Waiblingen, 17. Juni. Eine traurige Kunde durcheilt gegenwärtig unsere Stadt. Verwaltungs­aktuar Rapp, eine hier äußerst beliebte Persönlich­keit, ist beim Baden ertrunken. Allgemein wird vermuthet, daß ein Schlag dem Leben des noch jungen Mannes ein so plötzliches Ende bereitet hat. Nach mehrstündigem Suchen wurde sein Leichnam gefunden.

Im Laufe dieser Woche werden die Metho­distenprediger von Deutschland und der Schweiz, ca. 90 an der Zahl, in Heilbronn ihre jährliche Konferenz abhalten.

Brandfälle: In Cannstatt am 18. Juni, Nachts 11 Uhr, 4 Scheunen total, 2 Wohnhäuser zur Hälfte; die Brandstätte war im sogen. Eßlinger Hof; in Böchingen (Oberndorf) am 15. Juni ein Doppelwohnhaus.

Kassel, 18. Juni. Der hier versammelte Congreß deutscher Müller und Mühlen-Jnteressenten beschloß, an die Reichsregierung die Aufforderung zum Erlaß eines Wassergesetzes zu richten.

Wiesbaden. Die hiesige altkatholische Ge­meinde hatte in der letzten Generalversammlung ein­stimmig die Einführung der deutschen Liturgie bei den Gottesdiensten beschlossen und ist gestern, Sonn­tag den 17 d. M., in der katholischen Pfarrkirche zum ersten Male dieDeutsche Messe" (deutsches Hochamt) abgehalten worden.

In Leipzig wurden dieser Tage Handschriften berühmter Männer und Frauen versteigert. Ein 6 Seiten langer Brief Lessings wurde mit 775 be­zahlt. (Kaum für einen ganzen Band seiner Schrif­ten hat L. zu Lebzeiten so viel erhalten!) Ein Brief der Hingerichteten Königin Marie Antoinette galt 461 ^6, ein Brief der eben so schönen und eben so unglücklichen Maria Stuart 323 Handschriften von Calvin, Mozart und Beethoven wurden mit 323, 330 und 335 bezahlt; ein paar Briefe Chamissos mit 171 -M; von Kepler, der am Himmel besser bekannt war, als auf Erden und auf dieser fast ver­hungerte, galt ein Brief 112 Dagegen gibts Leute, deren Handschrift gar nichts gilt, und wenn sie mit 5 PC. verzinst wird.

Berlin, 18. Juni. Die Nordd. Mg. Ztg. dementirt das Gerücht von dem Uebertritt des Her­zogs Paul von Mecklenburg zur katholischen Kirche und sagt: Während der Abwesenheit des Herzogs hat die Schwester seiner Gemahlin, die Gräfin Mon- cenigo, ohne Wissen der Wöchnerin die junge Prin­zessin durch den Erzbischof von Algier taufen lassen; der Herzog erfuhr dieses erst nach seiner Rückkehr nach Algier und beabsichtigt, Remedur eintretcn zu lassen.

Berliner Blätter melden, daß am Montag in Berlin der in Dresden lebende polnische Dichter Kraszewski verhaftet worden ist und zwar auf Grund einer Requisition des deutschen Botschafters in Wien, der zu dem Verdacht Grund zu haben glaubte, daß Kraszewski in die Spionage wegen der Interna und Pläne deutscher Festungen sowie anderer militärischer Geheimnisse zu Gunsten Frankreichs verwickelt sei. Schriftstücke, die in der Abwesenheit des Dichters von Dresden bei einer in seiner Wohnung vorgenom­menen Haussuchung gefunden worden sind, haben den Verdacht angeblich zur Gewißheit erhoben und bereits ist in dieser Angelegenheit die sehr geheim ge­führte Voruntersuchung im Gange. Zugleich mit Kraszewski wurden drei andere Polen verhaftet, nämlich die Gebrüder Kowendziesk, die in Dresden eine Cigarettenfabrik leiteten, und ein ehemaliger Ma­jor v. Bogdanowitsch, der Kraszewski's Romane theilweise ins Deutsche übersetzt hat. In Verbindung damit bringt man die Verhaftung eines Hauptmanns a. D. und späteren Telegraphensekretärs H., die ebenfalls am Montag in Schönebcrg bei Berlin unter besonderen Vorsichtsmaßregeln, angeblich wegen Lan- desverrath erfolgt ist. Ob und in wieweit diese Les­art zutreffend ist, muß abgewartet werden.

Die Eisenbahnverstaatlichung in Preußen wird mit den jetzt an die sechs größten noch bestehenden Privatgesellschaften gerichteten Kaufanerbietungen, deren Annahme man wohl voraussetzen darf, ihrem Ende ziemlich entgegcngeführt. Was noch übrig bleibt, ist kaum der Rede werth und wird bald von selbst ebenfalls in die Hände des Staates fallen oder doch in eine solche Abhängigkeit von demselben ge­rochen, daß man den Rest ruhig dem Privatbesitz und Privatbetrieb überlassen kann.

Von den vielen Erörterungen in der Presse

über Bennigsen's Rücktritt verdient besondere Beachtung, was der meist sehr gut unterrichtete Ber­liner Korrespondent derBohemia" seinem Blatt mitzutheilen weiß. Derselbe schreibt:Herr v. Ben­nigsen, der ehemalige Präsident des Nationalvereins, der Mitarbeiter des Fürsten Bismarck an der natio­nalen Wiedergeburt Deutschlands, der parlamentarische Alleinherrscher in den Jahren 18671877, hat eine Zukunft, die seine bedeutsame Vergangenheit voraus­sichtlich noch überragen wird. Kaiser Wilhelm per­sönlich hat niemals besondere Sympathien für ihn gehabt und bekundet. Im Gegentheil, er empfand und zeigte stets eine leise Abneigung gegen Hrn. v. Bennigsen, der ihm allzu lebhaft an dem Sturze seines angestammten Herrscherhauses (Herr v. Bennigsen ist bekanntlich ein Hannoveraner) mitgearbeitet und sich allzu freudig der neuen Ordnung der Dinge zuge­wandt hatte. Daß dies aus den uneigennützigsten Beweggründen geschah, daß nur reine deutsche Vater­landsliebe den Präsidenten des Nationalvereins zu dieser dem Welfenhause feindlichen Haltung bewog, und daß dieselbe in letzter Linie dem siegreichen Hohen- zollernhause zugute gekommen ist, konnte Kaiser Wil­helm nicht mit dem Geschehenen aussöhnen. Dagegen besitzt Hr. v. Bennigsen, wie allgemein versichert und geglaubt wird, die vollen, uneingeschränkten Sym­pathien des deutschen Kronprinzen und deßhalb ist nicht daran zu zweifeln, daß er der Mann der Zukunft, vielleicht der Nachfolger des Fürsten Bis­marck ist." Dann heißt es weiter: Bennigsen's Rück­tritt sei nur ein zeitweiliger und bedeute nichts An­deres,als daß er, der Mann der Zukunft, sich nicht durch den Mann der Gegenwart, der schon so viele tüchtige Kräfte vor der Zeit verbraucht hat, abnutzen lassen will."

Bonn, 16. Juni. In dcr heutigen Sitzung des Schöffen­gerichts nahm ein zu einer Gesängnitzstrafe von einigen Mona­ten verurtheilter Bursche von 21 Jahren den Spruch so übel, daß er sich blitzschnell eines seiner Schuhe entledigte und den­selben in voller Wuth dem Vertreter der Staatsanwaltschaft gegen die Brust warf. Den.wohlverdienten Lohn sür solche Rohheit wird ihm die Strafkammer in Kürze zubilligcn.

Hannover, 18. Juni. Die von der natio­nalliberalen Parteiversammlung beschlossene Resolu­tion wurde gestern dem Freiherru v. Bennigsen durch eine Deputation überreicht. Dem Hannover'- schen Courier zufolge erwiderte Bennigsen, er habe die Besorgniß gehegt, daß sein Schritt Verbitterung und Vorwürfe bei seinen Freunden erregen würde. Er habe zu seiner Freude aber nur Wohlwollen und Freundschaft gefunden. Die Ueberzeugung habe ihn zu dem Schritte gebracht, daß die von ihm befolgte Politik der versöhnlichen Richtung jetzt nicht Raum habe für einen Erfolg; er hoffe auf einen Umschlag der Stimmungen. Er werde politisch mit seinen Freunden stets eng verbunden bleiben, namentlich mit denen in Hannover.

In Galatz starb am vorletzten Freitag Frau Kath. Vergolici, die, wie die dortigen Blätter mel­den, das hohe Alter von 140 Jahren erreicht haben soll. (?)

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 16. Juni. Seit dem 12. Juni finden fortwährend Kämpfe zwischen den Albanesen und türkischen Truppen statt. Drei türkische Bataillone sind aufgerieben und die Albanesen eroberten 3 Ge­schütze. Eine Einigung der muselmännischen und griechische katholischen Albanesen mit den katholischen Albanesen soll bevorstehen.

In Klagenfurt spielte sich dieser Tage eine Scene aus dem Thierleben ab, die zahlreiche Zu­schauer herbeilockte. Am Sparkassegebäude kann man unter der Altane des ersten Stockwerkes vier Schwal­bennester erblicken. Eines derselben wurde, während das Schwalbenpaar einen Ausflug gemacht hatte, von einem kecken Spatzen besetzt, und alle Versuche der Besitzer, den unangenehmen Gast wieder ins Freie zu letzen, blieben erfolglos, vielmehr geberdete sich dieser schon als Herr im Hause. Es währte jedoch nicht lange, und das vertriebene Schwalben­paar kehrte wieder zurück, aber in Begleitung von ungefähr einem Dutzend seiner Geschlechtsvermandten. Jede Schwalbe trug im Schnabel Material für die Zumauerung des Nestes, und war dasselbe verbraucht, flugs wurde neues herbeigeschafft. In wenigen Minu­ten war das übermüthige Spätzlein in dem Neste eingemauert; fruchtlos blieben seine Bemühungen, zu entkommen, es gelang ihm nur, sich mit dem Schna­bel eine Oeffnung ins Freie zu bohren. Der Leib

aber blieb im Neste stecken, und so traf den kecken Eindringling das Loos des Verhungerns.

Frankreich.

Paris, 17. Juni. Gestern Abend machten sechzig Zöglinge der Militärschule von Saint-Cyr auf dein Eintrachtplatze eine deutsch-feindliche Kund­gebung, indem sie in Wagen vor die dortige Statue der Stadt Straßburg fuhren, zu Füßen derselben eine Fahne aufpflanzten und dreimal die Ruse aus­stießen:Es lebe Straßburg! Es lebe Saint-Cyr! Es lebe die Rache!" Die Polizei ließ alles gehen, wie es den Herren Kriegszöglingen gefiel.

Im Pariser Wintcrcirkus fand am 17. ds. eine Gedächtnißfeier für Garibaldi statt. Wie derK. Ztg." gemeldet wird, ist die Kundgebung sehr kläglich ausgefallen. Es wohnten der Ver­sammlung keine Franzosen von bekannten Namen bei und ohne die Mitwirkung der atheistischen Vereine würde der Saal fast leer gewesen sein. Auch die einflußreichen Italiener, welche in Paris wohnen, hielten sich der Versammlung fern.

Italien.

Rom, 14. Juni. Man schreibt demHamb. Korr.": Das Mittelmeer tritt immer mehr zurück, das ist die unangenehme Thatsache, welche in der cisalpinischen Presse ein lautes Echo findet. Be­kanntlich ist Venedig in Gefahr, seine Lagunen ebenso verschwinden zu sehen, wie früher dle von Adria verschwand. 'Adria war früher ein blühender Hafen ja das Meer empfing von ihm den Namen und heute liegt es 20 Lcguen davon entfernt. San Marco wird eines Tages demselben Loos verfallen. Zur Zeit Strabos war Ravenna ebenfalls ein Hasen, und heute liegt es eine Meile landeinwärts. Seit 1804 sind die Meeresufer an der Po-Mündung um 12 Kilometer zurückgctreten. Auch Pisa blühte im Mittelalter als Seestadt; jetzt liegt es mehrere Kilo­meter landeinwärts.

Der verst. Besitzer der Villa Farnesina, Her­zog von Ripalda, zu Rom hat zu Erben seines 5 Milk. Francs betragenden Vermögens durch am 15. ds. eröffnetes Testament seine in einem Institut zu Köln befindliche natürliche Tochter eingesetzt, ohne den Namen der Mutter zu nennen. Der König und die Königin von Neapel haben ein Vermächt- niß von je 50 000 Francs, der König außerdem ein Bildniß von Raphael in Werth von einer Million Francs erhalten.

Euglertd.

Sunderland, 16. Juni. Ein entsetzliches U n glück hat sich hier zngetragen. Nach dem Schluß der heutigen Kindervorstellung in der Viktoria-Halle entstand beim Ausgang ans dem Theater ein schreck­liches Gedränge, wobei mehrere Kinder niederfielen, während die nachfolgenden über die Gefallenen hin­wegschritten. Etwa 186 Kinder sollen umgekommen und sehr viele verletzt sein.

lieber das entsetzliche Vorkommniß, welchem in Sunderland, einer englischen Hafenstadt von 98 000 Einwohnern, 180 Kinder znm Opfer gefallen sind, liegt nunmehr folgender ausführlicher Bericht vor: Das Vergnügungs-EtablissementVictoriahall", in welchem sich einZauberkünstler" producirte, war mit 1200 Schulkindern im Alter von 4 bis 14 Jah­ren gefüllt. Nach Schluß der Vorstellung sollte eine Preisvertheilung stattfinden. Die auf der Galerie befindliche Kindermenge lief, um die Vertheilung nicht zu versäumen, in stürmischer Hast die fünf bis sechs Fuß breite Treppe hinab. Durch den Ansturm fiel die Thüre, welche zum Absperren der Treppe dient, in's Schloß. Der Ausgang war hiedurch plötzlich versperrt, was eine schreckliche Panique unter den Kindern, welche sich Plötzlich im Finstern befanden,

. hervorrief. Es entstand ein fürchterliches Gedränge. Die vordersten, in der Nähe der Thüre befindlichen Kinder wurden von den nachdrängenden, schrecklich schreienden Kindern niedergestoßen und zertreten. Als auf das Gekreich der mit dem Tode ringenden Kinder der Ausgang frei gemacht wurde, bot sich ein gräßlicher Anblick. Die Treppe war mit Leichen, Verwundeten und halberstickten Kindern bedeckt. Durch das sofort eingeleitetc Rettungswerk wurden die noch lebenden Kinder in's Freie gebracht. Un­möglich läßt sich das verzweifelte Gebühren der her­beigeeilten Eltern schildern. Manche Eltern haben den Tod von 3 bis 4 Kindern zu beklagen. Auf dem Schreckensorte spielten sich haarsträubende Sze­nen ab. Man sah Greise sich auf dem Boden