Erbschafts- und Schenkungssteuer zur Bcratbung. Die Com­mission hatte beantragt, die k. Regierung möge diese Petition in Erwägung ziehen. Dieser Antrag fand viele Fürsprecher im hohen Hause, wurde aber vom Minister v. Renner be­kämpft mit dem Hinweis darauf, daß es sich kaum empfehlen dürfte, an dem Gesetz über die Erbschafts- und Schenkungs­steuer, das erst seit 2 Jahren besteht, heute schon wieder zu ändern. Schließlich wurde der Commissionsantrag mit 71 gegen zwei Stimmen (v. Schad und Hartmann) angenommen. Endlich standen heute noch die Leistungen aus den Rcichs- kassen zur Berathung. Man ging stillschweigend darüber hin­weg. Der Autheil Württembergs an dem Ertrage der Zölle und der Tabaksteuer wurde pro 1883/84 mit 3460 640, pro 1884/85 mit ^ 3 746 010, der Antheil Württembergs an dem Ertrag von Reichsstempelabgaben pro 1883/85 mit je 527 700 in den Etat eingestellt. Angesichts solch großer Summen, die unserem sehr bedürftigen Etat aus der Rcichs- kasse zufließen, enthielten sich die Demokraten wohlweislich, die Zollpolitik des Reichskanzlers zu bekämpfen, wozu noch bis vor kurzem jede sich darbietcndc Gelegenheit vom Zaun ge­brochen wurde.

Stuttgart, 28. Mai. Die Leiche des im Duell gefallenen K. K. österreichischen Oberstlieutenants v. Schlaft er wird Dienstag Mittag hier eintreffen.

In Borst in gen kam ein vierjähriges Knäb- lein, das auf dem Felde spielte, unter eine Acker­walze und wurde in buchstäblichem Sinne zermalmt.

Schramberg, 28. Mai. Die hiesige Por­zellan- und Steingutfabrik Uechtritz und Faist ging bei dem heute stattgefundenen letzten Verkaufs­termin in den Besitz der Herren Villeroy und Boch in Mettlach um den geringen Preis von 355 000 Mark über. Dieselbe soll den seitherigen Besitzer weit mehr als eine Million gekostet haben. Die Uhrenfabrik Landenberger und Lang in Schramberg erzielte einen Zwangsvergleich mit 19 pCt.

Der Versicherungsanschlag der abgebrannten Beckh'schen Fabrik in Faurndau beträgt 421000

Brandfälle: In Almersbach (Backnang) am 25. Mai ein zweistöckiges Wohnhaus mit Scheuer im Anschlag von ca. 2000 in Ochsenhausen am 27. Mai das aus einem Wohnhaus und zwei Anbäuden bestehende Anwesen des Riedbauers I. E. Högerle. Der Schaden beziffert sich auf ca. 4000 Mark; in Hüttenreute (Saulgau) am 26. Mai, Nachts, das zweistöckige Oekonomiegebäude des Hirsch- wirths I. Müller, der Schaden beträgt 6000 -M; in Oedenwald, Gem. Loßburg, (Freudenstadt), am 26. Mai das Haus des Chr. Kilgus, der Schaden beträgt 6000

VondcrElz. 23. Mai. Ein blutiges Drama spielte sich letzten Samstag in Riegel ab. Ein dor­tiger Bürger gerieth mit einem ledigen Manne we­gen Erbschaftsangelegenheiten in Streit und stach letzter» mit der Mistgabel derart in den Unterleib, daß er bald seinen Geist aufgab. In der Wuth schlug er der zur Abwehr herbeieilenden Mutter des Getvdteten noch den Arm ab. In das Amtsgefäng- niß nach Kenzingen verbracht, erhängte er sich an seinem Sacktuch. Der Getödtete war verlobt; der zur Hochzeitsfeierlichkeit bestimmte Tag wurde sein Begräbnißtag.

Berlin, 25. Mai. In verschiedenen hiesigen Gewerken stehen umfangreiche Arbeitseinstellungen bevor. Am Sonntag hielten die Maurer, die Zim- mcrleute, die Maler, die Tischler, die Putzer, die Töpfer Versammlungen ab und beschlossen, bedeu­tend höhere Lohnforderungen, die theilweise eine Höhe von 2025 pCt. erreichten, zu stellen, und im Falle der Verweigerung durch Arbeitseinstellungen zu erzwingen.

Berlin, 28. Mai. Der Bundesrath geneh­migte den italienisch-deutschen Handelsvertrag und die Literarkonvention mit Frankreich.

Berlin, 28. Mai. Die feierliche Enthüllung der Denkmäler Wilhelm's und Alexander'» v. Hum­boldt im Universitätsgarten hat heute Mittag um 12 Uhr stattgefunden. (Fr. I.)

Welch ungeheuren Durst auch eine Frau haben kann, davon gibt folgender Vorfall Zeugnis;: In Berlin stand die 38jährige Magdalena Block aus Bayern vor dem Schöf­fengericht unter der Anklage, am zweiten Pfingstfciertag drei Schlackwürste im Gewicht von 4 Pfund und im Werth von 5 Mark gestohlen zu haben. Der Diebstahl wurde sofort be­merkt, die flüchtige Diebin verfolgt und ihr auf der Straße die drei Würste wieder abgcnommcn. Präs, (zur Angeklagten): Räumen Sic ein, die drei Schlackwürste entwendet zu haben? Angeklagte: Ich weiß nichts, ich hatte einen grausigen Affen. Präs.: Hatten Sie denn so viel getrunken? An­geklagte: Ich war am ersten Freitag mit meiner Wirthin zu- summen. Wir waren in der Hasenhaide in der Neuen Welt und tranken jede 6 Glas Bier. Wie der Ballon hoch ging, trank ich noch 6 Bier und 4 Cognacs und brachte meine Wivlhin dann nach Hause. Da ich noch Durst hatte,ging ich durch". Es können nun doch wohl noch so derMaße zehne" herangekommen sein; da fand ich ein Lokal offen, wo ich soll gestohlen haben. Präs.: Dann wollen Sic wohl sinnlos be­

trunken gewesen sein? Angekl.: Da wird wohl nichts daran gefehlt haben.

Vom Kaiserstuhl, 24. Mai. Eine der reichsten Kirschenernten seit vielen Jahren steht bei günstigem Witte­rungsverlauf in Aussicht. Die Acstc vieler Bäume biegen sich schon jetzt unter der Last ihrer Früchte, so daß sie von ferne wie Trauerweiden anzusehcn sind. Im Laufe der nächsten Woche dürften Frühkirschen zu Markte kommen.

Schwedt a. O., 23. Mai. Gestern Abend um die achte Stunde brach in dem ca. I V, Meilen von hier gelegenen Orte Neu-Galow, auf dem Ge­höft des Rittergutsbesitzers Herrn Falkenthal, Feuer aus und sind sämmttiche Gebäude, bis auf Brennerei und Wohnhaus, welche beide massiv gebaut sind, total abgebrannt. Leider sind auch ca. 1800 Schafe, ca. 70 Stück Rindvieh und 10 Pferde in den Flam­men umgekommen.

Schweiz.

Zürich, 28. Mai. Bei der Volksabstimmung wurde mit großer Mehrheit die Aufhebung des Impf­zwangs, mit kleiner Mehrheit die Wiedereinführung der Todesstrafe beschlossen.

Frankreich.

Paris, 26. Mai. Giraud, Deputirter des Cher, hat zum Budget von 1884 einen Antrag ge­stellt, der eine Reihe von Luxussteuern umfaßt. Sein Vorschlag will die Jagdscheine, die Steuern auf Lu­xuswagen, auf Reit- und Wagenpferde und die Steuer für Luxushunde erhöhen. Ferner soll für jeden Livree-Bedienten fürs Jahr 20 Fr., mit einer Vermehrung von 10 Fr. jährlich für jeden weiteren Bedienten, bezahlt werden. Schließlich fordert er eine ständige Abgabe für Adelstitel; dieselbe beträgt jährlich für einen Fürsten 100, für einen Herzog 80, für einen Marquis 70, für einen Grafen 60, für einen Baron 50, für einen Vicomte 40 und für einen einfachenvon" 30 Fr. Auch kann jeder ermächtigt werden, einen dieser Titel zu tragen, wenn er außer den jährlichen Abgaben dem Staatsschatz für den Prinzentitel 50000, für den eines Herzogs 45 000, für den eines Marquis 40 000, für den eines Gra­fen 35 000, für den eines Barons 30000, für den eines Vicomtes 25000 und für das einfachevon" 20000 Franken bezablt. Der Ertrag aller dieser Abgaben soll in dieKasse der Invaliden der Arbeit" fließen.

Der Pariser Bankier Rothschild mußte letz­ten Sonntag Polizcimannschaft requiriren, um unge­fähr 50 polnische Bettler zu vertreiben.

Im Laufe des Jahres 1882 wurde in Frank­reich für 363 500 000 Franken Tabak verraucht.

Vergauge Woche wurden in Marseille ca. 70000 Wachteln, die aus Messina und Alexan­drien angekommen waren, abgeladen und weiter nach England befördert.

Die französischen Blätter richten heute in ihren Spalten ein großes Säbelrasseln an. Wenn es nach der vergossenen Tinte gienge, so wären die asiatischen Barbaren heute schon alle mit Stumpf und Stiel ausgerottet. DasJournal des Debats" ruft aus:Wenn Tonking gestern noch nicht fran­zösisches Land war, so ist es dies seit gestern durch die Bluttaufe! Es ist für uns eine heilige Pflicht, frommsinnig das ruhmreiche Grab Riviöre's und seiner Genossen zu behalten." (Die Franzosen hat­ten nämlich daselbst durch diese Barbaren eine em­pfindliche Schlappe erlitten.)

Italien.

DerBerl. Post" geht aus San Remo ein energischen Protest zu gegen das schändliche Weg­morden der Singvögel, wie es auch dieses Jahr wie­der an der Riviera betrieben wird. Zu Dutzenden sieht man die italienische Jugend, welche sonst ihr Leben in den Tavernen und auf dem Ballplatze zu­bringt, eine Vogelflinte über dem schmierigen Kittel auf dieJagd" hinaus ziehen. Am Abend kommen diese Helden mit Beute reich beluden nach Hause; ihre Taschen bersten fast unter der Last der Roth- kehlchen, Schwalben, Fliegenschnäpper, Stieglitze u. Nachtigallen letztere gelten als ganz besondere Leckerbissen. Für jeden Nichtitaliener ist diese Ver­nichtung der nützlichsten und lieblichsten Geschöpfe ein wahrer Greuel, und die Art und Weise, wie deren Mord überall vor den Augen der Fremden betrieben wird, ist empörend. Hohe Zeit aber wäre es, daß mit aller Energie ein Vertrag zwischen dem deut­schen Reiche und Italien angestrebt würde, der dem Massenmorde der nützlichsten Freunde und Schützer unserer Land- und Forstwirthschaft steuerte.

Eualand.

London, 26. Mai. Einer Depesche der Ti­

mes zufolge stände der Abbruch der diplomatischen ! Beziehungen zwischen Frankreich und China in Folge 1 der Tongking-Frage unmittelbar bevor. Der fran­zösische Gesandte in Peking soll nächstens seine Pässe erhalten, und der Gesandte Chinas in Paris die seinigen fordern. Eine Bestätigung dieser Meldung aus Paris liegt noch nicht vor.

London, 29. Mai.Times" undDaily News" verdammen heftig den französischen Zng nach Tonking. Beide betonen die Bedrohung des eng­lischen Handels mit China, welcher den Werth von 19 Millionen Psd. Sterling darstclle, durch einen möglichen Krieg zwischen Frankreich und China; das sei vom englischen Standpunkte aus unzulässig. Die Times" schließt ihren Leitartikel mit folgenden Worten: Die Gelegenheit mag kommen, in der un­sere Regierung es für nothwendig erachten wird, Frankreich Vorstellungen zu machen und eine Grenz­linie vorzuschlagen, über welche es nicht hinausgehen soll. DieDaily News" sagt: Sollten zwischen Frankreich und China ernstliche Schwierigkeiten ent­stehen, so wird es eine brennende Frage werden, ob die französischen Kriegsexercitien ans Kosten Eng­lands betrieben werden sollen.

Rußland.

Moskau, 27. Mai. Der Kaiser hat an den Minister des Aeußern, Herrn v. Giers, folgendes Reskript gerichtet:Die Macht und der Ruhm, welche Rußland Dank der Vorsehung erworben hat, die Ausdehnung des Reiches und seine zahlreiche Bevöl­kerung lassen keinerlei Gedanken an Eroberung Platz. Meine Sorge ist ausschließlich der friedlichen Ent­wicklung des Landes, seinen freundschaftlichen Bezieh­ungen zu den Mächten auf Grundlage der Verträge und der Wahrung seiner Würde gewidmet. Da Ich in Ihnen einen zuverlässigen, eifrigen, von diesen Ansichten bei der Leitung der internationalen Bezieh­ungen beseelten Mitarbeiter gefunden habe, verleihe Ich Ihnen den Alexander-Newski-Orden in Diaman­ten als Beweis meiner Dankbarkeit. Alexander III."

Moskau, 27. Mai. Die Krönung ist pro­grammäßig ohne Zwischenfall verlaufen. Die Cere- monie dauerte von 10 bis 12Vi Uhr. Als der Kai­ser kuieend das Gebet für das Volk sprach, über­wältigte ihn die Bewegung dergestalt, daß er laut weinte. Die Anwesenden, welche während des Ge­betes standen, waren aufs Tiefste ergriffen, mehrfach war lautes Schluchzen hörbar. Das hierauf folgende Gebet für den Kaiser im Namen des Volkes wurde von den Now-Goroder Metropoliten und den An­wesenden knieend dargebracht, während der Kaiser aufrecht stand. Nach beendeter Feier schritt das Kaiserpaar nach der Blagowestschensky- und der Archangelskirche und verrichtete dort ein kurzes Ge­bet, worauf die Rückkehr nach dem Palais erfolgte. Die Haltung der Bevölkerung war musterhaft, überall herrschte eine ernste und ehrerbietige Stimmung.

Moskau, 27. Mai. Abends 6 Uhr wurde das kaiserliche Manifest verkündet. Es gewährt Er­laß aller Steuerrückstände, Kopfsteuer wie direkte und indirekte Abgaben, ferner die Strafmilderung aller Urtheile, welche Gesetzeskraft noch nicht beschrit­ten haben, Erleichterung abzubüßender Strafen, Auf­hebung der Polizeiaufsicht auf die im administrativen Wege Verbannten; es gewährt letzteren die Rückkehr nach Rußland. Das Manifest enthält ferner die Er- laubniß zur Rückkehr für die über die Grenze gegan­genen Flüchtlinge, für die Theilnehmer an der pol­nischen Insurrektion, denen bisher der Aufenthalt in den Residenzen und in den polnischen Gonverne- mentsstädten und der Eintritt in den Staatsdienst verwehrt gewesen war. Ausgeschlossen sind: Mörder, Räuber, Brandstifter. Außerdem ist für eine Anzahl von begangenen Verbrechen eine theilweise Amnestie verkündet.

Moskau, 27. Mai. Die Illumination ist eine zauberhaft schöne. Der Kremlgarten ist durch 500 000 Lichter in polychromen Gläsern und 8 große elektrische Sonnen, jede in einer Stärke von 40000 Kerzen, sowie 10 kleine Sonnen zu je 7000 Kerzen­stärke erleuchtet. Ununterbrochen werden bengalische Feuer auf der Kremlmauer und den Thürmen abge­brannt. Durch farbige Gläser auf den Thürmen der Stadt sind beglückwünschende Worte, Guirlanden und Wappen gebildet. Die Illumination wird drei Abende lang wiederholt werden.

Moskau, 28. Mai. Bei dem Eingänge in die Kathedralkirche begrüßte der Metropolit den Kai­ser mit folgender Rede: Sehr frommer, erhabener