Nicht geringes Aufsehen erregt die vorgestern in Eßlingen wegen Verdachts der Wechselfälschung erfolgte Verhaftung des Gemeinderaths und Führers der dortigen Sozialisten W. Morlock.

Zn Backnang starb ein Mezger an Blutver­giftung. Er hatte sich beim Schlachten eines am Milzbrand erkrankten Stückes Vieh verwundet; in Rottenburg ein Bäcker, der sich am Arm mit einem rostigen Nagel verletzt hatte.

Worms, 11. Dez. Letzten Sonntag gelang es der hiesigen Polizei, eine Hochstaplerin zu ver­haften . die bereits seit mehreren Jahren mit einem spanischen Marquis umherreiste, alsFrau Mar­quise auf großem Fuße lebte, bis ihr Begleiter we­gen in der Schweiz, Frankreich, Italien rc. verübter schwerer Diebstähle im Juli l. I. in Wiesbaden ver­haftet wurde. Brillanten, sowie ein größerer Geld­betrag wurden bei derMarquise" aufgefunden. Die Abenteurerin wird wegen eines in Genf in einem Hotel ersten Ranges verübten schweren Diebstahls von über 10000 Francs dorthin ausgeliefert werden.

Ueber die Todesfälle in der Armee schreibt das Frankfurter Journal": Die parlamentarischen Wi­dersacher unserer Heeres-Einrichtungen. welche mit ganz besonderer Vorliebe auf den Resultaten der militärischen Selbstmordstatistik herumzureiten pflegen, thäten gut. folgende ziffermäßigen Angaben zu be­herzigen, die wir in der Zusammenstellung eines Pro­fessors der Universität Pavia über das zahlenmäßige Berbältniß der Todesfälle in den europäischen Är­meren finden. Darnach kommen auf je 10000 Mann vom preußischen Heere nur 57 Sterbefälle, in England 84. in Frankreich 92, in Oesterreich und Italien dagegen 112 resp. 116 (!). Es stellt sich bei dieser Gelegenheit der merkwürdige Umstand her­aus, daß die Sterblichkeitsziffer im umgekehrten Ver- hältniß zu den bürgerlichen steht. So starben von je 10000 Zivilpersonen in England 217, in Frank­reich 244, in Preußen 269. Darnach wäre also die Wahrscheinlichkeit zu sterben für einen preußischen Soldaten etwa fünfmal geringer als für einen preu­ßischen Civilisten. Wie reimt sich damit die fort­schrittlich-demokratische Fabel von derTyrannei" der militärischen Vorgesetzten, welche den Mannschaf­ten ihr Dasein angeblich bis zum Lebensüberdruß verbittert!

Berlin, 11. Dez. Die Meldungen der Blät­ter von der bevorstehenden Reise des Cultusministers v. Goßler und des Flügeladjutanten des Kaisers, Grasen v. Lehndorff nach Italien sind gänzlich un­begründet.

In militärischen Kreisen geht das Gerücht, daß die Generale Graf Blumenthal, Commandant des 4. Armeekorps, jetzt Begleiter des Kronprinzen in Spanien, und von Treskow, Commandant des 9. Armee-Corps, in den Ruhestand treten wollen. Der Chef der Admiralität, General v. Caprivi, plant die Reorganisation des See-Bataillons.

DasBerliner Tageblatt" leistet sich folgen­des klassische Diktum:In der That bei einem Be­suche des Kronprinzen würde der Vatikan etwas noch nie Dagewesenes erleben. Zum ersten male stände dann in der Persönlichkeit des deutschen Thron­erben der Hochmeister des Freimaurerordens vor dem Inhaber des Heiligen Stuhles. Der Vertre­ter der höchsten Toleranz vor dem Vertreter der höchsten Intoleranz".

(Reichsgericht.) Wird einer Ehefrau eine unter nachfolgender Gutheißung des Ehemannes ge­stohlene Sache geschenkt, so macht sich nach einem Nrtheil des R.-G. vom 19. Okt. der Ehemann da­durch noch nicht der Hehlerei schuldig, selbst wenn er zur Zeit der Gutheißung von der strafbaren Erwerbs­art der Sache Kenntnis) gehabt hat. Durch dieselbe Entscheidung hat das Reichsgericht ferner den allge­meinen Rechtssatz ausgesprochen, daß das Ansich- bringen von gestohlenen Sachen nicht als Hehlerei zu bestrafen ist, wenn der Thäter zur Zeit des An- sichbringens keine Kenntnis) von der strafbaren Er- werbSart hatte resp. haben konnte und erst später davon Kenntniß erlangt hat.

Das Krankenkassengesetz trist;in Kraft. Es müssen jetzt die gewerblichen Arbeiten dst Entscheidung treffen, in welche Kasse sie eintreten. In eine Kasse müssen sie treten, denn das Reichsgesetz schreibt un­bedingten Beitritt vor; aber sie haben die Wahl unter den Kassen. Der zwangsweise Beitritt aller gewerblichen Arbeiter zu den Krankenkassen wird sich in der Folgezeit gewiß als eine soziale Verbesserung

Herausstellen. Es ist eben ein Anfang, der von wei­teren Schritten in der Socialreform nicht entbindet, sondern vielmehr dazu drängt. Der Staat soll über­haupt in socialen Dingen, auch wo er vom besten Willen beseelt ist. nichts künstlich machen, aber er soll zum Guten anregen, ermuntern, fördern, und wo es reif ist, ihm auch zur festen gesetzlichen Form verhelfen. Die Krankenversicherung ist dieser Art und so möge der erste gedeihliche Schritt bald von wei­teren gefolgt sein! Mannigfaltig, wie die Ursachen socialer Mißstände, müssen auch die Hilfsmittel da­gegen sein. Dahin gehört die Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Getränke. In vielen Städ­ten sind bereits Vereine gegründet zur Verschwörung des Alkoholteufels. Daß die Trunksucht die schwer­sten sittlichen und socialen Gefahren im Gefolge hat, darin begegnen sich alle Gesellschaftskreise und Be- rufsartcn, welche zur Bekämpfung des Nebels Zusam­menwirken. Nichts aber würde den Vereinen zur Bekämpfung der Trunksucht mehr schaden, als wenn sie den Feind lediglich in den Reihen des niederen Volkes suchten. Die Moralität der großen Masse ist wesentlich bedingt von dem Zustande der Mora­lität in den höheren und wohlhabenden Schichten der Bevölkerung. Diese sind auch darin die natür­lichen Führer des Volkes. Und da ist es denn gar kein Zweifel, daß die sog. gebildeten Kreise in xuuoto des Trinkens nicht immer mit einem guten Beispiele vorangehen.

Der liebe Gott. Ein Arzt besuchte neulich eine Berliner Irren-Anstalt, wobei ihn einer der Kranken begleitete und durch seine Auskünfte in Er­staunen setzte. Derselbe kannte die Krankengeschichte jedes Einzelnen genau und schilderte dieselbe dem Arzt höchst sachgemäß. Endlich kamen sie zu einem Kranken, von dem der Begleiter meinte, dem sei nicht zu helfen.Denn, sehen Sie," flüsterte er dem Arzte in's Ohr,er bildet sich ein, er sei der liebe Gott und der bin ich ja selbst!"

In Nr. 279 des Neuen Mühlhauser Tage­blatt findet sich folgende Notiz:Einem Burger zu Maienfeld, Graubündten, wurde in einer Nacht ein reicher Kindersegen beschecrt: im Hause 2 Knäb- lein, im Stalle 2 Kälber, drei Lämmer und 16 Ferkel.

Oesterreich-Ungarn.

Pest, 13. Dez. Das Abgeordnetenhaus beschloß, die Annahme der Ehegesetzvorlage aufrecht zu erhalten und das Oberhaus hiervon zu verständigen. Die Sitzungen wurden hierauf dis zum 10. Januar k. I. vertagt.

Frankreich.

Paris, 13. Dez. Es sind Unterhandlungen wegen eines Waffenstillstandes oder provisorischen Einstellung der Feindseligkeiten in Tonkin im Gange. In hiesigen offiziellen Kreisen glaubt man, die Reise des französischen Botschafters in Berlin, Baron Cour- cel, nach Friedrichsruh, habe zum Zweck, die Schwie­rigkeiten zwischen Frankreich und China zu begleichen. Lord Granville ist zur Vermittlung bereit, jedoch erst nach einer Verständigung mit dem Reichskanzler Für­sten BiSmarck. indem England wegen Egyptens der guten Dienste Deutschlands bedarf.

Paris. 15. Dez. Der Ministerrath setzte die neue Tonkin-Kreditforderung auf zwanzig Millionen fest, wovon drei Millionen zur Kompletirung des Materials der Arsenale, siebzehn Millionen für den Unterhalt des Expeditionscorps im ersten Halbjahr 1884 bestimmt sind. Die Tonkinkreditvorlage soll heute der Kammer zugehen. Die beigefügten Motive geben die Zahl der abzusendenden Verstärkungen nicht an, heben aber hervor, daß letztere beträchtlich sein sollen. Es bestätigt sich, daß General Millot die Landtruppen befehligen wird. Courbet wird den Oberbefehl der Seekräfte führen.

Ein Pariser Fabrikant feiner Lederwaaren sagte neulich: Wir copiren jetzt die Deutschen. Die ha­ben so viele neue, schöne und originelle Sachen an­gefertigt, daß sie überall Anklang finden und uns nichts übrig bleibt, als ihnen nachzufolgen. Ein an­derer Pariser Fabrikant rühmt von einem hübschen, praktischen Federhalter, der jetzt aus Deutschland be­zogen wird:Wenn ich diesen Federhalter erfunden hätte, wäre mein Glück gemacht; ich würde Patente darauf nehmen und die Sache im größten Stile ausbeuten. Der deutsche Fabrikant liefert denselben so billig, daß eine Concurrenz unmöglich wird; cs lohnt nicht, ihn nachzuahmen. Dieser Mann ver­steht zu arbeiten, aber nicht Geschäfte zu machen.

Etwas Neues kann man immer etwas theurer ver­kaufen, bevor es Gemeingut geworden. Man ver­dient dann mehr und schneller, kann seine Arbeiter besser bezahlen und etwas aufmuntern. Finden die­selben, daß sie mit neuen Artikeln sich etwas besser stellen, so strengen sie sich an. ihrerseits ebenfalls Neues zu erfinden und Verbesserungen anzubringen. Dadurch kommt das ganze Geschäft vorwärts, der Wetteifer wird angefeuert." So der Gewährsmann, welcher offen cingestand:Wenn eS so sortgeht, dann werden wir vollständig von den Deutschen über­flügelt. Seitdem dieselben angefangen zu erfinden, machen sie immer größere Fortschritte, finden immer mehr Anklang. Als Nachahmer und Copisten waren sie uns nicht sehr gefährlich. Sie konnten nur durch große Billigkeit Absatz finden, nachdem wir den Rahm abgeschöpft hatten. Das Publikum wußte sehr wohl zwischen Original und Copie zu unterschei­den. Unsere deutschen Concurrentcn kamen erst mit ihren Copicn, nachdem wir schon das beste Geschäft gemacht hatten. Wenn es so fortgehk, wird sich das Blatt am Ende noch ganz wenden."

In Frankreich scheinen sich dst Royalisten mit der sozialistischen Arbeiterpartei verbündet zu haben, denn es kommen verschiedene Kundgebungen aus Arbeiterkreisen gegen das Ministerium Ferry, verbunden mit der Aufforderung, sich um die Fahne Philipps VH. zu schaaren. Die Bewegung wird von der Polizei energisch bekämpft, wer weiß aber, ob hier nicht der Anfang vom Ende der Republik ist?

Warum weder Frankreich noch China den Krieg will. Die Pol. Corr. läßt sich aus London schreiben:Obgleich die französisch-chinesischen Differenzen sich immer mehr verschärfen, veryarrt man in den hiesigen offiziellen Kreisen in dem Glau­ben , daß es zu keinem Kriege kommen werde. Die Lage ist thatsächlich eine solche, daß keiner von den beiden Gegnern im Stande ist, einen entscheidenden Schlag zu führen. China vermag zwar die Fran­zosen in Tongking unaufhörlich zu belästigen, aber es kann Frankreich nicht angreisen; ebenso wäre ein Einfall Frankreichs in China ein so kostspieliges Unter­nehmen, und würde die Beziehungen Frankreichs zu den anderen Mächten so sehr gefährden, daß er fast unausführbar erscheint. Die Kosten einer solchen Ex­pedition würden die französischen Finanzen überaus stark belasten und eine Blocade chinesischer Häfen wäre unmöglich, da die anderen Mächte vertrags­mäßig das Recht besitzen, Kriegsschiffe dorthin zu entsenden. Selbst die Entsendung von Truppen nach China wäre für Frankreich mit großen Schwierigkeiten verbunden, denn die Marine-Stationen, wo Kohlen­depots für die Schiffe sich befinden, sind fast alle im Besitze Englands, das, als neutrale Macht, nicht gestatten könnte, daß einer der kriegführenden Theile sich mit Vorräthen versehe. Und was schließlich für die Franzosen am meisten in die Waagschaale fällt, ist die Rücksicht auf die Lage in Europa, welche die Entsendung einer größeren Truppenmacht in so ent­fernte Gegenden als einen politischen Fehler erscheinen ließe. Alle diese Erwägungen gestatten die Hoffnung, daß die Streitigkeit schließlich durch Errichtung einer neutralen Zone zwischen dem unter französischem Pro- tectorate stehenden und dem chinesischen Gebiete ge­schlichtet werden wird.

Spanien.

Der deutsche Kronprinz ist gestern (Freitag) Mittag, von der Bevölkerung aufs wärmste begrüßt, in Barcelona eingetroffen und hat sich nach einer Fahrt durch die Stadt, begleitet von den sympathischsten Kundgebungen, um 5*/2 Uhr zur Rückreise eingeschifft.

Als der Kronprinz sich gleich nach seiner An­kunft in Granada nach der Alhambra führen ließ, äußerte er zu seiner Begleitung: Endlich bin ich am Ziele eines der höchsten Wünsche meines Lebens. Rußland.

(Religionswechsel deutscher Prinzessinnen?) Zwei russische Großfürsten haben sich in den letzten Tagen mit deutschen Prinzessinnen verlobt. Da liegt die Frage nahe, ob wir abermals das wenig erfreu­liche Beispiel eines Religionswechsels erleben wer­den. Friedrich der Große hielt für unwürdig, daß eine Prinzessin seines Hauses um der Heirath mit einem russischen Großfürsten willen ihren Glauben ändere und so unterblieb die Heirath. Friedrich Wilhem III. dachte anders und so mußte Prinzeß Charlotte, die nachmalige Kaiserin, vor ihrer Ver­mählung mit dem Großfürsten Nikolaus zur griechi­schen Kirche übertreten. Keine russische Großfürstin,