Saarlouis, 12. Juni. Gestern wurde dem Oberstabsarzt Dr. Schmitten, der in die bekannten Militärbefreiungs-Geschichten mitverwickelt war, amtlich mitgeteilt, daß das in seiner Angelegenheit gefällte freisprechende Urteil des Militärgerichts die Bestätigung des obersten Kriegsherrn gefunden habe; zugleich wurde ihm sein Degen wieder zugestellt und er aus der Haft, welche 15 Monate gedauert hatte, entlassen.
Coethen, 16. Juni. Das hiesige Landesseminar ist nach einer Meldung der Fr. Ztg. in der vergangenen Nacht niedergebrannt. Das gesamte Inventar wurde zerstört.
Magdeburg, 8. Juni. Die Generalversammlung der deutschen „Reichsfechtschule" war von 200 Delegierten aus ganz Deutschland beschickt. Die Einigung mit Lahr konnte nicht erzielt werden, und so wurde einmütig beschlossen, das Lahrer Waisenhaus nur dann noch weiter zu unterstützen, wenn die betreffende Verwaltung jeder Sonderstellung gegenüber den Reichsfechtschulen entsagt. Verweigert dies die Lahrer Verwaltung, wie bisher, so sollen derselben die bereits gezahlten Beiträge von 108078 vlL 8 L belassen werden, wenn den Reichsfechtschulen dafür entsprechende Mitwirkung bei der Verwaltung, sowie das statutengemäße Recht auf Unterbringung von Waisenkindern, sichergestellt werden. Die Reichsfechtschulen gehen dagegen jetzt sofort nach Maßgabe der noch bereitliegenden Mittel im Betrage von 250000 Mark mit der Errichtung von 2 Waisenhäusern vor. — Wie dem Nürnberger „Korr." mitgeteilt wird, ist für Süddeutschland zur Errichtung eines Waisenhauses die Stadt Schwabach in Aussicht genommen, nachdem der Schwabacher Magistrat sich schon vorher bereit erklärt hatte, für eine etwaige Errichtung eines Reichswaisenhauses den nötigen Bauplatz unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Einen schrecklichen Tod fand der sechsjährige Sohn eines Mühlenbesitzers zu Oebisfelde (Provinz Sachsen) dadurch, daß er beim Suchen eines Balles, welcher in eine Mehlkiste gefallen war, kopfüber in diese hineinstürzte und erstickte.
Berlin, 14. Juni. Der Bundesrat nahm gestern die Zollvorlage an und fügte neue Zollerhöhungen für Baumwoll- und Leinenwaren hinzu. Die Börsensteuer wurde noch nicht beraten.
Berlin, 16. Juni. Die Bundesratsausschüsse beendeten heute die Beratung der Geschäftssteuer und nahmen vielfache Abmilderungen an. Warengeschäfte unter 5000 cM bleiben steuerfrei.
Berlin, 16. Juni. Nachdem die Ernennungen zum Staatsrat nunmehr feststehen, wird deren Publikation nächster Tage erfolgen. Den Abendzeitungen zufolge werden in den Staatsrat berufen auch : Levetzow, der Herzog von Ratibor, Arnim- Boitzenburg, Gneist, Dietze und Minnigerode, ferner Schorlemer-Alst, Bennigsen und Miquel. Es erfolgen 71 Ernennungen. —- Der Germania zufolge soll der Bischof von Fulda in den Staatsrat berufen sein.
Berlin, 17. Juni. Das „B. T." meldet, in Elberfeld sei kürzlich eine gerade aus Amerika gekommene Frau mit vier Koffern verhaftet worden, deren Eintreffen der Polizei signalisiert war und welche mit der Ausführung eines Attentats in Wiesbaden beauftragt war. Die Reise des Kaisers nach Wiesbaden sei deshalb unterblieben. Ein Mitschuldiger wurde in München verhaftet.
Berlin, 16. Juni. (Reichstag.) In der Somiabend- sitzung kam die Dampfcrsubvcntions-Borlage zur Beralung. Die Regierung fordert in dieser Borlage jährlich vier Millionen für die Zeit von 15 Jahren, also 60 Millionen, zur Unterstützung der deutsch-australischen und -ostasiatischen Dampsschisss- vcrbindung. Die Regierung will dann die Schiffs-Gesellschaften um diesen Staatszuschuß konkurrieren lassen: sic verlangt die Instandsetzung von 14 Schiffen, 10 für die Haupt-, 4 für die Nebenlinien, allmonatlich sollen die Fahrten stattfindcn. Stephan begründete als Regierungsvertrcter die Vorlage. Er berief sich auf die Sympathie aller Deutschen für die Verbesserung der deutschen Handelsbeziehungen. Unsere Beteiligung am Welthandel entspreche nicht unserer Macht und unserem Ansehen. Namentlich mit Ostasien, Australien und Polynesien seien die deutschen Handelsbeziehungen noch sehr gering. Dies habe seine Ursache in dem Fehlen direkter Dampfschifssverbin- dungen. Einige Hamburger Häuser hätten mit großen Opfern allerdings Verbindungen ins Leben gerufen, aber es seien dies Frachtdampferlinien, welche sehr langsam fahren und zur Vervollständigung ihrer Fracht an allen Häsen halten. Redner wies schließlich nochmals auf den nationalen Gesichtspunkt in d.Vorlage hin. Abg. Bambcrgcr bedauerte zunächst, daß der Vorredner Gründe für die Vorlage, nach denen man bis jetzt vergeblich gesucht, auch nicht beigebracht, sondern nur an Gemüt und Phantasie appelliert habe. Er, Bambergcr, bestreite, daß für unfern Verkehr mit Ostasicn nicht genügende Schisse vorhanden seien. Redner schließt mit der Aufsorderunng, die 4 Millionen zur Verbesserung der Postbeamtengehälter zu verwenden. Fürst
Bismarck will dem Vorredner nicht auf alles antworten, da die Zeit dazu nicht reichen würde. Die Beibringung des Ma- terials würde auch nichts genutzt haben: wer nicht überzeugt sein will, den könne das beste Material nicht überzeugen. Die Beweislast liege nicht der Regierung ob, die Regierung legt die Sache zur Prüfung vor, „sind Sie nicht überzeugt von dem Nutze» der Vorlage, so bin ich der letzte, der es Ihnen übel nimmt, aber von dem Augenblick an, wo Sie ablehncn, ist die Regierung von der Verantwortlichkeit für das Unterbleiben der angeregten Unternehmungen befreit, die auf Bambergcr und dessen Freunde fallen wird." Reichcnspergcr-Krescld beantragt die Verweisung der Vorlage an die Budgetkommission und macht alsdann eine Reihe von Bedenken gegen die Vorlage geltend. Dieselbe geht an die Budgetkommstsion, woraus sie nach allgemeiner Ansicht kaum wieder ausstehen wird.
Wie die „N. L. C." hört, ist seitens des Centrums der Antrag auf Erhöhung der Getreidezölle in Vorbereitung. Der Antrag ist offenbar für die bevorstehende Wahlbewegung berechnet.
Berlin, 14. Juni. Als die Transvaal-Deputation bei ihrer Abreise von Berlin im „Kaiserhose" ihre Rechnung begleichen wollte, wurde ihr mitgeteilt, daß Kaiser Wilhelm sie als seine Gäste betrachtet habe und daß die Kosten ihres Aufenthaltes demnach der kaiserlichen Schatulle zur Last fallen. Interessant war es, wie schnell Fürst Bismarck und die Transvaalers sich sprachlich verständigten. Zuerst wollte der Reichskanzler sich des Englischen bedienen, welches den Herren Krüger, Dutoit und Smit geläufig ist. Als er aber bei der Ansprache Krügers den afrikanisch-holländischen Dialekt der Herren vernahm und ihn — ziemlich gut verstand, faßte der Reichskanzler sich kurz und redete seine südafrikanischen Gäste einfach in vorpommerschem Platt an. Einen Augenblick gab cs allseitiges Verdutztsein. Den Herren vom Transvaal war es denn doch überraschend, daß der deutsche Kanzler Alles könne, anscheinend sogar „afrikaanderisch" sprechen. Im nächsten Augenblick waren sie aber doppelt herzlich erfreut, als sich herausstellre, daß in der That das Plattdeutsch, welches der Kanzler gebrauchte, ihrer Heimatssprache so ähnelte, daß eine gegenseitige Unterhaltung mit einiger Nachhilfe englischer Brocken ganz gut möglich war.
Zur Beilegung des serbisch-bulgarischen Konflikts hat Deutschland sofort Schritte gethan. Die Mächte Oesterreich und Italien, später auch England und Rußland, haben sich angeschlossen. Diese kombinierte Aktion hatte bereits den Erfolg, daß Bulgarien die Grenzwachen von dem strittigen Punkte Bregowo bis zur Austragung des Streites zurückzog.
Frankreich.
Wie von Paris gemeldet wird, begab sich vorgestern eine Deputation der dortigen deutschen Kolonie zum Fürsten Hohenlohe, der nach Abwesenheit mehrerer Wochen nach Paris zurückgekehrt ist, um ihm bei Gelegenheit seiner 10jährigen Wirksamkeit auf dem deutschen Botschafterposten ein Andenken zum Zeichen ihrer Hochachtung und Verehrung zu überreichen. Dieses Andenken besteht in einem Tintenfasse von massivem Silber, dessen Hauptfigur die Germania nach dem Denkmal auf dem Niederwald darstellt; auf der einen Seite erscheint die Diplomatie, auf der andern Handel und Gewerbe. Dieses Kunstwerk ging aus der Werkstatt von Bruckmann und Sohn in Heilbronn hervor und gereicht der deutschen Kunstindustrie zur großen Ehre.
Paris, 12. Juni. Nachdem sich der Senat am 30. Mai prinzipiell für die Ehescheidung ausgesprochen, stellte derselbe die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über die Fälle, in denen eine Ehe zu trennen ist, wieder her. mit Ausnahme einer Bestimmung, welche die Scheidung auf Grund wechselseitiger Einwilligung zuläßt. Die Ehescheidung ist demgemäß zulässig in folgenden vier Fällen : 1) im Falle des Ehebruchs der Frau, 2) wegen Ehebruchs des Mannes unter dem ehelichen Dache, 3) wegen Exzessen, sowie Mißhandlungen oder grober Beleidigungen des einen Ehegatten gegen den andern und 4) wegen Verurteilung des einen der Ehegatten zu einer entehrenden Strafe.
Paris 12. Juni. Ein gräßliches Verbrechen beging in Chapareillan bei Grenoble ein 36 Jahre alter Arbeiter namens Josef Jacquin. Derselbe erschlug mit einem Beil seinen 75jährigen Vater, seine 56jährige Mutter und seinen Bruder, einen jungen Burschen von 16 Jahren. Er brachte ihnen am Kopfe schreckliche Wunden bei; alle blieben auf der Stelle tot. Der Mörder wurde verhaftet.
England.
London, 16. Juni. Nach Daily News sind
die Hauptpunkte des engl.-franz. Abkommens betr. Egyptens folgende: die engl. Truppen bleiben bis zum 1. Jan. 1888 in Egypten, falls nicht die britische Regierung eine frühere Zurückziehung für zweckmäßig erachtet. Die Besetzung kann über den genannten Termin hinaus verlängert werden, wenn die engl. Regierung die Räumung für unzweckmäßig erachtet und irgend eine Großmacht für die Fortdauer der Besetzung sich ausspricht. Der Vorsitzende der egypt. Schuldentilgungskasse ist stets ein Engländer mit ausschlaggebender Stimme. Die beabsichtigte Anleihe beträgt 8 Mill. Pfd. Etwaige Reduktion der Zinsen der Prioritäts- und unifizierten Schuld sind nicht Gegenstand des Abkommens und bleiben der Konferenz Vorbehalten. Daily News fügt hinzu, diese Punkte würden jetzt zwischen der engl. Regierung und den übrigen Großmächten erörtert. Beiden Häusern des Parlaments werde von dem Ergebnis des Meinungsaustausches demnächst Mitteilung gemacht werden.
Die schon oft erwähnte englische Zeitung Standard schreibt anläßlich der Grundsteinlegung des Reichstagsgebäudes; Wir hören oft, daß Deutschland durch den Militarismus ruiniert werde. Dies ist einfach Unsinn. Seit 13 Jahren hat Deutschland keinen Schuß abgefeuert und keinen Soldat im Felde verloren. Wie kommt dies? Weil Deutschland stark und gefürchtet ist. Es ist vorbereitet aus den Krieg und genießt den Frieden. Dabei ist es der Schiedsrichter Europa's! Fürst Bismarck hat nicht ein Bataillon mobil gemacht, während das friedliebende Gladston'sche Kabinet zwei Kriege geführt hat. England hat da viel zu lernen! Deutschland und Oesterreich haben sich als die konservativsten Mächte erwiesen und sind darum die natürlichsten Bundesgenossen Englands. Das deutsche Volk muß sich aber unserer Bewunderung für seine Errungenschaften, für seine Friedensliebe, seine Stärke und seinen konservativen Geist versichert halten und weiter glauben, daß wir seine Freundschaft jener des barbarischen Rußlands und des eitlen Frankreichs vorziehen.
Bradlaugh hat seine gezwungenen Parlamentsferien dazu benutzt, an den Prinzen v. Wales einen Brief zu schreiben, in welchem er ihn als Mitfreimaurer auffordert, an der Ausbreitung des Atheismus mitzuarbeiten, da dies das Ziel der englischen und festländischen Freimaurerei sei. Der Prinz soll diesen Brief dem Großmeister der Großen Loge, Lord Carnarvon, übergeben haben, der wahrscheinlich Bradlaughs Ausweisung aus der Loge veranlassen wird.
Rußland. ^
In Petersburg hat am Sonntag die Trauung des Großfürsten Sergius mit der Prinzessin Elisabeth von Hessen unter großen Feierlichkeiten in der Kathedrale des Winterpalais stattgefunden.
Die jüngste Reise der Kaiserin von Rußland nach Süddeutschland hat, wie dem D. M. B. berichtet wird, eine kleine Vorgeschichte, die nicht der Pikanterie entbehrt. Die Kaiserin, welche ihre Eltern, die sie im vorigen Jahre in Dänemark besucht hatte, wiederzusehen wünschte, wollte in diesem Jahre eine Fahrt nach dem nordischen Strand unternehmen. Ihr Gatte jedoch, der Zar, schlug das Rendezvous in Süddeutschland vor, da ihm bei der vorjährigen Anwesenheit in Dänemark so viel Bettelbriefe zugegangen waren, daß es mehr als fürstlicher Mittel bedurft hätte, alle Bittsteller zu befriedigen.
Spanien.
Madrid, 14. Juni. Sieben Verurteilte von der „Schwarzen Hand wurden heute in aller Stille hingerichtet. Sechs andere, gleichfalls zum Tode verurteilte sind zu lebenslänglichem Kerker begnadigt worden. Einer derselben hat sich in seiner Zelle erhängt. Ein zum Tode Verurteilter ist wahnsinnig geworden.
Die spanischen Offiziere, die soeben nach einem sechswöchentlichen Aufenthalte in Deutschland nach Madrid zurückgekehrt sind, wurden am 11. ds. von König Alfons empfangen und erstatteten demselben einen kurzen Bericht. Sie gaben der unbegrenzten Befriedigung über die Höflichkeit und Freundlichkeit Ausdruck, mit welcher sie von allen, vom Kaiser und Kronprinzen abwärts empfangen wurden. Den größten Eindruck übte nach der Times die Herablassung und Wärme auf sie aus, mit welcher sie bei ihrer Ankunft von dem Kaiser empfangen wurden. Er reichte jedem Einzelnen der spanischen Offiziere die Hand und gab der Hoffnung Ausdruck, daß ihnen