hatte sich in der Nähe des Promenadenplatzes einen Bauplatz für den ansehnlichen Preis von 110000 von einer älteren Dame erworben u. im Nu waren auch die Arbeiten zu dem Bau an hiesige und in der Nähe wohnende Geschäftsleute vergeben, und Jeder freute sich im Stillen auf das gute Geschäft; denn der neue Bauberr war in jeder Beziehung nobel, von einem Handeln und Feilschen war diesmal keine Rede. Das Befremdende bei der Sache war jedoch eine Kautionsleistung von 5 Proz. der Akkordsumme in klingender Münze, beim Bauherrn Hinterlegbar, um für die rechtzeitige Fertigstellung und prompte Lieferung gedeckt zu sein. Doch was thut man nicht? Die Kaution wurde ausbezahlt, nur ein Ein­ziger weigerte sich, sie dem Bauherrn abzuliefern u. hinterlegte sie bei der hiesigen Vorschußbank. Die Vorarbeiten waren in vollem Gange, die Fundamente wurden gegraben, die Steinzufuhren betrieben. Jeder befliß sich, seinen übernommenen Verpflichtungen pünktlich nachzukommen, um der Kaution nicht ver­lustig zu gehen. Merkwürdigerweise läßt sich weder der Architekt, noch Herr Der schau, der reiche Bau­herr, sehen. Den Leuten wird unheimlich zu Muthe, sie wenden sich nach Paris, wo man einen derartigen Namen nicht kennt; nach Petersburg, von wo die erschreckende Nachricht eintrifft, Derschau sei ein herun­tergekommenes Subjekt ohne jegliche Mittel. Der schlaue Gauner hat bereits das Weite gesucht, circa 30000 den Geschäftsleuten aus der Tasche geschwin­delt, die als Gimpel auf den Leim gingen und sich gegenseitig fragen:Hast Du den Derschau nicht ge­sehen?"

München, 25. Juni. (Thierquälerei.) Ein Akt empörender Thierquälerei wurde in der ver­gangenen Nacht verübt. Einem in der Nähe des Schlachthauses eingestellten Kalbe wurden nämlich die beiden Augen ausgestochen, worauf das arme Thier noch lebend auf den Markt ins Schlachthaus verbracht wurde; erst um */«12 Uhr, nachdem das sichtlich von den gräßlichsten Leiden gepeinigte Thier den ganzen Vormittag über der brennenden Sonnen­hitze ausgesetzt worden war, machte ein mitleidiger Gastwirth einen Gensdarmen aufmerksam, der die sofortige Tödtung des Thieres veranlaßte.

Vor dem Schwurgerichte in München kam folgender Fall zur Verhandlung. Ein dreißigjähriger Arbeiter kommt in eine Wirthschaft, um zu übernach­ten. Beim Eintritt in die Wirthschaft mißhandelt er einen jungen Hund des Wirthes ohne allen Grund. Von der Wirthsfrau zur Rede gestellt, springt er auf und stößt ihr sein langes Messer in die Brust; als der Wirth seiner Frau zur Hilfe eilt, sticht er ihn mit 10 bis 12 Stichen zum Tode. Der Kerl wird zu 13 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Das schreckt aber nicht ab. Andern Tages schon schleu­dert ein junger Mensch, der sich an einem Wirthe rächen will, einen schweren Stein durch das Fenster, in die Stube und trifft statt des Wirthes einen Gast, der sofort todt von der Bank fällt.

Der Hausknecht eines Gasthauses in Kaisers­lautern vergaß einen Fremden zu wecken, der andern Morgens als Geschworener nach Zweibrücken reisen mußte. Wohl oder übel, der Gastwirts) bestellt einen Extrazug u. zahlt dafür die Kleinigkeit von 188

Mainz. Große Heiterkeit erregte in einem Gefangenentransport von Bingen nach hier ein Ar­restant, welcher nach dem neuen Gefängniß-Usus an Stelle seiner von ihm total zerrissenen eine Hose trug, deren eine Hälfte schwarz, die an­dere weiß von einem Tünchermeister in Bingen angestrichcn" war, während sich auf dem hintern Theile der Unaussprechlichen allerhandMalereien" befanden.

Berlin, 29. Juni. Die Strafkammer des Landgerichts verurtheilte im Prozeß gegen die Er- presscrbande desUnabhängigen" Grünewald zu sechsjährigem Gefängniß und sechsjährigem Ehren­verlust, Moser zu viereinhalbjährigein Gefängniß und vierjährigem Ehrenverlust, Sponholz zu vierjährigem Gefängniß und vierjährigem Ehrenverlust, Lodomez zu einjährigem Gefängniß und zweijährigem Ehren - Verlust, Vogelfang und Sawatzki wurden freige­sprochen.

Berlin, 29. Jnni. In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses, also kurz vor Schluß der Laudtagssejsion, hat die konservativ-klerikale Coa- lition ihre Dienste versagt. Bei der dritten Lesung der Schulvcrsänmnißvorlage hielt es der Abgeordnete Windthorst für gut, in der GcneraldiScussiou wieder

einmal das Prinzip des Schulzwangs anzufechten, gegen die Staatsomnipotenz zu donnern, von der Corrumpirung unseres Schulwesens zu sprechen, und wie sonst noch die Schlagworte lauteten, mit denen Herr Windthorst nicht zu geizen pflegt. In höchst entschiedener und würdiger Weise trat der Minister v. Goßler den Angriffen entgegen, erklärte die Ent­wickelung des preußischen Schulwesens für eine ab­solut gesunde und die bezügliche Gesetzgebung für eine richtige. So lange er sein Amt verwalte, werde er die Stellung der preußischen Schule, welche sie jetzt einnimmt, nicht verkümmern lassen. Nur in seinem Freunde Reichensperger fand Herr Windthorst einen Bundesgenossen. Sämmtliche Redner der übrigen Parteien aber, der conservative Abgeordnete Wagner, der freikonservative Abg. v. Tiedemann (Labischin), der nationalliberale Abg. v. Eynern und der fortschrittliche Abg. v. Zelle, stellten sich auf den vom Minister vertretenen Standpunkt der allgemei­nen Schulpflicht. So fand sich, als der Führer des Centrums ein neues Kriegssignal geben wollte, un- vermuthet eine conservativ-liberaleCoalition zusammen.

Berlin. Für das Museum einer deutschen Universität kamen Menschcnschädel an. Die Herren vom Zoll fragten sich, unter welchem Titel diese un­heimliche Ladung zu verzollen sei und kamen endlich auf einen genialen Einfall, der aller Noth ein Ende machte: Man verzollte die Schädel als getragene Sachen.

In Berlin macht gegenwärtig in medicinischen Kreisen ein Konflikt mit dem Professor Virchow einiges Aufsehen. Die Sache verhält sich so: Apo­theker Brandt in Zürich versendete an mehrere medicinische Celebritäten seine kilulas Helveticas, welche von guter Wirkung sein sollen, und bat, mit seinen Pillen Versuche an Kranken anzustellen. Virchow beachtete diese Pillen anfangs nicht; als jedoch eine erneute Bitte an ihn kam und er gerade in der Lage war, die Wirkung der Pillen an sich erproben zu können, that er dies. Die Pillen thaten ihre Schuldigkeit. Virchow, als artiger Mann, dankte dem Apotheker und theilte ihm das erwähnte Faktum mit, zugleich betonend, daß er an anderen Personen keine Versuche gemacht. Der Apotheker natürlich warf dieses Zeugniß eines so hervorragenden Arztes nicht in den Papierkorb, sondern veröffentlichte es.. Darob nun großes Geschrei in denMedizinischen Blättern" und der Centralausschuß des Berliner ärztlichen Bezirksvereins unternimmt Schritte gegen Virchow, den er als einen Förderer der Kur­pfuscherei und Geheimmittel-Propagauda hinstellt. Virchow hat es nun nicht nöthig, sich einem soauf­dringlichen Zunftgeist", wie er sagt, zu beugen. Er gibt eine öffentliche Erklärung ab, wie sich die Sache verhalten, daß übrigens die Pillen gar kein Geheim- mittel unddaß er nicht länger einem Verein ange­hören wolle, der sich anmaße, eine so willkührliche und verletzende Kritik auszuüben."

In Zittau schlug ein Feldwebel einen Reservisten mit der Faust so oft und lange ins Gesicht, bis dieses anschwoll und der Soldat zu Boden stürzte. Die anderen Reservisten, die Zeugen der Mißhandlung waren, erstatteten Meldung. Der Regimentskommandeur, Oberst v. Rcyer, beschiel) bald den Reservisten, der die Meldung unterzeichnet hatte, vor und eröff­net« ihm, daß cs ihm, (dem Oberst) sehr angenehm gewesen sei, von dem Vorfall Kenntnis; zu erhalten, und das; er dafür Sorge tragen werde, solcher Wirthschaft ein Ende zu machen.

- Ein ähnlicher Fall wird aus Düsseldorf berichtet: Ein bei einem dortigen Regiment freiwillig eingetrctener Bürger­sohn wurde seitens eines Unteroffiziers in schwerer Weise miß­handelt. Sofort wurde seitens der Vorgesetzten Behörde der Unteroffizier zur Verantwortung gezogen und sicht strenger Bestrafung entgegen. Diese Fälle beweisen nur, daß das beste Mittel, dergleichen Ausschreitungen subalterner Vorgesetzter zu vermeiden, die Anzeige bei den höheren Stellen ist. Von der Diisseld. Zig." wird noch ein anderer Fall aus der dortigen Garnison mitgetheilt. Ein hochstehender Offizier hörte zufällig auf der Straße, wie ein Unteroffizier einen Gemeinen aus gering­fügiger Ursache perEsel" titulirtc. Der Offizier bemerkte dem Unteroffizier,Der König habe keine Esel zu Soldaten", und befahl ihm, sich sofort zu drei Tagen Mittclarrest zu melden.

Aus Nidda schreibt man derF. Z.", daß die von derselben gebrachte, auch in andere Blätter übcrgcgangenc Ge­schichte von einer Frau, die ihren Mann mit Fünflingen beschenkt, unwahr sei.

Aachen, 29. Juni. Ein bedeutendes Feuer ist hier ansgcbrochen. Neun Häuser und einer der beiden alten Rathhausthürme stehen in Flammen.

Aachen, 30. Juni. Das gestrige Feuer ergriff etwa 20 Gebäude, darunter das Rathhaus, dessen Dachstuhl und Thürme ausbrannten. Die Akten und Papiere wurden gerettet. Die Feuerwehren der benachbarten Städte waren zur Hilfe herbeigeeilt. Der Krönungssaal und alle Schätze sind gerettet.

Der westliche abgebrannte Thurm gehörte zur alten Pfalz. Der östliche stammt aus dem 13. Jahrhun­dert. Auf telegraphische Bitte ist die Kölner Feuer­wehr um 6 Uhr mittels Schnellzuges mit zwei Spri­tzen von Köln abgefahren, um Hilfe zu bringen.

Die Kreuzzeitung will wissen, daß die Unter­suchungen in der Kraszewski'schen Angelegenheit (An­klage wegen Hochverrats)) immer weitere Ausdehnung gewinne und sich bereits ans die Provinz Sachsen, Hannover und Rheinland erstrecke.

Aschers leben, 28. Juni. Der Commandeur des hiesigen Husaren-Regiments, Freiherr v. Troichke, wurde heute auf dem Bahnhof von einer Nangirma- schine erfaßt und getödtet. Der Oberst stand abseits von den übrigen Offizieren auf einem Schieuenge- leise im Gespräch mit dem Bahnhofs-Inspektor, als die Maschine heransuhr. Der Inspektor wurde von den Puffern erfaßt und zur Seite geschleudert, der Oberst derart überfahren, daß der Tod sofort erfolgte.

Hamburg, 30. Juni. Bei der Reichsiags- stichwahl wurde Bebel mit 103 Stimmen Majorität gewählt.

Hamburg, 1. Juli. (Allgemeines deutsches Kriegerfest.) Der zweistündige Fcstzug erregte durch seine Charaktergruppen von 1813, sowie durch die Darstellung der ehemaligen Hamburger Bürgergarde von 1848 und von 1870 großen Beifall. Es nah­men an 30000 Personen an dem Feste theil, die Auswärtigen werden auf 15 000 Personen geschätzt. Abends findet ein Sommers in der Festhalle statt.

Die Straßb. Post schreibt: Man weiß jetzt, daß ein bestimmter, nur vom Mensch zum Menschen (wenn auch mittelst Kleidungsstücken u. s. w.) über­tragbarer Krankheitsstoff, ein allerdings noch nicht genau ermittelter mikroskopischer Pilz, die Infektion, das Ausbrechen der Cholera im Menschen vermittelt, daß dieses Ausbrechen durch Vorsichtsmaßregeln ge­mildert und behoben werden kann, und daß schließ­lich eine besondere Boden- oder klimatische Beschaf­fenheit, als große Dürre u. s. w., die Entwicklung: der Epidemie wesentlich begünstigt. Auf diese Kennt­nisse hin und auf die Thatsache, daß die Cholera aus ihrer indischen Heimat nur durch gewisse Massen­bewegung der Bevölkerung nach auswärs getragen wird, hat man den großen internationalen Verthei- digungsplan gebaut. Die in Konstantinopel einge­richtete internationale Gesundheitskommission ist mit Vollmachten versehen worden, welche eine genaue Ueberwachung namentlich des hierbei hauptsächlich in Betracht kommenden Seeverkehrs ermöglichen. Lei­der hat diese theoretisch erscheinende Einrichtung in der Praxis bereits versagt, aber nicht in Folge innerer Unvollkommenheit, sondern infolge des Eigen­sinnes, des Eigennutzes einer betheiligten Macht. Noch niemals hat sich wohl der Eigensinn und der Eigennutz Englands in so grellem Licht gezeigt, wie bei dieser Gelegenheit. Schon seit Mai war die be­zeichnte Kommission von dem Vordringen der Seuche aus Indien benachrichtigt und mühte sich ab, die uöthigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Da, es ist unglaublich, aber thatsächlich festgestellt, erklärt Eng­land, diese Maßregeln schaden seinem Handel, und wirklich setzt es die Verhütung derselben durch! Jetzt haben wir die Folgen. Die Seuche steht vor den Thoren des erschreckten Europa, ein Wunder wäre es, wenn sie nicht hineindränge, aber der englische Handel ist gerettet!

Ein gräßliches Unglück hat eine Bürgers­familie in Baar (Elsaß) in Trauer versetzt. Der Sohn des Bürgers Kuhn war nach Paris gereist, um eine Stelle als Barbier anzutreten. Unterwegs lehnte sich der junge Mann während der Eisenbahn­fahrt aus dem Wagenfenster heraus. Er muß sich dabei wohl sehr weit vorgebeugt haben, denn ein vorbeifahrender Schnellzug riß ihm den Kopf wie abgeschnitten vom Rumpfe weg. Erst auf der näch­sten Station bemerkte man den blutüberlaufenen Rumpf und schaffte ihn aus dem Zuge.

Laut der Saarbrücker Zeitung ist dem am 13. Juli v. I. von der Strafkammer des königl. Landgerichts zu Saarbrücken wegen gewerbsmäßi­gen Hazardspiels zu 2 Jahren Gefängniß verur- theilten früheren Kaufmanne Samuel Fuchs, zuletzt in Dresden wohnhaft, der Rest der noch zu ver­büßenden Strafe im Gnadenwege erlassen worden. Die Begnadigung erfolgt mit Rücksicht auf Alter und Krankheit des rc. Fuchs, jedoch ist demselben die Zahlung von 30,000 zu wohlthätigeu Zwecken auferlegt worden.