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der rüstigen Leitung des 77jährigen Greiseszu bekunden. Namentlich aber sind es die Kinder der Schulanstalten und die Lehrlinge, welche Vater Werner den Dank für die wirklich ausgezeichnete geistige und leibliche Versorgung an diesem Tage darbringen durch Ausstellung von Schularbeiten; die Lehrlinge durch Ausstellung von Lehrlingsarbeiten. Gegenwärtig sind in den vereinigten Werkstätten als Mechaniker, Schlosser, Eisendreher, Eisengießer, Modellschreiner 35, in der Holzwarenfabrik 20, als Möbelschreiner, Holzdreher und Maler 20. Die übrigen 10 sind bei der Schuhmacherei, Schneiderei oder bei der Landwirtschaft. Alle diese Lehrlinge haben täglich 2—3 Stunden Unterricht in Geometrie, Physik, Rechnen, Aussatz, Zeichnen, Schön- und Rechtschreiben. Singen und Turnen; für die Lehrlinge sind 3 schöne Lehrsäle mit einem Zeichensaal, ebenso ein Turnsaal bei ungünstiger Witterung, andernfalls ein schöner Turnplatz eingerichtet. Die Lehrer, 12 an der Zahl, sind Anstaltsgenoffen, 4 Lehrer, 2 Ingenieure, 3 Techniker, 1 Möbelzeichner, 1 Schreiner- und 1 Schuhmachermeister. An diesem Tage war der Zeichensaal in einen Ausstellungssaal verwandelt, wo Zeichnungen und schriitl. Arbeiten ausgebreitet lagen. Viele achtbare Männer, welche in den Werner- schen Anstalten ihre Erziehung und Ausbildung genossen hatten, haben da und dort im Lande selbstständige und hohe Lebensstellung. Diese Männer haben unter sich einen Verein gegründet, um durch jährliche Beiträge ein Kapital, „die Wernerstiftung" anzusammeln, um an G. Werners Geburtstag aus dessen Zinsen an Lehrlinge und der Schule zu entlassende Schüler Prämien zu geben. Vorgestern wurden von diesem Verein 14 Prämien ausgeteilt.
Aulendorf, 15. März, abends. Heute Abend halb 6 Uhr wurde die 35 Jahre alte Ehefrau des Bahnhofnachtwächters Fr ick hier in ihrer Stube erstochen und starb nach einer Viertelstunde, ohne das Bewußtsein erlangt zu haben. Ihr Ehemann, welcher einen Selbstmord behauptet, wurde verhaftet.
Neckartenzlingen, 15. März. Dieser Tage wurde hier laut Schwarzw. Bote ein Mann zu Grabe getragen, dessen Todesursache eigentümlicher Art ist. Der Gemeindebaumwärter Kostenbader war am 17. Febr. mit dem Putzen von Bäumen in der Nähe eines Steinbruchs beschäftigt, als er den Warnungsruf hörte: „Es wird geschossen". Ungefähr 100 Meter vom Steinbruck entfernt, suchte er sich hinter einem dicken Birnbaum zu bergen. Nun fielen drei Schüsse und ein Stein, etwa dreiviertel Pfund schwer, flog in den Birnbaum, traf einen Ast und fiel dann auf den Kops des Verblichenen mit solcher Wucht, daß die Mütze durchgeschlagen und die Hirnschale verletzt wurde. Die Wunde wurde zwar ausgewaschen, aber der Entschlafene achtete ihrer nicht, sondern arbeitete weiter. Zwei Tag darauf mußte er sich zu Bette legen. Sein Gesicht schwoll an und die Wunde eiterte. Der zu spät gerufene Arzt konstatierte Blutvergiftung, an der denn auch der pflichttreue, stets fleißige Mann starb.
Vom Welz hei mer-Wald, 15. März. Ein Vorfall aus der Gschwender Gegend macht laut Bürg.-Ztg. viel von sich reden. Ein Metzger hatte eine billige Schlachtkuh gekauft; da er aber am projektierten Schlachttag selbst verhindert war, so beauftragte er seinen Bruder, der ebenfalls Metzger ist, die Kuh zu holen und zu schlachten. Zu diesem Zweck bezeichnete er die Stelle, wo die Kuh zu finden sei. Der Bruder holte aber statt der Kuh eine Kalbel, die erst vor wenigen Wochen ein Kalb geworfen hatte, und als die Eigentümerin der letzteren in den Stall kommt, um diese zu melken, entdeckt sie zu ihrem Entsetzen die Verwechslung. Sie eilt fort; aber es war zu spät. Die Kalbel war schon geschlachtet. Die beiden Brüder entliefen im ersten Schrecken, der eine in der Richtung gegen Alfdorf, der andere gegen Gaildorf hin. Jetzt soll aber die Sache zwischen den Brüdern und dem Beschädigten durch das Zugeständnis einer ziemlich hohen Entschädigung abgemacht sein.
Biber ach, 15. März. Der gestrige Tag war ein Fest für unsere braven Feuerwehrmänner. An 17 derselben wurde das von Sr. Maj. dem Könige neu gestiftete Dienstehrenzeichen auf dem Nathause durch Reg.Nat Bailer feierlich übergeben. Die Uebergabe selbst erfolgte in Anwesenheit des Stadtschultheißen, der bürgerlichen Kollegien und der Chargirten der Feuerwehr nach einer erhebenden warmen Ansprache des Hrn. Reg.Rates.
Feuerwehrkommandant Irion dankte in würdigen Worten und brachte ein feurig erwiedertes Hoch auf unseren im fernen Süden zur Kräftigung seiner Gesundheit weilenden König aus. Der Abend vereinigte die Dekorierten mit ihren Offizieren und Freunden im Gasthaus zum Lamm, wo Stadtschultheiß Nicolai in erhebenden Worten das Dienstehrenzeichen in seiner Bedeutung und die mit demselben Geschmückten feierte. Das Fest selbst erhielt noch eine besondere Illustration dadurch, daß nach Einbruch der Dunkelheit alle Höhen rings um die Stadt durch Freudenfeuer beleuchtet erschienen. Wohl galten diese Feuer nicht dem Feste der Feuerwehr, sondern dem weißen oder sogen. Funkensonntage, nach einem uralten, wohl heidnischen Brauch, mit welchem unsere Vorfahren das alles belebende Licht der nun immer höher steigenden Sonne begrüßten. Die Feuer gaben selbst der vom Monde matt beleuchteten Winterlandschaft einen ganz eigentümlichen Reiz. Möchten sie die Verkündiger wärmerer Tage werden; denn in der abgelaufen Woche stieg die Kälte von 8 bis auf 13« R. Heute fällt wieder dichter Schnee. Unsere Frühlingsboten wie Lerchen, Staaren und Störche haben längst wieder Abschied genommen oder sind verhungert oder erfroren. Noch fürchtet der Landmann keinen Schaden für die Wintersaat, doch wünscht auch er die starken Schneemaffen fort, um die Feldgeschäste wieder aufnehmen zu können.
Tuttlingen, 15. März. In der letzten Woche bot uns das Museum, welches den gefeierten Cellovirtuosen Diem für einen Abend gewonnen hatte, einen musikalischen Genuß der feinsten Art. In 6 Numern bekundete Diem seine ganze Meisterschaft in der Handhabung seines Instruments. Führt er auch seinen Bogen so fein und leicht, wie ein Violinspieler, so brachte er doch den eigenartigen Karakter seines Instruments, welches bei aller Innigkeit doch ernst und männlich bleiben soll, zu würdigem Ausdruck. Der Vortrag der „Fantasie von Servais" und der „Gavotte von Popper" zeigte, daß sein Spiel ebenso entwickelt ist in künstlicher Richtung, als gediegen in Vortrag und Auffassung. Dabei ist noch hervorzuheben, daß derselbe durch sein anspruchloses , gefälliges Wesen und Auftreten dis besten Eindrücke hinterlassen hat. Noch schulden wir Landgerichtsrat Stahl aus Rottweil Dank, welcher den Künstler mit gewandter Hand auf dem Klavier begleitete.
Karlsrnhe, 13. März, Das heutige Bulletin über das Befinden S. K. H. des Erbgroßherzogs lautet: Nach einer geringen Steigerung des Fiebers am gestrigen Nachmittag zeigen heute dis Gelenke der rechten Hand eine frische rheumatische Schwellung. Die Nacht war ruhig, Schlaf erquickend. Fieberwärme am Morgen wieder abgefallen. Die inneren Veränderungen beharren in langsamem teilweise» Rückgang. Allgemeinbefinden befriedigend. I)r. Tenn er.
— Wie man der „Frkf. Ztg." aus Heidelberg mitteilt, gibt das Befinden I. V. von Scheffe l's zu schweren Bedenken Anlaß. Der Dichter ist schon seit einiger Zeit bettlägerig und soll große Schmerzen leiden.
Baden-Baden, 14. März. Heute vormittag wurde in Lichten- thal nach der B. L. während des Gottesdienstes, als der Geistliche auf der Kanzel predigte, ein Schuß in die Kirche abgefeuert; die Kugel fuhr in die Wand und hat glücklicherweise niemand verletzt. Der Thäter ist bis jetzt unbekannt.
Wiesbaden, 15. März. Heute Nacht 12 Uhr 26 Min. (nach anderen Uhren 12 Uhr 28 Min.) fand ein ziemlich heftiger Erdstoß statt, dem ein lebhaft brausendes Geräusch voranging. Der Rh. K. berichtet darüber: Die Fenster klirrten heftig, kleine Gegenstände fielen um. Die Luft wie das Barometer waren völlig ruhig, auch fehlte das charakteristische Rollen und die Wellenbewegung, woraus hervorgeht, daß der eigentliche Mittelpunkt des Stoßes nicht tief in der Erde lag und ziemlich weit von Wiesbaden entfernt war. Die Richtung des Stoßes war von Nordwest nach Südost. Das zischende Sausen dauerte 1 Sekunde, der Stoß selbst hatte nur momentane Dauer. Darauf folgte völlige Ruhe. Anwohner der oberen Rheinstraßs behaupten, der Stoß sei ein vertikaler gewesen und unmittelbar auf den ersten sei ein zweiter, allerdings viel schwächerer Stoß gefolgt; die letztere Beobachtung mag sich vielleicht durch die Holzkonstruktion des betreffenden Hauses erklären lassen. Nach dem Seismometer auf dem Telegraphenbureau verlief die Richtung des Erdstoßes von Nordwest nach Südost. Der Stoß wurde
Währenddessen begab sich Soltmann nach dem Kutscherzimmer, den Weg welchen Neubert ihnen vorher angegeben hatte.
Es war alles so unheimlich still hier und auch in dem Zimmer, an dessen Thür er angestrengt lauschend innehielt, daß es ihn plötzlich wie von einer dunklen Ahnung von drohendem Unheil, von einer bevorstehenden folgenschweren Entdeckung befiel.
Wenn nun der „rote Mathies" wirklich so schlecht war, wie seine Kollegen ihn schilderten; wenn er von dem Morde selbst etwas wußte, das ihn verdächtigen oder mitbeschuldigen konnte —? Die Frage war naheliegend, And auch die Antwort war leicht gegeben. Dann hatte er die Fragen und Andeutungen Neuberts nicht ruhig hingenommen; und wenn dieser aus einem hier entdeckten neuen Verdachtsmoment sich genötigt gesehen, Mathies für verhaftet zu erklären, so hat sich dieser gewiß widersetzt und den kleinen alten Herrn zu Boden geschlagen, wo nicht verwundet — ermordet-1
Alle diese Gedanken schossen blitzartig durch Soltmanns Kopf, als er, schon die Hand auf der Klinke, noch zögerte, diese niederzudrücken.
Gleich darauf aber gewann er seine Selbstbeherrschung wieder. Er schalt sich feige und öffnete rasch, um in seinem Entschlüsse nicht noch einmal wankend zu werden.
Kaum hatte er aber seinen Fuß über die Schwelle gesetzt, so sprang Jemand hinter der geöffneten Thür herum und ihm an den Hals. Die Kehle wurde ihm zugeschnürt und eine Stimme zischte: „Mörder!"
Aber der jugendstaike Soltmann war diesem unerwarteten Angriff gewachsen. Er schüttelte den Angreifer von sich ab und versetzte ihm einen Stoß, daß er der Länge nach zur Erde stürzte.
Beides Gegner hefteten kampfbegierig ihre Blicke aufeinander und — brachen in ein herzliches Lachen aus.
„Neubert Sie?" rief Soltmann erstaunt. Und jener that dieselbe Frage an diesen.
„Erklären Sie, ich bitte — woher das Mißverständnis, und warum diese Verdunkelung des Zimmers?" Während Soltmann dies sprach, half er seinem älteren Kollegen wieder auf die Beine.
„Sollen Sie gleich erfahren", erwiderte Neubert. „Aber machen Sie zuvorderst leise die Thüre zu und sich auf einen viel gefährlicheren Gegner gefaßt als den kleinen Neubert."
„Sie meinen —"
„Daß Mathies jeden Augenblick zurückkehren kann, zurückkehren muß und daß es doch noch einem von uns das Leben kosten kann, wenn er uns hier findet."
„Alle Wetter I" rief Soltmann. „Das klingt ja fast, als wenn er irgendwie an dem Verbrechen da draußen beteiligt wäre."
„Er ist es", bestätigte Neubert, „und wenn er auch vielleicht den entscheidenden Stoß gegen den Ermordeten nicht geführt hat, so ist doch seine Hand von dem Blute desselben nicht ganz rein geblieben."
„Neubert!"
„Ja, Herr Kollege", fuhr jener eifrig fort. „Der Kommerzienrat hat ganz recht, wir befanden uns wirklich auf einer falschen Fährte, als wir unsere Schritte nach seinem Palais lenkten. Von hier aus ist der Angriff gegen Leben und Eigentum des unglücklichen Fremden erfolgt und hierher sind die geraubten Gegenstände in Sicherheit gebracht worden. Mathies ist der Mörder oder der Verbündete des Mörders; und wir stehen damit nur wieder vor einem neuen Anarchistenprozeß."
(Fortsetzung folgt.)
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