Altertumssammlung des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung erworben worden.

Im Gürzenich in Köln fand am 24. ds. die Generalversammlung des Schutzvereins für den Pa­pier- und Schreibwarenhandel statt. Aus der Erör­terung übereinheitliche Lineaturen für Volksschul­hefte" ist hervorzuheben, daß in Deutschland bis zu 36 verschiedene Lineaturen für Volksschulhefte be­stehen, was weder für Lehrer, Schüler, noch für Fabrikanten oder Lieferanten irgend einen Vorteil bieten kann. Nur Württemberg stehe als eine Aus­nahme da, dort seien nur einheitlich 6 Lineaturen gestattet, und doch schreibe man dort nicht schlechter als im übrigen Deutschland. Ein Rundschreiben in dieser Angelegenheit in einer Auflage von 4000 Stück an die Schulvorstände u. s. w. des Reiches hatte den Erfolg, daß auf 3999 keine Antwort irgend wel­cher Art einging. Nur ein einziger Direktor erkannte die Notwendigkeit der einheitlichen Lineatur in einem Dankesschreiben an und erklärte sich bereit, das Stre­ben zu unterstützen. Es wurde der Beschluß gefaßt, weiter für die Sache zu arbeiten.

Ein baumstarker Müller aus Rendsburg, der oft versichert hatte, er fürchte sich vor Gott und Teufel nicht, hat in einem Gasthofe in Hamburg dasGruseln" gelernt. Nachts wachte er erschrocken auf, weil ihm etwas Kaltes und Glitscheriges über den Leib gekrochen war; mit einem Sprung war er aus dem Bette und trat mit den nackten Füßen wie­der auf Nacktes und Eiskaltes und erhielt Schläge. Hilfe! Hilfe! schrie er, daß es durch den ganzen Gasthof schallte, Schlangen, Schlangen! und sprang auf den Tisch. Wirt und Gäste drangen in das Zimmer und fanden, daß es von Aalen wimmelte. Diese Tiere waren in einem Korb verpackt von einem Reisenden vergessen worden und nachts aus dem Korb gebrochen. Der Müller liegt in wildem Fiebertraum heute noch darnieder.

Berlin. Prinz Wilhelm kehrte am 28. aus Rußland zurück und wurde alsbald vom Kaiser em­pfangen.

Berlin, 28. Mai. In unterrichteten Kreisen verlautet, daß der vielbesprochene Kongo-Vertrag, welcher am 26. Februar d. I. zwischen Portugal und England zu Stande kam, als thatsächlich besei­tigt angesehen werden könne und weder auf seine Vollziehung, noch auf seine Ausführung mehr zu rechnen sei. Man darf auch hierin eine Frucht der deutschen Kolonialpolitik erblicken, denn neben Frank­reich ist es namentlich Deutschland gewesen, welches Einsprüche gegen jenen Kongo-Bertrag erhob und durch die Sendung des Dr. Nachtigal an die West­küste von Afrika bewies, daß es den Engländern und Portugiesen im Kongo-Gebiet nicht so ohne weiteres das Feld allein überlassen wollte.

Neue diplomatische Enthüllungen über die dem Kriege von 1870 vorangehenden Ereignisse gibt ein ehemaliger französischer Agent in Deutschland, Rothan, in einem demnächst erscheinenden Buche, in dem die Diplomaten des Kaiserreichs, namentlich der Herzog von Grammont und Marschall Lebveuf schlecht weg kommen. Elfterer war der Schrift zufolge in einer- hochmütigen Verblendung über die kriegerische Macht Frankreichs einerseits und Preußens andererseits be­fangen, ohne daß er ein Verlangen nach Aufklärung über die wirkliche Sachlage empfunden hätte, oder überhaupt für bessere Unterrichtung zugänglich ge­wesen wäre. Letzterer befand sich zu seinem Schrecken gegenüber der aufs rascheste sich vollziehenden deut­schen Mobilmachung in größter Unbereitschaft. Das Volk und Militär selbst trieb sich ohne Erkenntnis der drohenden Gefahr in tumultuarischeu und trunkenen Szene» herum. Als Hauptschürerin des ganzen Krieges erscheint die Kaiserin, die ihre Strafe zuerst und furchtbar empfangen hat.

Große Aufregung verursacht in der Geschäftswelt eine neue von der preußischen Regierung eingebrachte Börsensteuer-V orla ge wegen der großen Schürfe und Strenge ihrer Bestimmungen und der Höhe der Taxe. Durch die Konlrolmaßregeln sollen nicht blos die Geschäftsabschlüsse der Banken, sondern auch die der Kaufleutc und Vermittler in den Effecten- oder Warcnbrancheneiuerstrengen polizeilichen Uebcrwachung unterstellt werden, wobei jede Unterlassung mit gerade­zu drakonischen Strafen belegt wird. Für jede Unter­lassung oder unrichtige Eintragung ist eine Strafe von mindestens 500 Mark zu zahlen. Ueberdies aber bestimmt der Entwurf, daß, im Falle jemand sich eine Verkürzung des Steuersiskus zu Schulden

kommen läßt, eine Strafe mit dem 500fachen Betrage der nicht bezahlten Abgabe zu entrichten habe. Aus dem Umstande, daß einzelne deutsche Blätter, welche mit den Negierungskreisen Fühlung zu haben pflegen, den Gesetzentwurf als zu weitgehend bezeichnen, so­wie, daß die nationalliberalen Organe die Vorlage wenigstens in dieser Form für unannehmbar erklären, schöpft man Hoffnung, daß die drohende Gefahr für den deutschen Handel vorübergehen werde. Ja, es wird die Nachricht verbreitet, daß die preußische Ne­gierung selbst eine Umarbeitung des Gesetzentwurfes beabsichtige.

Die Prov.-Korresp. sagt in einem Artikel über die Börsensteuer, man bekämpfe dieselbe in all­gemeinen Redewendungen und Schlagwörtern, ver­suche die prozentuale Börsensteuer als eine gegen Handel und Kapital feindliche Maßregel darzustellen und prophezeie den Untergang des Börsengeschäfts und des Nationalwohlstandes. Die gegnerische Presse gestehe damit indirekt die praktische Ausführbarkeit der vorgeschlagenen Besteuerungsform zu. Es sei unerfindlich, wie eine an sich gerechte, notwendige Maßregel das legitime Vcrkehrsgeschüft untergraben, weßhalb sie nicht das illegitime Börsenspiel schädigen solle. Dieselbe hebe die Ungerechtigkeit auf, daß der Verkehr mit den schon viel höher belasteten unbeweg­lichen Werten dem Wcrtstempcl unterworfen sei, während der Verkehr mit beweglichen so gut wie vollständig abgabenfrei sei. Die Ueberzeugung von der Notwendigkeit und Gerechtigkeit der Börsensteuer sei eine so allgemeine, daß die preußische Regierung des Dankes der ganzen Bevölkerung sicher sein dürfe. (Uebrigens mehrt sich die Opposition gegen das neue Börsenstcuerprojekt zusehends. Auch die Handels­und Gewerbekammer in Stuttgart hat Stellung gegen dasselbe genommen.)

Die Berliner sind glücklich, Frau Kolemine gesehen zu haben. Sie ist eine Dreißigerin, eine Dame von hohem und schlankem Wuchs, schwarzein Haar und dunkeln Augen und einem bildschönen und interessanten Gesicht. Sie kam über Berlin auf der Rückreise nach Petersburg. Man sagt, der Großher­zog habe sich nur mit ihr trauen lassen, um sein Wort zu halten und habe seinem Minister v. Starck geradezu befohlen, die standesamtliche Trauung zu vollziehen, andern Tages ober habe er sich von ihr getrennt. Er reiste nach London, sie nach Petersburg.

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat das Reichsgericht eine nicht unwichtige Entscheidung ge­troffen. Ein in einem Steinbruch oder in einer Fabrik, in welcher Steine bearbeitet werden, be­schäftigter Arbeiter verlor durch das Absplitteru eines Steines, in Ermangelung einer Schutzbrille, die Sehkraft auf einem Auge. Auf Grund des Haft- pflichtgesetzes verklagte er den Arbeitgeber mit dem Anträge auf Zahlung von Ernährungsgeldern, wurde aber in zwei Instanzen abgewiesen, weil es seine Sache gewesen wäre, sich eine Schutzbrille auzuschaf- fen. Das Reichsgericht vernichtete jedoch diese Ur­teile, indem es den Grundsatz aussprach, daß zu Ein­richtungen, welche die Fabriken nach der Gewerbe­ordnung mit Rücksicht auf die besondere Beschaffen­heit deS Gewerbebetriebes zur Sicherung der Arbeiter auf eigene Kosten zu beschaffen haben, in einem Falle wie dem vorliegendem auch Schutzbrillen gehörten und zwar ohne Rücksicht darauf, daß die Arbeiter dieselben selbst zu beschaffen im Stande wären; denn jene Bestimmung der Gewerbeordnung sei eben allgemein gehalten.

(Ein Gewohnheitsmörder.) Ueber die Aufsehen erregende Verhaftung des Besitzers derNeuen Welt" in Gleiwitz wird den Görl. Nachr. geschrieben: Gillner, ein sehr jähzorniger Mann, erschoß vor 13 Jahren auf der Wilddieberei im Streite seinen Knecht. Nach vollbrachter Mordthat vergrub er die Leiche und gab au, der Knecht sei »ach Polen ausgewan­dert. Ein zweiter Knecht hatte die That jedoch ge­sehen. Bei einem Zank zwischen Herrn und Knecht drohte letzterer mit Anzeige. Am selben Tage erschoß Gillner den Aermsten und scharrte ihn ein. Auch hierbei war aber der Mörder beobachtet, und zwar von seinem achtjährigen Sohne. Derselbe erzählte es andern Tages seiner Mutter, und Gillner und ein Dienstmädchen, die in einem Nebenzimmer weilten, hörten das. Tags darauf war der arme Junge eine Leiche; das Scheusal von Vater hatte ihm Gift ge­geben. Der Arzt konstatierte als Todesursache Ra­chenbräune. Der Mörder unterhielt schon zu dieser Zeit mir der vorgenannten Dienstmagd ein Verhält-

l nis, das nicht ohne Folgen blieb; vor acht Jahren ! gab sie einem Kinde das Leben und auch dieses wurde von Gillner vergiftet. Die Mutter war Mitwisserin der That. Die ganze Reihe von Verbrechen ist nun durch Denunziation des Dienstmädchens ans Tages­licht gekommen. Dieselbe wollte sich jetzt verheiraten und erbat von Gillner 900 Mark, der aber sehr gei­zig ist und das Geld verweigerte. Aus Rache ging das Frauenzimmer zur Polizei und zeigte alles an. Die Aufregung in der ganzen Gegend ist eine unge­heure; der Verhaftete benimmt sich vollständig ruhig. Dem Manne sind in den letzten 10 Jahren sämtliche Kinder, 6 an der Zahl, gestorben. Man möchte fast an ein Verhängnis glauben.

Das Städtchen Neurode, Grafschaft Glatz, ist von einer großen Feuersbrunst heimgesucht worden. Es sind zusammen 20 Besitzungen und die katholische Kirche eingeäschert worden. 84 Familien sind ob­dachlos.

Frankreich.

Paris, 28. Mai. Die Armeekommission der Kammer lehnte das Amendement des Unterstaats­sekretärs Durand, welches gewissen gelehrten Berufs­zweigen Dienstbefreiungen gewährt, ab. Die Kam­mer nahm Artikel 1 der Rekrutierungsvorlagc, welcher alle Franzosen vom 20. bis 40. Jahr zum Militär­dienst verpflichtet, an, ferner mit 363 gegen 4 Stim­men den Artikel 2, wonach die Militärpflicht für Alle eine gleiche und obligatorische ist. (Nibot sagte, das Kriegsbudget Frankreichs beträgt 600 Mill. u. ist das schwerste in ganz Europa.)

Als Merkmal der freundlichen Stimmung, die augenblicklich in den Beziehungen zwischen Deutsch­land und Frankreich herrscht, ist die Pariser Nach­richt bemerkenswert, daß dem ersten Sekretär der deutschen Botschaft in Paris, Legationsrat von- low, das Kommandeurkreuz der Ehrenlegion verliehen worden ist.

Ein künstliches Gesicht. In Favrot bei Landrecies im Norddepartemeut lebt so erzählt man der Boss. Z. aus Paris der frühere Ar­tillerist Joseph Moreau, welcher während des deutsch-französischen Krieges wohl die schrecklichste aller Verwundungen erlitten hat, deren Heilung ge­lungen ist. Ein Granatsplitter riß ihm am 3. Ja­nuar 1871 bei Bapaume, rechts von oben kommend, das ganze Gesicht weg; Augen, Nase und Oberkie­fer waren zerrissen, der Unterkiefer verrenkt. Man ließ ihn für tot liegen. Eine halbe Stunde später stand er jedoch von selbst auf und da das linke Auge noch einen Rest Sehvermögen zeigte, kam er, öfters fallend und auf den Knieen rutschend, bis Ervillers. Am folgenden Tage ließ ihn ein Oberst nach Arras fahren und ins Lazareth bringen, wo er erst am 4. Oktober entlassen werden konnte. Während dieser 9 Monate war die Vernarbung nicht vollständig geworden. Man schaffte Moreau nach dem Lazaret Val de Grace in Paris, wo er bis zum 26. März 1872 blieb. Hier wurde er sorgfältig ge­pflegt und Gegenstand lebhafter wissenschaftlicher Er­örterungen, Im April wurde er alsvollständig ge­heilt" entlassen. Diese traurige Vollständigkeit besteht darin, daß man ihm ein künstliches Gesicht aufgesetzt hat. Da alle Weichteile seines Gesichts durch die Granate abgerissen und sogar die Knochenteile viel­fach gequetscht worden waren, glich das Antlitz fast einem Totenkopfe: zwei leere Augenhöhlen, eine Höhle an Stelle der Nase und ein offener Mund. Hier­auf hat man eine Wachsmaske angelegt, welche alle fehlenden Teile begreift. Der Zahnkünstler Delalain legte einen künstlichen Gaumen an, um daS Gebiß des Oberkiefers wieder herzustsllen. Die Maske paßte ganz genau, die Augen derselben sind geschlossen; sie hält sehr fest, besonders da allmälig an ihrem Rande eine kleine Hautwulst angewachsen ist. Der Patient atmet durch die Löcher der falschen Nase; in den inneren Augenwinkeln der Maske sind zwei kleine Luftlöcher angebracht. Die Höhlung bei der Nase ist mit Charpie unterlegt, um die innncre Na­senhaut zu schützen. Ein kleines Schwämmchen nimmt den Nasenschleim auf und verhindert das Eindringen fremder Körper. Alle Funktionen sind jetzt gesichert. Moreau atmet frei, ißt ohne Beschwerde, vermag selbst Hartes zu beißen, spricht so deutlich wie früher, riecht, vermag sogar Flöte zu spielen. Ec erfreut sich jetzt vollständiger Gesundheit, erzählt bereitwillig seine Erlebnisse und bethätigt die allen Blinden eigene Ergebung in sein Schicksal. Sein Gehör und beson­ders der Tastsinn und daS Gefühl haben sich außer-