eine Frau sich heranschlichen und das Futter, aus Brot, Brühe und anderen Speiseresten bestehend, aus dem Troge Hollen. Die Frau folgte ihnen bis zu einem Hause, in das sie cintralen, und ging, nackdem einige Minuten ver­strichen waren, ebenfalls in das Hans, um zu ihrem Erstaunen zu sehen, wie fünf kleine, um einen Tisch sitzende Kinder das Futter ihres Schweines begierig verschlangen.

Handel L Verkehr.

* Nagold, 26. Sept. In den Hopfenhandcl kommt allmälig mehr Leben, indem Händler in benachbarten Ortschaf­ten bedeutende Käufe zu 95-100 abschlossen. Ein solcher Händler vertraute uns an, das; er schon gegen 60 Ztr. zu obigen Preisen aufgekauft. Die Hopfen sind durchweg schön und werden bei fortdauernder trockener Witterung nächste Woche manche Partiecn sackbar werden.

Stuttgart, 22. Sept. (Hopfen.) Preise etwas wei­chend und gingen von 95115 Prima Ware aus Herren- > berg und Nagolder Gegend wurde zu 130 angeboren.

Stuttgart, 25. Sept. Kartoffel-, Obst- und Kraut­markt. 600 Säcke Kartoffeln ä, 2.502.80 pr. Ztr. 1000 Säcke Mostobst ä 4.80 -5 pr. Ztr. 1000 Stück Filderkrant ä, 1015 pr. 100 Stück.

Auf dem Wochenmarkt inEßlingen waren Essiggurkerr so zahlreich am Markt, daß schöne Ware von 1012 Pfg. per Hundert in Masse zu haben war.

Güglingen, 22. Sept. Der erste Weinkauf wurde vor kurzem hier abgeschlossen und zwar von der Frühsorte der Portugieser, 3 Hektoliter zu 165 an einen Stuttgarter Wirt, der denselben auf dem Cannstatter Vollsfest ausschenken wird. Ebenso hört man, daß in Eibensbach ein Kauf gemacht wurde, 3 Hektoliter zu 105 Dieser Preis dürfte indessen zu nieder gegriffen sein.

Konstanz, 23. Sept. Ledermesse. Der Verkauf ging ziemlich rasch vor sich, so daß mittags Alles aufgekauft war. Es wurde bezahlt: für Sohlleder 1.251 45 pr. Pfd., Kalbleder 2.503.20, Wildleder 1.402.20, Schafleder 2028 per 10 Stück, rohe Häute 1721 per 10 Stück.

(Konkurseröffnungen.) Friedrich Allmendinger, Tuchdrucker in Mezingen.

Line unglückliche Königin

Historische Erzählung von R. Hoffma n n.

(Fortsetzung.)

Es dauerte einige Minuten, ehe sich Anna Bo- leyn ihre gesamte Situation klar machen konnte. Denn der lange, lange Traum mit seinem fröhlichen Anfänge und seinem entsetzlichen Ende lastet noch schwer auf ihr. Und dann erinnerte sie sich auch der Erlebnisse der gestrigen Nacht, was ihr der König geschworen und was für einen Schwur sie ihm gelei­stet hatte.

Anna schauderte. Sollte dieser Traum die richtige Vorbedeutung für ihre Zukunft sein?

Doch bald faßte sie wieder Mut, denn sie wußte, daß mit ihrem Willen, sei es als einfaches Hosfräu- lein, sei es als Königin niemals schlimme Thaten vollbracht und was sonst die Vorsehung über sie ver­hängen würde, das wußte sie mit Standhaftigkeit als Prüfung dahin zu nehmen, denn Annas Herz und Geist besaßen dazu die nötigen Eigenschaften.

Was konnte also der Traum im schlimmsten Falle bedeuten? Er konnte ihr vorher sagen, daß die Herrlichkeiten einer Königskrone auch ihre Schatten­seiten besaßen, daß sie viel Neider und Feinde am Hofe bekommen würde und daß deren Bosheit ihr Uebles zufügen wollte.

Doch ihre Tugendhaftigkeit sollte sie gegen alle Angriffe ihrer Feinde wappnen und dann besaß sie doch auch die Liebe Heinrichs, des mächtigen Königs von England, der seine künftige Gemahlin im Not­fälle doch auch in seinen Schutz nehmen mußte.

Die Schrecken des Traumbildes überwand Anna Boleyn daher bald. Sie erhob sich frohen Mutes von ihrer Lagerstätte, kleidete sich an und schellte dann ihrer Zofe, um ihre Toilette zu vollenden und den Morgenimbiß einzunehmen.

Bald erschien das flinke Mädchen mit freundli­chem Morgengruße, um sich ihrer Obliegenheiten zn erledigen und verkündete auch gleichzeitig ihrer Herrin, daß bereits ein Bote des Lord Percy einen Brief ge­bracht habe und auf Antwort warte.

Der Bote mit dem Briefe harre einstweilen auf dem Corridore und könnte wohl, sobald die Toilette vollendet, empfangen werden.

Die Zofe Elisa sagte dies mit sehr freundlichem Lächeln, da sie jedenfalls annahm, sie brächte ihrer Herrin eine sehr angenehme Botschaft, denn Lord Percy war ja der anerkannte Bräutigam Anna Bo- leyn's und ein Bote von diesem konnte nach der An­sicht Elisas ihrer schönen Herrin doch nur Glückliches, Ersehntes bringen.

Aber merkwürdiger Weise wurde Anna Boleyn sehr bleich, als sie von dem Boten hörte, der einen Brief von ihrem Bräutigam brachte und erst nach einer Weile sagte sie ihrer Kammerzofe Elisa, daß diese sich von dem Boten den Brief Lord Percy's ge­ben lassen und ihr bringen sollte.

Leise zitternd und ihre innere Erregung kaum beherrschend öffnete Anna Boleyn das herbeigeholte Schreiben ihres Bräutigams und durchlas es mit Fieberhaft.

In den Ausdrücken der zärtlichsten Liebe war Lord Percy's Brief abgefaßt, er bat seine geliebte Anna wegen der Scene auf dem vorgestrigen Hof­balle um Verzeihung, schrieb, daß ihr seine ganze Liebe gehöre, daß er an jenem Abende nur durch das lange Warten und die boshaften Redensarten mehrerer Lords so sehr verstimmt gewesen wäre und daß nun alles wieder gut sein solle. Aber am Hofe des Kö­nigs solle seine geliebte Anna doch nicht mehr lange bleiben, meinte Lord Percy am Schluffe seines Brie­fes. denn dort könnte ihrem Liebesglück vielleicht doch Gefahr drohen. Anna sollte, sobald es sich bewerk­stelligen lasse, aus den Diensten einer Hofdame der Königin Katharina scheiden und bis zu ihrer Vermäh-