Gelder nicht ertragslos zu Hause liegen, wie sie andererseits im Bcdürfnißfalle zu jeder Zeit ohne größere Kosten, ohne Mühe und Zeitaufwand Darlehen aus der Vereinskasse entnehmen können. Sollen wir Zahlen für das Wirken der Darlehenskassenvereine in Württemberg sprechen lassen, so dürfen wir nur den Rechenschaftsbericht zur Verbandsversammlung ausschlagen: Einzelnvereine 82 mit 5650 Mitgliedern; darunter im Schwarzwaldkreis 20, im Neckarkreis 25, im Jaxtkreis 13, im Donaukreis 24 Vereine; Kassenumsätze 2806 892 -,(L; Jahresgewinn 13307 ^6; angcsammeltes Vermögen 18 560 verbunden damit 46 Sparkassen mit 112520 ^ Einlagen. Von 10 Vereinen gemeinsame Ankäufe von Sämereien, Kunstdüngern rc. im Betrag von 15 466 Für nächstes Frühjahr ist gemeinschaftlicher Ankauf von Kleesamen, Futter- und Düngemitteln in Aussicht genommen. Die einzige im diesseitigen Oberamt bestehende Darlehenskasse in Bösin gen weist in ihrem 2. Geschäftsjahr folgende Zahlen nach: Mitglieder 79, Umsatz 45618 c^, Anlehen 4ff2°/o, Darlehen 5Vr°/», Jahresgewinn 439 Mark, Vereinsvermögen 670 cM, Sparkasseneinlagen 198 „(6, Zins 3'/,°/o, gemeinsame Einkäufe 7 Ztr. Hanfsamen, 7 Ztr. Kleesamen, 470 Ztr. Kunstdünger mit Gesammtkosten 2666 Mötzingen zählt 67 Mitglieder, Umsatz 27 890 Anlehen und Darlehen wie vorhin, Jahresgewinn 36 vkL, Vereinsvermögen ebenso, Sparkasse 2350 zu 4ff,°/o.
Psalzgrafcnweiler, 1. Juli. Gestern Mittag halb 12 Uhr zog ein Gewitter von Süden über die Markungen Schopfloch, Hörschweilcr, Thumlingcn und Lützcnhardt, entlud sich mit dichtem Hagel und hat hiebei ein Theil der Markungen ziemlich bedeutenden Schaden erlitten.
Stuttgart, 1. Juli. Zum Haller Bundesschießen ging heute früh vor 7 Uhr der Extrazug mit den Mitgliedern der hiesigen Schützengilde und vielen Freunden über Cannstatt, Waiblingen, Backnang rc. ab mit schön bekränzten Wagen, die mit den in Cannstatt angehängten, 16 an der Zahl waren. Ein Ehrenmitglied der hiesigen Gilde, Se. Exc. der Herr Staatsminifter Dr. v. Hölder, fuhr ganz einfach in einem Wagen 3. Klasse mit. Von hier und Cannstatt mögen etwa 6—700 Personen abgefahren sein.
Stuttgart, 2. Juli. Nach ciucr hier ciiigetroffencn Nachricht von Winnenthal ist der wegen angebl. Irrsinns in dieser Anstalt untergebracht gewesene Karl Hezel, Uhrmacher und Mechaniker von Reutlingen, dessen Angehörige hier wohnen, in der Nacht vom letzten Samstag auf Sonntag daselbst entwichen. Derselbe hat im letzten Winter im Zuchthaus hier einen Aufseher mit einem Hammer angegriffen und denselben lebensgefährlich verwundet und wurde daher wegen Mordversuchs neuerdings in Untersuchung gezogen, worauf derselbe sich geisteskrank stellte und zur Beobachtung in die Anstalt Winnenthal verbracht wurde.
Die „Neck. Ztg." veröffentlicht einen beglaubigten Stammbaum des Schullehrers Luther in Nordheim, wonach derselbe von einem Bruder des großen Reformators abstammt, nemlich von Jakob Luther, Bergmann in Mansfeld, der den Schmelzofen, „Haus und Gut" des Vaters übernahm.
Brandfälle: In Loffenau (Neuenbürg) am 27. Juni das Anwesen des Amtsdieners Grimm. Die zerstörten Gebäude sind mit 3000 ^ versichert; in Oppenweiler die Wohn- und Oekonomiege- bäude des Freiherrn von Sturmfeder. Der Gcbäu- deschaden beträgt ca. 70000 in Schnaitheim (Ellwangeu) in der Nacht vom 29./30. Juni die Scheuer und Remise des Bauern Thorwart, wobei viele Futtervorräthe, Wägen, Pflüge rc. sowie ein Schwein mitverbrannte; in Reichertshausen (Neckarsulm) am 29. Juni, Abends 5 Uhr, die Scheuer des Gottlieb Walther nebst sämmtl. Vorräthen; in Höpfigheim (Marbach) zwei Wohnhäuser mit angebauter Scheune.
Aus Baden, 29. Juni. In Heidelberg hat vorgestern eine Zusammenkunft von Arbeiterfreunden stattgefundeu, um die Gründung von Arbeitcrkolo- nicn in Südwestdeutschland zu besprechen. Die Zusammenkunft war vom Vorstand der südwestdeutschen Konferenz für innere Mission veranstaltet worden und cs hatten etwa 30 Männer aus Elsaß, Baden, Württemberg, Hessen, Pfalz. Nassau, Frankfurt dem Ruse Folge geleistet. Einmüthig wurde beschlossen: 1) Die heutige Versammlung spricht ihre Ansicht dahin aus, daß die Errichtung mehrerer Arbeiterkolonien, einer Kolonie für Württemberg, und einer Kolonie für Hessen-Nassau und das Großherzogthum Hessen gemeinschaftlich, unter weiterer Erwägung hinsichtlich der Errichtung von Kolonien für Baden, Elsaß-Lothringen und die Pfalz, sachgemäß isl, und
beauftragt die einzelnen Theilnehmer der Versammlung, durch Benehmen mit den Staatsbehörden und durch Anrufen der verschiedenen Bevölkerungskreise in geeigneter Weise für Erreichung des Zweckes thätig zu sein. 2) Die verschiedenen Comites bleiben zum Zweck gegenseitiger Stärkung und Information mit einander in Verbindung. 3) Die Versammlung ersucht den geschäftsführenden Ausschuß der südwestdeutschen Konferenz, im Herbst eine Versammlung zu weiterer Berathung zu veranlassen. 4) Die Versammlung ist der Ansicht, daß der Zweck einer Arbeiterkolonie ohne Verpflegungsstationen nicht erreicht werden kann.
Wolfach, 2. Juli. Gestern Nachmittag hatte ein schweres Gewitter unserem Bezirk leider nicht unbedeutenden Schaden gebracht. In Mühlenbach ging ein Wolkenbruch nieder, der fürchterlich gewüthet haben soll.
An einer Spanierin, die dieser Tage mit der Eisenbahn nach München kam, soll Earlsbad Wunder thun und Berge versetzen. Sie war so groß und dick, daß sie nicht gehen und stehen konnte und auf einem Kofferträgcrwagen von einem Zug zum andern gebracht werden mußte.
Berlin, 2. Juli. Das preußische Herrenhaus nahm die Kirchenvorlage in der Fassung des Abgeordnetenhauses in namentlicher Abstimmung mit 64 gegen 16 Stimmen an.
Berlin, 2. Juli. Fürst Bismarck ist heute Nachmittag nach Friedrichshafen abgereist.
Die Hitze in Berlin wird immer unerträglicher. Während es in Süddeutschland viel regnete, Schlesien sogar mit Ueberschwemmungen zu kämpfen hatte, hat Berlin nun eine dreimonatliche Dürre ausgehalten. Der Sommer zeigt die Eigenthümlich- keit, daß trotz andauernder Hitze von 24—25 Grad R. Gewitter gar nicht Vorkommen.
Die Festung Küstrin wird jetzt zu einem Waffenplatz ersten Ranges umgewandelt und zu diesem Behufe mit 6 großen Forts, die je 6 Kilometer von den alten Festungsmauern entfernt liegen, umgeben; 2 dieser Fortisikationen sind bereits im Bau begriffen. Küstrin beherrscht die Eisenbahnlinien der preuß. Ostbahn und der Breslau-Stettiner Eisenbahn. Nach Fertigstellung der Befestigungen können über 50000 Mann hinter denselben lagern.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 1. Juli. Der Kaiser hat die Reise nach Steyermark und Krain heute angetreten.
Der Tisza-Eszlarcr Prozeß entpuppt sich immer mehr als ein Erzengniß fanatischen Judenhasses in Ungarn. Die Schürer und Hauptmacher sind Recski, ein Sicherheits- Commissar, und Pcczely, ein Gcrichtsschreiber und Aktuar, sein Gehülse. Sie waren es, die den 15jährigen boshaften und verschlagenen Judenknaben Moritz Scharf durch Drohungen, Ohrfeigen, Prügel und Versprechungen dahin gebracht haben, der falsche Ankläger der Juden und seines eigenen Vaters zu werden, sie haben die Geschichte von der Ermordung des Chri- stcnmädchens Esther Salhmossh in der Synagoge erfunden, unter der Hand verbreitet und dem Moritz Sch. in den Mund gelegt. Die jüngsten Zcngenverhöre vor dem öffentlichen Gerichte brachten die übersührendstcn Thatsachen zum Vorschein, die selbst die Ankläger verstummen machten. Der Gerichts- schrciber Peczely ist ein Mörder und war als solcher zu 15 Jahren Zuchthaus verurtheilt, von denen er zwölf abgesesscn hat. Als der Bcrthcidiger Eötvös ihm diese Thatsache in das Gesicht warf und die amtlichen Beweise verlegte, war er nicdcr- gcschmettert, das ganze für ihn eingenommene Publikum sprachlos und selbst der Präsident schien nichts davon gemußt zu haben. Er hat den meisten Verhören des Moritz Sch. nicht beigewohnt, die Protokolle nicht selbst geschrieben (obgleich Ge- richlsschreiber), sondern sic nachträglich bündelweis unterschrieben, wie sie ihm der Untersuchungsrichter Barh hinreichte. Moritz mußte unter die Protokolle schreiben: „Ich habe dies alles ohne Zwang gestanden und geschrieben". Der Sicherhcits-Eommissar Barza erklärte vor Gericht, Moritz habe ihm gestanden, er habe nichts (von dem Morde) gesehen, aber alles, was man wollte, gesagt, weil man ihm drohte, ihn ewig „stecken zu lassen". -- Das sind die Ergebnisse der letzten Tage. In welche Zustände sicht man da hinein!
Nyiregyhaza, 28. Juni. (Tisza Eszlarer Prozeß.) Heute wurde das Verfahren in Betreff der auf Mord lautenden Anklage abgeschlossen und zu dem Faktum des Leichenschmuggels übergegangen. Bis Montag findet eine Pause in den Verhandlungen statt. Nachdem bezüglich der Mordanklage absolut kein Beweis hergestellt worden, ist man überzeugt, daß der Staatsanwalt die Klage zurückziehen wird.
Feuerproben im strengsten Sinn macht der Wiener Ingenieur Schella. Er geht angethan mit seinem Feuertauchapparat getrost ins größte Flammenmeer. Sechs Riesenscheiterhaufen werden von vier Klaftern Holz gebildet, die mit Pech, Schwefel und theergetränkten Hobelspänen ausgefüllt sind und mit Petroleum begossen werden; er bleibt in diesem Scheiterhaufen ohne Glasplatte und mit freien Augcn so lange, bis das ganze Holz niedcrgebrannt
ist und geht vollständig unverletzt heraus. Kaiser Wilhelm hat einer solchen Probe beigewohnt und gesagt: Man muß das sehen und staunen, wie weit es die neuen Erfindungen gebracht haben.
Ein neues Conservirungs mittel. Ein neues Conservirungsmittel hat nach dem „Oesterr. landw. Wochenblatt" Prof. W. Barff in dem „Boro- glycerid" entdeckt, welches den Vorthcil bicict, daß dasselbe sich nicht im Geringsten durch den Geschmack verräth und nach vielen angestellten Versuchen keinen gesundheitsschädlichen Einflüß ausübt. Das Präparat wird aus folgende Weise hergestellt: Glycerin wird stark erhitzt und dann so viel Borsäure hineingeschüttet. als sich darin zu losen vermag; Barff's Versuchen war das Verhältniß zuletzt 92 Theile Glycerin und 62 Theile Borsäure. Das so gewonnene Borvglycerid gleicht bei gewöhnlicher Temperatur Gefrorenem, kann mit dem Hammer in Stücke geschlagen werden, ist in höherer Temperatur zähflüssig und in heißem Wasser löslich. Der Verfasser hat Versuche mit einer Lösung von Borvglycerid in 20 bis 50 Theilen Wasser angestellt. Es eignet sich zur Conservirung von Milch, Fleisch, Austern rc.; Milch mit einem Zusatz von Borvglycerid versehen, wurde nach Jamaika und Zanzibar geschickt und kam daselbst wohlbehalten und wohlschmeckend an. Bei einem Vortrage, welchen der Verfasser über den Gegenstand in einer Sitzung der 8c>oiet;- ob ^.rts anck 8eien- 068 in London hielt, zeigte derselbe Trauben, Früchte aus Westindien, Sardinen aus Spanien, Hummer, Heringe, Austern, eine Rindszunge, Ochsen- und Hammelfleisch rc. vor, die Monate lang durch Boiogly- cerid vor Fäulniß bewahrt werden.
Schweiz.
Zürich, 2. Juli. Die Hcilbronner Nnder- geiellschaft „Schwaben" siegte glänzend über die Lyoner und Züricher Klubs. Erster Preis.
Frankreich.
Paris, 28. Juni. Der Minister des Innern hat gestattet, daß in Beziers (Südfrankrcich) die Stiergcfechte wieder cingeführt würden (!'.;
Paris, 2. Juli. Nachrichten aus Frohsdorf bezeichnen Chambord's Zustand als hoffnungslos, die Union fordert zu Fürbitten für denselben auf.
Italien.
Rom, 30. Juni. Der Senat hat den Handels- und Schifffahrtsvertrag mit Deutschland mit großer Mehrheit angenommen.
Gute Christen haben einen Onkel Bisckos oder Pabst gern 1) wegen der hohen Ehre und 2) weil solche Herren meistens etwas Weltliches zurücklegen können. Wie haben sich die Verwandten des weiland Cardinals Nntoiiclli in Rom um die fette Erbschaft gestritten, und die Erben Pins IX. haben sogar nm die jährlichen 6yz Millionen Lire Civilliste Prozeß geführt, die der italienische Staat dem Pabst vcrwilligt hatte. Sie baden aber den Prozeß verloren, weil Pius IX. dieses Geld niemals angenommen und erhoben hat, es also auch nicht in seinem persönlichen Besitz gehabt hat.
England.
London, 29. Juni. Nach den Schilderungen, die jetzt allerseits über Damietta gemacht werden, scheint der heillos verwahrloste Zustand dieses Fiebernestes ein öffentliches Geheimniß gewesen zu sein. Sir. S. Bakeb bemerkt heute darüber, daß es ein aneckelndes Beispiel orientalischen Schmutzes sei; wenn die Cholera fabrizirt werden könnte, so wäre Damietta jedenfalls die beste Werkstücke. Während des Feldzugs hauste dort bekanntlich Abdelal Paschah mit den schwarzen nubischen Regimentern. Seine Soldaten starben dort wie die Fliegen, wurden unter einer kaum zolldicken Erdschichte beerdigt und helfen jetzt mit an der Entwicklung der Dünste, aus denen die Cholera ihre Nahrung sog. Die Gendarmerie Baker Paschas soll einen undurchdringlichen Cordon um die Stadt gezogen haben.
(Eine gewichtige Petitio n.) Das Unterhaus in London hat verflossene Woche eine Petition wegen Aufhebung der Trinkhäuser an Sonn- und Feiertagen erhalten, die 500000 Unterschriften aufweist, 1400 Meter lang und 180 Kilogramm schwer ist.
Rußland.
Die Kosten der Krönungsfcierlichkeiten in Moskau belaufen sich auf 54 Millionen Rubel, eine Summe, welche um wenigstens 20 Millionen den Voranschlag übertrifft.
Schweden und Norwegen.
Die Mädchen in Hardanger in Norwegen dürfen sich nicht eher verloben, bis sie spinnen, stricken und backen können. Man sagt, daß dort alle Mädchen, die 16 Jahre alt sind, meisterhaft Flachs spinnen, Strümpfe stricken und Brod backen. Wie merkwürdig vernünftige Vorschriften doch manchmal Völker haben, die von der Cultnr noch nicht zu sehr beleckt sind.