sen sich auf die zartesten Körperteile so lange mit - Ruten und Stricken schlagen, bis das Blut aus den Wunden strömt. In der jüngsten Zeit ist es so weit ^ gekommen, dag in Rio Arriba einer der eifrigsten
! dieser Büßer sich einen eisernen Block um den Hals
binden und in den Fluß werfen ließ, in welchem er unter Freudenbezeugungen ertrank. In Taos ersuchte ein Glied dieser Sekte seine Freunde, ihm die Ehre der Kreuzigung widerfahren zu lassen und die Freunde beeilten sich, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Wohl wurden sie nachher vor eine Jury gestellt, aber frei- qeiprochen. Und als sich eine Anzahl Katholiken, denen die Gräuel zu arg wurden, an das Gouvernement wandten, erklärte dieses, der Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat erlaube nicht, dagegen einznschreiten; das müsse man der öffentlichen Meinung überlassen. Mittlerweile nimmt der Unsinn jener neu-mexikanischen Flagellanten, gefördert durch die Schaulust des neugierigen Publikums, immer größere Dimensionen an.
„War mir's doch, als hörte ich Deine Stimme, Bruno/ sagte sie leise und blickte zu dem Bilde eines schönen Knaben empor, das über ihrem Schreibtisch hing. „Denkst Du an mich heute, wo überall die Menschen fröhlich beisammen sind und nur ich so allein. Ist mein einsame- Bild Dir erschienen und hat auch in Dir Erinnerungen wachgcrufcn?"
„Helene!" rief cs da noch einmal, nein, das war keine Geisterstimme, das war ein heißer leidenschaftlich stehender Ton. Sie sprang auf.
„Bruno! Sie sind cs, Sie sind es wirklich?" rief sie halb erschreckt und halb beseligt. Verwirrt fragend hing ihr Blick an dem gebräunten, etwas verwüsteten Männerantlitz, das so gar nicht mehr an das weiche, schöne Knabenantlitz erinnerte, dort über ihrem Schreibtisch.
„Ich bin es schon, kein anderer, nimm nur den müden Wanderer, der durch die weite Schneeivüste zu Dir geeilt ist, freundlich auff Helene."
Das war der alte, lebensfrohe, sorglose Klang seiner Stimme, den Helene nicht vergessen, und das sonnige Lächeln, das setzt momentan seine Züge erhellte, das war dem Knaben Bruno auch schon eigen gewesen, ja er war es, Bruno der Jugendgespiele und er hatte sie nicht vergessen, endlich war er zurückgekehrt zn ihr. Er hatte jetzt ihre beiden Hände erfaßt und schaute prüfend in ihr Antlitz.
„Ich bin alt geworden," sagte Helene, „die Zeit ist gar so lang, daß wir uns nicht gesehen haben."
„Ja, Du warst damals ein rosiges süßes Kind und ich ein wilder unerfahrener Knabe. Nun, das Leben hat mich ordentlich in die Schule genommen und Dich wohl auch, arme Kleine. Bist Du immer so allein gewesen all die langen Jahre?"
„Gewiß immer, wer fragt nach einem alten, einsamen Mädchen," erwiderte Helene, und das Lächeln, was um ihre Lippen spielte, hatte etwas unsagbar Rührendes.
„Aber nun kommen Sie, setzen sie sich; es ist so lieb von Ihnen, daß sie heute zum heiligen Abend zu mir gekommen sind, gerade heute empfand ich das Schicksal der Einsamkeit schmerzlicher denn je."
Bruno hatte auf dem alten Lehnstuhl, der ihm ein alter Bekannter aus Heleneus Vaterhaus war, Platz genommen. Sinnend schaute er sich in dem einfachen Zimmer um, die Möbel, die Bilder an den Wänden, jedes Stück, was er sieht, rief eine Jugenderinnerung wach. Aus den blaugeränderten Tassen, die Helene jetzt auf den Tisch setzte, hatten sie beide schon als Kinder getrunken. Die Theekanne, die Thee- büchse, der alte gelbe Brotteller, Alles grüßte ihn so heimisch. Ihm war es, als wäre es nur ein schöner Traum, der ihm die Heimat vorgezaubert, als müsse er im nächsten Augenblick in irgend einem öden Hotelzimmer daraus erwachen.
„Soll ich Ihnen den Thee zurecht machen, wie Sie es früher liebten?" frug da Helenens sanfte Stimme.
„Warum nennst Du mich Sie, Helene?" erwiderte er verwundert, „bin ich Dir so fremd geworden?"
„Es liegt so lange Zeit dazwischen, daß wir uns nicht sahen, aber wenn Du es wünschst, Bruno."-- Eine flüchtige Röte stieg auf in ihrem Antlitz.
„Ja die Jahre, die langen Jahre," erwiderte Bruno und strich das lockige Haar aus der Stirn. „Es wäre wohl besser gewesen, Dein Bild hätte mich nie verlassen in diesen langen Jahren. Ich bin nun heimgekehrt, Dir zu beichten, Helene, weißt Du, wie ich es früher so oft gethan. Du erteiltest mir dann stets gütig Absolution. Wirst Du es auch diesmal thun?"
„Wenn die Sünden nicht gar zu groß sind," antwortete Helene scherzend.
„Es drückten mich gar viele, eine der größten ist wohl die, daß ich Dich gänzlich vergessen konnte. Aber in dem sonnigen Italien erfaßte mich das Leben wie ein Rausch; das malerische herrliche Land, die reichen Kunstschätze, die schönen dunkeläugigen Frauen, alles das verwirrte, bethörte mich. Es waren tolle Jahre, die ich dort durchlebt, durchschwärmt habe. Allerdings lernte ich auch das Schöne erkennen, suchen und finden. Manch hoher Gedanke ist mir dort gekommen und manches Gute habe ich dort geschaffen. Aber ich vergaß Dich, die Heimat, mich kümmerte weder Vergangenheit noch Zukunft, nur leben, nur genießen wollte ich. Und dann packte mich doch einmal mächtig die Stimme des Gewissens, einst, als ich nach einer durchschwärmten Nacht durch die Straßen
Handel H Verkehr.
Herrcnbcrg, 0. Juni. Dcr Stand unserer Felder und Baumgüter berechtigt zu den schönsten Hoffnungen. Sämtliche Futtergewächse versprechen reichen Ertrag. Die Getreidefelder sind üppig, die Winterfrüchte stehen sehr dick und kräftig, so daß wir Heuer, wenn wir vor schadcnbringender Witterung verschont bleiben, eine doppelte Garbenzahl ernte» werden. Etwas mehr Feuchtigkeit wäre für die Sommersaat von großem Nutzen. Die Kartoffeln sind voran, die Bäume haben reichlich Früchte angesctzt, und die Kirschbäumc, namentlich die den Bergen entlang, versprechen eine gute Ernte. Unsere Hopfen sind sehr weit voran, die letzten Gewitterregen haben die Pflanze rasch gekräfligt und dieselbe von Erdflöhen gereinigt.
Rottenburg, 4. Juni. Was alle Berichte ans den verschiedenen Landesteilen über den inutmasflichen Obstertrag besagen, das trifft auch in unserer Gegend vollständig zu. Bei ! herrlichem Blütcnstand haben wir einen Fruchtansatz, der viel zn wünschen übrig läßt, wohl eine Folge der zu lang anhaltenden Kälte in der Zeit der Blüte. Frühobst gibt cs bei uns wenig, Spätobst nicht viel. Fast ganz fehlt das Steinobst, namentlich Zwetschgen, die doch sehr reichlich blühten. Im Gegensatz zu dem Gesagte», berechtigt der Weinstock zu den schönsten Hoffnungen; denn 50 und noch mehr Trauben sind durchschnittlich an den Stöcken gewisser Sorten zu treffen. Hopfen stehen schön.
^ Kirchheiin ujT., 5. Juni. (Weltmarkt.) Die Zu
fuhren auf unser» Woümarkt haben Heuer um 8 Tage bälder begonnen als sonst, da die lang andauernde günstige Witterung eine frühzeitigere Wäsche möglich machte. Das bis heute auf Lager befindliche Quantum beträgt ca. 4000 Ztr. Die Wolle zeigt ohne Ausnahme eine schöne reine Wasche und ist gut trocken. Handelswollc ist bis jetzt nur in einigen Partieen vorhanden; es sind jedoch mehrere bedeutende Posten angemeldet. Nach den fortdauernden Anmeldungen zu schließen, dürste die Frequenz des heurigen Marktes hinter derjenigen dcr früheren Märkte keinesfalls Zurückbleiben, ja eher dieselbe noch übertrcffein_
Line alte Ließe.
Erzählung von S. F.
(Fortsetzung.)
Ein Licht nach dem andern erlosch knisternd an ' dem kleinen Bäumchen, draußen in der nahen Kirche läuteten die Glocken das Weihnachtsfest ein. Thränen rollten über Helenens Wangen; heißes Sehnen erfaßte sie nach einem lieben Menfchenantlitz, nach einer Hand, die die ihre drückte, nach einer geliebten Stimme, die gute freundliche Worte zu ihr spräche. Doch es blieb einsam und still um sie herum. „Warum den Abend nicht verbringen, wie alle andern?" sagte sie endlich und setzte sich an ihren Schreibtisch. „Es war s wohl kindisch und thöricht von mir, mir einen Christ-
i bäum anzuzünden, der Duft der Tanne und der Wachs-
^ lichter hat einen so eigenen süßen Zauber, aber uns j alte Menschen stimmt er sentimental." j Bald flog die Feder über das Papier. Ihr
^ Geist war noch umfangen von den Jugenderinnerungen ^ und ein frischer Hauch von Jugend und Poesie durchwehte die kleine Erzählung, die heute Abend noch vollendet werden sollte. Weit hinaus über den engen Raum, in welchem sie weilte, ward sie von ihrer Phantasie getragen. Sie war nicht mehr allein, freundliche, liebe, Gestalten umschwebten sie und die Jugend kehrte ihr wieder und das Glück und die Liebe! » Mild beleuchtete das Lampenlicht das feine geistig belebte Antlitz der eifrig Schreibenden; ihre Wangen röteten sich, die schweren dunkelblonden Haarflechten waren tief in den Nacken herabgesunken. Sie bemerkte es nicht, wie jetzt leise die Thür geöffnet wurde. Eine hohe Männergestalt trat herein, blieb aber gefesselt an der Schwelle stehen, in tiefer Bewegung hingen seine Blicke auf ihrem gesenkten Kopf.
Endlich ruhte die Feder, ein glückliches Lächeln spielte um die Lippen der Schriftstellerin, sie war zufrieden mit ihrer Arbeit.
> „Helene!" tönte da eine tiefe zitternde Stimme,
aber sie wendet den Kopf nicht.
Roms wanderte. Im Strahl des ersten Frührots sah ich ein junges Mädchen an dem hohen Bogenfenster eines alten Palastes lehnen. Es war ein deutsches Kind mit blauen Augen und goldenem Haar; mit leiser süßer Stimme sang sie das Mendelssohn'- sche Lied:
Es ist bestimmt in Gottes Rat,
Daß man vom Liebsten, was man hat,
Muß scheiden.
Erinnerst Du Dich? Du sangest es mir an einem der letzten Abende, die ich in der Heimat verlebte. Dieses Lied zauberte mir mit Allgewalt Dein Bild vor die Seele. Thränen der Reue traten mir in die Augen, eine brennende Sehnsucht erfaßte mich nach Dir, nach Deiner Verzeihung. Bald darauf verließ ich Italien und eilte nach unserer Heimat, niemand kannte mich dort wieder. Ich stand an den Gräbern meines VaterS, Deiner Eltern, als ich nach Dir fragte, wies man mich hierher. Und nun erteile mir Absolution, Helene, ich verspreche Dir heilig, Dich nie wieder zu verlassen. Du wirft mir eine treue liebe Gattin werden, nicht wahr?"
Helene schaute zu ihm auf. Hätte ein Strahl warmer aufrichtiger Liebe ihr aus seinen Augen entgegen geleuchtet, sie hätte freudig eingewilligt, sein Weib zu werden. Aber sein Blick verriet nichts von einem tieferen Empfinden, wie es in diesem Moment durch ihre Seele zitterte. Nur Mitleid, vielleicht auch Dankbarkeit trieb ihn zu mir, gestand sie sich traurig, lieben thut er mich nicht mehr!
„Verziehen ist Dir Alles, Bruno, doch Dein Weib kann ich nur nicht mehr werden," erwiderte sie fest. „Die Jahre, die langen einsamen Jahre haben mich alt gemacht, ich tauge nicht mehr für ein neues Leben."
Betroffen schaute Bruno in das edle Frauenantlitz. Allerdings, die Jahre waren nicht spurlos an ihr vorübergegangen, manche seine Linie der Sorge, des Schmerzes hatten sie dort eingegraben. Es lag jener geheime kummervolle Zug der Entsagung darauf, wie man ihn oft bei den Einsamen findet. Konnten die schwermütigen Augen jemals wieder im Hellen Glück strahlen? Dieses einsame alte Mädchen sich in ein liebendes, hingebendes Weib verwandeln? Diese Fragen drängten sich ihm erbarmungslos auf. Und doch, wie heimisch, wie wohlig war es ihm in ihrer Nähe. Er fühlte es dunkel, daß das Leben an ihrer Seite ein reiches und gesegnetes werden könnte. Aber er war Künstler und liebte die Schönheit und die Jugend über Alles, und hier hatte die Zeit so viel zerstört! — Ein übermütiges, schönes Frauenantlitz tauchte auf vor seinen Blicken, Marietta! wie würde sie lachen, ihn verhöhnen, den sentimentalen Deutschen mit seiner alten, alten Liebe.
„Du willst nicht, Du willst wirklich nicht die Meine werden, Helene?" fragte er erstaunt, als könnte er so viel Entsagung nicht fassen. „Bin ich darum durch die weite Schneewüste gekommen, um von Dir zu hören, daß Du mich verschmähst?"
„Nenne es nicht verschmähen," sagte Helene mit zitternder Stimme.
„Nun und wie beliebst Du es denn zu nennen?"
Da rang es sich los von ihrem Herzen im bittern Klageton: „Es ist ja nicht Liebe, nur Mitleid war es, was Dich zu mir trieb!"
Bruno war aufgesprungen, in heftiger Bewegung durchschritt er das Zimmer, dann blieb er vor Helenens Schreibtisch stehen und durchblätterte das darauf liegende Manuskript.
„Ach, also darum diese Kenntnis des menschlichen Herzens, ich wußte nicht, daß Du Schriftstellerin bist, Helene," sagte er mit eisigem Hohn. „Natürlich, ein Weib, deren Handwerkszeug die Feder ist, vertauscht dieselbe nicht gern wieder mit dem Kochlöffel und der Nadel."
„O. Bruno, es war mein einziger Trost all' die langen Jahre."
„Und ich will Dich dieses Trostes nicht berauben!" Er griff nach seinem Hut.
„Du willst gehen?" rief Helene. Wie Gespenster tauchten schattenhaft die langen einsamen Jahre, die nun wieder kommen werden, vor ihr auf — und es hätte doch so schön sein können.
„Ich gehe und zwar verlasse ich Deutschland so schnell als möglich," erwiderte Bruno. Es zieht mich mächtig zurück nach meinem sonnigen Italien, da verstehen die Weiber nicht zu schriftstellern, aber sie verstehen zu lieben, auch wo sie nur unser Mitleid voraussetzen. Lebe wohl!"