Egypten.
Kairo, 18. Juli. In den letzten 24 Stunden bis heute früh 8 Uhr sind in-Kairo 61, in Da- miette 17, in Chobar 14 und in Alexandrien 1 Person an der Cholera gestorben.
Die Cholera wülhct jetzt mit fürchterlicher Heftigkeit in Kairo und die uns heute darüber zuge- konimencu Telegramme zeigen, das; der Hauptstadt Egyptens eine noch schlimmere Heimsuchung droht als der Stadt Damiette, in welcher binnen weniger Tage 5 Procent der Bevölkerung starben. Die Zahl der Todesfälle soll bereits 200 an einem Tage betragen. Weit bedenklicher noch als das Auftreten der Cholera in Kairo wäre cs aber, wenn sich die uns gleichzeitig übermittelte Nachricht der Londoner Blätter bestätigte, dass auch in Triest einige Cholerafälle vorgekvmmcn seien. Ist der schlimme Gast einmal in Europa, so wird seine Bekämpfung doppelt schwierig werden.
Handel K Verkehr.
Stuttgart, 16. Juli. Der Ltaud der Weinberge in Württemberg ist im Allgemeinen ein sehr günstiger. Die Trauben in stützen Lagen haben bereits Beeren in Erbscngröhe. Lägt das Spätjahr sich gut an, so ist die Hoffnung vorhanden, das! wir einen vorzüglichen Wein bekommen und unsere Wein- gärtncr nach langen Jahren einmal wieder ausathmcn können. Man berechnet den Schaden, den der legte Hagel sowohl an den Obstbäume, als Fcldsrüchte» und in den Weinbergen an- qcrichtet hat, auf 2 M 2 Millionen Mark.
Pest, 19. Juli. Amtlichen Berichten zufolge gibt Weizen und Roggen im Allgemeinen eine Mittclernte. Die Gcr- stencrnte bleibt durchschnittlich unter Mittel, Hafer gibt überall eine gute Mittelernte._
Jer Milchmann.
Eine Erzählung von A. v. Rothenburg.
(Schluß.)
Sie hatte früher einmal gehört, daß er die geraubten Geldsummen des Nachts unter seinem Kopfkissen verberge. Darauf hoffte sie. Der Mond, der in so manchen bösen, verborgenen Winkel der Erde schaut, warf seine Strahlen auch aus dieses Bett. Auguste hielt den Athem an; sic sah den Zipfel eines Tuches unter dem Kissen hervorragen; da machte der Schläfer plötzlich eine Bewegung. Sie kauerte sich mit furchtbar pochendem Herzen am Ende des Bettes nieder, aber tief und fest gingen des großen Hannes Athem- züge, und nach einem Weilchen kroch sie auf Händen und Füßen dem Kopfende zu.
„Jetzt oder nie," dachte sie und zog an dem Zipfel. Richtig! es war das Schnupftuch des Pflegevaters, und die Goldstücke befanden sich noch darin, wahrscheinlich hätte der Dieb sich gescheut, sie gleich umzuwechseln. Sie brachte glücklich das Päckchen hervor; unhörbar, wie sic gekommen, kroch sie in die Stube zurück, unhörbar öffnete sie die Thür, hinaus in den Hof, wieder durch das Loch, und nun, Gott sei Dank! befand sie sich auf der Straße.
Wie ein Pfeil schoß sie dahin; ein Mal hielt ein Mann sie auf, aber sie entwand sich ihm mit dem Ruf: „Laßt mich zu meiner Mutter! ich muß zu meiner Mutter!"
Es dämmerte bereits der Morgen, als sie die große Pappelallee erreichte; hierher kam kein Gesindel, j rein und frisch wehte die Luft aus den Wiesen herauf.
Wie eine Katze wollte sie in's Fensterchen zurück, nachdem sie das liebe kleine Haus erreicht hatte; da vernahm sie der Pflegemutter trauervolle Stimme: „Um Gotteswillen, Auguste, wo bist du gewesen?"
Von Unruhe erweckt, hatte sie sich in des Mädchens Kammer geschlichen und zu ihrem Schrecken das Bett leer gefunden.
„Guste, Guste, du warst auf bösen Wegen."
„Ach nein, Mutter!" erwiderte Auguste; „Böses Hab' ich in meinem Leben genug erlebt. Sagte ich dir nicht, ich wollte brav sein? Aber dein Weinen konnte ich nicht mit ansehen; darum bin ich hingelaufen, und habe dem großen Hannes das Tuch unter dem Kopf weggenommen, und hier ist es, Mutter, und das Gold ist auch darin. Wenn du das dem Vater vor die Nase hältst, wird er schon wieder zu sich kommen."
Da schloß Frau Kiepke das Mädchen, welches an allen Gliedern zitterte, fest in ihr Arme.
„Meine Guste, meine Guste!" rief sie, „für mich Haft du das gethan? es hätte dir dein junges Leben kosten können. Müssen wir das aber nicht der Polizei anzeigen?"
„Mutter, ich wollte nicht gern den Hannes an- zcigen," erwiderte das Mädchen; „er hat mich in seinem Hause schlafen lassen und von seinem Brod hat er mir auch gegeben; es entsetzt mich, wenn ich ihn darüber sollte angeben." —
„Du magst vielleicht recht hoben," antwortete Frau Kiepke, „wir wollen es Gott befeblen, dem müssen wir danken, daß du heil wieder da biß."
Den andern Tag sind die beiden in's Irrenhaus gefahren und haben dem Milckmann dos roth- karrirte Schnupftuch vorgehaltcn. Es hat ihm aber ganz und gar nichts genützt; ja er hat sich davor entsetzt und laut geschrieen, cs sei ein Bündel mit lauter Teufeln darin; dabei schlug er um sich, daß sic ihres Lebens kaum sicher waren. Darüber vergoß die Auguste viele Thränen, weil sie aber mit der Mutter zusammen weinen konnte, so empfanden sie Beioe eine Erleichterung in ihrem Schmerz.
So brachten sie ihre Zeit in Liebe und Einigkeit hin, und die Leute wunderten sich, daß jerau Kiepke nicht ohne das Mädchen wohnen konnte und das Mädchen nicht ohne sie. Nach einigen Wochen aber ist cs mit dem Milchmann besser geworden. „Der Kopf ist gesund," sagte der Direktor von ihm; „die Verrücktheit sitzt bei ihm im Herzen."
Er blieb aber noch über Weihnacht in der Anstalt. Als jedoch das Frühjahr kam, die ganze große Herrlichkeit draußen von frischem erblühete, da ward es dem Milchmann so weich und so weh in der Brust, und mit einem Male spürte er es ganz genau: das Herz saß wieder aus der rechten Stelle, und an einem schönen Sonntage kam seine Frau mit Auguste gefahren, und dieses Mal weinten sie Freudenthräncu, denn nun durften sie den Milchmann aufpackeu, und vor das prächtig ausgeschmückte, neu augcflrichene Haus fahren. Der Pflaumeubaum blühte und der Karo stand da und bellte, und ringsum grünte das Land dem Sommer entgegen.
„Ach Gott, Jettcheu," sagte der Milchmann, „wie freue ich mich aus meine Milchwirthschaft; und da ist ja auch der Karo, das ehrliche Vieh! Wenn wir beide wieder die Chaussee hiuunterziehen, da tausch' ich mit keinem König. Frei sein und gesund, und einen ehrlichen Beruf treiben dürfen, darüber gebt doch nichts."
„Und dazu noch die Guste," warf Frau Kiepke mit strahlendem Angesicht ein.
„Ja, die Guste, das ist solch ein Prachtmädel, die geben wir nicht wieder heraus, niemals!"
Als sie nun wieder in ihrer Stube waren, sagte der Milchmann: „Mutter, nach deinen Kartoffeln mit frischer Butter hat's mich gelüstet all die Zeit lang; hab's aber nicht gekriegt, dieweil man sich bei fremden Leuten doch nichts bestellen kann."
„Ist schon Alles da," antwortete die glückliche Frau, „und hier, The'dorchen" — sie war unterdessen an die Lade getreten, und hatte das verhänguißoolle Bündel herausgeuommen — „hier ist auch dein roth- karrirtes Schnupftuch. Das Gold ist auch noch drinnen; das haben wir unserer Guste zu danken, daß es wieder da ist."
Sie wollte ihm erzählen, wie die Sache zuge- gaugen war; da that aber der Milchmann, wie von plötzlichem Schrecken ergriffen, einige Schritte zurück, und streckte abwehrend beide Hände aus.
„Behalt es lieber für dich, Mutter," sagte er, „spar' es auf für unsere alten Tage, oder wenn das Mädchen einmal heirathet; mir bekommt es nicht, ich bleibe lieber davon." Bei diesen Worten dachte er an die kleinen rothen Teufel, welche ihm ihre glühenden Zinken in den Leib gebohrt hatten; dessen konnte er sich wohl noch erinnern: darum wollte er mit dem Gelde fortan nichts mehr zu thun haben, und so war es auch am besten.
Nach wie vor zog nun der Milchmann seine Straße, nur daß er nicht mehr verdrossen zur Erde blickte, sondern frisch und fröhlich in dis Welt hinausschaute. Zu dem Hunde auch redete er ab und zu ein ermunterndes Wort, und wo ein Wässerchen war, tränkte er ihn, und wo es einen Hügel hinauf ging, da schob er wacker mit. Immer wenn er bei dem Hauptmann von Herburg vorsprach, ließ er sich von den Kindern erzählen und freute sich sehr, wenn er hörte, daß der Walther jetzt so gut lerne, und nicht mehr unter die Indianer, sondern unter die Soldaten gehen wollte, wenn er groß sein würde.
Vor dem Hannes brauchten sie keine Sorge mehr zu haben, der war, als er sich der Polizei mit bewaffneter Hand widersetzte, schwer verwundet worden und man zweifelte, daß er wieder aufkommen würde.
Der Milchmann ist nach dieser Zeit auch zuweilen unter junge Leute und in eine fröhliche Gesellschaft gerathen, aber lange ist er nicht dabei geblieben. „Zu Hanse ist es am schönsten," sagte er, und wenn er jemand über die Armnth klagen hörte, antwortete er
wolfl: „Sprecht doch nicht so thöricht! Gold ist nicht Gott. Ich habe cs erlebt, ich weiß, was davon zu halten ist."
Allerlei.
— Künstliches Leder, welches dem ächten Leder wenig nachstetzi und bedeutend billiger ist, wird neuerdings in Deutschland ans Lcdcrabfällen, Flechsen und Sehnen bereitet. Beide Stoffe werben getrennt behandelt, gewaschen, mit chemischen Mitteln gekocht, zerkleinert, säurefrei gemacht und durch Anwendung von Dampf in einem Säurebad in eine leimartige Masse verwandelt. Sodann werden beide Stoffe mit einander vermischt und in Blätter gepreßt, welche mit einer Kantschuklöfting überzogen werden.
— Vorzügliches Mittel, wollene Kleider zn reinigen. Mm kocht etwa 3—4 Loth Tabak, der allersthlechwst,- ist gut genug für diesen Zweck, in Iftr 1 Wasser ab. In die heiße Brühe taucht man alsbald eine mit etwas steifen Borsten versehene Bürste und bürstet das Kleidungsstück tüchtig auS, indem mm die Bürste so oft wieder eintaucht, bis die Mistigkeit in das Tuch gedrungen ist. Zuletzt streicht man mit der Bürste nach dem Strich und hängt alsdann das Kleidungsstück zum Trocknen aus. Man fürchte keinen Nachtheil für das Tuch, einerlei, von welcher Farbe es ist. Es wird so glänzend und rein, wie nur immer möglich, und hat durchaus keinen Tabak-Sgernch. Selbst auf solche Weise gereinigte Rockkragen lassen keine Spur von jenem klebenden Schmutz zurück.
— Chlorkalk als Mittel gegen Raupen. Znr Abhaltung oder Vertreibung der Raupen von Obstbäumen soll es kein besseres Mittel geben als Chlorkalk. Man nimmt davon ein halbes Kilogramm, mischt ein Viertelkilogramm Fett darunter, formt Rollen daraus, die man mit Werk umwickelt und um den Baumstamm bindet. Die Raupen ans den Aesten fallen herunter und von unten kriechen keine mehr am Stamm hinaus; selbst Schmetterlinge meiden die betreffenden Bäume.
— Ein probates Mittel zur Vertreibung von Wanzen ist dieser Tage in Philadelphia angewendet worden. Man bestrich eine Matratze, in der sich Wanzen festgenistet hatten, mit Benzin. Durch die am Ofen ausströmende Hitze wurde das Benzin entzündet und sämmtliche Wanzen verbrannten, aber das Bett und die Zimmereinrichtung auch.
— Drei Eheversprechen. Aus Irland kommt die erstaunliche Nachricht, daß eine Schöne gesetzten Alters am selben Tage drei ungetreue Geliebte wegen Bruchs des Brautversprechens vor Gericht belangte. Im ersten Falle sprach ihr die Jury 10 Pfund zu; im zweiten Falle, wo ein wohlhabender alter Pächter mit ihren heiligsten Gefühlen gescherzt hatte, erhielt sie 100 Pfd. Der dritte Prozeß kam jedoch nicht vor die Schranken; er wurde vom Angeklagten durch Zahlung von 600 Pfd. abgewandt. Die Dame hat entschieden mehr Glück im Brautstand als in der Elie, zn der sie sich gleichwohl geneigt erklärte.
— Der Kaiser von China ist ein sehr verständiger Mann. Er liebt es, gesund zu sein, und um dies nach Möglichkeit dauernd zu sein, bezahlt er seine Aerzte nur, wenn er sie nicht braucht. Dieselben beziehen einen Wochenlohn, welcher in demselben Moment gesperrt wird, in welchem der Kaiser in Folge Unwohlseins ihrer Hilfe bedarf. Wird zur Nachahmung empfohlen.
— Edle Charakter züge müssen in einer Zeit, in der die Liebe zn erkalten scheint, immer wieder znr Ermuthigung des Glaubens an die Menschheit veröffentlicht werden. Es war in dem Jahre 1866, als österreichische Gefangene vielerorts im Preußenlande nntergebracht wurden. Der Geheime Medici- nalrath Dr. Weber zu Halle a./S. nahm damals einen schwerverwundeten österreichischen Landwehrmann in ärztliche Behandlung und Pflege. Obgleich er ihm die gewissenhafteste ärztliche Behandlung angedeihen ließ, wollte sich das Befinden desselben nicht bessern. Der Schwerkranke dachte an Weib und Kinder und die Sehnsucht ließ Kräfte nicht aufkommen. Dies erkannte der berühmte Doctor. Nach gehaltenem Rath mit seiner Gemahlin schrieb er der Frau des Landwehrmannes und forderte sie aus, stimmt ihren Kindern an das Krankenbett ihres Mannes zn eilen, das Reisegeld legte er bei. Die Frau kam, quartierte sich im Hause des Professors ein und Pflegte ihren Gatten. Täglich besserte sich dessen Befinden und