Abg. v. Luz, für die Eingaben in Betreff der Ab­änderung des Wahlgesetzes (Wiedereinführung der Wahlkouverts) den ntterjchastlichcu Abg. v. Schad.

Stuttgart, 12. Juni. Der Ausschuß des Stuttgarter GewcrbcvereinS hat sich in Folge eines Erlasses des K. Ministeriums des Innern mit einer hvhcrn Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umher- ziehcn beschäftigt und sich im Prinzipe, trotz vielfacher Einreden gegen die in Frage stehende besondere Be­steuerung in jedem Oberamtsbczirke, d. h. also gegen eine prinzipielle Erschwerung des Hausierhandels ausgesprochen. Bei dieser Stellungnahme ging er davon aus, daß verschiedene Industriezweige mit dem Absatz ihrer Produkte vorzugsweise auf diesen Weg angewiesen sind, daß vom lokalen Standpunkte aus nicht behauptet werden könne, daß durch ihn dem stehenden Gewerbe bedeutender Eintrag geschehe und daß die allerdings berechtigten Klagen über Belästi­gungen der Einwohnerschaft durch Hausierer auf ein anderes Gebiet, das der Polizei, gehören.

(Zum Raubanfall in der Kronprinzenstraße.) Durch die Anarchistenprozesse in Wien ist, wie es scheint, auch das Dunkel gelüftet, welches bisher über den vor längerer Zeit in Stuttgart und Straßburg begangenen Raubattentaten schwebte. Gegen den Anarchisten Anton Kämmerer soll nämlich, wie dem B. T. aus Wien gemeldet wird, die Anklage wegen des Raubattentes an dem Bankier Heilbronuer in Stuttgart und dem Apotheker in Straßburg erhoben werden. Die Erhebungen ergaben, daß Kämmerer und Stellmacher beide Verbrechen begingen.

Crailsheim, 12. Juni. Gestern nachmittag wurde Herr Schultheiß Waldmann in Tiefenbach von dem dort ansässigen Weber Hiblcr, der wegen einer Forderung in die Amtsstube geladen war, rück­lings überfallen und mit dem Messer schrecklich zu- gcrichtet. Herr Waldmann erhielt 4 Stiche, worunter einen in den Kopf, und viele sonstige Verwundungen, welche großen Blutverlust zur Folge hatten. Die Wunden sind gottlob nicht lebensgefährlich. Der Unmensch Hiblcr ging nach der That durch, kam über die Jagst und konnte erst gegen Abend von Stations­kommandant Schweizer, dem er sich energisch zur Wehr setzte, verhaftet und gefesselt in das Amtsge- richtsgesängnis in Crailsheim cingeliefert werden. Hibler ist verheiratet, Vater von 5 Kindern und war' schon früher einmal im Gefängnis wegen einer Messer- affaire.

Sulzbach a. d. M., 14. Juni. Laut gestern hier von der Staatsanwaltschaft Ulm cingelrvffencr Nachricht mußte das Verfahren des von hier gebür­tigen und in Zürich wegen Unterschlagung von ca. 12 000 ^ verhafteten Postassistenten Pfuderer auf Grund umfassender ärztlicher Beobachtung eingestellt werden. Der Unglückliche wird nunmehr der Heil­anstalt Winnenden überwie'en.

Vom Allgäu, 11. Juni. Einen eigentümlichen Fund machte, so schreibt manN. T."' am vergan­genen Montag auf der unweit des Pfarrdorfes Bol- sternang, Gemeinde Großholzleute, gelegenen Schletter- alp, über welche der Weg zum schwarzen Grat führt, ein Hirte, der auf jenem Berge Vieh hütete. Der­selbe fand dort nämlich unter dem im Viehstalle be­findlichen Heu versteckt neben einem Gewehr mit Pul­ver und Patronen und einem Fernrohr in einem Paket Wertpapiere, wie z. B. Pfandbriefe der baye­rischen Hypotheken- und Wechselbank, der Süddeutschen Bodenkreditbank rc. im Werte von 7700 cM. Da sämtliche Wertpapiere, denen die Coupons bestiegen, mit Ausnahme eines Pfandbriefes der letztgenannten Bank, welcher auf die Kapellenstiftung Bachtel, Ge­meinde Mittelbcrg, Bezirks-Amts Kempten, lautet, auf verschiedene Stiftungspflegen der Gemeinde Ma­riarein, Bezirks-Amts Kempten, eingeschrieben sind, wird ein Diebstahl der Papiere, von dem übrigens noch nichts bekannt geworden ist, vermutet und auch anzunchmen sein. Eine dem Paket beigclcgcue Pho­tographie eines jungen Mannes mag auch einiger­maßen zur Aufklärung der Sache dienlich sein.

Wie aus Heidelberg geschrieben wird, fand man dieser Tage auf freiem Felde zwischen der Rohr- bachcr Straße und der Schwetzinger Chaussee einen etwa 60 Jahre alten Mann an einem Baume erhängt auf. Aus einem bei der Leiche Vorgefundenen Zettel standen die Worte:Liebe Mitmenschen. In Gottes Namen und in Jesu Namen muß ich mir das Leben nehmen, wegen Verzweiflung. Liebe Mitmenschen, laßt mir eine Kiste machen und legt meinen Körper darein. Begrabt mich auf dem Kirchhof in ein Grab.

Mein Geld und meine Uhr könnt ihr nehmen für mein Begräbnis. Ihr laßt mir nichts an als meine Unterhose, Hemd und Socken. Meine Kleider könnt ihr demjenigen geben, welcher mich beerdigt. Mir nach, spricht Christus! Gott sei mit euch. Tausend­mal lebt wohl." Sein Hemd und seine Uhr trugen die BuchstabenI. W.", welcher Schriftzug auch iu den Arm des Unglücklichen tätowiert war.

Frankfurt a. M., 11. Juni. DerBeob." meldet aus angeblich zuverlässiger Quelle die bevor­stehende Abdankung des Großherzogs von Hessen. Ob die Ehe mit Frau Kolemine bestehen bleibt, sei ungewiß.

In Dieburg (Hessen) sind kürzlich nachts auf dem an der Muttergotteskirche befindlichen Friedhöfe von ruchlosen Händen über 20 Grabdenkmäler, da­runter sehr wertvolle, vollständig zertrümmert worden.

(Fürsten-Zusammenkunft.) DerBörsenztg." zufolge soll in Wiesbaden in nächster Zeit eine Zu­sammenkunft zwischen unserem Kaiser, dem König und der Königin von Dänemark, dem König von Griechenland und dem Prinzen und der Prinzessin von Wales stattfindcn.

Mühlhausen, 10. Juni. Seit einiger Zeit kommen fast täglich 1012 Wagenladungen Kälber aus der Schweiz hier durch, welche für London be­stimmt sind. Es siud dies meist große 46 Wo­chen alte Thiere. Auch viele Straßenbahnwagen und Lokomotiven, welche aus der Schweiz kommen, passieren den hiesigen Bahnhof.

Die Unsitte, beim Kegelschieben die Kugel recht tief aufzusetzen, hat ein Menschenleben gekostet. Ein Maurer in Hildesheim hatte sich nämlich, als er die Kugel wegschleuderte, einen Holzsplitter derart unter den Nagel eingetricben, daß er sofort ohnmäch­tig zusammenstürzte und nach kurzer Zeit sein Leben aushauchte.

(Die Leichenverbrennung in Gotha.) Ungewöhn­lich stark ist im Laufe der vorigen Woche der Leichen­verbrennungsapparat zu Gotha in Thätigkeit gesetzt worden. Man bestattete seit dem 5. ds. auf dem Feuerwege Frau Bergrat Röhr aus Julmenau, den Sanitätsrat Dr. Lehmes ans Berlin, Frau Wohl- gemuth und den Färbermeistcr Reich, beide von Gotha. Es sind nunmehr seit dem Bestehen der Anstalt 177 Feuerbestattungen vollzogen worden, darunter in die­sem Jahre schon 11 Frauen.

Ueber das Rciseprogamm des Kaisers, der sich, wie bereits milgeteilt, Freitag nach Ems begibt, berichtet die N.-Z., daß ein Aufenthalt von 2 Tagen in Koblenz, von 3 Tagen auf der Insel Mainau in Aussicht genommen ist. Der Kaiser begibt sich so­dann nach Gastcin, von wo er im August zur Ab­haltung der Manöver uach Berlin, bezw. nach Ba­belsberg zurückkehrcn wird.

Ems, 14. Juni. Der Kaiser ist im besten Wohlsein heute vormittag hier eingctrofsen.

Fürst Bismarck wird, wie mau vernimmt, sich im nächsten Monat bestimmt nach Kissingen zum Kurgcbrauch begeben. Die Fürstin wird voraussicht­lich in einem andern süddeutschen Bade Heilung von ihrem Magenleiden suchen.

Berlin, 11. Juni. Die Bundesratsaus­schüsse haben heute die zweite Lesung des Börsen­steuergesetzes beendet. Sie haben sich bemüht, das nicht börsenmäßige Warengeschäft von der Steuer auszunehmen und haben das steuerfreie Minimum für Warenumsätze von 1000 auf 3000 er­höht. Ferner sollen Geschäfte über selbsterzeugte oder zur Verarbeitung bestimmte Waren ganz steuer­frei bleiben. Was die Kontrollbestimmungen anbe­langt, so wird das Steuerbuch zwar beibehalten, die Steuerbehörde soll aber nur in Ausnahmefällen Einsicht in dasselbe verlangen können. Für gewöhn­lich soll ihr nur ein Auszug eingereicht werden, der die laufende Nummer und den Steuerbetrug, dage­gen nicht die Namen der Geschäftsschließenden oder sonstige Details des Geschäftes enthält. Auch ein­zelne Strafbestimmungen sind gemildert. Das Ple­num des Bundesrates wird das Gesetz am Sonn­abend beraten.

Berlin, 13. Juni. Der Kaiser hat gestern die Ordres wegen Einberufung des Staatsrats, so­wie wegen der Ernennung neuer Mitglieder dessel­ben vollzogen. Die erste Einberufung steht in näch­ster Zeit zu erwarten, jedenfalls vor Schluß des Reichstags. Nicht wahrscheinlich ist es, daß jetzt schon Gesetzvorlagen, welche für den nächsten Land­tag bestimmt sind, dem Staatsrate vorgelegt werden,

es sei denn, daß in letzter Session unerledigt geblie­bene, wie Steucrvorlagen rc.. Material dazu bieten. Zunächst wird es sich um die Constituirung handeln, damit der StaatSrat sofort das Material, das ihm zugeht, in Angriff nehmen kann. Fürst Bismarck scheidet zunächst aus dem preußischen Ministerium nicht aus, obschon dies nach wie vor sein Wunsch bleibt, er wird jedenfalls im Staatsrat eine hervor­ragende Stelle haben und so wird die Verbindung zwischen diesem und dem Staatsministerium her- gestellt.

Berlin, 11. Juni. Der jüngst in ärmlichen Verhältnissen verstorbene Stroußberg gewann soeben in zweiter Instanz den Prozeß gegen den preußischen Fiskus betr. Forderungen von 7 Millionen aus dem Bau der Hannover-Altenbecker-Bahn.

Berlin, 12. Juni. Ueber die Geschäftssteuer wird nachträglich bekannt, Baden und Württemberg seien mit allen Abmilderungs-Anträgen in den Aus­schüssen unterlegen. Schließlich stimmten alle Staaten, ausgenommen Hamburg und Lübeck, für den etwas modifizierten Entwurf.

Berlin, 11. Juni. In ein hiesiges Juwelen­geschäft traten dieser Tage zwei elegant gekleidete Herren, welche einer vor der Thür hallenden Kutsche entstiegen waren, und wünschten Brillantringe zu kaufen. Es wurden ihnen Ringe im Preise von etwa 100 ^ vorgelegt, weil der eine der Herren erklärte, er wolle für den zum Geschenk an seine Braut bestimmten Ring nicht mehr verausgaben. Nach längerem Su­chen wühlten die Herren einen Brillantring zum Preise von 110 , den aber schließlich der Jnyaber des

Geschäfts für 100 c/kL abließ, da die Herren verspra­chen, bei ihm weitere Einkäufe zu machen. Bezahlt wurde der Ring mit einem Hundertmarkschein. Kurze Zeit, nachdem die Käufer das Geschäft verlassen hatten, kam ein Herr in den Laden mit der Frage, ob nicht vor kurzer Zeit zrmi Herren bei ihm gewesen seien und einen Gegenstand gekauft hätten, den sie mit einem Hundertmarkschein bezahlten. Als der Ju­welier diese Frage bejahte, erklärte der Fremde, er sei Kriminalkommissär und beauftragt, die beiden Her­ren zu verfolgen; es seien Falschmünzer, die mit ge­fälschten Hundertmarkscheinen Betrügereien verübten. Auf Verlangen wurde ihm der betreffende Hundert­markschein vorgelegt, den er, ihn mit Kennermiene betrachtend, für gefälscht erklärte. Am sein Ver­langen wurde ihm der Schein gegen eine mit seinem dienstlichen Charakter Unterzeichnete Quittung ausge­händigt, nachdem der Kriminalkommissär noch erklärt hatte, daß die Verhaftung der beiden Schwindler noch im Laufe des Nachmittags und am nächsten Vor­mittag erfolgen und der Juwelier dann seinen Ring, der jedenfalls noch im Besitze der Schwindler sich befände, von der Kriminalpolizei zurückempfangen würde. Hierauf entfernte sich der Herr. Als aber im Laufe des nächsten Tages weder der gedachte Kriminalkommissär sich sehen ließ, noch eine Nach­richt der Kriminalpolizei bei dem Juwelier einlief, begab sich der letztere nach dem Molkenmarkte, wo er erfuhr, daß dort ein Kriminalkommissär mit dem von ihm angegebenen Namen gar nicht bekannt und er einem Schwiudlerkonsortium zum Opfer gefallen sei.

Eine merkwürdige Erfahrung machte in Berlin eine Frau, der ein Kanarienvogel entflogen war und für dessen Einlieferung sie 10 ^ Belohnung ausge­setzt hatte. Nicht weniger als 15redliche Finder" meldeten sich, jeder mit einem Kanarienvogel in der Hand, keiner aber war der rechte.

Oesterreich-Ungar».

Wien, 10. Juni. Der Gerichtshof hat be­schlossen, einen Antrag auf Begnadigung Stellmachers nicht zu stellen. Wie diePresse" erfährt, war Stellmacher auch dringend verdächtig, mit Kämmerer die Raubattentale beim Bankier Heilbronner in Stutt­gart und in der Apotheke in Straßburg, sowie an einem Droschkenkutscher daselbst verübt zu haben. In der Apotheke wurden nach dem Attentate eine llhrkette, die früher, wie erhoben wurde, Eigentum Kämmerers war. und ein Rezept gefunden, das von einem Arzte iu Zürich für Stellmacher ausgestellt worden war. Gegen Stellmacher wurde die bezüg­liche Anklage nicht erhoben, da er als Ausländer die Verbrechen im Auslande verübt hatte. Gegen Käm­merer, der Inländer ist, wird vor dem Garnisonsge­richte auch wegen der iu Stuttgart und Straßburg verübten Verbrechen die Anklage erhoben werden.

Frankreich.

Einige radikale französische Blätter schlagen