61. Jahrgang

Mo. 32.

Amts- uml InteüigenMaLt für äen Aezirkr.

Erscheint Kienstag, Donnerstag L Samstag.

Tie Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen 18. März 1886.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

Jages-WeuigAeiten.

(Amtliches) Vermöge Höchster Entschließung vom 8. d. M. haben Seine Königliche Majestät dem Rektor des Reallyceums in Calw, Hrn. vr. Müller, aus Anlaß seiner Versetzung in den Ruhestand in An­erkennung seiner treuen und ersprießlichen Dienste das Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichsordens gnädigst verliehen.

Im Vollmachtsnanun Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 10. d. M. Hrn. Rektor vr. Müller an dem Reallyceum in Calw auf sein Ansuchen in den Ruhestand gnädigst versetzt.

Im Vollmachtsnamcn Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 12. März d. I. die bei dem Amtsgericht Calw zu besetzende Amtsgerichtsschreibersstelle dem Notariatskandidaten Christian Keller von Löwenstein gnädigst übertragen.

Stuttgart, 16. März. Das winterliche Wetter der letzten Zeit hat vielfach geschadet. Wie man hört, wurde auf verschiedenen Aeckern be­obachtet, daß die Feldmäuse an dem durch die Schneedecke geschützten Samen arge Verwüstungen angerichtet haben. Die Landwirte fürchten daher für ihre Saatbestünde. Nachdem infolge der anhaltenden Kälte der Feuersee wieder die vorgeschriebene Eisstärke erhalten hatte, sollte er schon Samstag Vormittag der allgemeinen Benützung sreigegeben werden. Da jedoch vom frühen Morgen an die Sonnenstrahlen ihr Recht geltend machten, schmolz die oberste Schicht und zogen manche Stellen Wasser, so,daß die Eröffnung wieder vertagt wurde. Im Schaufenster der K. Hoskunsthandlung von C. F. Autenrieth hier ist ein photographisches Tableau ausgestellt, das die hohen Eltern der Prinzessin und Braut Cbarlotte, den Prinzen Wil­helm und Prinzessin Bathildis von Schaumburg-Lippe und außerdem die Stadt Nacbod, zwei Ansichten des Schlosses Nachod und eine des Schlosses Natibonitz darstcllt. Das Publikum betrachtet dasselbe mit größtem Interesse.

Stuttgart, 16. März. In der durch den Verein der Vogelfreunde im oberen Saale der Paul W e i ß'schen Brauerei veranstalteten Ausstellung ging es gestern und vorgestern sehr lebhaft zu. Der Besuch steigerte sich gegen den Schluß so bedeutend, daß man gestern abend sich kaum in den Gängen vorwärts zu bewegen vermochte. Der Anblick, der sich uns gleich beim Eintritt bot, mußte jedes Vogelfreundcs Herz erfreuen. Die Ausstellung war sehr hübsch ungeordnet und durch geeignete Pflanzendekorationen gehoben. Unter den ausgestellten Tieren imponierten die Tauben durch die große Zahl und reiche Auswahl in seltenen Abarten, dis Ziervögel durch die Schönheit der einzelnen Exemplare. Besonders entzückte das frische Leben, das in dem ganzen Saal herrschte. Hier kräht ein stolzer Hahn, dort plappert ein Pa­pagei seine einfludierten Sprüche herunter, aus der einen Seite gurrt eine

Taube, da ätzt dis Taube ihre Jungen, während auf der anderen ein Zugvogel seine Weisen ertönen läßt oder die Farbenpracht in- und ausländischer Zier­vögel das Auge ergötzen. Es würde zu weit führen, auf die einzelnen Tier­gattungen näher einzugehen; und sei hier nur noch konstatiert, daß auch dem Humor Rechnung getragen wurde, indem ein hiesiger Taubenzüchter ein Paar weiße Tauben feuerrot anmalen ließ und als echte Feuertauben aus Kamerun ausstellte. Manche, besonders aber Leute vom Lande, umstanden gläubig diese Wundertiere, die Schönheit der Farbe bewundernd. Welche Anstreng­ungen übrigens der Verein gemacht hat, um etwas hervorragend Schönes zustande zu bringen, dafür spricht wohl am besten die große Zahl der Aus­steller wie der Käufer und die stattliche Menge von Preisen, welche zur Ver­teilung kommen konnten.

Der Bürgerverein am Feuersee hat am heutigen ein Konnte gewählt für Errichtung eines Arbeiterbades in dem Feuersee-Stadtteil, da das projektierte Bad am Bahnhof zu teuer und zu entfernt für die Arbeiter sein wird, die hinter dem Feuersee wohnen, und deren Zahl bekanntlich sehr groß ist. Die Kosten dieses echten Volksbades sollen 65,000 nicht übersteigen, und die Bäder, namentlich abends, für Arbeiter sehr billig werden. Das Schwimm­bad ist auf 90 gm und die Zahl der Kabinetbäder auf 15 berechnet.

V a i h i n g e n a. E., 15. März. Der Gebäudekomplex der ehemaligen Zigarrenfabrik von Kaufmann Widenmeyer, welche seit vergangenen Herbst nach Feuerbach verlegt worden ist, wurde kürzlich von mehreren hie­sigen Bürgern angekauft. In das Wohngebäude kommt die Druckerei der Landpost", das eigentliche Fabrikgebäude, das vormalige Vaihinger Dekanats­gebäude läßt der neu«-Besitzer total verändern; das große Treppenhaus ist bereits abgebrochen. Gestern war die Enz, welche seit Samstag zwischen dem Gerberwöhr und dem Pulverturm und unter der Löwenbrücke gut zu­gefroren war, mit Schlittschuhläufern bedeckt, wie noch nie in diesem Winter. Dieses Vergnügen ist zwar infolge höherer Temperatur zu Ende gekommen, dagegen ist zum zweitenmal im heurigen März nach kurzer Unterbrechung die Schlittenbahn wieder hergestellt. Heute schneit es den ganzen Tag.

Waiblingen, 15. März. Seit einigen Tagen herrscht in der untern Stadt unter dem Geflügel eine schlimme Seuche. Enten, Hühner und Gänse, vor wenigen Minuten noch ganz gesund, fallen auf ein­mal um und sind nach einigen Minuten tot. Eine einzige Haushaltung verlor durch diese Krankheit in kurzer Zeit 35 Stück Enten. Der Schaden ist um so beträchtlicher, da die Tiere teilweise jchon am Legen waren. Eigentümlich ist, daß die Seuche sich bloß auf einige Straßen erstreckt.

Reutlingen, 14. März. Vorgestern feierte Gust. Werner seinen 78. Geburtstag; dieser Tag ist jedesmal für die Anstaltsgenoffen ein kleiner Festtag, ohne daß dadurch die Arbeit uruerbrochen wird. Auch dieses- mal kamen von verschiedenen Seiten Fremde, um als Freunve der Werner« schen Anstalten ihre lebhafte Teilnahme an dem Fortgang der Anstalten unter

(Nachdruck verboten.)

Die Falschmünzer.

Krimmal-Nomcar von Gustav Lössel.

(Fortsetzung.)

Sollte mich wundern", murmelte er,wenn das nicht der Anarchist Mathies alsgute Beute" hat milgehen geheißen."

Sie haben einen Verlust?" fragte der Kommissar teilnehmend.

Fast scheint es so", erwiderte Etwold.Dreizehntausend Mark in Barem sind von meinem Comptotrtisch verschwunden, auf dem ich sie selbst deponiert hatte."

Die beiden Beamten blickten den Sprecher und dann einander an.

Soltmann stellte einige Fragen, aus denen hervorging, daß während Etwolds Abwesenheit aus dem Comptoir nur der Kassierer zu demselben gelangen könne und daß heute Morgen außer Jonas und seinem entlassenen Kutscher Namens Mathies Niemand in seinem Bureau gewesen sei.

Soltmann und der Kommissar wechselten einen bedeutsamen Blick. Sie bemerkten nun erst Neuberts verlängertes Ausbleiben und der Assessor ging mit einer nichtigen Entschuldigung gegen Etwold hinaus, um heimlich nach der Ursache desselben zu forschen.

Und nun, Herr Kommerzienrat", sagte der Kommissar vertraulich, ein Wort der Verständigung. Ihr Fräulein Tochter muß vernommen werden; natürlich aber erst, wenn sie der Herr Sanitätsrat für vernehmungs- fähig erklärt. Ich glaube, daß Sie ihr und uns das Peinliche dieses Verhörs ersparen könnten und sollten, indem Sie selbst darauf hinwirken,

daß Ihre Tochter Ihnen den Namen des Ermordeten nennt und vielleicht auch sagt, wann und unter welchen Umständen sie mit demselben bekannt ge­worden. Sie wird es Ihnen, dem Vater, eher sagen als uns, den Fremden. Und dann wissen Sie ja auch, daß wir eine solche Mitteilung mit aller Diskretion zur Entdeckung des Mörders verwenden werden. So lange wir aber den Ermordeten nicht kennen, können wir auch keine Vermutung über denjenigen ausstellen, der ein Interesse daran hatte, ihn zu diesem schmählichen Ende zu bringen."

Verlassen Sie sich daraus", erwiderte Etwold schon freundlicher,daß ich alles thun werde, um meine Tochter zu einer vertraulichen Mitteilung zu bewegen. Es liegt das ja in meinem eigenen Interesse. Ebenso wahrheits­gemäß werde ich Ihnen auch sagen:Sie haben sich geirrt", wenn ich die Ueberzeugung gewinne, daß meine Tochter den Ermordeten nicht kannte. Freilich, Ihr Herr Assessor da würde mich dann vielleicht Lügen strafen"

Urteilen Sie nicht zu schroff von ihm, Herr Kommerzienrat", sagte entschuldigend der Kommissar; er ist, wie man es von seiner Jugend nicht anders erwarten darf, etwas rasch im Handeln. Aber das ist gerade von großem Vorteil für uns, wo ein kühner Gedanke, eine rasche Thal oft mehr bewirkt, als alles Spionieren und Grübeln. Er wird noch einmal eine glän­zende Karriere machen."

Etwold zuckte die Achseln.Ich mag ihn nichtz leiden", sagte er.Ein junger Mann sollte so anmaßend gegen einen älteren Herrn und besonders gegen einen Mann in meiner geachteten Stellung nicht austreten."

Der Kommissar lenkte das Gespräch geschickt auf eine ihm gegenwärtig interessantere Person, denroten Mathies" über, von dem Etwold ihm denn auch manches Charakteristische mitteilte. Ihres Gespräches von heute Morgen gedachte er natürlich mit keinem Wort.