Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
-6- Altenstaig, 26. März. Zur Zeit des letzten großen Schneefalls durchzog ein älterer Handwerksbursche aus dem Bezirk Böblingen fechtend die benachbarten Landorte. Auf dem Fußpfade des bewaldeten Thalabhangs zwischen Altenstaig- Dorf und der hiesigen Lohmühle scheint derselbe gestürzt und im Schnee liegen geblieben zu sein. Am Osterfest Vormittag wurde der erfrorene Leichnam desselben aufgefunden.
In Freudenstadt begrub eine vom Dache eines Hauses niederstürzende Schneelawine 4 auf der Straße spielende Kinder. Drei derselben wurden wieder lebend hervorgezogen, aber ein 4jähriger Knabe war todt; die Schneelast hatte ihm das Genick gebrochen.
(Kgl. Schwurgericht Tübingen.) Tagesordnung für die Sitzungen im I. Quartal 1883. I> Mittwoch den 28. März, Vormittags 9 Uhr: Strafsache gegen den Gemeinde- waldschützen Nikol. Schieler von Haiterbach wegen Meineids. 2) Donnerstag den 29. März, Vormittags 9 Uhr: Strafsache gegen den ledigen Bauern Joh. Jakob Sauer von Genkingen u. Gen., wegen Brandstiftung. 3) Freitag den 30. März, Vormittags 10 Uhr: Strafsache gegen die ledige Dorothea Riexing er von Agcnbach wegen Brandstiftung.
Dem Vernehmen nach beabsichtigt der allgemeine Württembergische Schullehrerverein — welcher ungefähr 1700 Mitglieder zählt, seine diesjährige Plenarversammlung in Böblingen zu halten, vorausgesetzt, daß eine genügende Anzahl Nachtquartiere zur Verfügung gestellt werden kann.
Stuttgart, 23. März. Graf Taubenheim gilt als der Mann, welcher die meisten Orden besitzt, gegen fünfzig mehr wie Fürst Bismarck. Es wird noch manchem Zeitungsleser erinnerlich sein, daß vor einigen Jahren folgende, den Ordensreichthum des Grafen Taubenheim betreffende Geschichte durch die Blätter lief. Als der Graf zu den Beisetzungsfeierlichkeiten der verstorbenen Königin von Holland, bekanntlich einer Schwester König Karl's, nach dem Haag reiste, hatte er in einem kleinen Koffer seine jämmtlichen Decorationen bei sich, die bei solchen Gelegenheiten aus Courtoisie gegen die Vertreter der andern Höfe angelegt werden. Die holländischen Zollbeamten konnten sich in ihrer Herzenseinfalt gar nicht vorstellcn, daß eines einzelnen Menschen Brust berufen sei, von einer solchen Unzahl von Orden geziert zu werden. Trotz aller Gegenversicherungen hielten sie an der Ansicht fest, daß der Graf ein Juwelier sei, und wegen Zolldefraudation hätten sie den Koffer mit den Orden constszirt, wenn nicht Telegramme aus dem Haag, wohin sich der Graf gewandt, ihn und seine Orden aus den Händen der Zollbeamten befreit hätten. (T. Ehr.)
Stuttgart, 27. März. Gestern Nachmittag 4*/s Uhr bewerkstelligte Herr F. Vogel vom Hose des K. Marstallgebäudes aus, begünstigt von herrlichem Wetter, seine erste Auffahrt in dem von ihm selbst gefertigten Ballon „Neptun". Nach einem von Gmünd an Frau Vogel hier eingetroffenen Telegramm ist der Luflschiffer in der Nähe von Ruppertshofen, 3'/- Stund nördlich von Gmünd, gestern Abend glücklich und wohlbehalten gelandet.
Stuttgart, 27. März. (Gegen den Alkohol.) Heute Vormittag 10 Uhr fand im Vereinshaus in der Gerberstraße eine vertrauliche Besprechung statt über Anträge, welche der am kommenden Donnerstag den 29. März zuKassel stattfindenden konstituiren- den Versammlung des „Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke" vorgelegt werden sollen. Bei dieser Gelegenheit theilte der Einberuser mit, daß der Verein in Württemberg schon gegen 60 Mitglieder zählt. Veranlaßt ist die Kasseler Versammlung durch eine im Oktober vergangenen Jahres zu Frankfurt a. M. stattgehabte Versammlung, auf welcher etwa 50 Mitglieder die Ausarbeitung eines Statutenentwurfs beschlossen, der nunmehr im Druck vorliegt.
Das Stuttgarter „N. T." berichtet: Als gestern Abend nach 6 Uhr ein Zug Staaren über die Stadt flog, stießen welche auf dem Wegevom alten Schloß nach dem Waisenhause an die dort angebrachten Te- lephvndrähte und 8 Stück von den schönen Vögeln fielen theils todt, theils verwundet zur Erde. — Nill's Thiergarten hat den Winter über allerlei Verluste zu beklagen; der jüngste ist der Tod des Löwen Said. Zu Grunde gegangen ist ferner ein kleiner Pony; der Hirsch hat seine Frau in einem Anfall von Eifersucht durchbohrt und getvdtet. Von
den 6 großen Schlangen von Hagenbeck ist nur noch 1 St. übrig.
Lndwigsburg, 28. März. Gestern Abend wurde beim hiesigen Amtsgericht die Anzeige gemacht, daß der Gemeindepfleger von Neckargröningen Pflegschaftsgelder unterschlagen habe. In Folge dessen wurde heute früh ein Landjäger dorthin ab- gefchickt, um denselben zu verhaften. Als der Landjäger in Begleitung des Schultheißen in das Haus kam, flüchtete sich der Gemeindepfleger, ein etwa 60jähriger Mann, auf die Bühne, sprang zum Bühneladen hinaus und war sofort eine Leiche.
Urach, 24. März. Die Untersuchung bezüglich der Entstehungsursache des Brandes im hiesigen Seminar blieb resultatlos. Der angerichtete Schaden wurde im Ganzen auf nahezu 8000 »kL geschätzt.
Weingaricii, 26. März. Am Abend des Charfrei- tags kam i» dem Weiler Friesenhäusle, Gemeinde Baindt, ein 4jähriger Knabe, der im Bette lag, in Abwesenheit der Eltern dem Licht zu nahe, und als die Mutter vom Stalle in die Stube zurückkehrte, war das Bett vollständig verbrannt u. das arme Kind todt. (N. T.)
Biberach, 23. März. Ein frecher Diebstahl wurde vorgestern laut „O. A." auf dem hiesigen Rathhause im Parthienzimmer des Gerichtsnotariats verübt. Der Notariatsdiener S. hatte die Summe von 662 ^ in Verwahrung, und nachdem er einen Schein gewechselt hatte, wurde er durch die Glocke eines Beamten äbgerufen. In eifriger Pflichterfüllung erledigte er den Auftrag desselben, um nach der Rückkehr die fatale Entdeckung zu machen, daß das Geld gestohlen war.
Brand fülle: In Jnntobel, Gem. Berg, OA. Ravensburg, am 22. März 2 Wohnhäuser samt Stallungen.
München, 20. Mürz. Bei der am 17., 18. und 19. März im Krystallpalast abgehaltenen Hundeausstellung waren 400 Exemplare vertreten. Das größte und gewaltigste Thier, das allgemein bewundert wurde, war ein Leonbergerhund im Besitz von Essig zum Schweizerhaus in Leonberg. Der Hund wurde seiner gewaltigen Form wegen photo- graphirt und für 1550 ^ nach Stuttgart verkauft, wo er zum besonderen Schutz einer Dame bestimmt ist.
München, 21. Mürz. Den „N. N." wird mitgetheilt, daß gestern ein des Mordes an der Frau Zirkelbach dringend verdächtiges Individuum verhaftet und in die Angerfrohnfeste eingeliefert worden ist. Die Agnoszirung dieses Menschen erfolgte in einem hiesigen Kaffeehaus u. zwar durch die herbeigeholte jüngere Tochter der Ermordeten. Nach einer weiteren Nachricht sollen 2 Individuen verhaftet und solche der That geständig sein.
München, 22. März. Die München-Aachener Feuerversicherungs-Gesellschaft hat für die Ueber- schwemmten im Ganzen den Betrag von 42 000 bewilligt.
Nicht übel. Im „Wiesbadener Tageblatt" vom 1. März lesen wir folgende bemerkenswcrthe Anzeige: „Ausgc- zcichnet als Hnndcfutter sind Soldatenzwicback pr. Kilo 24 Pfg. A. Schmitt, Metzgergasse 25."
Berlin, 21. März. Das Reichsgesetzblatt Nr. 3 enthält das Gesetz, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts für 1883/84. Derselbe balan- cirt in Ausgaben und Einnahmen mit 590556 634 Mark. Unter den Ausgaben sind die bemerkenswer- thesten Posten: Reichsheer 339 851 784 -M, Marine 26 587 067 Reichs-Jnvalidenfonds 29 340 315 Mark, Allgemeiner Pensionsfonds 19 539 443 »U, Reichsschuld 14 652 500 Mark, Auswärtiges Amt 6 825 415 v/6 Unter den Einnahmen treten hervor: Zölle und Verbrauchssteuern 345 047 390 cM, Mat- rikularbeiträge 91888 802 -M, aus dem Reichsinvalidenfonds die obigen 29 340315 vkL, Außerordentliche Zuschüsse 37 987 079 »16, Posten u. Telegraphen 23 867 023
Berlin, 21. März. Die Nachricht, daß Vizeadmiral Bätsch den Abschied erbeten habe, wird von Kiel aus als unbegründet bezeichnet, mit dem Bemerken, daß der Kaiser das weitere Verbleiben des Vizeadmirals im Dienste ausdrücklich gewünscht habe. (Sch. M.)
Berlin, 22. März. Der württembergische Gesandte von Baur-Breitenfeld überbrachte am Dienstag Nachmittag den Herren Brasch und Rothenstein persönlich 1000 ^ als Beitrag des Königs von Württemberg zu dem Unterstützungsfonds für die Nothleidenden in Amerika.
Der Mörder des Geldbriefträgers Cossäth in Berlin ist nunmehr in der Person des Commis
Ernst Sobbe in Magdeburg ermittelt und nach seiner dortigen Festnahme am Charfreitag Vormittags in Berlin eingeliefert worden. Sobbe fnngirte als Reisender in einem Magdeburger Geschäft.
lieber die Einbringung des Mörders Sobbe in Berlin schreibt man dem „Hann. Kur.": Sobbe ist von mittlerer Größe, kräftiger Statur, mit intelligentem Gesicht, er trägt einen starken blonden Schnurrbart und hat blondes Kopfhaar. Er machte nicht entfernt den Eindruck eines Menschen, der fähig wäre, ein so abscheuliches Verbrechen zu begehen. In Moabit fanden sich gegen 12 Uhr die zur Erkennung geladenen Zeugen, etwa 20 an der Zahl ein, und warteten auf den Augenblick der Gegenüberstellung; da öffnete sich die Thüre des Zeugenzimmers, der Untersuchungsrichter trat unter die Versammelten und erklärte ihnen, daß sie entlassen seien und er von ihrer Vernehmung Abstand genommen, da der Sobbe ihm soeben unter Thronen gestanden, daß er der Mörder von Kossäth sei. Nur die 16jährige Tochter des als Zeugen geladenen Restaurateurs Abelt hatte zufällig den Sobbe gesehen, als die Zellenthüre geöffnet worden war, ihn sofort erkannt und mit den Worten: „Guten Tag, Herr Sobbe," aus seinen Träumereien, in die er vertieft schien, aufgeschrcckt. Dies soll die Veranlassung gewesen sein, daß Sobbe sich als Mörder bekannte, denn noch wenige Minuten vorher hatte er dem Landgerichtsrath gegenüber die That geleugnet, dieser ihm aber eine Bedenkzeit von 10 Minuten gewährt, in der das Mädchen den Mörder, niit dem es in dem Lokal des Vaters mehrfach verkehrt, anredete. Im Besitz des Sobbe befanden sich noch gegen 500 vkL; an seiner Wäsche und Beinkleidern waren noch deutliche Blutspurcn zu erkennen. Nach dem Verhör wurde Sobbe gebadet, erhielt Gefangenenkleidung und wurde in eine Einzelzellc gesperrt.
Der Kaiser war in den letzten Tagen an einem leichten Schnupfen erkrankt, doch befindet sich derselbe bereits wieder auf dem Wege der Besserung.
Wer hat schon von dem Verein deutscher Zif- feristen gehört? Dieser Verein strebt die Abschaf- sung der Noten und die Ersetzung derselben durch Ziffern an. Die Ziffern seien die allein richtige Tonschrift für die Schulen. (Ist nichts Neues und es mag zutreffend sein, daß die Schulkinder die Musik eher nach Adam Riese als nach Richard Wagner begreifen.)
Der neucrnannte Marineminister ist zwar, wie der Seemann sich ausdrückt, eine Landratte, aber ein durch Kenntnisse und große Vorzüge der Person und des Charakters gleich ausgezeichneter Militär. Festigkeit und militärisch strammes Wesen mit großem Wohlwollen verbindend ist er auch ein Meister des Wortes, wovon er im Reichstag mehrfache Proben ablegte. Er ist anfangs der dreißiger Jahre geboren, im Generalstab gebildet, rasch vorwärtsgekommen u. hat sich 1870—71 als Chef des Generalstabes des 10. Armeekorps glänzend ausgezeichnet. Man wirft die Frage auf, ob es nicht besser gewesen, einen gedienten Seemann zum Minister zu nehmen. Aber v. Stosch war ja auch eine „Landratte", und was v. Stosch geleistet, hat der Kaiser mit der höchsten Lobeserhebung anerkannt. Sollte Caprivi hinter Stosch Zurückbleiben? (Es darf nicht verhehlt werden, daß man unserer Kriegsflotte vorwirft, es bestehe in ihr manches Veraltete; — um so schwieriger und verantwortungsvoller wird die Stellung des neuen Marineministers sein.)
Die deutsche Marine hat mit den Chinesen einen kleinen Strauß ansznfcchtcn gehabt. Der „Nat.-Ztg." geht über denselben folgende Mittheilung zu: In Swatow hatte ein deutscher Kaufmann ein Stück Land von der chinesischen Regierung für 200 000 Dollars gekauft. Nach kontraktlichem Schluß dieses Geschäfts bot eine englische Handelsgesellschaft für dasselbe Land 250 000 Dollars. Der Mandarin ließ nun ohne Weiteres den Grenzstein, durch welchen der Deutsche das Grundstück als sein Eigcnthum gekennzeichnet hatte, fortnehmen und an dessen Stelle ein chinesisches Grenzzeichen Hinsehen. Da sich Sr. Mas. Schiff „Elisabeth" im Hafen befand, so wurde der Kapitän desselben bewogen, für das Recht des bedrängten Deutschen cinzutreten. Am Sonntag dev 26. Oktober wurden sämmtliche Boote der „Elisabeth" zum Landen fertig gemacht. Nach der Landung nahmen die Mannschaft der beiden Kutter vom bestrittenen Terrain ohne Widerstand zu finden, Besitz. Die herandrängcnde chinesische Bevölkerung wurde mit Hilfe von Gewehrkolben zum Platzmachen gezwungen. Nachdem der deutsche Grenzstein wieder aufgestellt worden, wurde die deutsche Flagge aufgehißt und sodann ein Detachement von der „Elisabeth" zur Bewachung des Terrains zurückgelasseu. Inzwischen dauerten die Verhandlungen mit dem Mandarin fort, der sich erst zur Nachgiebigkeit bereit zeigte, als ihm der Kommandant der „Elisabeth" erklärte, daß Swatow und die beiden Forts beschossen werden würde», so-